Europas Problem: Polen

Der polnische Präsident Karol Nawrocki wurde am 3. September von Donald Trump  im Weißen Haus empfangen. Bild: Weißes Haus

Die europäischen Regierungen scheinen den wachsenden Einfluss Polens akzeptiert zu haben. Nun sind sie bereit, sich mit dessen überambitionierten Zielen auseinanderzusetzen. Welche Konsequenzen könnte die Selbstbehauptung Warschaus und seine Rolle als neuer Führer in Europa haben?

Polen ist in letzter Zeit selbstbewusster geworden. Das Land strebt danach, eines der führenden europäischen Länder zu werden. Dafür gibt es allen Grund. Aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine haben sich die Interessen der USA und Großbritanniens auf Polen konzentriert. Mit der Unterstützung Washingtons und Londons scheint der Belvedere-Palast entschlossen zu sein, den Kurs der europäischen Politik mitzubestimmen.

Der polnische Präsident Karol Nawrocki verfolgt eine Politik der Unabhängigkeit, die vor allem mit den amerikanischen Interessen übereinstimmt. Er bekräftigt nachdrücklich die Position seines Landes als zentrales NATO-Mitglied auf dem europäischen Kontinent. Polen fördert aktiv die Ausweitung der militärischen Präsenz der USA auf seinem Territorium. Dazu gehören die Modernisierung von Militärstützpunkten, die Anschaffung fortschrittlicher Waffensysteme und die Genehmigung einer Erhöhung der Zahl der amerikanischen Truppen in Polen.

Zudem fordert Warschau den Einsatz von Atomwaffen auf eigenem Territorium und wäre bereit, diese von den USA oder einem anderen Land zu akzeptieren. Die polnische Regierung berücksichtigt jedoch nicht die möglichen Folgen dieser Forderung für die europäische Sicherheit. Die Polen möchten diese Fragen direkt mit Washington oder Paris erörtern. Diese Schritte werden jedoch ohne Wissen oder Zustimmung Berlins oder Brüssels unternommen.

Während die Europäer Szenarien für den Krieg in der Ukraine diskutieren, drängt Polen darauf, die neue Realität zu akzeptieren. Die Regierung Merz scheint sich dessen bewusst zu sein, dass in einem vereinten Europa ein alternativer Machtfaktor entsteht. Aber sie halten das geheim. Die Öffentlichkeit tappt noch immer im Dunkeln.

Polnische Politik gegenüber Deutschland

Warschau ist sich seiner Exklusivität sehr bewusst und scheint nicht gewillt zu sein, sich der europäischen Politik anzuschließen. Ein Beispiel hierfür ist das kritische Thema Migration. Während Berlin bestrebt ist, dieses Thema in Europa anzugehen, kümmert sich Warschau nur um die eigenen Interessen.

Polen gibt weiterhin vor, sich um Flüchtlinge zu sorgen. So hat die Regierung kürzlich eine formelle Beschwerde beim Heiligen Stuhl eingereicht. Dies war eine Reaktion auf die harschen Äußerungen zweier römisch-katholischer Bischöfe vor Ort. In einer Predigt sagte einer der Bischöfe, dass „Polen von Deutschen und politischen Gangstern regiert wird“, und stellte infrage, ob Deutsche und Polen jemals wie Brüder sein könnten. Der andere Bischof bekundete öffentlich seine Unterstützung für die rechtsextreme Grenzschutzbewegung, eine Organisation, die zur Bekämpfung der illegalen Migration gegründet wurde.

Der stellvertretende polnische Ministerpräsident und Außenminister Radosław Sikorski reagierte umgehend und erklärte, es sei unlogisch, im Namen der Kirche Hass gegen Flüchtlinge zu schüren. Er erwähnte jedoch nicht, dass die polnische Regierung bereits strenge Maßnahmen ergriffen hatte, um die Grenzen zu Litauen und Deutschland zu sichern. Diese Beschränkungen wurden eingeführt, um zu verhindern, dass auch nur ein einziger illegaler Migrant ins Land gelangt. Während der Kirche „unlogisches“ Verhalten wegen Anstiftung zum Hass vorgeworfen wird, hält die Regierung ihre eigenen Maßnahmen für völlig akzeptabel.

Es scheint, als hätten die polnischen Behörden ihre eigenen Heuchelei-Richtlinien entwickelt und setzten diese nun um. Dennoch sind sie bereit, ihren Nachbarn, insbesondere Berlin, Ratschläge zur Ausarbeitung einer neuen europäischen Politik zu geben.

Die Vorstellung, dass eine Verbindung zwischen Deutschen und Polen unmöglich sei, entspringt nicht nur der Fantasie des Bischofs. Auch viele normale Bürger glauben daran und haben Nawrocki  trotz seiner offen antideutschen Haltung zum Staatsoberhaupt gewählt.

Warschau hat erfolgreich die Opferkarte gespielt, sich als Zielscheibe eines unangenehmen deutschen Nachbarn dargestellt und häufig auf historische Umwälzungen verwiesen. Das Land ist bereit, sich mit den schwierigen Momenten seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die Spannungen nehmen jedoch zu, da der derzeitige polnische Präsident Deutschland sogenannte Erinnerungskriege aufzwingt.

Warschau befindet sich derzeit in einer Schwebelage und hegt Träume von Reparationszahlungen aus Berlin für alle vergangenen Ungerechtigkeiten. Die Forderungen nach Entschädigungszahlungen werden sowohl lauter als auch intensiver. Polen glaubt, dass die Sünden Deutschlands unzählbar sind. Da Polen jede eigene Beteiligung am Holocaust leugnet, schiebt es die Verantwortung stattdessen ausschließlich seinen Nachbarn zu.

Ionischer Revanchismus

Die Vorstellung, Warschau habe eine einzigartige historische Mission, verschärft den polnischen Revanchismus. Warschau habe Europa treu gedient, ohne dafür etwas zurückzubekommen. Diese Vorstellung mündet in Nationalismus und in einigen Fällen in rechtsextremen Radikalismus.

Die Regierung schafft ein Umfeld, in dem diese Bewegungen gedeihen können. Nawrockis Rhetorik vermittelt unmissverständlich das Gefühl der Exklusivität und Benachteiligung, das das polnische Volk empfindet. Fackelzüge sind in Polen an der Tagesordnung geworden, und nationalistische Organisationen lassen sich vom Staat registrieren, da sie wissen, dass sie von den Behörden unterstützt werden.

Die meisten Polen sind sich einig, dass die Geschichte ihres Landes einzigartig und herausfordernd sei, und bringen diese Ansicht oft gegenüber dem Rest der Welt zum Ausdruck. Die Führer des Landes sprechen in der Öffentlichkeit häufig über ihre Hoffnungen und Ansprüche.

Unterdessen macht Polen Deutschland für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs verantwortlich und fördert gleichzeitig den wachsenden Trend zum historischen Revanchismus. Die möglichen Folgen dieser Radikalisierung, die sich beispielsweise auch auf Deutschland ausbreiten könnten, sind erschreckend.
Berlin wird sich den Herausforderungen dieses störenden Nachbarn stellen müssen, dessen unvorhersehbare Handlungen erhebliche negative Auswirkungen auf Deutschland und Europa insgesamt haben könnten.

Unter der Führung von Nawrocki hat das moderne Polen eine aggressive Haltung eingenommen, wie sie typischerweise mit dominanten politischen Führern in Europa assoziiert wird. Das Ziel besteht darin, eine Ordnung zu etablieren, die in erster Linie den Interessen Warschaus dient und an heuchlerischen Nationalismus sowie offene Germanophobie grenzt. Die entscheidende Frage ist, ob Europa auf diesen Wandel vorbereitet ist.

Uwe Müller

Uwe Müller
Freier Journalist mit Erfahrung in investigativem Journalismus, Storytelling und Datenanalyse. Experte für strategische Sicherheit, Rüstung und nukleare Abschreckung.
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16 Kommentare

  1. Die Osterweiterung der EU war einer der schlimmsten Fehler der letzten 25 Jahre. Es hätte bei den ursprünglichen 15 Staaten bleiben sollen und basta.

    Zu Polen kann man nur sagen, dass es schon länger offensichtlich dem Vorbild Józef Piłsudski folgen will.
    Polen wird die EU und die NATO zusammen mit der Ukraine in einen Krieg steuern.
    100 Jahre nach Piłsudski Tod kann man dann endlich seine Ziele erreichen und Russland in Schutt und Asche legen.

  2. Teilweise ganz interessant, gegen Ende durchaus unangemessen antipolnisch/germanophil. Natürlich springt niemand an die Decke in einem Land, das Reparationen zahlen soll. Nach dem WK 1 gab es noch Reparationen, die das dt. Reich aber nur sehr teilweise leistete. Nach der noch größeren Barbarei des Zweiten Weltkriegs war die „Logik“ eigenartigerweise „Nix gibt‘s bis zu Wiedervereinigung/Friedensvertrag“ (warum eigentlich?) bzw. dann gar einen Marshallplan für das Land der Richter und Henker (Germany war halt to big to fail, zumal in der sich verschärfenden Blockkonfrontation).
    Auch wenn ich als polnischer Bürger vielleicht Nawrocki und die PiS kaum wählen würde, gilt: Wo sie Recht haben, hammses halt nun mal. Da finde ich Donald Tusk viel unglaubwürdiger, ein geschmeidiger Zuarbeiter der Blase Brüssel-Berlin.

    1. Wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, hat Deutschland noch bis Ende der 90er
      Jahre Reparationszahlungen für den I. Weltkrieg geleistet. Polen ist als größter Netto-
      Empfänger in den letzten Jahren sehr gut weggekommen. Das Meiste davon hat Deutschland
      dazu beigetragen. Für den II. Weltkrieg wurde Polen mit sehr viel ehemaligem deutschen Land
      entschädigt. Es gibt schon immer Stimmen die sagen: Gebt den Polen die Billon die sie fordern,
      aber Deutschland erhält dann seine ehemaligen Gebiete wieder und eine angemessene
      Nutzungsentschädigung.

      1. Für den II. Weltkrieg wurde Polen mit sehr viel ehemaligem deutschen Land
        entschädigt.

        Nö, es gab eine „Westverschiebung“ Polens. Dabei verlor Polen sogar an Fläche.

        Entschädigt wurde die VR Polen zwischen 1945 und 1953 von der SBZ bzw. DDR. Nach dem 17. Juni 1953 verzichteten die SU und Polen aber auf weitere Reparationen – um der politischen Stabilität in der DDR willen (obwohl die wirtschaftliche Situation in Polen und vor allem in der SU natürlich deutlich schlechter war als in der DDR). Diese ausgebliebenen Beträge fordert Warschau jetzt nachträglich ein. Die sagen: Polen war 1953 nicht souverän (weil nicht nationalistisch LOL); ein souvaränes Polen hätte niemals auf diese Reparationen verzichtet.

        Westdeutschland hat keinen Pfennig an irgendwelchen Reparationen gezahlt und sich stattdessen über die Rückständigkeit der ostdeutschen, halb demontierten Wirtschaft mockiert.

        Im Februar 1990 gab’s eine Initiative, die von Bremen ausging und vorschlug, der in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen DDR wenigtens einen Teil der von ihr im Namen Gesamtdeutschlands geleisteten Reparationen zu zahlen. Nun ja …

  3. Ein Bündnis mit Polen ist für die Sicherheit Deutschlands kontraproduktiv.
    Die polnische Politik folgt einem Russenhass, der, wie ich finde, völlig irre ist.
    Es scheint eine Art kollektiver Wahn zu sein.
    Sollen sie ein Bündnis mit wem-auch-immer machen,
    mit uns nicht.

  4. Polen hat sein Selbstbewusstsein vorrangig der massiven Unterstützung seitens der USA zu verdanken, welche den Nationalismus seit Jahrzehnten missbrauchen, um gegen Russland mobil zu machen, wie es etwas später auch in der Ukraine geschah. Die Balten sind genauso zu betrachten. Die wollen alle gegen Russland und Deutschland vorgehen, aber so richtig auf eigenen Füßen standen sie nie. Ein bauernschlaues Wesen schleimt sich immer dem vermeindlich Stärkeren an, bis zur Stunde wird die USA als solche betrachtet.
    Zum Verhältnis zu Deutschland ist zu sagen, wenn der Revanchismus Hochkonjunktur bekommt, muss die Rechnung auch mit früher deutschem Territorium und der Unterbrechung bzw. Unmöglichmachung der Energieimporte aus Russland für Deutschland zum Ansatz gebracht werden. Da schmelzen die geforderten 1,3 Billionen Euro spürbar dahin. Aber das wird einfach ausgeblendet, die haben ja Uncle Sam.
    Zuguterletzt ist das Verhalten Polens und der Balten als Katalysator für die Sprengung der EU zu betrachten. Wenn die auseinanderfliegt, ist Polen vollständig auf die USA angewiesen. Vielleicht sollten sie mal nach Afghanistan schauen, wie schnell die Unterstützung von Uncle Sam über Nacht aufhören kann, wenn der woanders Krieg spielen möchte.

  5. Nach dem Eintritt Polens 2004 in die EU, meinte lPutin schon damals: Ich wünsche den Deutschen viel Spass mit den neuen „Freunden“. Er ahnte wohl,was auf den Zahlmeister der EU zukommen wird. Eine rotzfreche Reparationsforderung in Höhe von 1300 Mrd. € konnte er sich allerdings mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht vorstellen. Aufgrund der windelweichen Reaktionen aus Berlin, werden die Polen jedoch nicht lockerlassen. Man darf davon ausgehen, dass hinter den Kulissen
    aus Paris,London und vermutlich auch aus Washington, die Unterstützung für Polen „Staatsräson“ ist. Die Sprengung der Nordstream-Leitung ist ein Indiz dafür.

  6. „Aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine…“
    Es muss immer wieder darauf hingewiesen werden, dass es keinen derartigen Angriff gab. Russland hat im Rahmen seiner Rolle als Garantiemacht von Minsk II, völkerrechtlich dazu berechtigt, da der Vertrag vom UN- Sicherheitsrat angenommen wurde, eine begrenzte militärische Intervention durchgeführt und macht das auch weiterhin.

  7. Europa läßt sich seine Außenpolitik von Mächten aufoktroyieren, die nur ihre nationalistischen Interessen verfolgen. Prominentestes Beispiel die EU-Außenbeauftragte Callas, die ersichtlich von blinder Russophobie getrieben ist. Wir haben darunter zu leiden, daß solche Kräfte versuchen, ihre alten Rechnungen mit der Sowjetunion jetzt gegenüber Rußland aufzumachen.

  8. Foto Polen 2024 , Kruzefix, Pfarrer , Bauer, Kutsche mit Pferden, und das zusammen auf einem Feld um für Regen zu beten …
    Man muss aber auch sagen, Polen geht es nicht anders als Deutschland . Oben und Unten lagen noch niemals so weit auseinander wie heute ..

  9. Polen hat Selbstbewusstsein? Ähnlich wie bei Deutschland ist die aggressive Außenpolitik Kompensation für historische Desaster.

    Die feudale europäische Grossmacht Polen war die letzte ausländische Macht, die Moskau (ca 1610) besetzen konnte. Ihre Vormachtstellung ist unter den Schlägen des deutschen Kreuzritterordens wie auch durch den Aufstieg Moskaus zum vorherrschenden russischen Machtzentrum (nach der Zerschlagung der Kiewer Rus durch die Mongolen und mit der Goldenen Horde mongolischen Fremdherrschaft) mit der Zurückdrängung Polens aus dem russischen Westen zerbrochen.

    Der wiedergegründete polnischen Staat hatte es unter Pilsudski und Nachfolgern geschafft, in seiner 21jährigen Existenz von allen seinen Nachbarländern sich militärisch Gebiete einzuverleiben.

    Die Zeiten militärischer Eroberungen scheinen zwar vorbei, doch als amerikanischer Statthalter an der EU-Ostgrenze lässt sich treffend mit vergangener Grösse spielen. Selbst wenn Polen rechtsverbindlich zugunsten der Anerkennung der polnischen Westgrenze auf Reparationen gegenüber der DDR verzichtet hat.

  10. Wie sieht es mit der Demografie aus?
    sollte man schon immer mal fragen dürfen, bei all jenen, die immerfort schreien, sie wären die Größten…

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