Die Türkei und Ungarn verhindern weiterhin den Nato-Beitritt von Schweden und Finnland

Die finnische Regierungschefin Sanna Marin beim gemeinsamen Auftritt mit ihrem schwedischen Kollegen Ulf Kristersson in Stockholm. Screenshot von Video der schwedischen Regierung

Beschlossen war, dass die Länder gemeinsam eintreten, aber die Einigkeit bröselt, in Schweden könnte die Regierung darüber stürzen, in Finnland stehen Wahlen an.

„Wir bestreiten die Reise zur Mitgliedschaft zusammen“, versicherte der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson am Donnerstag. Bei der Pressekonferenz in Stockholm zusammen mit der finnischen Premierministerin Sanna Marin standen die Schwierigkeiten des NATO-Beitritts im Raum.

Ungarn und die Türkei haben bislang den Antrag der beiden Staaten nicht ratifiziert, dabei führt Ankara vor allem kurdische Aktivitäten in Schweden an. Der türkische Staatspräsident  Recep Tayyip Erdogan hat mehrfach angedeutet, dass er Finnland den Vorzug bei der Ratifizierung des Antrags geben würde.

Nach einer Umfrage der Zeitung „Ilta-Sanomat“ vom Donnerstag waren 53 Prozent der Finnen der Meinung, nicht mehr auf Schweden zu warten, nur 28 stimmten dafür, der Rest enthielt sich.

Sanna Marin wurde von Journalisten zweimal hierzu auf den Zahn gefühlt, betonte zwar, dass man weiterhin die Prozedur zusammen durchlaufen wolle, gab jedoch keine Garantie. Ein wenig herablassend betonte sie, dass sie sich dagegen wende, dass Schweden das „Problemkind“ in der Klasse sei, und dass sie auch das Nachbarland nicht als „Unruhestifter“ ansehe. Vielleicht eine Botschaft an das finnische Publikum, das so denkt.

Auch die Wendung „Nur die Ruhe“, die Kristersson und Marin ebenso mehrfach wie das Wort „zusammen“ gebrauchten, scheint ein solcher Appell zu sein.

Denn in Finnland gibt es Unruhe – es stehen Anfang April Parlamentswahlen an und Erfolgsdruck in Sachen NATO-Beitritt wächst. Das Land teilt eine 1340 Kilometer lange Grenze mit Russland.

Finnlands Außenminister Pekka Haavisto hatte bereits angedeutet, dass Finnland möglicherweise ohne Schweden der NATO beitreten könne und verwies auch auf die aktuellen Verhandlungserfolge mit der Türkei, wobei es Versprechungen gegeben habe, dass schon im März, also vor der Wahl in Finnland und vor der in der Türkei, eine Ratifizierung möglich sei.  Diese Theorie bestätigt auch Bloomberg, wo man sich auf nicht genannte Quellen beruft.

Die finnische Mitte-Links-Regierung unter Sanna Marin könnte so einen Erfolg gebrauchen, denn nach Umfragen kann sie durch eine konservativ-rechte Koalition abgelöst werden.

Und Jussi Halla-aho, prominentes Mitglied der rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ sowie Vorsitzender für Außenpolitik im Parlament, drängte bereits mehrfach darauf, dass Finnland sich mit der Option befassen sollte, ohne Schweden der NATO beizutreten. Auch in der Partei „Nationale Sammlung“, welche die NATO-Mitgliedschaft  lange als einzige propagierte hat und die derzeit in den Umfragen führt, sieht man dies so.

Seit dem Entschluss Finnlands und Schwedens im vergangenen Frühjahr, der NATO beizutreten, haben sich die Vertreter beider Länder immer wieder gegenseitig versichert, das Prozedere gemeinsam durchzustehen.

Schweden bemüht sich

Konkret verärgert wurde Ankara durch das Aufhängen einer Erdogan-Puppe vor dem Rathaus  der schwedischen Hauptstadt, wofür sich kurdische Aktivisten verantwortlich zeichnen. In Schweden leben etwa 100.000 Menschen, die sich selbst als Kurden betrachten.

Hinzu kommen antitürkische Demonstrationen, bei der der dänisch-schwedische Islamfeind Rasmus Paludan vor der türkischen Botschaft in Stockholm einen Koran anzündete. Darauf kam es zu Protesten in der islamischen Welt gegen das skandinavische Land. „Ihr lasst Terrororganisationen Amok laufen und erwartet dann Unterstützung für den Beitritt in die NATO, Das wird nicht passieren“, so eine von Erdogans Reaktionen.

In Finnland hingegen ist das öffentliche Verbrennen des Korans polizeilich verboten, ein entsprechendes Vorhaben bei einer kleinen Anti-NATO-Demonstration wurde im Vorfeld untersagt.

Die größere Demonstrationsfreiheit versuchten Schwedens bürgerliche Regierungspolitiker durch besonders wortreiche Entschuldigungen gegenüber Ankara auszugleichen. Dafür werden sie in den heimischen Medien der Schleimerei bezichtigt. Auch ein wichtiger Partner schert aus – Jimmie Akesson, der Chef der rechten Schwedendemokraten, nannte Erdogan kürzlich einen „islamistischen Diktator“ und sieht durch Kristerssons Linie die schwedische Redefreiheit begrenzt. Die bürgerliche Minderheitsregierung ist von den Stimmen der Rechten abhängig, um im Parlament Entscheidungen durchzusetzen.

Und auch Gesetzesveränderungen sollen Erdogan milde stimmen.  „Einen Meilenstein in Schwedens Kampf gegen den Terrorismus“, nannte Kristersson am Donnerstag die Maßnahmen, die im Sommer in Kraft treten würden. So soll die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation, wozu in Schweden die „Kurdischer Arbeiterpartei“ (PKK) zählt, strafbar sein. Allerdings versprach der schwedische Außenminister Tobias Billström vorschnell, dass auch das Zeigen der PKK-Flagge untersagt werden soll, was nicht der Fall sein wird.

Die Türkei sieht die „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) in Syrien, die „Demokratischen Kräfte Syriens“ (DFS) sowie die Gülen-Bewegung als terroristisch an, in der EU wird jedoch allein die PKK so eingestuft.

Der türkische Präsident verlangt von Schweden und Finnland mittlerweile die Auslieferung von „130 Terroristen“. Allerdings ist die Zahl noch angestiegen, die Länder haben die entsprechende Liste noch nicht erhalten. Da viele der Personen, die auf den bisherigen Listen standen, die Staatsbürgerschaft der skandinavischen Länder erlangt haben, können sie nicht in die Türkei deportiert werden.

Deal mit Waffenlieferungen?

Für die Türkei könnte auch der Umfang von skandinavischen Waffenexporten in die Entscheidung einfließen. Das glaubt Martin Lundmark, Dozent an der Hochschule für Verteidigung in Stockholm. In einem trilateralen Abkommen im Juni auf dem NATO-Gipfel in Madrid hatten Finnland und Schweden erklärt, dass es kein Embargo für die Ausfuhr von Waffen in die Türkei mehr geben werde.

In den USA wird zudem darüber diskutiert, ob der von der Türkei gewünschte Export  F-16 Kampfjets an ein Zugeständnis an die beiden skandinavischen Länder geknüpft werden soll.

Ungarns Regierung, die engere Verbindung mir Russland pflegt, hatte ursprünglich angekündigt, die Ratifizierung ab Februar zu ermöglichen. Bei einem Treffen des ungarischen und türkischen Außenminister mahnte dann ersterer auch Schweden ab, von Kritik an Finnland war nichts zu hören.

Eine Prognose über den weiteren Verlauf der Beitrittsprozedur scheint kaum möglich, zumal auch die vermutlich anstehende Offensive der Russischen Föderation Einfluss haben wird. Die bereits instabile Regierung in Stockholm könnte durch ein zu langes Verbleiben auf Erdogans Wartebank zu Fall gebracht werden.

Ähnliche Beiträge:

9 Kommentare

  1. Schon in der Vergangenheit betonte ich, dass eine Aufnahme von Finnland in die Nato eine heikle Angelegenheit werden kann. Nicht allein das die Russen sich abermals dupiert betrachten, ein Großteil der Finnen trauert um „Ihr Karelien“. Es also absehbar, dass der nächste Konfliktherd entsteht.
    Die entgegengebrachte Verachtung der russischen Bevölkerung in Karelien ist zumindestens in Helsinki bis zur Grenze enorm spürbar.
    Aber vieleicht ist das manchen Kriegern im (wilden)WerteWesten garnicht unwillkommen.
    Jeder Kriegsgegner sollte froh über die Blokade sein.
    1. Wäre weiterhin das schwedische Image als freiheitliche Demokratie erhalten
    2. Die kleine Chance, dass Finnland dann ebenfalls zurückzieht wäre dann gegeben.

  2. Sanna Marin gehört zu den „Young Global Leaders“, einer Truppe von bildungsfernen, skrupellosen und unterwürfigen Mägden und Knechten, die sich Klaas Schwob zusammengesucht hatte, um sie an der Spitze pseudodemokratischer Staaten zu implementieren.

    Addiert man die IQs dieser YGL – dazu zählen ja auch so „Geistesgrößen“ wie die deutsche Frau Bockbier und der kanadische Herr Wasserforelle – auf, so ist der Summenwert = 0.

    Schön zu sehen, dass nicht nur Deutschland sich selbst ruiniert, sondern auch Finnland sich selbst ins Knie, hm, sagen wir mal schießt.

    Dass Schweden unbedingt in die NATO will, naja, die hoffen vermutlich auf Straffreiheit für ihre Rolle bei der Zerstörung der deutsch-russischen Pipelines.

    Dass man sich für das bisherige Nichtgelingen des Beitritts bei der Türkei und Ungarn bedanken muss, die auch nicht gerade zu den „Leuchten der Demokratie“ gehören, was soll´s. Immerhin funzelt deren Demokratielämpchen graduell heller als das deutsche Teelicht oder das Glühwürmchen, das Ursul von Darlehen in Brüssel gefangen hält.

    Anmerkung: Die Fackel der Demokratie wird ausgerechnet von einem Volk hochgehalten, das über keinen eigenen Staat verfügt, dem kurdischen Volk.

    1. Hallo Ohein,
      um bei deinem Niveau zu bleiben, es ist schon ziemlich schlicht, was du an Einlassung ablässt. Was hat das ganze mit „dazu zählen ja auch so „Geistesgrößen„…„auf, so ist der Summenwert = 0.“ Woran misst du das? Was wären denn handelnde, die sich im Bereich bürgerlicher Politik bewegen, die dein Wohlwollen hätten?
      Welche Kurden sind es denn, die zuverlässig sind? Die aus dem Irak oder die aus Rojave? Bombardiert hat Erdogan beide.
      Seit ich die Grünen in Deutschland kenne, bin ich immer skeptisch über Aussagen über einen Staat, den es noch gar nicht gibt.

      1. Hallo Peter,
        danke für die Rückmeldung und das Kompliment der leichten Verständlichkeit meines Posts. Ich bemühe mich stets, meine Ausführungen so zu gestalten, dass sie für alle voraussetzungslos gut erfassbar sind.

        Woran ich das messe? Natürlich mit Hilfe eines standardisierten Tests. Denn bekanntlich ist Intelligenz das, was ein Intelligenztest misst.
        Der von mir verwendete Test ist auf eine Spanne von -50 bis +150 normiert. Dass der Summenwert aller Einzelergebnisse der aktuellen Stichprobe exakt = 0 ist, werte ich als Zufall. Er hätte auch -3 oder +2 betragen können. Über mehrere Stichproben hinweg nähert sich der Summenwert jedoch stets 0 an.
        Beispielhaft sei hier ein Ausschnitt aus der Stichprobe angeführt:
        YGL-a = 17, YGL-b = 13, YGL-c = -30, Summenwert = 0.

        Handelnde im Feld der Politik beurteile ich nicht aus der Perspektive eines „Wohlwollens“. Das implizierte doch auch ein „Böswollen“. So gehe ich nicht vor. Ich beurteile nach Leistung. Spontan fallen mir zwei Personen ein, die gute Leistungen erbringen: Sahra Wagenknecht und Sevim Dagdelen. Es gibt sicher noch ein paar mehr, irgendwo.

        Zum Thema kurdisches Volk hier zwei Buchempfehlungen:
        https://www.buchkomplizen.de/die-entwicklung-der-kurdischen-freiheitsbewegung.html
        https://www.buchkomplizen.de/buecher/politik/die-kurden.html
        und ein Link:
        https://democraticmodernity.com/DE/

    2. Die Schweden sind schon längst (inoffiziell) in der Nato. Das pfeifen dort die Spatzen von den Dächern, dass es bisher zwei Schweden gab: Ein neutrales, wo aber nichts entschieden wird, und ein inoffizielles Nato-affines Schweden, das alle Sauereien der Nato mitgetragen hat und mitträgt, beispielsweise die von der Nato inszenierte U-Boot-Affaire.

    3. „Anmerkung: Die Fackel der Demokratie wird ausgerechnet von einem Volk hochgehalten, das über keinen eigenen Staat verfügt, dem kurdischen Volk.“
      Wenn man über Nihilismus Politik betreibt, kommen anschließend LGBTX+++ Szenarien heraus, Hauptsache doof dööfer Dummpfbacken.
      Sie haben in einem anderen Strang ihre persönliche Haltung zum Land getätigt, sie ist konsistent, aufrichtig und wünschenswert. Aber wie möchten Sie diese Ziel erreichen, wenn in dieser Simulation kein entrinnen ist?
      Selbst wenn D seine eigene Verfassung verfassen dürfte, bleiben Unternehmen immer noch international aktiv. Diese GmbH und wahrscheinlich zig andere Weltweit werden dann wie in einem Rechtsstaat übergehen können, so der Staat die Kontrolle hat und wahrnimmt?
      Natürlich gibt es Indikationen wo der E(U)xzeptionalismus seinen Kampfhund abgibt, ändert es dann auch die Strukturen?

  3. Trump sagte mal so etwas wie „die NATO ist obsolet „, dann folgte Macron „die NATO ist Hirntot“…
    Heute liest man : die Ungarn möchten keine innerpolitische Einmischung durch einen Missionsleiter, so auch von der türkischen Seite.
    Der Sekretär der NATO besucht Korea, Japan hübsch medial begleitet. Nur was hat er dort zu suchen?
    Das Pentagon sieht einen chinesischen Luftballons in seinem lüftlichen Hoheitsgebiet, der nicht bestätigte Besuch vom AM wird ‚dramatisch‘ abgeblasen…
    Mir erscheint, das etliche Akteure nicht mit einem Atemzug handeln, aber eines bin ich mir sicher:
    Diese NATO kann nichts, taugt nichts und verbrennt MRD die an anderer Stelle besser investiert ist!
    Medien schreiben über Probleme aber selten über Ursachen.
    Das Partygirl mit Freunden und möglichen Substanzen darf immer noch ungescholten ihr Werk betreiben, wie auch zig andere, das ist schon ungewöhnlich. Nu ja, die Herden bekommen ihr Futter geliefert und fressen blökend weiter.

  4. offizielles Narrativ: Russland überfällt gerne Nachbarländer und Finnland ist im Falle eines (natürlich völkerrechtswidrigen und brutalen und unprovozierten usw.) Überfalls wohl besser dran, in der NATO zu sein

    Gegenrisiko: falls es zu einem offenen Konflikt NATO-Russland kommt wird auch von Finnland aus (lange Grenze!) gegen Russland agiert, samt aller russischen Gegenmaßnahmen.

    Zusammenfassung: Bei der aktuell aggressiven Kriegsrhetorik der NATO würde ich als Finne das Gegenrisiko als größere Gefahr einschätzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert