Folge von KI? Junge Informatiker sind in den USA eher arbeitslos als Philosophen oder Kunsthistoriker

Bild: needpix.com

Seit Ankunft der generativen KI-Systeme wie ChatGPT, Gemini oder Krok wird gerätselt, welche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu erwarten sind. Gemeinhin wird die Angst geschürt, dass viele Jobs und nun eben auch die von Akademikern von KI-Systemen übernommen werden, auch wenn gleichzeitig zu beobachten ist, dass die Erwartungen hoch sind und KI noch erhebliche Probleme hat, Menschen wirklich zu ersetzen. Ganz abgesehen davon, dass die Anbieter noch weit davon entfernt sind, profitabel zu arbeiten, während die Kosten für den Bau und Betrieb der Serverfarmen (GPU-Server, Energie, Wasser) steigen.

Man sollte meinen, dass die Arbeitsplätze von IT-Fachleuten im Zuge der Entwicklung und Ausbreitung von KI weiter sicher sind, aber wahrscheinlich gehören sie paradoxerweise zu den am meisten gefährdeten. Das zeigt sich schon daran, dass Tech-Unternehmen, auch und vor allem die ganz großen, seit 2022 Hunderttausende von Angestellten entlassen haben.

Die Folge ist, dass die Gehälter sinken und Studienabgänger, die zu Beginn ihres Studiums noch mit hoher Nachfrage und guter Bezahlung rechneten, lange brauchen, bis sie einen Job oder auch nur einen Praktikumsplatz zu schlechteren Bedingungen finden, was auch nicht mehr ganz sicher ist. Nach langer Förderung der MINT-Fächer ist in den USA die Zahl der arbeitslosen jungen Menschen im Alter zwischen 22 und 27 Jahren mit einem Informatikabschluss auf 6,1 Prozent und für IT-Ingenieure auf 7,5 Prozent gestiegen, während bei den Ethnologen nur 2,6, bei den Kunstgeschichtlern 3 Prozent, bei den Philosophen 3,2 Prozent, bei den Journalisten 4,4 Prozent arbeitslos sind. Allerdings erhalten die Computerspezialisten noch höhere Einstiegsgehälter und arbeiten weniger in Teilzeit (underemployment).

Bestätigt wird der Trend durch eine Studie von Stanford-Wissenschaftlern, in der sie die Entwicklung von Millionen von Angestellten zwischen Januar 2021 und Juli 2025 anhand von Lohnabrechnungen und Berufsbezeichnungen untersuchten. Monatlich wurden 3,5 bis 5 Millionen Angestellte erfasst, deren Jobs dem Einfluss von Künstlicher Intelligenz mehr oder weniger ausgesetzt sind (AI exposure). Dazu verwendeten sie beispielsweise den Anthropic Economic Index, der erfasst, wie oft und in welchem Ausmaß beruflich Auskunft vom LLM Claude von Anthropic eingeholt wird.

Deutlich wird, dass bei Softwareentwicklern 2021 ein Peak erreicht wurde und dann für Jüngeren ab 2022 ein rasanter Rückgang bei den Jobs zu sehen ist, während die Anstellungsrate für die Älteren weiter leicht ansteigt. Bis Juli 2025 ging die Beschäftigung von Softwareentwicklern im Alter von 22 bis 25 Jahren im Vergleich zu ihrem Höchststand Ende 2022 um fast 20 % zurück, bei den 26- bis 30-Jährigen sind es 10 Prozent. Ähnlich sieht es bei Angestellten im Kundenservice aus. Gegensätzlich sieht es etwa für KI-ferne Jobs im Gesundheitswesen, für Pflegehelfer, psychiatrische Helfer und Helfer im häuslichen Gesundheitswesen. Hier hat die Beschäftigung junger Arbeitnehmer schneller zugenommen als die älterer Arbeitnehmer. Das ist auch so bei Industriearbeitern, Krankenschwestern oder Einzelhandelsleitern.

„Bei den 22- bis 25-Jährigen sinkt die Beschäftigung in den am stärksten KI-gefährdeten Berufen und steigt in den am wenigsten gefährdeten Berufen. Bei älteren Arbeitnehmern beobachten wir geringe Unterschiede in den Beschäftigungstrends je nach KI-Exposition“, schreiben die Autoren. Insbesondere geht die Beschäftigung von Berufsanfängern bei KI-Anwendungen zurück, die die Arbeit automatisieren, während bei Anwendungen, die die Arbeit ergänzen, kaum Folgen zu erkennen sind. Die Tendenz bei der Beschäftigung wirkt sich nicht oder noch nicht auf die Gehälter aus.

Allerdings ist es trotz allgemein sinkender Arbeitslosigkeit in den USA so, dass die 22- bis 25-jährigen Berufseinsteiger geringere Chancen haben, einen Job zu finden. Arbeitgeber scheinen auf Menschen zu setzen, die bereits Berufserfahrung haben. Das wäre aber, sollte sich der Trend fortsetzen, eine schlechte Entscheidung für Unternehmen, weil es nach und nach weniger Menschen mit Berufserfahrung gäbe, die aber dann allerdings höhere Gehälter verlangen könnten.

Ob die Veränderungen tatsächlich ursächlich mit dem Einsatz von KI zusammenhängen, ist nur eine Hypothese, wenn auch eine naheliegende. Man kann jedenfalls vermuten, dass der Arbeitsmarkt für viele Informatiker und alle, die mit Texten und Bildern zu tun haben, schrumpfen wird. Deswegen vermehren sich aber nicht die KI-fernen Jobs, zumindest nicht diejenigen, die ein erträgliches Einkommen sichern. Es könnte zum selben Effekt wie bei der Digitalisierung kommen, dass die Verdrängung der menschlichen Arbeit durch die KI der Niedriglohnsektor weiter aufgrund wachsender Konkurrenz der Zuvielen wächst.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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9 Kommentare

  1. Natürlich wird Softwareentwicklung, Webentwicklung, Systemverwaltung etc. weiter automatisiert und rationalisiert. Auch ohne Keine Intelligenz.

  2. Viele Wissen speichern können, logisch das KI da fast jeden Menschen überlegen ist , war abzusehen.
    Aber es wird auch bald ernst für ganze Firmen die Software Entwicklung betreiben. Das junge Leute keine Jobs hier mehr finden, ist erst der Anfang, nicht das Ende … o))

    1. Nein, Keine Intelligenz speichert auch kein Wissen. KI wertet eventuell Datenspeicher aus und findet darin Wissen. Oder auch nicht. Dann halluziniert KI. Die Chance liegt so bei 60 : 40, also doch etwas besser als beim Würfeln.

      1. Hier geht es um Informationen und Ihre Zuordnung in reletiv engen Rahmen in Sachen Spielräume ..
        Sicherlich hat KI da Ihre Stärke , mehr als jeder Mensch auf dem heutigen Stand ..
        Programierer und Projektentwickler sind 2 völlig verschiedene Dinge .

  3. Mal abgesehen von dem ganzen KI-Hype, der nur veranstaltet wird, um Unmengen von Geld in die Kassen von Tech- Konzernen zu spülen. Braucht eine Gesellschaft so viele Hochschulabsolventen? Etwa 40% eines Geburtsjahrganges werden an die Hochschulen gebracht. Handwerk und Industriejobs
    werden medial und politisch abgewertet. Heerscharen von Geisteswissenschaftler bilden eine schmarotzende Schicht, die inzwischen so viel Einfluss besitzt, das MINT- Wissen als „Voll Nazi“ gilt.
    Handwerk und Industrie werden regelrecht verteufelt und bekämpft. Die Verachtung dieser Gesellschaftsschicht für Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Handarbeit oder in der Industrie verdienen, ist enorm. Teilweise mit Vernichtungsfantasien gegen diese Menschen….
    Nicht die „KI“ vernichtet Arbeitsplätze. Das tut die schmarotzende Schicht von nicht produktiven „Akademikern“, die ihre narzisstischen „Ideologien“ ohne Rücksicht auf die Realität ausleben…

    1. Nicht „schmarotzende Geisteswissenschaftler“ sorgen für arbeitslose MINT’ler, sondern der ganz normale Kapitalismus, der aktuell denkt, er könnte die Kosten fürs Ingenieurspersonal sparen und dieses durch „KI“ ersetzen.

      Die Folgen sind schon allerorten spürbar. Zerfallende Produktqualität, wohin man schaut.

      OK, die Umsetzung der Sparprogramme machen dann doch wieder Geistes“wissenschaftler“, also Juristen und BWLer.

  4. Vermurksten Code kennen wir auch ohne KI – jetzt wird das vermutlich potenziert.
    Neulich sah ich eine ARTE-Doku über das „kaputte“ Internet im Zusammenhang mit KI. Den Fachleuten grausts. Der Zenit sei im Netz bereits überschritten, ab jetzt wird die Qualität der Informationen nur noch schlechter.
    Da hat man auch gezeigt, wie man mit wenigen Klicks ganze Bücher generieren und auf Amazon in den Verkauf geben kann – ohne das man selber das Buch je gelesen haben braucht, geschweige denn Ahnung von der Materie haben muss. Es gibt schon 100e oder tausende davon. In den USA warnt eine Pilz-Fachstelle vor solchen Büchern, da darin z.T. giftige Pilze als essbar beschrieben werden.

    Es braucht eine Gegenbewegung! Ein kleiner Anfang wäre, wenn z.B. Overton auf die dämlichen KI-Bilder verzichten würde.

    1. Arte sieht das genau andersherum als Ich …

      Nicht KI hat das Internet kaputt gemacht, sondern das freiliche Werte sich Eigentumsrechen total unterordnen mussten.
      Gerade Technik, kannste jeden kommerz vergessen gegenüber KI.. 30 Skekunden meist , und mein Problem ist keines mehr. Foren an Börsen heute , glaube ich spinne ..
      Aber sicherlich stimme ich Dir in vielen Punkten auch zu ..

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