„Du hast die Wahl!“ – Wenn Wahlen zur Falle werden

Bild: SOS Humanity

Natürlich geht man zu den Bundestagswahlen und nimmt an diesem Grundakt der Demokratie teil. Sagen die einen. Wer zur Wahl geht, ist Teil der Inszenierung einer vorgeblichen Demokratie, in der immer die gleichen regieren, egal was man wählt. Sagen andere.

Wenn die Alternative nicht etwa zwischen den kandidierenden Parteien zu finden ist, sondern nur zwischen Wählen und Nicht-Wählen, stehen wir zugleich vor einer erschreckenden Perspektive. Welchen Grundakt der Demokratie gibt es denn dann noch? Vielleicht klammert man sich deshalb noch an Scheinwahlen und tabuisiert den Wahlboykott.

Unter den Mails und Postsendungen der letzten Tage mit den multiplen Aufforderungen, doch zur Wahl zu gehen etc. pp., war auch ein Absender, der es besser wissen kann und muss. Die private Seenotrettungsorganisation SOS Humanity, die das Schiff Humanity betreibt, hat ebenfalls eine Wahlaufforderung unter der Überschrift versandt: „Du hast die Wahl!“ Zitat: „Derzeit sterben im Schnitt zwei Menschen pro Tag bei dem Versuch, über das zentrale Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Statt auf Hilfe durch die EU und ihre Mitgliedsstaaten zählen zu können, werden diese Menschen im Stich gelassen und ihr Tod in Kauf genommen. In politischen und gesellschaftlichen Debatten, auch in Deutschland, werden Schutzsuchende immer mehr entmenschlicht und ihre Rechte beschnitten, während rechtsextreme Positionen normalisiert werden. Das willst Du nicht akzeptieren? Dann nutze Deine Stimme bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025. Setze Dein Kreuz für Menschenrechte und für die Seenotrettung!“

Doch wo soll man das Kreuz hinsetzen? Ihrem Appell zum Trotz wissen es die Seenotretter besser: Es gibt keine Wahl. Es gibt keine Partei, die vorbehaltlos die Seenotrettung unterstützt. Keine.

Die private Seenotrettungsorganisation SOS Humanity gründete sich (damals als SOS Mediterranée Deutschland) vor zehn Jahren, im Mai 2015, weil Italien sein Seenotrettungsprogramm beendete und die Europäische Union die Flüchtenden im Mittelmeer sich selbst überließ. Die Seenotretter begannen ihre Einsätze hochmotiviert und mit viel Hoffnung. Doch bereits nach einem Jahr war sie einer tiefen Enttäuschung und regelrechten Erschütterung gewichen. Die Retter bekamen nicht nur keine Unterstützung, sondern wurden sogar als Kriminelle hingestellt, als „Menschenschmuggler“, die die „Geschäfte der Schlepper“ betrieben und „Asyltourismus“ praktizierten. „Wir wollen kein Reiseunternehmen auf dem Mittelmeer“, so eine der CDU-CSU-Stimmen damals. Man sieht, hässlich sein kann man auch ohne AfD.

2017 kam es zum EU-Libyen-Deal, nach dem eine der beiden Machtparteien in dem Land ohne Staat finanziert und ausgerüstet wurde, um Flüchtlingsboote abzufangen und nach Libyen zurückzubringen. Dieser Pakt war Europa-Staatsraison. In Deutschland widersprach ihm keine Parlamentspartei, auch Linkspartei und Grüne nicht. Als Italien in der Folge immer mehr private Rettungsschiffe festsetzte und vom Retten abhielt, wurde das in Deutschland stillschweigend akzeptiert.

Die AfD, die selbstverständlich ebenfalls gegen Fluchthilfe und für die Abschaffung des Asylrechtes ist, war damals noch nicht im Bundestag. Dafür darf sie heute für alles herhalten, vor allem für die reaktionäre Politik der anderen Parteien. Es erscheint wie ein allgemeiner Auftrag, der die Partei größer und größer macht.

Und nun das. Ausgerechnet die diffamierten Seenotretter appellieren an die Wähler, sich gegen rechtsextreme Positionen zu verhalten, indem sie ihre Stimme abgeben: „Du hast die Wahl! Setze dein Kreuz für Menschenrechte und für die Seenotrettung!“ Doch wem? Wer bleibt? Etwa das Bündnis Sahra Wagenknecht, das doch so tapfer gegen die Corona-Politik und den deutschen Kriegskurs steht?

Auch im BSW, das schon längst einen politischen Parteinamen angenommen haben müsste, wird zum Beispiel der vergiftete inhumane Kampfbegriff von der „irregulären Migration“ verwendet, anstatt eine aufgeklärte und verantwortungsvolle Debatte über Flucht, Migration, Asylrecht, deutsche Außenpolitik und offene Grenzen zu führen.

Warum sollen die tödlichen Ereignisse von 2024 (Weihnachtsmarkt Magdeburg) und 2025 (Verdidemo München) auf die Fluchtbewegung von 2015 zurückgehen und nicht auf 2001 (Krieg gegen Afghanistan) und 2021 (Rückkehr der Taliban)? Gehören afghanische Flüchtlinge mit ihren körperlichen und seelischen Verletzungen nicht auch zum Erbe einer deutschen Außenpolitik, die Deutschlands Freiheit am Hindukusch verteidigt sehen wollte und dort Hunderttausende von zivilen Opfern produzierte? Oder zu zurückgelassenen Ortskräften, die oder deren Familienangehörige den Taliban ausgeliefert wurden?

Hat das Verhalten arabischer und besonders palästinensischer Menschen weniger mit der Fluchtbewegung vor zehn Jahren zu tun, als mit den Kriegsverbrechen an Unschuldigen durch die israelische Armee und Regierung seit 2023, die von Deutschland unterstützt werden?

Diese Zusammenhänge herzustellen und dazu Meinungsführerschaft zu beanspruchen, hat das BSW verpasst. Stattdessen stand es in der jüngsten Auseinandersetzung daneben und folgte dem menschenrechtswidrigen Kurs von AfD und CDU-Merz wie ein Trottel.

Nebenbei: „Du hast die Wahl!“ – Bei der AfD liest sich das so: „Du hast es in der Hand.“ Es muss schon konkret werden, wenn man einen Unterschied sehen will. Wer den aber kaschieren will, der bleibt allgemein.

Haben uns die Wahlen der letzten Jahre demokratischere, sozialere und friedlichere Verhältnisse beschert? Oder etwa sogar das Gegenteil? Trotz Wahlen spaltet Corona immer noch die Gesellschaft, und bringt die aggressive Unterstützung der Kriegspartei Ukraine Deutschland in Kriegsgefahr. Das real-existierende Parteienkartell und sein Personal stehen tatsächlich wie eine Brandmauer zwischen Wählern und Entscheidern. Egal, was die Wähler wählen, die Entscheider entscheiden nach anderen Interessen. Wer das ändern will, muss es zunächst erkennen.

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16 Kommentare

    1. Habe ich gerade gemacht, aber meine Katze scheint mit dem sich heraus kristalisierenden
      Wahlergebnis nicht zufrieden zu sein und ist abgehauen.

  1. Bin schon gespannt wann Schmerz und Freudel die Reste des Sozialstaates Vaporisieren. Ob denn noch welche über’s Mittelmeer kommen um sich hier als Arbeitssklave verbrauchen zulassen?

      1. Hwsnbn,
        natürlich nicht dein geliebtes Geld geht direkt ohne Zwischenhalt an die Nutzmenschen für’s koksen in die Ukraine. Oder wie siehst du das Spacko Wanzetti?

        PS. habe gegen alle Absichten, extra nur für dich von meinem Wahlrecht gebrauch gemacht kannste gerne Raten wo die Kreuze hingekommen sind, vielleicht sage ich dann ja 🥳 😁 😂 🤣 😂 🤣

      2. Bevor wir das angehen, sollten wir die Nieten in Nadelstreifen, die Steuerhinterzieher und Wirtschaftskriminellen ins Kittchen bringen. Da wäre sehr viel mehr zu gewinnen…😁

  2. Ist die „Seenotrettung“ denn überhaupt eine Lösung für die Menschen oder müsste man nicht eher den Menschen in ihrem Herkunftsland helfen, so dass sie dort ein menschenwürdiges Leben haben können? Das bedeutet aber, dass man sich sehr unbequemen Fragen stellen muss, die aktuell als unerwünscht gelten.

    1. Eben.

      Mir kommt die vorgetäuschte Überfahrt mit Seenot und Rettung durch Treffen mit vorher angefunkten Rettungssschiffen auch eher vor wie moralisch verkleideter Sklavenhandel und Schlepperei. Heute muss man die Neger nicht mehr von anderen Negern im Busch fangen lassen und für ein paar Glasperlen an der Küste Afrikas erwerben. Die kommen von alleine, bezahlen die Reise selbst, und man kann sich als große RetterIn produzieren wenn man sie im Meer aufsammelt und im Lager in Europa abliefert. Mit einer Zukunft für die „Geretteten“ im billigsten Niedriglohnsektor als Lohnsklaven oder in der Kriminalität. Aber alles schön moralisch zum Wohlfühlen der Bessermenschen.

      Alles so wiederlich.

  3. „Diese Zusammenhänge herzustellen und dazu Meinungsführerschaft zu beanspruchen, hat das BSW verpasst. Stattdessen stand es in der jüngsten Auseinandersetzung daneben und folgte dem menschenrechtswidrigen Kurs von AfD und CDU-Merz wie ein Trottel.“

    Bei der Abstimmung ging es wohl ausschließlich um die illegalen Einwanderer. Dem Gesetz genüge tun zu wollen, bedeutet also für den Autor einen „menschenrechtswidrigen Kurs“ einzuschlagen. Statt dessen soll man die Menschen kurzzeitig retten und braucht sich dann nicht mehr um sie zu kümmern. Auch die dadurch entstehenden Probleme im Land brauchen einen nicht zu scheren. Als Moralist ist man fein raus, denn man sieht nur da Probleme, wo man gerade hinguckt.

    Frage: Wie wird sich wohl die negative ökonomische Situation, die jetzt aufgrund unserer Ukrainepolitik – Sanktionen und Rüstung – voll auf die Sozialpolitik durchschlagen wird, für die Flüchtlinge auswirken, die hier als Almosenempfänger ihr Dasein fristen?

  4. Alle Lösungen sind hässlich. Auch die, die wollen, dass niemand ums Leben kommt, müssen einsehen, dass die Seenotrettung die Lage nicht verbessern würde. Die nördlichen Anrainer weisen sie inzwischen alle zurück und dann kommen die Flüchtlinge wieder in das Land, aus dem sie geflohen sind. Würden sie gerettet, dann kämen vermutlich noch mehr, die dann eben nicht gerettet werden können.
    Irgendwie verstehe ich das Ganze nicht. Diese Leute machen sich auf in Länder, in denen sie in üble Gefängnisse geworfen werden. Von dort begeben sie sich auf das Mittelmeer, wo sie mit großer Wahrscheinlichkeit umkommen. Wissen die das nicht? Doch das wissen die.
    Muss da nicht Zwang vorliegen, um so ein Verhalten zu provozieren? Ein Motiv wäre da, denn diese Flüchtlinge haben in all den nördlichen Anrainern die Rechtsparteien groß gemacht.

    Wenn nun ein Flüchtling so etwas erzählen würde, hätte er einre Chance, von der Presse gehört zu werden? Mitnichten.

  5. „Wenn die Alternative nicht etwa zwischen den kandidierenden Parteien zu finden ist, sondern nur zwischen Wählen und Nicht-Wählen, stehen wir zugleich vor einer erschreckenden Perspektive. Welchen Grundakt der Demokratie gibt es denn dann noch? Vielleicht klammert man sich deshalb noch an Scheinwahlen und tabuisiert den Wahlboykott.“

    Der ganze Kommentar ist albern.
    Das einzige was von Bedeutung sein könnte, wäre wenn eine Mehrheit endlich und ein für alle Male versteht und akzeptiert, dass Wahlen und Demokratie Worte sind mit denen die Bürger bei der staatlichen Stange gehalten werden.
    Selbst der Kommentarschreiber ist, wie man an dem Zitat sieht, an dieser simplen Einsicht gescheitert.
    Die politische Parteien, bzw deren Politiker selber, sehen also keinerlei Grund an ihrem Verhalten und ihren Reden, also betreffs Phrasen zu Demokratie und feien Wahlen, irgenetwas zu ändern.

    An jedem Wahlabend sieht jeder zu sich ehrliche Mensch, dass seine Stimme nicht die geringste Rolle gespielt hat und trotzdem kann man ihm jetzt schon vorhersagen, dass er auch in vier Jahren wieder brav wie alle Schafe zur Urne trottelt…

    Ihr scheint zu meinen, ihr hättet etwas besseres verdient?

    😂 🤣 😂 🤣 😂 🤣 😂

  6. Das gesamte Wahlergebnis an der Flüchtlingsrettung aufzuhängen ist natürlich Unsinn. Denn damit wird das Hauptproblem tabuisiert, noch nicht einmal ausgesprochen. Alles wird so weitergehen wie bisher. Dieses Hauptproblem ist die große USA-Hörigkeit sämtlicher Institutionen Deutschlands (mit den besonders runtergekommenen Leidmedien). Geradezu auf die Spitze getrieben personalisiert sie sich in dem Bläckrocker-Millionär, ein sklerotisches Hündchen, das seine Oligarchen nun vor die Tür gesetzt haben.

    Uns muss noch mehr interessieren, dass diese USA-Hörigkeit sich auch auf weite Teile der gesellschaftlichen Linken erstreckt.

    Ob rechts oder links, sehr viele denken (völlig unpolitisch), dass Trump den Frieden schließt. – Und damit sind wir mitten in dem Problem, in dem das sehr USA-hörige Deutschland steckt. Auf diese Weise verlor, von einer Woche auf die andere, das Hauptthema des BSW seine besondere Bedeutung. Ich konnte das im Wahlkampf für das BSW spüren. Die Linkspartei, die Waffenlieferungen befürwortet und sogar Mitglied der Transatlantikbrücke war, und auch die AfD inszenieren sich als Friedensparteien, die sie beide NICHT sind und nicht waren.

    Die Flüchtlingsrettungsgeschichten sind auch deshalb verlogen, weil die Ampel und ihr Wurmfortsatz, die Linkspartei, sich um das Einwanderungsland Deutschland nicht kümmern. Ganz im Gegenteil. Seit der Gründung von SOS Racisme (im Jahr 1988 zur Wahl von Mitterand) werden die Migranten als Manövriermasse der diversen Ampel-Parteien genutzt, ohne dass sie jemals dafür gesorgt hätten, dass sich Deutschland als Einwanderungsland anerkennt. Und genau so lange (ebenfalls seit Mitterand) nehmen sie sowohl die endlosen „Migrationsdebatten“ als auch den fortgesetzten Aufstieg der Rechtsradikalen in Kauf (eines bedingt das andere), weil dies die konservativen Parteien der wohlhabenden Bürgerlichen schwächt.

    Damit will ich das dämliche Abstimmungsverhalten der BSW-Bundestagsfraktion nicht beschönigen. Aber eine Abstimmung allein kann nicht eine ganze Bundestagswahl erklären.

    Vielmehr ist zu fragen: Warum können 1-2 Delikte mit psychiatrischem Hintergrund eine Bundestagswahl beherrschen? Antwort: Es besteht geradezu ein blau-grünes Interesse an einer „Migrationsdebatte“, eine blau-grüne Koalition PRO „Migrationsdebatte“, auf die die Linkspartei aufspringt. Dadurch konnte der herrschende Machtapparat (unterstützt von AfD und Linkspartei) von den wesentlichen Fragen ablenken: Aufrüstung (bis zur Hälfte des Bundeshaushalts), USA-Hörigkeit, vielfache Wirtschaftsblockaden und Soziales. Und da der gesamte Machtapparat trommelt, folgt auch das USA-hörige Volk Deutschlands diesem Kanon, denn wir haben keine revolutionäre Situation.

  7. „Seenotrettung“ ist, wenn man Menschen aus Seenot rettet.

    Nicht „Seenotrettung“ ist, wenn man sie danach, statt in den Heimathafen des Geretteten, ins vermeintlich gelobte EU-Land bringt, wobei gleichzeitig juristisch sichergestellt wurde, dass sie so gut wie nie wieder zurückmüssen, egal wie sie sich verhalten und ob sie dem Land nützlich sind, und die Autochthonen ihnen Wohnraum, Krankenkasse und später auch Sozialhilfe zu bezahlen genötigt werden. Am besten noch die „Familienzusammenführung“ für die 2 Ehefrauen und die 10 Kinder:
    https://www.youtube.com/watch?v=VNrh2hxKeBs

    Das als Seenotrettung zu bezeichnen, ist zutiefst verlogen und vor allem ein Daueraffront gegen uns Europäer und besonders die Deutschen! Ein Angriff auf unsere Sozialsysteme und deren Akzeptanz! Wir haben offenbar keinen Anspruch auf eine eigene Kultur oder den effizienten Umgang mit unseren Einnahmen. Jeder kleinen Minderheit gesteht man das zu, aber wenn wir uns wehren, sind wir „Nazis“.

    Davon abgesehen führt eine solche erfolgreiche „Rettung“ dazu, dass sich erneut massenweise Glücksritter auf den Weg machen, meist können sie nichtmal schwimmen, aber versuchen in einem aufblasbaren Boot das Mittelmeer zu überqueren… wer sowas rechtfertigt, für den fällt mir nur ein Schimpfwort ein: Gesinnungsethiker!

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