Die Übersetzung meines Buches „Der längste Krieg – 20 Jahre War on Terror“ hätte in den USA vorgestellt werden sollen. Doch leider machte mir die US-Regierung einen Strich durch die Rechnung.
Endlich war es so weit: Am vergangenen Dienstag sollte mein Buch „Graveyard Empire – 40 Years of Wars and Intervention in Afghanistan“ an der renommierten Duke University in Durham im US-Bundesstaat North Carolina vorgestellt werden. Bei dem Buch handelt es sich um den 2021 beim Westend Verlag erschienen SPIEGEL-Bestseller „Der längste Krieg – 20 Jahre War on Terror“, der pünktlich zum Truppenabzug der NATO und der Rückkehr der Taliban meine gesamte Arbeit über und aus dem Land am Hindukusch in gewohnt kritischer Manier zusammenfasste. Reisereportagen aus der Front des Krieges, investigative Recherchen von Washington bis nach Kabul und politisch-historische Analysen wurden hier und da von meiner persönlichen Note als Reporter begleitet.
Ich und vor allem die Afghanen und Afghaninnen, mit denen ich über die Jahre gesprochen hatten, gingen mit der imperialistischen Politik der USA sowie deren brutaler Kriegsführung in Afghanistan hart ins Gericht. Zur Erinnerung: Zwei Jahrzehnte lang wurden in erster Linie unschuldige Menschen durch Luftbombardements und vermeintlich präzise Drohnenangriffe getötet oder in den Foltergefängnissen von Bagram und Guantanamo missbraucht und gefoltert, nur um letzten Endes abermals jene, die man Ende 2001 gestürzt hatte, sprich, die Taliban, an die Macht zu bringen. Die Islamische Republik Afghanistan, die mit Beginn der US-Besatzung geschaffen wurde, war in erster Linie ein künstliches Gebilde, das mit den Realitäten vor Ort wenig gemein hatte. Stattdessen wurde die Fassadendemokratie vor allem von korrupten Politikern und Warlords zugunsten deren Interessen ausgehöhlt – sodass letzten Endes nichts mehr von ihr übrigblieb.
Zwei Nächte vor Abflug
„All das muss auch die US-Bevölkerung im Detail erfahren“, hieß es vor rund zwei Jahren seitens meines anonymen Förderers, der großzügigerweise die Übersetzung meines Buches finanzierte. Mit dem in Massachusetts ansässigen Interlink Publishing ließ sich ein ebenso kritischer und unabhängiger Verlag finden, in dessen Programm „Der längste Krieg“ mehr als gut hineinpasste. Für den Titel „Graveyard Empire“ entschieden wir uns, um bereits mit dem Cover gängige Klischees über Afghanistan zu dekonstruieren. In erster Linie war das Land nämlich kein Friedhof der Imperien, sondern ein Friedhof der Afghaninnen und Afghanen.
Kurz nach dem Erscheinen der ersten Vorschau rollten schon die ersten Anfragen ein, und es war das John Hope Franklin Center der Duke University, das sich besonders ins Zeug legte, um einen Book Launch vor Ort zu ermöglichen. Für mich ging damit ein kleiner Traum in Erfüllung, denn endlich wurde ein von mir verfasstes Buch von einer amerikanischen Eliteuniversität aufgegriffen. Die Organisation erschien simpel und unkompliziert. Flug und Hotel wurden gebucht und ich besorgte, wie von der Universität vorgegeben, online meine ESTA-Reiseerlaubnis. Der Reise in die Staaten stand somit nichts mehr im Weg. Immerhin, so dachte ich naiverweise, war ich ja bereits 2018 problemlos in die USA eingereist, um Noam Chomsky für unser gemeinsames Buch (ebenfalls beim Westend Verlag erschienen) zu interviewen.
Der Schock kam erst zwei Nächte vor Abflug. Plötzlich erhielt ich von der US-Immigrationsbehörde eine Mail, in der ich über die Aktualisierung meines eigentlich schon abgeschlossenen Reisestatus informiert wurde. „Travel authorization denied“ konnte ich nun lesen. Der Grund: Die US-Regierung habe interveniert. Ich solle ein Konsulat oder eine Botschaft aufsuchen, um ein B-2 Touristenvisum zu beantragen. Natürlich war das allein schon zeitlich nicht möglich. Ich erhielt die Nachricht am Samstag. Mein Abflug wäre am Montag gewesen. Die US-Regierung hatte demnach meine Buchvorstellung vor Ort erfolgreich vereitelt.
Keine offizielle Begründung
Allem Anschein nach ist es im „Land of the Free“ nicht möglich, vor Ort eine kritische Diskussion über den verheerendsten Krieg der US-Geschichte zu führen. Ähnliches passierte übrigens auch dem österreichischen Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger, als er 2019 sein Buch über die politische Situation der Kurden in den USA vorstellten wollte. Schmidinger wurde am Amsterdamer Flughafen die Reise verweigert, obwohl er ein gültiges US-Visum hatte. Er kommentierte das Geschehen damals wie folgt: „Das heißt, dass ich – wohl wegen meiner Forschungen und humanitären Aktivitäten – ein Einreiseverbot in den USA habe. Eine offizielle Begründung gab es nicht und selbst der Beamte wirkte sehr erstaunt.“ Vor allem Letzteres erinnerte mich an die Mail, die ich von der US-Immigrationsbehörde erhalten hatte. Sie klang in Teilen so gar nicht formell und man konnte das Erstaunen der Person, die sich verfasst hatte, fast schon herauslesen.
Wohlgemerkt: Mein Book Launch an der Duke University fand über Zoom trotzdem statt. Doch das Ambiente war ein anderes und auch mit harscher Kritik rundum den Vorfall hielt man sich zurück, um die Universität nicht in Bredouille zu bringen.
Dabei hat diese Art der Cancel Culture in diesen Tagen durchaus System, und zwar von Berlin bis nach Durham und anderswo. Wer Eurozentrismus und westliche Hegemonie herausfordert, hat mit Konsequenzen zu rechnen. Für viele westliche Diskurse sind Postkolonialismus sowie der Globale Süden im Allgemeinen zu einer Art Angriffsfläche, an der man sich aggressiv austoben kann, geworden, während man sich mit der eigenen Gewalt und Barbarei kaum beschäftigen will.
Als Afghane ist man einen solchen Umgang gewohnt
In erster Linie denkt man gegenwärtig dabei an Gaza und Israel und nicht etwa an Afghanistan. Oft werden die Zusammenhänge allerdings übersehen. Die notwendige Kritik am Krieg in Afghanistan, an dem sich auch Deutschland beteiligte, wurde von weiten Teilen des sogenannten Mainstreams erst geduldet, nachdem es schon viel zu spät war. Im August 2021 konnte man sich vor dem Scheitern und all den damit verbundenen Lügen nicht mehr drücken. Die dystopischen Szenen am Kabuler Flughafen und die triumphierenden Taliban, die in den Präsidentenpalast einzogen, während das vom Westen unterstützte Regime sich ein letztes Mal die Taschen vollstopfte und ausreiste, waren zu eindeutig.
Ähnliches sieht man nun auch teilweise in Nahost. Die Kritiker des „War on Terror“ der israelischen Regierung und allen voran Benjamin Netanjahus, der wie der Kreuzzügler Bush der 2000er-Jahre agiert, hatten in vielerlei Hinsicht Recht und kommen nun auch mehr und mehr zu Wort. Hören will man sie dennoch ungern, vor allem dann, wenn es sich bei ihnen um die „Subalternen“ aus den betroffenen Regionen sind. Es sind vor allem Palästinenser und Palästinenserinnen, die in diesen Tagen von der westlichen Deutungshoheit ausgeschlossen, zermürbt und mundtot gemacht werden. Als Afghane ist man mit einem solchen Umgang vertraut. Egal, ob in den USA, wo ein Joe Biden auf seine Wiederwahl hofft und deshalb womöglich auch gar nicht will, dass jemand sein Afghanistan-Desaster wiederaufrollt, oder in Deutschland, wo eine Enquete-Kommission, die in weiten Teilen aus Menschen besteht, die weder eine Expertise zu Afghanistan vorweisen können noch das Land jemals besucht haben, es sich anmaßt, über den Krieg zu urteilen, während ernstzunehmende Kritiker systematisch verdrängt oder ausgeschlossen werden.
Ähnliche Beiträge:
- Emran Feroz: “Die Taliban werden vor allem in den Städten Probleme haben, wo ihre jungen Kämpfer zum ersten Mal präsent sind”
- Fatima Alavy: „Meine Freunde in Kabul kämpfen in diesen Stunden um ihr Leben!“
- Der „Schock von Kabul“ und die EU: Es ist an der Zeit, erwachsen zu werden!
- Afghanistan am Rand des Zusammenbruchs, USA wollen “over-the-horizon”-Angriffe
- Pakistan: Korrupt bis ins Mark
In Gaza sind über 100 Journalisten umgebracht worden.
“Last week, Mohammad Abu Hatab, a correspondent for the Palestine TV news channel was killed in Khan Younis in the southern Gaza Strip in an Israeli airstrike, along with 11 members of his family.” (BBC)
Die sind halt auch überaus lästig, wenn sie weder die richtige Haltung haben noch auf Berichterstattung vor Ort verzichten. Dummerweise haben sich die meisten auch hier an doppelte Standards gewöhnt.
Es sind per heute (25.04.2024) 140 JournalistenInnen in Gaza ermordet worden!!!
Ganz wichtig wäre, wenn Emran Feroz versucht so gut wie möglich die Überwachung, warum er ins Fadenkreuz geriet, nachzuverfolgen, vielleicht auch juristisch zu wehren und so weitere Informationen darüber zu sammeln.
Das fiel mir neulich auch bei dem gescheiterten Palästina-Kongress in Berlin auf. Dort wurde nicht nur dem Ghassan Abu Sitta die Einreise verboten, sondern dann auch quasi sofort sein Bruder abgeschaltet und die Konferenz. Man muss sich nur mal kurz überlegen, was da für eine Vorarbeit und auch Live-Kontrolle nötig war, um das möglich zu machen. D.h.es gab vorher:
1. ein Screening und Überwachung der Personen 24/7
2. ein permanentes Team auf mehreren behördlichen Ebenen, das sich mit den Personen und Event beschäftigte, wie man das vereiteln kann
3. Gab es auch ein Überwachungs- bzw. Krisen- Eingreifteam, sonst hätten sie nicht so schnell auf Veränderungen reagieren können.
Da waren nicht nur die lokalen, kleinen Behörden am Werk, sondern auch die “Großen”. Sie haben sich wie die Elefanten im Porzellanladen aufgeführt, also reichlich Porzellan zerschlagen – Spuren hinterlassen.
Da können Sie recht haben. Und mit Pegasus und Vault 7 dürfte so eine Rundumüberwachung aller Beteiligten kein Problem mehr sein. Dein Smartphone ist dein größter Feind, und Dein Fernseher der Feind in Deinem Schlafzimmer
Einen der seltenen expliziten Belege, dass jemand auf einer Blacklist der Regierung steht, hat mal David Rovics gefunden als ihm die Einreise in Kanada verwehrt wurde und der Grenzbeamte ihm die ausdrückliche Anweisung zeigte, dass ihm die Einreise zu verwehren war, aber ihm nicht gesagt werden durfte, dass er auf der schwarzen Liste der Regierung steht, sondern dass dafür ein Vorwand gefunden werden musste:
https://davidrovics.substack.com/p/getting-on-lists-and-having-weird
Tja, was soll man da noch sagen? Tut mir jedenfalls leid das ihre Buchpräsentation vom “deep state” sabotiert wurde.
Ich weiß jedenfalls was unsere MSM dazu sagen würden: “Ach papperlapapp unwichtig, die waren totalitären Diktaturen in der Welt sind Iran, Russland und China”
Krieg ist Frieden.
Freiheit ist Sklaverei…..
lieber emran, mir ist es so passiert: ich hatte schon das ESTA-Visum, war auch bis zu diesem zeitpunkt – ich rede von 2010 – alle 2 jahre zu den wunderbaren US-archiven gefahren und wurde dort erwartet, da wurde ich nach der Einreisekontrolle am Flughafen in Washington DC rausgepickt, ein paar Stunden befragt und dann wieder mit meinem eigenen ticket nach deutschland zurueckgeschickt. seitdem habe ich einreiseverbot, auch juristisch ist wenig zu machen, sagen die juristen, da wir als ausländer keinen anspruch auf einreise haben.
sei froh also, dass es dir vorher alles gesagt wurde und du/ ihr geld gespart habt. es gibt ja immer noch online-konferenzen. julian assange zahlt teurer …
schoene gruesse aus buenos aires, gaby weber
Hallo, Gaby, Danke für Deine unermüdliche Arbeit.
Ach Hr. Feroz sie brauchen doch keine Promotion
durch ein Einreiseverbot in die USA.
Sie haben doch den afghanischen Markt vor der Nase.
Den Taliban gefällt das Buch 100 Prozentig.
Die Taliban sind zwar etwas Devisenarm
aber so eine junge Ziege im eigenen Garten macht auch was her.
Die Taliban sprechen übrigens Pashto.
Ich glaube wir haben einen Ziegenbock im Kommentar-Forum. Über das Alter kann ich nix sagen.
Ich denke, Ferdinand macht sich über die islamzentrierte Sichtweise des Autors lustig. Wenn der nämlich Affganistan als den “verheerendsten Krieg der US-Geschichte” bezeichnet, möchte ich mal wissen, was der 1. + 2. “Welt”krieg dann war, als die europäische Ordnung komplett zerstört wurde – nur möglich durch die Teilnahme der USA, bis 1917 als gewaltiger Kriegsgüterlieferant und ab dann als entscheidender Beteiligter.
(Außerdem ist für uns scheißegal, was für die “US-Geschichte” relevant ist.)
Ich weise nur drauf hin das Hr. Feroz zwar ein distanzierten Verhältnis zu den Taliban pflegt
gleichzeitig aber ein Buch schreibt als wäre er deren Pressesprecher.
Dies ist der Blind Spot von Hr. Feroz.
Und ich mache mich allgemein lustig über das was in den letzten Jahrzehnten von den Unis kam und in die Journalismus und Politikbranche kommt.
Der Sezessionskrieg zwischen Nordstaaten und Südstaaten dürfte der verheerendste für die Vereinigten Staaten gewesen sein. So ziemlich alle anderen wurden weit weg geführt ohne Risiko für das Land selbst.
Ich würde nie meinen Fuß in die USA setzen.
Eher tät ich meinen Pass verbrennen.
An der Pickiertheit kann man die innerer Verfasstheit des Imperiums ablesen.
1991 begann der Niedergang, als der bis dahin größte selbstgewählte Feind sich friedlich auflöste und nur noch Sparringspartner wie Serbien, Afghanistan, Iran u.Ä. zum ideologischen Reiben blieben. China war damals die spottbillige Arbeitskraft und Lieferant für westlichen Wohlstand simulierenden Konsum-Firlefanz.
Die Angebote zur gedeihlichen Zusammenarbeit wurden ausgeschlagen. Der alleinige Sieg sollte allumfassend werden, aber ohne einen ebenbürtigen Feind fehlte die innere Struktur für jegliche Vorwärtsbewegung und alles ging wie ein zu weicher Teig in die Breite.
Die Taliban benötigten noch 20 Jahre, um zu zeigen, dass die feindseligen Welt-Entwicklungsideen der USA nicht tragen. In der Ukraine läuft der Prozess im Turbo. Selbst Westeuropa, wo die Entwicklung zumindest oberflächlich im gegenseitigen Einverständnis betrieben wurde, beginnt zu wanken.
@Artikel
“Stattdessen wurde die Fassadendemokratie vor allem von korrupten Politikern und Warlords zugunsten deren Interessen ausgehöhlt ”
Ausgehöhlt?
Die USA dachten, dass sie es wie in Europa und andernorts machen konnten. Eine für Geld und Karriere empfängliche Eliten installieren, die dann die Bevölkerung aus besitzstandswahrendem Eigeninteresse auf Kurs bringt. Aber die US-finanzierten, an weiterem Zugewinn interessierten Eliten blieben immer nahe bei der Geldquelle in Kabul. Die weitläufige Bevölkerung hatte so gar keinen Vorteil von der Besatzung. Die konkurrierenden, aus eigener innerer Überzeugung handelnden Kräfte waren alltagsnäher je länger die teure Besatzung dauerte und obsiegten.