Estlands Regierungschefin ist bekannt für ihre antirussische Politik, ihr Mann machte Geschäfte mit Russland

Die estnische Regierungschefin Kallas im Aril 2023 in Kiew mit Präsident Selenskij, der ihr den Orden Jaroslaw des Weisen für herausragende persönliche Verdienste zur Stärkung der ukrainisch-estnischen zwischenstaatlichen Kooperation und der Unterstützung für die Souveränität und territoriale Integrität der Unkraine verlieh. Bild: president.gov.ua/CC BY-NC-ND-4.0.

Kaja Kallas, Europas und Estlands Ikone der „Null-Toleranz-gegen-Russland“ und der Unterstützung der Ukraine, steckt in der Glaubwürdigkeitsfalle.

„Ich denke nicht daran zurückzutreten.“ Mit einem eng anliegenden rosa Kleid und etwas übermüdeten Gesichtsausdruck stellte sich Kaja Kallas am Wochenende Kameras und Mikrofonen.

Der bürgerlichen Regierungschefin Estlands, die im In- und Ausland als Verkörperung der Kompromisslosigkeit gegenüber dem Kreml gilt, wird seit einigen Tagen mit den Russland-Geschäften ihres Gatten Arvo Hallik konfrontiert.

Aufgedeckt hatte der öffentlich-rechtlichen TV-Sender ERR die Geschäfte von „Stark Logistics“, das mit dem Warentransport mit Russland seit der Invasion 1,5 Millionen Euro Umsatz verzeichnen konnte.

Von der Russland-Connection ihres Mannes habe sie nichts gewusst, beteuerte sie mehrfach gegenüber dem ERR-Journalisten, welcher sie letzte Woche auf einer Veranstaltung im Freien mit Fragen konfrontierte und nicht locker ließ und vor dem sie schließlich weg lief und seine Fragen als „gemein“ bezeichnete. Ein Beleg dafür, dass in Estland das öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht als Staatsfunk wirkt. Allerdings wurde die Interview-Sequenz mittlerweile von der Website des Senders genommen.

In einer eilig anberaumten Pressekonferenz erklärte dann Kallas, dass „Stark Logistics“ jegliche Aktivitäten in Russland aus „ethischen Gründen“ ruhen lassen werde. Später wurde vermittelt, dass Hallik seine Unternehmensanteile verkaufen werde. „Mein Ehemann und ich diskutieren niemals Geschäftliches zu Hause“ – diese Beteuerung wirken nicht glaubwürdig. Zumal Kaja Kallas ihrem Mann einen Betrag von 350.000 Euro geliehen hatte, später nochmals 20.000 Euro. Anscheinend ist ein Teil des Betrags in das Logistik-Unternehmen geflossen.

Kallas wies in einem Radio-Interview darauf hin, dass der Inlandsgeheimdienst ISS sie vor ihrem Amtsantritt nicht auf die Geschäfte ihres Mannes hingewiesen habe. Die Medienvertreter in Estland jedoch wollen nicht locker lassen. Die Familie bezeichnen sie als „wirtschaftliche Einheit“, somit sei die Politikerin der wirtschaftsliberalen „Reformpartei“ mitverantwortlich,

Und von der Opposition werden selbstredend Rücktrittsforderungen laut. „Eine Regierungschefin, der es an moralischem Kapital fehlt, ist auch eine Gefahr für unsere Sicherheit, da sie unsere internationale Glaubwürdigkeit untergräbt“, sagte Urmas Reinsalu von der Vaterlands-Partei, ein ehemaliger Koalitionspartner des vorigen Kallas-Kabinetts. Die studierte Juristin wird im Westen gern als „Margaret Thatcher Osteuropas“ betitelt, welche den Handel mit Russland scharf ablehnte.

Die linke Zentrumspartei ist darum in Verhandlungen mit anderen Parteien, um ein Misstrauensantrag möglich zu machen.

Oppositionspolitiker verweisen auf den Vorgänger Kallas, den Zentrums-Politiker Jüri Ratas. Dieser nahm nach Ungereimtheiten um einen Corona-Hilfekredit im Januar 2021 seinen Hut, obwohl er vermutlich persönlich nicht in den Fall verwickelt war. Der estnische Präsident Alar Karis wie der liberale Koalitionspartner „Estland 200“ fordern mehr Aufklärung, Kallas weigert sich jedoch, vor Ausschüssen zu erscheinen.

Russlands bekanntester Journalist und Moderator, Wladimir Solojow, nutzte den Skandal um sich in seiner Talk Show „Sonntagabend“ über die Sanktionspolitik und Kallas lustig zu machen.

Ein Misstrauen gegenüber Russland, dessen Vorgänger Sowjetunion die Esten russifizieren wollte, teilen viele ethnische Esten.

Kaja Kallas‘ Mutter musste nach dem Krieg als sechs Monate altes Kind von sogenannten „Klassenfeinden“ die Deportation nach Sibirien überstehen. Immer noch ist das Zusammenleben mit den etwa 25 Prozent russischsprachigen Bewohnern von Spannungen geprägt, wobei diese bei der jüngeren Generation abnehmen.

Der Fall zeigt jedoch auch, dass die wirtschaftliche Perspektive eine andere als die politische ist. Das EU- und NATO-Mitglied mit gerade etwas mehr als einer Million Einwohner importierte im Kriegsjahr 2022 Waren im Wert von 2,28 Milliarden US-Dollar vom großen Nachbarn im Osten – zwar deutlich weniger als im Jahr 2021, jedoch deutlich mehr als im Jahr 2020. Und weiterhin, Stand August, exportieren 300 estnische Unternehmen nach Russland.

Dass Kallas „Reformpartei“ die Wahl im März nur recht knapp gegen die rechte „Estlands Konservative Volkspartei“ gewonnen hat, liegt auch daran, dass die überzeugte Marktliberale wenig Sinn für Sozialpakete an den Tag legte. Vor allem die Bevölkerung auf dem Land fühlt sich jedoch abgehängt und von der Inflation gebeutelt. Die Rechten wollen nun einen Dauerprotest in Tallinn abhalten, bis Kallas zurück tritt.

Die Partei mit dem Vater und Sohn-Duett (Mart und Martin Helme) kommt aufgrund ihrer Anti-NATO- und Anti-EU-Haltung als Partner für viele Parteien derzeit nicht in Frage. Auch sprachen sich die Helmes gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus, Tallinn gilt jedoch als einer der engen Partner von Kiew. Ob ihnen oder anderen Parteien wie dem Zentrum der Fall Kallas nutzt, bleibt abzuwarten.

Das Vorurteil, zu einer abgehobenen Elite zu gehören, für die andere Regeln gelten, hat die Vorsitzende der Reformpartei jedenfalls kräftig bedient. Vielleicht ist dieser Skandal lehrreich, wie sehr die Arroganz von Politikern, mit zweierlei Maß zu handeln, der Politik und seiner Glaubwürdigkeit schadet.

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17 Kommentare

  1. Lol. wundert einen das bei dem käuflichen Gesindel?

    Beim bekannt rechtslastigen Mattern wundert auch der antikommunistische Schlenker nicht. Die Konfrontation im Baltikum war eher nicht “Esten/Letten/Litauer gegen Russen”. Viele Angehörige dieser Volksgruppen haben der UdSSR Bildung und sozialen Aufstieg zu verdanken, die Angehörigen der halbfeudalen Eliten natürlich weniger, und ohne die stalinistische Repression schönreden zu wollen, muss auf die Rolle baltischer Henker des Holocaust hingewiesen werden.

    Die Diskriminierung der ethnischen Russen im Baltikum ist ein Verbrechen. Die EU schaut weg.

  2. Sehr viele EU Staaten betreiben weiterhin Geschäfte mit Russland und auch über dritt Staaten.
    Das bedeutet das rund ‘800’ Mio von ihrer Politik veräppelt werden.
    Als nächstes kommen noch andere ‘baltische Marktschreier’ dran.
    Lustig für einige und weniger für andere war Herr Mattern Aussage zu der neuen rechten Welle die überall zu verorten ist! Obwohl in Polen dürfte es entgegen gesetzt ausfallen.
    Man sollte auch Scholz Aussage zur deutschen Leistungsbilanz hier mit einbringen. Denn, er könnte sich ausnahmsweise nicht auf die wirtschaftliche Bilanz beziehen, sondern eher auf die Leistungsbilanz vom Bundeskanzleramt!

  3. Es gab mal eine Diskussion unter Seeleuten die die Ostseerouten befahren ,in welchem Hafen die besten Nutten zu finden sind.Stockholm,Danzig,Helsinki,Riga oder Tallin.Eindeutiger Sieger war Tallin…das hat sich wohl auf die Politik abgefärbt…
    Das sich das Verhältnis der jungen Esten zu den russischsprachigen „Nichtbürgern“ verbessert hat ,hat damit zu tun,dass die Jugend dieses Land verlässt und woanders ihre Zukunft sieht.
    Eine Russifizierung der Esten hat es in der UdSSR nicht gegeben.Estnisch war gleichberechtigte Staatssprache in der Estnischen SSR und zumindest in den 1980er Jahren waren fast Alle Schilder in Tallin in Estnisch.Lediglich bei einigen Behörden/Ministerien gab es zusätzlich Schilder in Russisch.Das Märchen von der „Russifizierung“ der Esten,Letten….wurde von Exibalten,die nach 1945 als Nazikollaborateure insbesondere in Schweden im Exil lebten und nach 1991 ihre faschistoid/rassistische Anschauung in die entsprechenden Länder brachten,verbreitet.

  4. Das nenne ich doch jetzt mal eine gelungene Trennung zwischen Amt und Privatleben.

    Das ist den Kleptokraten um Putin herum natürlich ein Graus. Wenn so etwas Schule macht!

    1. Die ‘grüne’ Ideologie im verdrehen der Tatsachen und ihren rechtsstaatlichen Gesetzen.
      Da wird was verlautbart, ohne das die Exekutive oder Legislative etwas unternommen hat!
      Bravo ottono für diesen Dreckskommentar, der die Demokratie mit Wörtern zu teilen versucht, aber nicht mit mir!

  5. Frau Kallas kann ja viel erzaehlen aber einen Betrag von insgesamt 370tausend Euro nicht zu hinterfragen faellt mir schwer zu glauben, auch duerfte sie von den Geschaeften ihres Mannes gewusst haben aber…. was tut man nicht alles um das eigene Nest sauber zu halten ?
    Ich denke sie wird den Weg wie Frau Sarin gehen muessen, vielleicht findet sie ja einen Job in Bruessel, da gehoert leugnen und loeschen zum guten Ton.

  6. Off Off Off

    Journalistisch sauber gemacht ( Pro u. Contra, Wer wurde zu was gefragt, direkte / indirekte Rede usw. )
    aber dennoch als Manipulatorstück abgeschmiert ?! Hä, wie geht denn sowas ? Warum ist der Beitrag zum Propagandastück gegen eine dezentralisierte Wasserkraft, hin zur Energiekonzern-PR verkommen ?

    https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/wasserkraftwerk-umweltschutz-100.html

    So muss man jedenfalls Themen aufarbeiten und darstellen. Ob im Fernsehen, Radio oder Internet spielt dabei keine Rolle.
    Das Ende bleibt offen und gibt dem Leser Spielraum zur Einordnung.
    Dem Leser ständig zu erzählen was er zu denken hat, nervt. Kaum jemand macht die Gegenpropaganda der ” alternativen Medien” auf Dauer mit.

    Eine Schwalbe macht keinen Sommer, so wie ein Fisch noch keine Statistik macht.

  7. Es gibt im Zusammenhang mit Estland eine evtl. sogar dramatische Entwicklung, auf die der Autor leider nicht eingeht. Bei einem Drohnenangriff auf den Flugplatz von Pskow in Nordrussland wurden mehrere Il-76-Transportflugzeuge zerstört. Pskow liegt gut 700 km von der ukrainisch-russischen Grenze aber nur gut 50 Kilometer von der estnisch-russischen Grenze entfernt.
    Im Internet tauchen Zweifel auf, dass die ukrainischen Drohnen den weiten Weg nach Pskow geschafft haben, ohne der Luftverteidigung aufzufallen. Es gibt Anschuldigungen, dass die Drohnen aus Estland kamen. Präsidentensprecher Peskow verkündete, man prüfe die Umstände des nächtlichen Angriffs auf den Flughafen in Pskow noch.
    Wir können nur hoffen, dass die russische Regierung so oder so als Ergebnis ihrer Überprüfung bekannt gibt, dass die Drohnen aus der Ukraine kamen. Wenn das nicht geschieht, bekommt der Krieg eine ganz neue Dimension.

    1. Jetzt wird die nächste Sau durchs Dorf gejagt.
      Wegen ein paar Transportmaschinen riskiert Estland einen Krieg mit Russland. Ja sicher.

      Und morgen nicht vergessen mit Atomwaffen zu drohen. Sonst ist der Donnerstag nicht komplett.

      1. Diese Deppen gleichen Dir. Du brabbelst auch einen Krieg mit Russland herbei, obwohl das das Ende der Nato bedeuten würde. Zum Glück würdest auch Du in einer radioaktiven Wolke verglühen.

    2. Von der Geographie käme auch Lettland in Frage…Auch ist zweifelhaft,dass die jeweilige Regierungen davon wussten.Von den Militärbasen der britischen Besatzer in Estland kann der MI6 zusammen mit seinen Bandera-Freunden die 20 Drohnen ohne lästige Zeugen starten.Der MI6 hat Zugriff auf NATO-Aufklärungsdaten ,die zur Zielprogrammierung benutzt wurden.
      rRusslad wird zu gegebener Zeit eine Antwort geben, die nicht unbedingt in der Zeitung stehen wird.Der Kreml wird jedenfalls nicht wie von den Briten erhofft,den 3.WK beginnen…

  8. „Mein Ehemann und ich diskutieren niemals Geschäftliches zu Hause“

    Klar, die sind soviel unterwegs, da muss jede Minute, die sie gemeinsam daheim sind, gevögelt werden.
    Und bei der Zigarette danach:
    Sie: “Geschäfte? Was für Geschäfte?”
    Er: “Krieg? Was für ein Krieg?”

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