Die Wahl der Wahl

Bild: Marco Verch/ccnull.de/CC BY-SA-2.0

Es ist Wahltag! Die Luft ist kühl und klar, die 25 Grad von letzter Woche Geschichte, die Marathonläufer ebenfalls. Endlich hat es ein Ende mit der Wahlwerbung im Minutentakt, den Zeitungen, die nur noch ein Thema kennen, den Newslettern und Trump-Statements, die meine Inbox verstopfen, die Emails von Kamala Herris, die um Geld betteln, das Gezänke auf Facebook und den ewigen Fragen, wer denn nur gewinnt, Trump oder Harris … Woher soll ich das wissen? Ich bin nur ein einfacher Schneider. Aber ich habe durchaus ein paar Ideen, was die Wahl entscheiden könnte.

1) Peanut, das Eichhörnchen. Peanut war ein zahmes Eichhörnchen, das bei Mark Longo in Upstate New York gelebt hat. Longo hatte Peanut aufgezogen, als dessen Mutter von einem Auto überfahren wurde. Das Hörnchen mit dem Cowboyhut wurde zum Instagram-Star. Dann hat wohl ein Nachbar das ungewöhnliche Haustier verpfiffen. Die Staatsmacht versammelte sich zehn Mann stark um Longos Anwesen, durchsuchte es fünf Stunden lang, und fing — und tötete — das Eichhörnchen und dessen Freund Fred, ein nicht ganz so niedlicher Raccoon. GROSSE Aufregung im republikanischen Lager, denn verantwortlich ist die Gouverneurin von New York und die ist Demokratin. Elon Musk schickte ein Video um die Welt, das 150 Million Mal gesehen wurde. “Peanut wurde von demokratischen Bürokraten ermordet”, tweetete Donald Trump. “Wir werden dich am Dienstag an der Wahlurne rächen.”

2) Josseli Barnica. Weniger Empörung löste der Tod von Josseli Barnica aus, aber doch genug, um Wählerinnen aufzurütteln. Die 28-jährige Barnica aus Houston hatte eine Fehlgeburt, die zu Blutungen und einer Infektion führte, aber die Ärzte in Houston weigerten sich, sie zu behandeln, solange noch ein Herzton des Fötus zu hören war. Sie hätten sich sonst nach dem neuen Abtreibungsgesetz strafbar gemacht, das den von Trump installierten Verfassungsrichtern zu verdanken ist. Barnica flehte die Ärzte vierzig Stunden lang an, sie zu behandeln, bis sie starb. Wegen Barnica und anderen toten Frauen führt Harris bei den Frauen um rund zehn Prozent. Die Demokraten versprachen nun, per Bundesgesetz das Recht auf Abtreibung festzuschreiben. Bislang konnten sie das nicht tun, denn sie haben ihrer Energie darauf verwendet, sicherzustellen, dass auch schwangere Männer abtreiben dürfen.

3) Liz Cheney. Die Tochter von Dick Cheney, der Vize von George W. Bush und einer der Architekten des Irakkrieges, unterstützt Kamala Harris. Nicht als einzige; viele führende Neocons haben sich bei den Demokraten aufgereiht. Ob das etwas nützt? Trump jedenfalls, der sich flugs seine Jacke als Friedenspräsident anzog, würde es gerne sehen, wie sich Cheney an der Front machen würde, wenn Gewehre auf sie gerichtet wären. Soweit es mich betrifft, gerne zwischen Don Jr. und Erik

4) The Economy, Stupid. Wie gehts der Wirtschaft? Jeden Tag erklärt mir die Trump-Kampagne, dass die Milch unter Kamala das doppelte kostet, die Miete das fünffache, und dass alle guten Jobs an Ausländer gehen. Na, ich bin ja Ausländerin, das wäre also kein Problem. Noch hat mir die New York Times noch keinen Job angeboten, aber das kommt bestimmt noch. Aber die Preise sind wirklich immens gestiegen. Ich weiß nicht, was surrealer ist, dass Trump, der noch nie an einer Supermarktkasse gestanden ist, mir erzählt, wie viel Cents ein Ei kostet oder dass die Demokraten glauben, eine geringe Inflationsrate bedeutet, dass die Preise sinken.

5) Die Ausländer. Auch die Food Banks, die Armentafeln platzen aus allen Nähten und auch daran sind, erklärt Trump, die Ausländer schuld. Die Flüchtlinge, die über die Grenze zu Mexiko kommen, vor allem aus Venezuela, wo die US-Regierung versucht, die sozialistische Maduro-Regierung in die Knie zu zwingen. Das hat immerhin dazu geführt, dass Sozialismus nun in den USA herrscht, zumindest dort, wo die Behörden verpflichtet sind, Flüchtlinge zu versorgen. Immigration ist das zweie große Thema, das die Demokraten hofften, aussitzen zu können.

6) Gaza. Die Nachrichten aus Gaza werden immer schrecklicher und anders als bei früheren Kriegen bekommt Amerika die Bilder frei Haus geliefert. Mehr als 40.000 Zivilisten wurden bisher von der israelischen Armee getötet. Das ist im Verhältnis zur Bevölkerung so viele wie im Bosnienkrieg und, in absoluten Zahlen, so viele wie bei der Bombardierung Londons im Zweiten Weltkrieg. Biden brachte das den Beinamen “Genocide Joe” ein. Manche arabische Wähler verweigern der lavierenden Kamala ihre Stimme. Manche Progressive wollen für einen unabhängigen Kandidaten stimmen — wie die Grüne Jill Stein oder Cornell West — was auf das Gleiche hinauskommt wie eine Stimmenthaltung. Nicht aber wollen sie Trump, denn der ist ein guter Kumpel von Bibi Netanyahu, dem er ebenfalls Waffen liefern würde, und die USA womöglich in einen israelischen Krieg gegen den Iran ziehen.

7) Puerto Rico. Das war sogar dem Trumpster zuviel: Tony Hinchcliffe, ein amerikanischer Komödiant trat letzte Woche auf einer Rally der Republikaner im Madison Square Garden auf, wo er sagte, es gebe im Ozean eine schwimmende Müllinsel: Puerto Rico. Wie vielen Amerikanern war Tony offenbar nicht klar, dass Puerto Ricaner wählen dürfen, zwar nicht die auf der Müllinsel, aber die auf dem Festland, wo Puerto Ricaner auch jederzeit hinziehen dürfen. Dort leben heute etwa sechs Millionen Puerto Ricaner, davon eine halbe Million in Pennsylvania, dem größten Swing State. Könnte das die Wahl entscheiden? Puerto Ricaner sind temperamentvoll und nachtragend. Oder wählen die alle sowieso demokratisch?

8) Nazis. Nicht nur in Hollywood, auch in der Politik tauchen Nazis dauernd auf, oder zumindest das, was Amerikaner dafür halten. Besonders bei Trump, zuletzt nach dem besagten Auftritt im Madison Square Garden, wo sich 1939 echte amerikanische Nazis trafen. John Kelly, sein früherer Stabschef behauptet, er soll gesagt haben, er wolle Hitlers Generäle — warum eigentlich? Haben die nicht den Krieg verloren? Trump wird von Mark Robinson unterstützt, ein Afro-Amerikaner, der als Gouverneur für North Carolina kandidiert. Er bezeichnet sich als “schwarzer Nazi”, und zwar auf eine Pornowebseite namens “Nude Africa”. Trump aber sagt, er sei das Gegenteil von einem Nazi — was soll das sein, ein gemischtrassiger Stalinist jüdischen Glaubens? — und gibt sich nun Mühe, schwarze und hispanische Männer als Wähler erreichen. Sogar die auf der schwimmenden Müllinsel.

9) Robert Kennedy Jr. Der Spross der Kennedy-Familie — sein Vater war Bobby Kennedy, der Bruder von JFK und Justizminister der USA — kandidierte erst selber, kam aber in den besten Monaten nicht über zwölf Prozent. Ungeliebt von der Presse, die ihm einen Wurm im Gehirn vorwarf, auch, einen toten Bären in den Central Park gelegt zu haben, um Passanten zu erschrecken, und da war noch die Sache mit dem abgesägten Walkopf… jedenfalls, der Umweltanwalt ist skeptisch gegenüber vielem, was die Powers That Be gut finden. Er sagt, Impfstoffe müssten gründlich getestet werden, Quecksilber in Medikamenten könne Autismus verursachen und Fluor im Trinkwasser sei schädlich. Er warnt auch vor Umweltgiften und glaubt, dass Amerikaner, die pharmazeutische Drogen nehmen, eher zur Waffen greifen.  Kennedy diente sich bei Kamala an, die lehnte ab, und nun wahlkämpft er für Trump. Der will ihn zum Zuständigen für die Gesundheitsvorsorge machen. Kann er genug Wähler für das Zünglein an der Waage mitbringen? Morgen wissen wir mehr.

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11 Kommentare

  1. Das Wichtigste zu Punkt 9 verschweigt die Autorin absichtlich, oder weil sie es nicht weiß. Die Wahl ist tatsächlich schon gefälscht, bevor sie anfängt. Robert F. Kennedy Jr. steht in den Swing States Michigan und Wisconsin weiter auf dem Wahlzettel, obwohl er sich bis zum Supreme Court durchgeklagt hatte, um das streichen zu lassen. In Michigan urteilte man, dass er sich nicht als Kandidat der Natural Law Party zurückziehen könne, da diese ihn auf dem Wahlzettel behalten wolle. In In Wisconsin kann sich ein Kandidat nicht mehr zurückziehen, sobald er seine Nominierungspapiere eingereicht hat, es sei denn, er ist gestorben.

    1. “In Wisconsin kann sich ein Kandidat nicht mehr zurückziehen, sobald er seine Nominierungspapiere eingereicht hat, es sei denn, er ist gestorben.”

      Na also, es hätte eine Möglichkeit gegeben!
      Ein bisschen mehr Enthusiasmus!

  2. Ist der vielleicht beste Beitrag vor den Wahlen. Zeigt, wie hoffnungslos das alles ist. Ich weiß nicht, ob die Mehrzahl der Menschen auf der Welt antiamerikanisch ist. Ich bin es sicher und Grund dafür hätten die anderen allemal.
    Den beständig angekündigten Bürgerkrieg wird es nicht geben, bestenfalls ein paar medial aufgeblasene Unruhen.
    Eigentlich schade.

  3. Im Grunde gibt es nur einen Grund, sich für einen der Kandidaten zu entscheiden:
    Befürchte ich weniger Ungemach durch die Oligarchen auf Harris Seite (Bezos, Zuckerberg und Co) oder von denen auf Trumps Seite (altes Geld, Musk, Thiel usw).
    Aber letztendlich läuft es auf “Pest oder Cholera” hinaus… am Ende werden die US-Oligarchen ihren “Klassenkampf” und die massive Umverteilung von unten nach oben fortsetzen, egal, wer sich durchsetzt.

    1. Schon der Vorwahlkampf schließt perfekt aus, dass irgend jemand am Großen Geld vorbeikommen könnte.

      Best practice war diesmal die direkte Nominierung von Harris ganz ohne langatmig fassadendemokratischen Anstrich.

      Perfekter wäre nur noch, wenn die Amerikaner auf ihrem Wahlzettel nur ankreuzen müssten “ich stimme den Kandidaten zu” oder “Nicht zu” und in einem Superbowl-Event am Folge-Wochenende dann die Auszählung per Summation der Vermögen der Unterstützer-Milliardäre der Endsieger ermittelt wird.

      So könnten die US-Wähler sogar in den Genuss kommen, nicht nur unter zwei Kandidaten wählen zu müssen.

  4. Es ist für unsereins, völlig egal, wer da gewinnt, man kann nur darauf hoffen das die Amis einen Bürgerkrieg entfachen, denn, dann wären sie mal ein bißchen mit sich selbst beschäftigt.

  5. Zumindest für die ersten Monate der “Regentschaft” kann man davon ausgehen, dass Trump oder Harris irgendwie versuchen werden, zu bestimmen, was die Regierung macht. So was dürfte es in den letzten 6 Jahren in den USA nicht gegeben haben. Ob das dann praktische Relevanz haben wird?

    Viel spekuliert wird ja bspw. darüber, dass der Ausgang der Wahl den Ukraine-Krieg beeinflussen könnte. Tatsächlich dürfte es umgekehrt sein: das bevorstehende für Russland siegreiche Ende des Krieges wird die Politik der US-Regierung massiv beeinflussen, egal, wer ihr vorsteht. Und das wird auf vielen anderen Feldern ähnlich sein. Regierungen sind in erheblichem Ausmaß Getriebene, schon deshalb ist ihr Gestaltungsspielraum gering.

    Trump und sein Gefolge dürfte dafür die woke Schickeria schön aufmischen. Darauf darf man sich schon ein bisschen freuen, oder hätte dürfen, weil Harris m.E. gewinnt.

  6. Das war mal ein wirklich guter Artikel. Medial genutzte ermordete Eichhörnchen können genug Entrüstung erzeugen, um einen Unterschied zu machen.

    Nur bei Robert Kennedy geht die Polemik durch: „ Kennedy diente sich bei Kamala an, die lehnte ab, und nun wahlkämpft er für Trump.“
    Kennedy gehört in DIE Demokratenfamilie. Und also hat er sein Anliegen, für gesundheitsförderndes Essen und Medizin zu sorgen, bei den Demokraten verortet. Er hat sich nicht „angedient“. Aber das Anliegen ist im wohl wichtiger als die Partei; inhaltliche Politik? Wo kommen wir da hin?!

    Nebenbei sind seine Aussagen gut recherchiert und begründet. Zunahme an ADHS, Fettleibigkeit, Krebs etc.
    Bevor man pol misch wird und sich lustig macht, lohnt eine Recherche – also wenn man sich der Wahrheit verpflichtet sieht und nicht der (eigenen?!) Meinung

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