Ein bitterer Wahlsieg für die spanische Rechte

PP feiert den Wahlsieg, der aber nicht zur Regierung führen wird. Screenshot von PP-YouTube-Video

Der spanische Sozialdemokrat Sánchez hat dagegen eine süße Niederlage erlitten. Denn er hat anders als der Wahlsieger eine theoretische Chance, Regierungschef zu bleiben. Sein Weg führt aber über Waterloo in Belgien und den katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont, der dort nun wie erhofft den Schlüssel zur Regierungsbildung in den Händen hält.

 

Es kam, wie es kommen musste. Der versucte Befreiungsschlag des spanischen Sozialdemokraten Pedro Sánchez über eilig vorgezogene Neuwahlen ging am Sonntag in die Hose. Der Versuch einer Kopie der Vorgänge im Nachbarland Portugal konnte wie erwartet in Spanien nicht gelingen. Die Voraussetzungen in Spanien, in dem es, anders als in Portugal, nie einen Bruch mit der Diktatur gab, sind anders. Eine Mehrheit in Spanien, wenn man die abtrünnigen Regionen Katalonien und das Baskenland herausrechnet, hat nämlich keine Angst vor einer Regierung der postfaschistischen Volkspartei (PP), auch nicht angesichts der Tatsache, dass die zudem mit ihrer Rechtsabspaltung VOX eine Regierung bilden will.

Deshalb hat spanische Rechte die Parlamentswahlen gewonnen. Sie könnte ohne Probleme regieren, wenn die Katalanen und Basken nicht erneut deutlich anders gewählt hätten. Die PP unter Alberto Nuñez Feijóo wurde im gesamten Land mit gut 33 Prozent und 136 Parlamentssitzen stärkste Partei. In Katalonien kommen die Postfaschisten aber nur auf bescheidene 13 Prozent und im Baskenland sogar nur auf gut elf Prozent.

Die Sozialdemokraten (PSOE) von Pedro Sánchez konnten in einem stark polarisierten Wahlkampf sogar zwei Sitze hinzugewinnen, aber sie erreichen mit knapp 32 Prozent nur 122. Aus seinem Wahlsieg leitet Feijóo nun den Anspruch zur Regierungsbildung ab: „Wir haben die Wahlen gewonnen, also fällt es uns zu, eine Regierung zu bilden”, erklärte er vor feiernden Anhängern in der Wahlnacht in Madrid am PP‑Sitz. Mit „Bescheidenheit“ und „aller Entschlossenheit“ will er den Dialog zur Regierungsbildung aufnehmen, um den Willen der „Mehrheit der Spanier an den Urnen dieses Sonntags“ umzusetzen. Das ist wenig bescheiden. Ein Drittel der abgegebenen Stimmen stellt alles andere eine Mehrheit der Bevölkerung dar. Niemand dürfe in „Versuchung” kommen, „Spanien erneut zu blockieren“, sagte er vor allem mit Blick auf die Sozialdemokraten.

Sein Problem ist aber, dass er keine Chance für eine Mehrheit hat. Seine Zugewinne gingen vor allem auf Kosten der rechtsextremen VOX-Partei. Die PP-Abspaltung mit offenen Anhängern der Franco-Diktatur unter dem ehemaligen PP-Parlamentarier Santiago Abascal wurde zwar erneut mit 33 Sitzen drittstärkste Kraft, doch statt 19 bekam sie nur noch 12,4 Prozent und verlor 19 Sitze. Einer möglichen PP-VOX-Koalition, die es schon in Regionen gibt, fehlen sieben Sitze zur Mehrheit von 176. Doch niemand ist bereit, diese Koalition aus Ewiggestrigen zu unterstützen. Deshalb ist es ein bitterer Sieg für Feijóo, der sogar eine absolute PP-Sitzmehrheit wie in den großen Regionen Andalusien und Madrid erhofft hatte.

Sozialdemokraten profitieren von der höheren Wahlbeteiligung

Für die Sozialdemokraten war es dagegen eine süße Niederlage, mit der wohl auch viele in der Partei nicht gerechnet hatten. Der PSOE-Chef Sánchez hatte nach fatalen Ergebnissen für seine PSOE bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai die Neuwahlen eilig vorgezogen. Er konnte aber tatsächlich die linkere Wählerschaft angesichts der Gefahr einer VOX-Regierungsbeteiligung auf nationaler Ebene mobilisieren. Deshalb lag die Wahlbeteiligung, trotz Sommerferien und zum Teil erneut extremer Hitze, mit gut 70 Prozent deutlich über den 65 Prozent vor knapp vier Jahren. Dass die PP mit VOX in verschiedenen Regionen seit vielen Jahren paktiert, dass sich Feijóo arrogant einer Debatte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verweigerte und er Bildern nichts entgegensetzen konnte, die ihn auch im gemeinsamen Urlaub mit einem Drogenboss zeigen, hat ihm letztlich die Regierungsmacht gekostet.

Üblicherweise sorgt eine hohe Beteiligung für einen PSOE-Sieg. Der blieb aber aus, da die Sánchez-Regierung zentrale Wahlversprechen gebrochen hat. Die neoliberale Arbeitsmarktreform der PP und ihr Maulkorbgesetz wurden nicht gestrichen. Die Arbeitsmarktreform der PP zu 95 Prozent in Abstimmung mit der Unternehmerschaft konsolidiert  und das Maulkorbgesetz wurde sogar verschärft. Insgesamt blieb die selbsternannte „progressivste Regierung“ auf sozialer Ebene blass, die Armut wächst durch explodierende Mieten und die Inflation. Spanien hält den traurigen Europarekord bei von Armut bedrohten Mietern.

Üblicherweise strafen eher linkere Wähler ihre Parteien für Misserfolge ab. So gingen die Zugewinne der PSOE auf Kosten der Unterstützer. 2019 kamen die Parteien, die nun neue Linkskoalition „Sumar“ (Summieren) bilden, noch getrennt auf 38 Sitze. Nun sind es nur 31. PSOE und Sumar kommen nur auf 153 Sitze und stehen noch schlechter als die mögliche PP-VOX-Koalition da. Trotz allem ist das eilig zusammengeschusterte Zwangsbündnis, mit dem die einstige Protestpartei „Podemos“ (Wir können es) nun sozialdemokratisch feindlich übernommen wurde, über das eher enttäuschende Abschneiden erfreut. Die Sumar-Chefin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz feierte das Ergebnis. Dabei blieb sie weit hinter dem Ziel zurück, die Wahlen gewinnen und erste Präsidentin des Landes werden zu wollen.

Sánchez wäre auf die Basken und die Puigdemont-Partei JxCat angewiesen

Besonders musste aber der katalanische Sánchez-Mehrheitsbeschaffer Federn lassen. Die Republikanische Linke (ERC) wurde, wie schon bei den Wahlen im Mai, erneut sehr hart abgestraft. Denn die ERC hat in vier Jahren als Sánchez-Unterstützer praktisch nichts erreicht. Der Dialog zur Konfliktlösung, mit dem Sánchez sie seit Jahren ködert, hat in Wirklichkeit nie begonnen. Die Repression dauert aber an und das haben viele Wähler bestraft. Ihr Stimmanteil hat sich auf 13 Prozent fast halbiert. Sie verlor sechs von 13 Sitzen.

Mehr als auffällig war, dass in Katalonien die Wahlbeteiligung gegenüber 2019 sogar um gut drei Prozentpunkte gesunken ist, statt wie im Rest des Landes deutlich zuzulegen. Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung hatten aus Enttäuschung gegenüber ihren Parteien eine Enthaltungskampagne gestartet. Auch die Zahl der ungültigen Stimmen hat sich dort fast verdoppelt. Die verlorenen ERC-Sitze sind nun genau die, die Sánchez zu einer neuen möglichen Regierungsbildung fehlen. Dafür wäre er neben den Stimmen von Sumar aber erneut auch auf die der baskischen Christdemokraten (PNV) und der linksnationalistische EH Bildu (Baskenland Vereinen) angewiesen. Die PNV wurde leicht geschwächt, Bildu leicht gestärkt.

Um erneut Regierungschef zu werden, ist Sánchez für seine neue Patchwork-Regierung nun auch auf die Unterstützung der Partei des katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont angewiesen. Dessen Partei „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat)  konnte sich mit eher leichten Verlusten und sieben Sitzen behaupten.

So müsste Sánchez nun aber dem Puigdemont verhandeln, den die spanische Justiz weiter für die Durchführung des Unabhängigkeitsreferendums 2017 verfolgt. Gerade heute hat die Staatsanwaltschaft gefordert, in Spanien ein Ministerium, erneut einen internationalen Haftbefehl gegen Puigdemont und Comín auszustellen. Das Bündnis PSOE-Sumar schickt aber nun einen Sumar-Vertreter nach Belgien, um mit Puigdemont zu verhandeln.

 

Anders als die ERC ist JxCat allerdings nicht bereit, Sánchez die Stimmen ohne klare Zugeständnisse zu geben. Puigdemont twitterte noch in der Wahlnacht: „JxCat ist nur seinen Wählern gegenüber verpflichtet.“ Deshalb habe man Sánchez 2019 nicht zum Regierungschef gemacht, seinen Haushalten nicht zugestimmt oder sich an der „Dialog-Farce“ beteiligt. Ohne es auszusprechen, ist klar, was er nun fordert. Ein verbindliches Referendum über die Unabhängigkeit nach Vorbild Schottlands und ein Ende der Repression. Dass Sánchez Puigdemont entsprechend weit entgegenkommt, ist derzeit mehr als unwahrscheinlich.

Auf dem Weg zu Neuwahlen

„Wie Sánchez über die Unabhängigkeitsbewegung spricht, sehe ich derzeit keine Regierungsbildung“, erklärte der JxCat-Chef Jordi Turull. Der macht auch klar, dass ein Nein zu Sánchez natürlich kein Ja zur PP und Feijóo ist. So zeichnet sich der weitere Weg schon ab. Auch wenn Sánchez erklärt, es werde wie 2019 keine Wahlwiederholung geben, ist genau das vorgezeichnet. 2019 hatte er sich nach dem ersten Wahlgang noch einer Koalition mit Podemos verweigert, die er dann nach noch schlechteren Ergebnissen im zweiten Wahlgang einging. Dass es zu einer großen Koalition kommt, kann ausgeschlossen werden, denn dafür müsste der Narzisst seinen Präsidentensessel räumen. Comín, einst selbst PSOE-Mitglied, erklärte: „Eine große Koalition mit der PSOE wäre ein Selbstmord für die.“

Dass Medien in Deutschland davon sprachen, dass „Franco-Erben zurück auf dem Weg zur Macht“ seien, war allerdings hanebüchen. Schließlich hatte die PP viele Jahre regiert. Sie wurde von Franco-Ministern wie Manuel Fraga Iribarne gegründet und hat sich nie vom Putsch 1936 und der Diktatur distanziert. Der ehemalige PP-Innenminister Jaime Mayor Oreja in der Aznar-Regierung sprach sogar von der „außerordentlichen Annehmlichkeit” der Diktatur. „Warum sollte ich den Franquismus verurteilen, wenn es viele Familien gab, die ihn natürlich und normal erlebt haben.” José María Aznar,   von 1996 bis März 2004 Ministerpräsident Spaniens, bezeichnete sich selbst als „unabhängigen Falangisten“, wetterte gegen den Übergang zur Demokratie und die Verfassung in Zeitungsartikeln und bezeichnete sogar Fraga als „Verräter“.

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14 Kommentare

  1. “Der blieb aber aus, da die Sánchez-Regierung zentrale Wahlversprechen gebrochen hat. Die neoliberale Arbeitsmarktreform der PP und ihr Maulkorbgesetz wurden nicht gestrichen. Die Arbeitsmarktreform der PP zu 95 Prozent in Abstimmung mit der Unternehmerschaft konsolidiert und das Maulkorbgesetz wurde sogar verschärft. Insgesamt blieb die selbsternannte „progressivste Regierung“ auf sozialer Ebene blass, die Armut wächst durch explodierende Mieten und die Inflation.”

    Aha, die so coolen progressiven Linken machen also so ziemlich die gleiche Politik wie die Ewiggestrigen? Das ist ja mal was ganz Neues! Um so dankbarer sollten sie eigentlich dafür sein kaum Stimmen verloren zu haben. Mich hätten sie mit so einer Farce jedenfalls nicht noch mal als Wähler bekommen. Ich bin da aber offenkundig nicht repräsentativ, denn in der Regel lässt sich der Bürger eine solche Verarsche dann doch gerne ein paar Mal gefallen… bevor er dann irgendwann mal die rote Karte zieht. Bis dahin ist dann allerdings der ganze Dreck schön festgetreten und dort bleibt er dann auch.

  2. Interessanter Artikel, übrigens was das angebliche Wiederauferstehen des Faschismus angeht, da hab ich eine ganz eigene Theorie – könnte es sich bei Franco, ebenso wie bei Mussolini, oder Hitler, aus Sicht der (Neo-)Nazis nicht um Heilige bzw. eine weltliche Religion handeln? Ist nicht das der Grund, dass der Faschismus/(Neo-)Nazismus nie fort war? Warum stellt diese Fragen niemand? Gerade als jemand, der sich mit Religionskritik schon einmal beschäftigt hat, weis ich, dass Religionen eben unausrottbar sind, trotz aller Säkularisierung – die bestehen bei Betonkopf-Gläubigen – ewig fort – bestes Beispiel, die Römisch-Katholische Kirche im Vatikan, deren Untergang schon mehr als einmal vorausgesagt wurde, die sich aber immer wieder neu gegründet hat – also warum sollte das nicht bei einer weltlichen Religion anders sein? Zumal für eingefleischte Faschisten/(Neo)Nazis ihre jeweiligen “Messiase” auch als Märtyrer – je nach Todesumstand, z.B. Hitler und Mussonlini – verehrt werden…..kein Witz, einen solchen Kult gibt es z.B. in Melonis Italien und auch der Kult um Franco ist nicht von der Hand zu weisen, wobei dieser ja eines natürlichen Todes gestorben ist, aber dennoch einen Kult um sich begründet hat…..ja, ich weis, wir leben eigentlich, was ja auch mehr als positiv sein düfte, in zunehmend säkularer werdenden Gesellschaften, die von Religionen (nicht-weltlichen) immer mehr Abstand halten, aber meines Erachtens sollten wir das auch für die weltlichen Religionen, insofern diese wie der autoritäre Sozialismus/Kommunismus nicht eh schon mausetot sind, gelten – der Faschismus hat eben überlebt, und genau deswegen sollte man immer wieder auf den religiösen Inhalt des Faschismus hinweisen, der wohl der Hauptgrund des Weiterlebens dieser uralten, massenmörderischen, globalen Bewegung sein dürfte.

    Faschismus/(Neo-)Nazismus haben eben nicht bei Religionen abkopiert. Nein, die haben eigene, weltliche Religionen – mit eigenen Messiasen – geschafften – man kann es nicht oft genug erwähnen…….;-)

    Zynische Grüße
    Bernie

    PS: Ist doch interessant, dass dieses Thema bei Religionskritik ausgespart wird, dabei ist eine Diskussion darüber längst überfällig, und zwar bis ins kleinste Detail, denn ich nehme stark an, dass dann die (Neo-)Nazis weltweit immer weniger Zulauf erhalten würden, und nur der harte “gläubige” Kern übrig bleibt, wie eben bei der römisch-katholischen/evangelischen Kirche in .de.

    1. In Bezug auf Franco liegst du etwas daneben. Die Franco-Faschisten waren selbst erzkatholisch, da war nichts mit “weltlichen Religion”. Große Teile des Klerus standen den Modernisierungsbestrebungen der Republikaner feindlich gegenüber und waren Francos “natürliche” Bündnispartner.

  3. Sanchez gehört m.W. zu den Scharfmachern und Waffenlieferanten im Ukrainekrieg. Ein Weiterregieren dieses Herrn wäre weder ein Glück für Spanien, noch für Russland und erst recht nicht für die Ukraine. Den politischen Verbiegungen linker Kriegstreiber zuzuhören ist schon ziemlich abenteuerlich. Dass die auch kein Problem damit haben, den Wählerwillen zu manipulieren, ist nicht erst seit heute bekannt.

  4. Hoffentlich nutzen die Unabhängigkeitskräfte das politische Patt, um eine Loslösung von Madrid zu forcieren.
    Ein neues Referendum sollte dann flankiert werden von der Postierung einer Grenzpolizei an der künftigen Staatsgrenze zu Restspanien, der Installierung eines eigenen obersten Gerichts sowie von Aufnahmeanträgen in UN, IOC und FIFA.

  5. Europa ist in einem Konflikt, den jeder Staat sehr teuer bezahlt und vor allem die mittleren und unteren betrifft. Eine süsse Niederlage, heisst das die Bürger die praktizierte Politik überhaupt nicht gut finden!
    Also die demokratische Simulationen werden über Ideologien aufrechterhalten, um später einen Freibrief für verfehlte Politik zu erhalten.
    Das Hauptproblem unserer heutigen Zeit besteht darin, die Verantwortung für aktives handeln durch Wahlen zu ersetzen!
    Die Leuts haben nichts davon, nur weniger im Säckel und labern wie wild um ihre Ideologie.
    Könnte irgendeine Ideologie tatsächlich etwas ändern an realen geopolitischen Realitäten?
    Wohl kaum, nur das Theater geht weiter…, siehe die italienische Melone.

  6. Demokratie wagen. Die Sozis könnten den Stier bei den Hörnern greifen, ein demokratisches Referndum vereinbaren. Das hat ja sogar der konservative Cameron in UK mit Schottland gemacht. Dann könnte Perro Sánchez regieren, die Faschos wären draußen. Aber das ist zuviel Demokratie für Nationalisten-Sozen.

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