Egal ob Schmusekätzchen oder Kontinuität – Argentinien versinkt im Chaos

Javier Milei. Screenshot aus dem Wahlvideo

In dem von einer Hyperinflation geplagten Argenien wird gewählt. Gute Chancen hat der rechte, libertäre Javie Milei, im Vergleich zu ihm wirken Politiker wie Trump und Bolsonaro wie besonnene Philosophen.

 

Am kommenden Sonntag wird in Argentinien gewählt. Die Vorwahlen im August hatte der ultrarechte Javier Milei gewonnen. Die wirtschaftliche Situation des Landes ist derart schlecht, dass Meinungsumfragen ihm gute Chancen prophezeien. Wenn er die 45 % der abgegebenen Stimmen oder weniger als 10 % Abstand zum nächsten Kandidaten verfehlt, kommt es am 19. November zu einer Stichwahl. Bei der geht es nicht nur um den Wirtschaftskurs, sondern auch um die Frage, ob das südamerikanische Land Mitglied des BRICS wird.

Die (noch) regierende peronistische Regierung hatte schon im September 2022 einen formellen Aufnahmeantrag in das Bündnis BRICS gestellt. Es steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Es rüttelt an der Vorherrschaft der USA und will dem US-Dollar eine eigene internationale Verrechnungseinheit entgegen setzen. Erst vor zwei Monaten hatte der brasilianische Präsident Lula da Silva auf dem BRICS-Gipfel in Südafrika durchgesetzt, dass Argentinien aufgenommen werden soll, obwohl sich das Nachbarland in einer tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise befindet. Ob es dazu kommt, hängt wohl vom Wahlausgang ab. Denn der Herausforderer Milei will partout den eigenen Peso durch den US-Dollar ersetzen und am liebsten den Handel mit China und Russland aussetzen. Sollte ihm das gelingen, wird wohl von seiner Volkswirtschaft wenig übrig bleiben. Aber mit Argumenten will er die Wahlen nicht gewinnen, sondern mit Eklats und Tabubrüchen, so abstrus sie auch sein mögen.

China ist nach Brasilien der zweitwichtigste Handelspartner Argentiniens, und mit Lula, den Milei für einen verkappten Kommunisten hält und als solchen beschimpft, will er künftig am liebsten gar nichts mehr zu tun haben, und mit BRICS sowieso nicht. Die Kandidatin des gemäßigten Rechtsbündnisses PRO, Patricia Bullrich, hat sich in diesem Punkt nicht festgelegt, steht Milei aber ideologisch nahe.

In den letzten Tage vor dem Urnengang kann noch viel passieren, denn das Land befindet sich praktisch in einer Hyper-Inflation. Diese ist zum Teil hausgemacht, denn die Peronisten kurbeln ohne Unterbrechung an der Druckerpresse; zum Teil wird sie durch Spekulanten künstlich herbeigeführt. Es scheint, dass Milei und seine Koalition La Libertad Avanza (die Freiheit schreitet voran) einen Bankencrash verursachen wollen, um sich selbst als Erlöser darzustellen. So hat er gerade medienwirksam seine Landsleute aufgerufen, nicht mehr in Pesos zu sparen und die Festgelder in nationaler Währung aufzulösen; Pesos seien „Exkremente“, meinte er. Es passierte, was überall auf der Welt in so einer Situation passieren muss: Die Sparer holten von den Banken ihr Geld und kauften damit Devisen. Innerhalb eines Tages sprang der Wechselkurs des Dollars von 870 auf 1010 Pesos. Geschäfte verkaufen ihre Ware nicht mehr, weil sie nicht wissen, was sie für den Einkauf zahlen müssen; das Land steht kurz vor dem Bankrott.

Die peronistische Regierung erstattete Strafanzeige gegen Milei. Sie stützt sich dabei auf § 11 des Strafgesetzbuches, was aus den eigenen Reihen als zu lasch kritisiert wurde; man hätte sich besser auf das Gesetz 26.734, das „Anti-Terrorismus-Gesetz“, berufen sollen. Für Milei kam die Anzeige gerade recht; er stellt sich seitdem als Opfer dar.

Ob der Run auf die Banken und den Dollar aufgehalten werden kann, ist fraglich. Offensichtlich sind mächtige Kräfte aus dem Finanzkapital am Werk, die gegen den ohnehin schwachen Peso spekulieren. Die Frage wird sein, wer am längeren Hebel sitzt, wer mehr Geld zum Wetten hat.

Kein Wunder, dass sowohl der amtierende Staatschef als auch sein Wirtschaftsminister und Präsidentschaftskandidat Sergio Massa wenige Tage vor den Wahlen nach China gefahren sind, um dort bei der Zentralbank um eine erneute Finanzspritze nachzufragen. Erfolgreich, wie es scheint. So darf die Regierung in Buenos Aires jetzt den zweiten Teil (der erste ging schon vor ein paar Wochen an den IWF, um die Zahlungsunfähigkeit zu verhindern) des chinesischen Swaps zum Stützen des Pesos gegen Spekulanten verwenden. Allerdings gibt in dem Abkommen mit Peking eine „Milei Klausel“, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. „Sollte Argentinien seine politischen oder Handels-Beziehungen mit China abbrechen, müssen die Yuans automatisch zurückgezahlt werden“, so die Tageszeitung „La Nación“.

 

Chaos so oder so

 

Egal, wer die Wahl gewinnt, Argentinien drohen chaotische Zeiten. Siegt Massa, muss er das Land aus Krise führen. Die Inflation wird wohl 180 % erreichen, das Land ist in jeder Hinsicht am Boden. Und er wird im Parlament keine eigene Mehrheit gegenüber der rechten und ultrarechten Opposition haben.

Gewinnt Milei, werden vielleicht die Aktenkurse kurzfristig in die Höhe schnellen, aber wer wird ihm Vertrauen schenken und Geld leihen? Ein US-Gericht hat Argentinien vor kurzem zu einer Strafe von 16 Milliarden Dollar verurteilt, wegen der unrechtmäßigen Teil-Verstaatlichung des Erdölkonzerns YPF. Der IWF drängt auf weitere Raten, und die Mitgliedschaft im BRICS wäre unwahrscheinlich.

Verglichen mit dem Anführer von Libertad Avanza wirken sogar Politiker wie Trump und Bolsonaro wie besonnene Philosophen. Er sieht nicht nur aus wie ein Wirrkopf, er ist auch einer. Sergio Massa fordert, dass sich vor der Stichwahl die Bewerber einem psychologischen Test unterwerfen sollen. Milei vertraut am meisten seinen Hunden, die er manchmal ins Fernsehen mitbringt. Als sein Lieblingshund Conan starb, klonte er ihn und lebt jetzt mit dessen fünf Nachfahren glücklich zusammen.

Milei mit den geklonten Hunden. Screenshot

 

Milei will nicht nur die Gewerkschaften entmachten und die Sozialleistungen streichen. Er ist gegen die Schulpflicht und gegen staatliche Schulen und Universitäten, die umsonst sind. Auch die Hospitäler, die die Armen versorgen, sind in seinen Augen überflüssig. „Ein perfektes Schmusekätzchen des Kapitals“, sagt die Anführerin des Linksbündnisses, Miriam Bregman, über ihn. Er will den Organhandel freigeben, den er als ein „Geschäft wie viele andere“ betrachtet. In Fernseh-Debatten darauf angesprochen konkretisierte er: Die korrupte Behörde Incucai verhindere, dass den über 300.000 Argentiniern, die jedes Jahr das Zeitliche segnen, Teile entnommen werden, um den auf Spenderorgane wartenden Patienten zu helfen. Incucai reagierte prompt: Als Spender kommen nur Menschen in Frage, die auf der Intensivstation sterben, da nur dort die professionelle Entnahme eines Organs sichergestellt werden kann.

Aber seine Anhänger lassen sich von Details nicht abhalten. Milei befürwortet die Leihmutterschaft und ist strikt gegen die Abtreibung, die gerade erst von einer breiten Frauenbewegung auf der Straße durchgesetzt worden ist. Gerade bei jungen Leuten hat er Erfolg. Warum ihm auch viele junge Frauen ihre Stimme geben wollen, bleibt ihr Geheimnis.

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24 Kommentare

  1. LOL 😆 😄 😅
    warum mußte ich gerade an “Majestyk” denken, wenigstens ist der libertäre Kandidat Milei Tierlieb!

    60 Stunden Woche dafür müssen später noch die Organe der eigenen Kinder verkauft werden wie geil 🤘 welch frohe Botschaft für’s Geschäft!

  2. Auf ins Land eurer Träume !

    PHZ, Tonnenotto, Majetix und viele andere rechten Spacken, Kriegsverherrlicher, Wirrschädel und AfD-Trolle nach Argentinien abschieben, oder in der Ukraine an die Front !

    1. ..ich befürchte, da wirds eng werden! ;-/ Einfach zuviele ‘Abnicker’ und Systemgläubige auf dem schönen blauen Planeten! Die letzten 3Jahre haben mich hinsichtlich der Zurechnungsfähigkeit meiner Zeitgenoss/inn/en demütig werden lassen! ;-/

  3. Das mag man kaum glauben. Falls das so zutrifft, sind die Gauchos komplett irre. In der heutigen Welt gibts tatsächlich ne Menge Soziopathen unter den Politiktreibenden. Wobei Milei wohl eher ein Pycho ist.

    Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind höchst wahrscheinlich nicht alleine dem argentinischen Unvermögen zu schulden. Die bestehende Regierung und BRICS werden doch nicht glauben, dass sich die Yankees (Wallstreet) Argentinien abnehmen lassen. Die werden mit Zähnen und Klauen verhinden, dass Argentinien abtrifftet und den Dollar verschmäht. Das wird nicht passieren, schießlich steht der Wallstreet, außer dem alles beherrschenden Dollar, ein riesiges Millitärkontingent zur Verfügung.

    Vorhersage: Falls der Wirrkopf nicht gewählt wird, gibts einen Militärputsch.
    Die Chinesen werden ihr Investitionen abschreiben müssen. Verträge jucken die Yankees schon seit Tagen der Eliminierung der “Native Nationen” nicht.

  4. Nur die allerdümmsten Kälber
    wählen ihren Metzger selber.

    Ich fasse es einfach nicht mehr, wie solche krummen Gurken von der breiten Masse an die Macht gewählt(!) werden können. Gibt es da so eine Art Todessehnsucht?

    1. Diese krumme Gurken, wurden vor Jahrzehnten gerade gezüchtet!
      Also sollte man sich nicht wundern über darstellenden Hundclonsbesitzer der möglicherweise auch ein wenig intimes Verhältnis zu seinen Clonen unterhält.
      Übrigens sind diese Erscheinungen nicht neu, sie sind ein Bestandteil über Jahrzehnte hinweg, man verdrängt das gerne.

    2. Ist immer schwierig zu beurteilen, wie die Leute im Land solche Dinge einschätzen. In Ecuador ist auch gerade der Sohn eines reichen Bananero Präsident geworden. Wenn der karren seit Jahren nur bergab rollt, dann scheint jeder morsche Holzklotz geeignet, ihn zu stoppen.

  5. El Senor Milei ist der feuchte Traum eines US-Plutokraten und absolutistischen Feudalherren. Bei diesen Botschaften sollte ziemlich klar sein, wessen Marionette dieser scheinbare Irre ist. Falls es bei den Wahlen mit rechten(!!!) Dingen zugehen sollte und seine Majestät gewinnt dürfen sich Pepe Normalbürger und Konsorten auf interessante Zeiten einstellen. Schön wird’s nicht.

    1. Was soll’s! In Ecuador hat gerade der Sohne eines Großaktionärs von Chiquita gewonnen. So wird Ecuador im wahrsten Sinne eine Bananenrepublik. Und das Land am Silberfluss dann eben eine Organrepublik.

  6. Diesmal muss ich Frau Weber, die geradezu den Goldstandard des deutschen Journalismus repräsentiert, kritisieren. Argentinien soll ein Problem haben? Nie im Leben ! Sie haben die Copa gewonnen, sind Weltmeister geworden und Gott selbst – Messi – ist einer der ihren. Wie können die ein Problem haben?

    Oder so…

    1. Sie haben die Copa gewonnen, sind Weltmeister geworden

      Wenn sie dabei nicht die richtigen Armbinden getragen haben, dann ist das ungültig.

      Gott selbst – Messi

      Naja, er ist eher Gottes Sohn, Gottvater trägt den Vornamen Diego.

  7. Es wurden in den Kommentaren schon einige irre Verbündete von unserer Regierung genannt, ich steuere auch mal noch 2 bei:

    1. Bong Bong Marcos auf den Philippinen, der Sohn vom Ex-Diktator Marcos, der dort unzählige Menschen foltern und ermorden lies. Marcos sen. hatte auch viele Milliarden von den Philippinen geraubt.

    2. In El Salvador ist Nayib Bukele am Werk, der Held der Bitcoin Bros.

    Man könnte da noch ein ganzes Gruselkabinett auffahren aus weiteren Ländern, welche aber vom Westen und IMF unterstützt werden, weil sie eben so schön Kapitalismus durchführen. Das heißt jetzt auch nicht, dass “unsere” deutschen Regierungspolitiker besser wären. Sie können sich das nur nicht leisten, weil Deutschland noch nicht so arm und kaputt ist.

    1. In El Salvador haben die maras das Sagen, egal, wer dort der Präsident ist. Ob Bukele ein “Verbündete[r] von unserer Regierung” ist kann ich nicht genau sagen, aber er hat zumindest eine Zeit lang mal mit China geflirtet.

  8. Mit Kirchnerismo spielt er auf die Korruptionsvorwürfe gegen Christina Kirchner an. Die aber wohl eine Kleinigkeit gegen das sind, was er wohl vom Zaun brechen wird. So geht es zu, wenn Rechtspopulisten regieren:

    https://www.fr.de/politik/jair-bolsonaro-brasilien-wahl-korruptionsvorwuerfe-geldwaesche-familie-lula-news-91758613.html

    Hinzu kommt: Michel Temer, der 2015 in einem Justizputsch an die Macht kam, erhob Korruptionsvorwürfe gegen Dilma Roussef, die amtierende Präsidentin der Arbeiterpartei. Wegen eines Skandals, der Lava Jato genannt wurde. Inzwischen sitzt er, Temer, wegen Lava Jato in U-Haft. Roussef wurde also gegen jemand ausgetauscht, der an der Vertuschung aktives Interesse hatte. Soviel zu Brasilien.

    Die Kirchners kamen an die Macht, als Argentinien eben einen Staatsbankrott anmelden mussten. Da holt man dann die Linken, um das zu bereinigen. Sie schafften es, das Land aus der Klaue des IWF zu befreien. Kaum geschafft, mussten die Argentinier unbedingt den Konservativen Macri wählen. Ergebnis: wieder Staatsbankrott. Macri hatte den größten, vom IWF jemals vergebenen Kredit in Höhe von 57 Milliarden bekommen Dollar bekommen. Ohne Wirkung, aber der muss jetzt abbezahlt werden. Wie es sonst so zuging unter Macri, ebenfalls von Gaby Weber:
    https://www.telepolis.de/features/Argentinien-Fracking-am-Ende-4664249.html

    Diesen Milei darf man nun als Super-Macri einschätzen, von der Wirkung her. Als Politiker kann man den ja nicht bezeichnen, der taugt höchstens als Wirtshausschläger.

    Was soll man sagen? Für eine massive Dummheit gibt es eine massive Quittung. Zu hoffen ist, dass das den Argentiniern im letzten Augenblick noch einfällt.

  9. Ich habe mir gerade mal auf einigen argentinischen Webseiten angesehen, was dort so los ist. Mileis Hauptslogan scheint tatsächlich “Kirchnerismus oder Freiheit” zu sein, wie oben auf dem Titelfoto zu lesen. Was er mit Freiheit meint hat Frau Weber ganz gut beschrieben. Viele seiner Anfeindungen richten sich gegen die ñoqui ( in Arg. Wort für Leute im Staatsdienst, die für das Nichtstun Geld kassieren).
    In gewisser Beziehung hat er es aber auch leicht, denn neben beiden bekanntesten Kirchners ist auch noch die Schwester des Ex-Präsidenten Provinz-Gouverneurin und der Sohn der beiden ist Chef einer großen Jugendorganisation.

  10. Dieser Trend der ‘neuen’ politischen Ausrichtung läuft seit ein paar Jahren und geht von der horizontalen in eine vertikale Struktur.
    Die westliche Demokratie hat vorgeführt, das diese nicht funktioniert.

  11. Als Nicht-Libertärer könnte man sich nur über einen Wahlsieg von Javier Milei freuen. Die meisten Libertären haben Pinochet vergessen und glauben wirklich vollumfänglich an ihre Ideologie. Ein gescheiterter Libertarismus wäre nicht verkehrt.

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