Die Wahlen waren für die SPÖ ein kleines Desaster, die rechten Parteien sind in der allerdings zersplitterten Mehrheit, die eigentlich anstehenden Themen kamen im Wahlkampf kaum zur Sprache.
Es ist 6:30 am Morgen und auf der Straße in Klagenfurt steht ein großer Bär mit Brille. Im Inneren der Stoffpuppe befindet sich ein mutmaßlich gut gelaunter ÖVP-Funktionär. Der GruBär verteilt fleißig Zettel an Passant*innen. GruBär soll an den ebenfalls bebrillten ÖVP-Spitzenkandidaten Gruber erinnern. Die orthografische Spitzfindigkeit belegt, wie delikat die Wanderung zwischen Komik und unfreiwilliger Komik ist.
Am Wahlabend zeigt sich allerdings, der Trick mit dem Bären im Wahlkampf zog. Ein bisschen zumindest. Nach gewaltigen Verlusten in anderen Bundesländern erzielte die ÖVP, die Juniorpartner der SPÖ in Kärnten ist, keinen Absturz, sondern sogar einen leichten Zugewinn. Die Begeisterung der Funktionäre am Wahlabend ist allerdings nur bedingt nachvollziehbar.
Lange Zeit sah es so aus, als würde kein Mandat hinzugewonnen, letztlich wurde es eines. So verändern sich keine Machtverhältnisse. Die Freude über den verhinderten, von Meinungsumfragen prognostizierten Absturz ließ die Kanzlerpartei über den dritten Platz in Kärnten aber dennoch schwer jubeln.
Rote Misere
SPÖ hingegen darf sich kräftig ärgern und wieder einmal (höchst wahrscheinlich ergebnislos) fragen, ob das Landesergebnis an der Unstimmigkeit in der eigenen Bundespartei liegt. Die spannende Frage in der Wiener Parteizentrale dürfte deshalb lauten, was die ÖVP im Bund noch anrichten könnte, um erstmals seit 1986 von der Regierung abgelöst zu werden. Kurzfristig lag die SPÖ bundesweit in Umfragen an Platz eins, jetzt lächelt die FPÖ mit großem Vorsprung von der Spitze, während SPÖ und ÖVP bei mageren 24 % gleichaufliegen.
Es scheint, als seien die Selbstzerstörungskräfte der Sozialdemokraten immer stärker als die Lust an der Machtübernahme. Sachlich ist keine Lösung der Flügelkämpfe in Sicht, weil ein Teil der Partei die Mitmenschlichkeit verteidigen will und der andere den Besitz zu wahren gedenkt. Anders gesagt, es ist immer etwas unklar, ob österreichische Sozialdemokraten eine Klientelpartei sind, die drauf schauen, dass den Pensionisten „mehr Geld im Börserl bleibt“, oder ob man auch hehren, humanistischen, gar internationalistischen Zielen verpflichtet ist.
Am erfolgreichsten war die SPÖ immer dann, wenn das nicht so genau unterschieden werden musste und man so tun konnte, als ließe sich das eine mit dem anderen verbinden. In Zeiten von sich abzeichnender Klimakatastrophe, rasend steigernder Teuerung und Krieg in Europa, gelingt dies nicht. Weil die sozialdemokratischen Perspektiven unklar bleiben, kann die Partei nur auf zugkräftige Personen hoffen. In Kärnten macht dies der Landeshauptmann Peter Kaiser seit zehn Jahren eigentlich ganz gut und 39 % sind immer noch ein respektables Ergebnis.
Landesweit gab es keine großen Debatten. Die Verhinderung des Rückkaufs des unrentablen Klagenfurter Flughafens, dessen Verstaatlichung kurioserweise die wirtschaftsliberale ÖVP vorantrieb, gilt manchen als strategischer Fehler. Unterm Strich zeigte sich, dass die Sozialdemokraten weder im Bund noch in Kärnten mit ihren Themensetzungen durchkommen. Nachwahlbefragungen in Bundesland Kärnten ergaben, nicht einmal zehn Prozent der Wähler halten die SPÖ für glaubwürdig oder finden ihre Politik gut. Die Menschen sind einfach unzufrieden.
Worin liegt die allgemeine Unzufriedenheit?
In ganz Österreich zeigt sich ein ähnliches Bild, dass der jeweiligen stimmenstärksten Regierungspartei schadet: Man ist unzufrieden, die meisten sagen aber nicht genau warum. Vermutlich ist es immer noch die Corona-Politik, wegen der viele dauerhaft wütend sind. Die Leute fühlen sich von der Politik verraten.
Ansonsten ist das Land Kärnten sehr wenig politisiert. Die Jungen kennen schlicht keine Politiker mehr, weil die nicht in den Socialmedia-Zeitleisten auftauchen. Dem versuchte man einst Abhilfe mit Plakaten zu schaffen. Die klammen Parteien einigten sich allerdings auf eine Wahlkampfmittelobergrenze von 500.000 Euro, auch in der Hoffnung, damit Sympathiepunkten bei den Politikmüden einzufahren.
Mit einer halben Million Euro lässt sich in einem Flächenland wie Kärnten kaum ausreichend plakatieren. Die Politikpersönlichkeiten bleiben somit anonym. Den SPÖ-Spitzenkandidaten Peter Kaiser kennt nicht einmal jeder dritte unter Dreißig. Die Bekanntheit der KP-Spitzenkandidatin Karin Peuker dürfte kaum ihren Familienkreis übersteigen, wobei unklar ist wie viele ihrer Verwandten von ihren politischen Ambitionen wissen.
Die Arbeit der nicht landesweit angetretenen Kommunisten wurde folglich mit dem Ergebnis von 0,1% der Stimmen „belohnt“. Angesichts dessen, dass die KP im Nachbarland Steiermark im Landtag vertreten ist und in der steirischen Hauptstadt Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, die Bürgermeisterin stellt, muss das als Misserfolg verbucht werden.
Im Land herrscht ein patriarchales Politikverständnis, das seinerzeit der „echte Kärntner“ aus Oberösterreich, Jörg Haider, auf die Spitze trieb. Er inszenierte sich sorgsam als Gönner – und weil das Land nicht so groß ist, kannte jeder wen, der mal 1000 Schilling „als Hilfe“ vom Haider in die Hand gedrückt bekommen hatte. Insbesondere die älteren Kärntnerinnen und Kärntner erinnern sich gerne daran, wer ihnen mal was geschenkt hat und so baut sich Loyalität auf. Mit politischem Gestalten hat das wenig zu tun.
So kamen im Kärntner Wahlkampf die eigentlich, anstehenden Themen kaum zur Sprache. Zwar legten auch die Grünen bei der Wahl etwas zu, kamen mit 3,7 % aber nicht in den Landtag. Ihr zentrales Thema Klimawandel,rangiert bei den Kärntnern nur an fünfter Stelle. Die Klimaproteste beschränken sich auf die Landeshauptstadt Klagenfurt, im Rest des Landes hält man „Klimakleber“ schlicht für Terroristen.
Allerdings will auch in Kärnten die Landesregierung endlich mal so ein paar von diesen Windkraftanlagen aufstellen. Die Diskussion darüber zeigte, wie schnell Wahlkampf in Kärnten zum Comic-Strip wird. Der Landeshauptmann Kaiser schlug vor, die Anlagen aus Kärntner Holz zu fertigen. Eine nette Idee, um Sympathie für Umweltschutz zu schaffen, und mancher hatte hier vielleicht die klapprigen Windmühlen im Sinn, an denen Lucky Luke vorbereitet. Den anderen Parteien (außer den Grünen) ging aber auch dies zu weit. Die FPÖ meinte, die Windmühlen gehören dahin, wo der Strom gebraucht wird, also nach Wien. Die schöne Kärntner Landschaft solle man damit nicht verschandeln.
Die Rechten setzen die Themen
In Kärnten ist es besonders schwer für linke Politik. Während die SPÖ schrumpft, die Grünen den Einzug verpassen und die KP ein Liebhaberprojekt geworden ist, standen gleich sieben mehr oder minder rechte Parteien auf dem Wahlzettel, die sich zwischen konservativ und rechtsextrem ansiedeln.
Für die wirtschaftsliberalen NEOS, die durchaus gesellschaftspolitische liberale Vorstellungen haben, in ihrer Wirtschaftspolitik, aber einen knallharten Steinzeitkurs fahren, hat es zum Einzug in den Landtag wieder nicht gereicht. Ihr plakatiertes Motto: „Leistung, Leistung, Leistung“ war in Zeiten der „Great Resignation“ und des auch in Kärnten um sich greifenden Burnouts, eine Themensetzung frei von Einfühlungsvermögen, die mit 2,3% abgestraft wurde.
Darüber hinaus scheiterten mehrere Kleinparteien, die alle ein Problem mit dem Impfen haben. Den größten Zuwachs erzielte das Team Kärnten, die mit dem ehemaligen SPÖ-Bürgermeister von Spital Gerhard Köfer an der Spitze auf beachtliche zehn Prozent kam, sich aber viel mehr Stimmenzuwachs erwartet hatte und somit eigentlich auch unzufrieden war.
Die Partei war einstiges Steckenpferd des Milliardärs Frank Stronach gewesen, der irgendwann die Lust an der Politik verloren hatte. Köfer hielt das Team geschickt zusammen und punktet mit seiner Person, die er als „Macher“ inszeniert und indem er ein wenig Kulturkampf betreibt.
Köfer bekämpft folglich den „Gender-Wahnsinn“ und beweist damit, wie sich erfolgreich Probleme herbeireden lassen. Den herausgegebenen Genderleitfaden stampfte die Landesregierung wieder ein, nachdem sich zeigte, wie sehr das Thema neben dem Allzeitklassiker „Asylchaos“ zog.
Das Thema Asyl und Überfremdung ist natürlich Lieblingsthema der rechtsextremen FPÖ, die einen müden Zugewinn von gerade einmal einem Prozent einfuhr. Der Parteichef der FPÖ Erwin Angerer deutet das Ausbleiben des „blauen Wunders“ wohl richtig, wenn er meinte, dies sei Ergebnis der Überfischung am rechten Rand. Die mehr oder minder rechten Parteien kommen zusammen auf gute 57%, nur verteilt sich das Ergebnis eben auf sieben Gruppierungen.
Auch im Kärntner Wahlkampf konnte die Diskussion nicht durchgehend an der Realität vorbeisegeln. Der Fachkräftemangel wurde als eines der wirklichen Probleme durchaus erkannt. Seit der letzten Landtagswahl 2018 waren 5000 Menschen weniger in Kärnten zur Wahl aufgerufen. Das Land schrumpft und die Bevölkerung wird immer älter.
Team Kärntens Köfer wollte die legendären „Inder“ als „IT-Experten“ ins Land holen und damit zumindest eine vorsichtige Arbeitsmigration zulassen. Ob „die Inder“ wahnsinnig begeistert sein werden, in einem Land ihr IT-Wissen einzusetzen, in dem andere Asiaten in abgelegenen Alpenhöfen interniert werden, um der Landbevölkerung den Anblick von Menschen mit Fluchterfahrung zu ersparen, ist allerdings mehr als fraglich.
Die FPÖ möchte das Problem anders lösen. Sie stellt sich eine „Rückholaktion“ aus Wien vor. Ganze 100.000 Kärntner lebten in Wien, denen müsse ein Angebot gemacht werden. In der Vorstellung der FPÖ klingt es so, als sei es ein fieser Trick überwollender Mächte gewesen, der so viele Kärntner entführt hat und nicht die manifeste Perspektivlosigkeit des Landes.
Viele, die nach Wien gingen, fanden keine Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten in Kärnten und suchten vielleicht auch eine etwas offenere Gesellschaft. Nachdem es jeden fünften Kärntner nach Wien verschlug, blieben dem Land vor allem die Trachtenjanker. Eine Umkehrung dieser Landflucht ist schwer vorstellbar, der FPÖ wird sie sicherlich nicht gelingen.
So richtig zum Feiern war an diesem Wahlabend, der eigentlich nur Enttäuschungen brachte, einzig der ÖVP zumute. Sie wollte mit 1,6 % Stimmenzuwachs aber nicht gleich überschnappen, sondern versprach das Ergebnis „in Demut“ anzunehmen. Ohne Demut geht es bei der ÖVP einfach nicht, und weil Demut bekanntlich das Ergebnis einer Demütigung ist, kann, wer will, an dieser Stelle gerne ein wenig in die Tiefe der verletzten Kärntner Seele blicken.
Wenn man der Meinung ist, dass es nur noch links und rechts gibt und nichts dazwischen – wobei links regelmäßig für das Gute, Erstrebenswerte und rechts für das zumindest Fragwürdige stehen soll, ja dann hat Politik endgültig ausgedient. Dann braucht man nicht mehr nach den Hintergründen für die derzeitige Situation zB in Deutschland zu fragen.
Bei ein ganz klein wenig geistiger Beweglichkeit ist zwischen rechts und links eine ganze Menge Platz.
Der wird allerdings mit einer Menge Propaganda regelmäßig und erfolgreich leergeräumt.
Hallo ist das Kommentar genannte Geschreibsel o h n e daß voran die Kärtner LT-Wahlergenisse vorgestellt werden? Weniger als nix…
EIL-OT
Ukrainer haben Nordstream 2 gesprengt.
Es gibt keine Beweise, aber Spuren die zur deutschen Wochenschau führen.
Die Ukrainer haben eine Yacht in Rostock gechartert und eine Line TATP vom Kombüsentisch gezogen. Anschließend sind sie ohne Dekompressionskammer 70 m getaucht und haben die Fetzen tanzen lassen.
https://www.tagesschau.de/investigativ/nord-stream-explosion-101.html
Seymour Hersh kannix 🙂
Schade.
Im schönen Kärntner Land
scheint Krass&Konkret noch weithin unbekannt.
Grüße
Die Linken, von KPÖ über Grüne bis SPÖ haben demokratiepolitisch leider genau so wenig zu bieten wie alle anderen Parteien. Das ist leider nicht nur in Kärnten so. Heißt die Parteien, von links bis rechts, sind Teil des Problems.
“Die Menschen sind einfach unzufrieden.”
Den meisten Kärntnern geht es (immer noch) weit besser als dem Rest der Welt., einen Teil viel zu gut, auch das ist Teil des Problems. Weil das sind verwöhnte Kleinbürger die glauben ihr Wohlstand gründet allein auf ihrer persönlichen Leistung die mit der (geo-)politischen und sozialen Geschichte Österreichs, mehr oder weniger glücklichen Umständen und dem Rest der Welt absolut nichts zu tun hat.
Hinzu kommt das sie liebend gern über die Politik und Ausländer schimpfen aber selbst kein Jota klüger und besser sind.
Das könnte man allerdings ändern.
Gute Bedingungen für Politik
https://wyriwif.wordpress.com/2018/11/04/gute-bedingungen-fuer-politik/
Zurück zu den Wurzeln der Demokratie
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2041472-Partizipative-Demokratie-Zurueck-zu-den-Wurzeln.html?em_no_split=1
Wie Losverfahren und Bürgerversammlungen die Politik wieder handlungsfähig machen
https://wyriwif.wordpress.com/2018/07/21/wie-losverfahren-und-buergerversammlungen-die-politik-wieder-handlungsfaehig-machen/
Gegen das Losverfahren = Gegen Demokratie
https://wyriwif.wordpress.com/2018/08/13/gegen-das-losverfahren-gegen-demokratie/
Schaden Wahlen der Demokratie?
https://www.deutschlandfunkkultur.de/auslosen-statt-abstimmen-schaden-wahlen-der-demokratie.1270.de.html?dram:article_id=361643