Die spanische Rechte versucht den Aufstand gegen die neue (alte) Regierung

Protest vor der PSOE-Zentrale in Madrid am 17.11. Screenshot von YouTube-Video

Die Proteste und Krawalle gegen die neue sozialdemokratische Regierung halten an und die rechtsextreme VOX-Partei ruft im Schlepptau mit der rechten Volkspartei zum „totalen Widerstand“ gegen die Amnestie für die Katalanen auf, während Militärs offen zum Putsch blasen. Sánchez muss aber liefern, hat mit dem Rauswurf von Podemos aus der Regierung sofort internen Streit in seiner schwachen Regierung gesät.

Seit mehr als drei Wochen wird jeden Abend die Parteizentrale der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) in der Ferraz-Straße in Madrid von Rechtsextremen belagert.  Immer wieder kommt es dabei auch zu heftigen Krawallen gegen die neue Regierung, die Mitte November mit dem alten und neuen Ministerpräsident Pedro Sánchez von einer Vielzahl unterschiedlichster Parteien ins Amt gehoben wurde.  Dass in drei Krawall-Wochen nur etwa 100 Personen festgenommen wurden und die große Mehrzahl der Verletzten bei der Polizei zu verzeichnen ist, zeigt auch auf, wie zurückhaltend die Sicherheitskräften gegen den Krawall vorgehen.

Offiziell richten sich die Proteste gegen die geplante Amnestie für Vorgänge um die Abstimmungen über die Unabhängigkeit 2014 und 2017 in Katalonien. Darüber hat sich Sánchez die Stimmen des katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont und dessen Formation „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) gesichert, ohne die er keine Mehrheit hat. Die postfranquistische Volkspartei (PP) und deren rechte Abspaltung VOX verkraften nicht, dass eine Regierungsbildung von PP-Chef Alberto Núñez Feijóo im September scheiterte, um in ganz Spanien das fortzuführen, was in vielen Regionen längst Realität ist: von der PP geführte Koalitionsregierungen mit den rechtsextremen Anhängern der Franco-Diktatur. Zwar hatte die PP die Wahlen im Juli gewonnen, aber Zugewinne gingen vor allem auf Kosten von VOX. Deren Diskurs hatte die PP stark übernommen. Christdemokratische Parteien wie die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) wollte sich auch deshalb nicht mit den Ultras in ein Boot setzen, die aber sehr wohl frühere PP-Regierungen unterstützt hatte.

„Vaterlandsverräter“

Neben den abendlichen Protesten an der PSOE-Zentrale im kleineren Rahmen, zu denen vor allem VOX und andere Ultras mobilisieren, kommt es zum Teil landesweit auch zu großen Demonstrationen. Deren Ende ist nicht absehbar, wie eine Großdemonstration am Samstag in Valencia gezeigt hat. Allerdings sind sich nicht einmal die Veranstalter über die Beteiligung einig. Von völlig aufgeblasenen 100.000 spricht ein Teil, ein anderer reduziert auf 14.000 Teilnehmer und die Polizei geht von 7000 aus.

Mit dabei war hier das Ultra-Netzwerk, was man „ultrakatholische und antikommunistische Internationale“ nennt. Dabei war natürlich auch VOX, die erst vom ultrakatholischen, faschistischen und militanten „Intoleranz-Netzwerk“ groß gemacht worden war.  VOX würde aus den Protesten gerne einen Aufstand anstacheln, deshalb fordern die Ultras eine „totale Mobilisierung“, die sich zum Teil auch zeigt, vorgetragen auch aus der von der Rechten dominierten Justiz.

Die winzige VOX-Gewerkschaft „Solidarität“ hatte vergangenen Freitag sogar zum „Generalstreik“ aufgerufen.   Der wurde zum Rohrkrepierer. Nicht einmal bekannte Fascho-Kneipen im Land schlossen sich an. Den Streik ausgerechnet am „Black Friday“ auszurufen, zeigt das Intelligenz-Niveau der Ultras. So waren die Innenstädte zwar voll, aber nicht mit Demonstranten, sondern mit Konsum-Fans. 1,3 Prozent der Beamten sollen gestreikt haben, nicht einmal die Mitglieder von VOX in verschiedenen Stadträten oder Parlamenten waren im Ausstand.

Allerdings hat die Rechte-Ultrarechte es geschafft, einen Teil der Gesellschaft zu mobilisieren und weiter zu radikalisieren. Bei der bisher größten Demonstration haben kürzlich in Madrid nach Polizeiangaben 170.000 Menschen demonstriert. Motto: „Nicht in meinem Namen: Weder Amnestie noch Selbstbestimmung. Für Freiheit, Einheit und Gleichheit.”  Das waren gut doppelt so viele als noch eine Woche zuvor. Aufgerufen hatten verschiedene Organisationen aus dem PP-Umfeld. Skandiert wurde: „Sánchez ins Gefängnis“, der als „Vaterlandsverräter“ bezeichnet wird.

Es zeigt sich auch eine weitere Radikalisierung in der PP. So träumte der Vize-Bürgermeister Roberto Martínez davon, Sánchez möge das Schicksal des ermordeten US-Präsidenten John F. Kennedy ereilen. „Ich hatte einen Traum“, schrieb er in eine WhatsApp-Gruppe und wünschte dem Schützen die „gleiche Zielgenauigkeit“. Die PP-Gemeinderätin und Ex-Bürgermeisterin Laura del Río schrieb in Facebook, dass der „große Hurensohn“ Sánchez „einen Genickschuss verdient hat“.  Sie blieb Kandidatin der PP für Gomezserracín, obwohl sie eine klare Franco-Anhängerin ist.

Und nicht wenige in den Sicherheitskräften sympathisieren mit den Protesten und den Randalieren. In der Nationalpolizei, der paramilitärischen Guardia Civil und im Militär zirkulieren Putsch-Aufrufe. Man sei bereit, „auch den letzten Tropfen unseres Bluts für Spanien zu vergießen“. Mehr als 50 pensionierte hochrangige Mitglieder des Militärs fordern von ihre aktiven Kameraden offen zum Sturz der Regierung auf. In einem Manifest, das der Internetplattform „Infolibre“ vorliegt, heißt es: Die Streitkräfte müssen ihrer Aufgabe nachkommen müssen, die „Souveränität und Unabhängigkeit Spaniens“ und die „territorialen Einheit“ zu verteidigen.  Denn mit der Puigdemont-Partei wurde auch vereinbart, Verhandlungen über das Selbstbestimmungsrecht zu führen. Gefordert wird von JxCat ein vereinbartes neues Unabhängigkeitsreferendum nach Vorbild Schottlands.

Dass Amnestie und Selbstbestimmungsrecht nur einen Vorwand bilden, lässt sich an dieser Truppe von einflussreichen Militärs gut aufzeigen. Die debattierte schon vor vier Jahren in einer WhatsApp-Gruppe über einen Putsch. Darüber hatte Infolibre schon 2020 berichtet. Darin wurde erklärt: „Es bleibt keine andere Möglichkeit, als damit zu beginnen, 26 Millionen Hurensöhne zu erschießen.” Die Ermordung mehr als der Hälfte der Bevölkerung würde zu einer klaren rechten-ultrarechten Mehrheit führen.

Manfred Weber stellt sich auf die Seite von PP und VOX

Aus allen Institutionen wird versucht, die neue Regierung und ihre Vorhaben zu blockieren. Die PP hat mit ihrer absoluten Mehrheit im Senat ad hoc eine Reform beschlossen, um die Behandlung von Gesetzen um zwei Monate verzögern zu können. Sekundiert wird die Kampagne gegen die Regierung auch im Europaparlament von Manfred Weber. Der Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei (EPP) im Europaparlament und stellvertretender Parteivorsitzender der CSU wettert offen im Stil von VOX und PP gegen die Amnestie. Er spricht sogar davon, dass „Terrorismus“ straffrei bleibe.

Dabei konnte die spanische Justiz nicht einmal Rebellion oder Aufruhr nachweisen, um die Auslieferung von Puigdemont und anderen Exilierten aus Deutschland, Belgien, der Schweiz oder Großbritannien zu erreichen. Belgien zweifelt offen daran, dass die Katalanen angesichts der politisierten Justiz einen „fairen Prozess“ erhalten würden.  Noch besser ist die steile These des Ultra-Verstehers, dass die Menschen in Spanien wegen der Amnestie „nicht mehr vor dem Gesetz“ gleich seien, wobei er geflissentlich vergisst, dass die PP-Gründer, ehemalige Minister der Franco-Diktatur, trotz Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Massenmord amnestiert wurden. Noch heute liegen zehntausende Opfer in Massengräbern. Noch besser ist, wenn er vom „Missbrauch öffentlicher Gelder“ schwadroniert. Ist nicht die Schwesterpartei PP die einzige Partei in Spanien, die man Korruptionspartei nennen darf, weil sie gerichtsfest ein „effizientes System institutioneller Korruption“ betrieben hat? Die PP hatte sogar eine Steueramnestie für Steuerbetrüger durchgezogen, die sich sogar später als „verfassungswidrig“ herausgestellt hat.

Die PP nutzt auch ihr nahestehende Richter, wie Manuel García Castellón, um Korruptions-Anklagen gegen Führungsmitglieder wie die ehemalige Generalsekretärin María Dolores de Cospedal abzuwenden. Aber genau der will Puigdemont und die im Schweizer Exil lebende Generalsekretärin der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) nun wegen „Terrorismus“ anklagen, wie auch Prof. Eckhart Leiser ausführt, um die Rückkehr der Exilanten zu verhindern.  Dazu kommt die Forderung nach 8 bis 27 Jahren Haft für Katalanen.  Die Vorwürfe sind  derart absurd und konstruiert, dass man eigentlich nur lachen könnte. Es gab keine Anschläge, nichts. Ein Topf, landwirtschaftliche Produkte und ein paar Feuerwerkskörper für das Stadtfest soll aus einigen Katalanen „Terroristen“ machen. Es ist durchsichtig, dass damit versucht wird, die Amnestie zu unterlaufen, denn im Abkommen mit Puigdemont wurde Terrorismus ausgeklammert.

Konflikte in der Regierungskoalition

Da die neue Sánchez-Regierung auf jede Stimme angewiesen ist, auf die von JxCat genauso wie die der ERC 0der der PNV oder der linken EH Bildu (Baskenland vereinen), muss sie die vielen Zusagen einhalten. Neben Puigdemont hat auch der JxCat-Vizepräsident im Gespräch mit Overton klargestellt, dass es „ohne Fortschritt“ in den Verhandlungen „keine Unterstützung für den Haushalt oder andere wichtige Gesetze“ gibt. Josep Rius streicht in dem Abkommen mit der PSOE heraus, dass eine „nationale Anerkennung, eine internationale Vermittlung und ein Amnestiegesetz“ vorgesehen Ist und „auf die Tagesordnung“ rückt, dass die „große Mehrheit der Katalanen über ihre Unabhängigkeit abstimmen will“. Das treibt natürlich die rechten Ultras auf die Barrikaden.

Neben externen Faktoren, die die Regierungsarbeit schwierig machen, hat sich Sánchez intern ein Problem geschaffen. „Heute hat uns Sánchez aus der Regierung geworfen“, erklärten die Podemos-Chefin und Ex-Sozialministerin Ione Belarra und die Podemos-Gründerin und Ex-Gleichstellungsministerin Irene Montero bei der Übergabe der Ressorts diese Woche.  In der Regierungskoalition mit der PSOE gibt nun nicht mehr Podemos den Ton an, sondern die neue Formation „Sumar“ (Summieren), in die sich Podemos widerwillig eingegliedert hat. Die Sumar-Chefin – und alte und neue Arbeitsministerin – Yolanda Díaz hatte zuvor alles getan, um Podemos aus ihrem Projekt herauszuhalten, damit ihre „Vereinte Linke“ (IU) wieder bestimmt. Der IU wurde aber nur über das Bündnis mit Podemos wieder Leben eingehaucht, da sie zuletzt nur noch gut 3,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

Díaz, die sich als „Sozialdemokratin“ versteht, hat nichts unternommen, dass Podemos wenigstens ein Ministerium erhält. Damit wurde der Spaltungskeil, der längst saß, weiter vertieft. Belarra schließt nicht aus, dass Podemos mit ihren Abgeordneten eine eigene Fraktion bildet und bei den Europaparlamentswahlen eigenständig antritt. Eigentlich bleibt der Partei keine andere Wahl, um nicht vollständig aus dem öffentlichen Bild zu verschwinden. Wie Puigdemont kann auch sie ihre Stimmen dann als Zünglein an der Waage einsetzen, um Forderungen durchzusetzen. Das Regieren wird für Sánchez auch aus dem klaren Willen nun noch schwieriger, Podemos als linke Alternative zu seiner PSOE zu beerdigen.

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8 Kommentare

  1. Bitte mehr Berichte die uns betreffen zum Beispiel Rente mit 70 sagt doch gleich Hunde wollt ihr ewig leben.Die faule Jugend bekommt Bürgergeld bis zur Rente und muss nichts tun und dann nächstes Jahr auch noch 12% mehr das steht eher denen zu die ihr ganzes Lebenslang gearbeitet haben.Junge arbeitsfähige Menschen sollten nichts bekommen sondern arbeiten müssen genau wie wir es mussten.Schluss mit der Unterstützung von Schmarotzern.

  2. Allen ernstes will diese idioten Regierung so Arbeitskräfte aus dem Ausland gewinnen indem man ihnen nach einem halben Jahr den Führerschein entzieht und sie dazu zwingen will einen einen Führerschein in Deutschland zu machen,wo man doch weiß was der mittlerweile kostet.Unddenkt man hier wirklich das unsere Führerscheine besser sind als andere das ist diskriminierend.

  3. Ist dieses Europa nicht wunderschön?
    Überall existieren Gruppen/Ideologien die ständig ihre Demokratie benutzen, um andere Mehrheiten zu behindern. Vor allem sind Länder nicht gleich Länder, in manchen ist rechtsrechtsaussen ganz normal und wieder in anderen ganz verpönt. Ein einiges EU Verbund scheitert an ihren verbalen Vorstellungen über ihre Einheit. Der ganze Laden ist überhäuft von Überlebenskämpfen einiger ‘Fraktionen’, die ihrerseits die Bevölkerung mit in Haftung nimmt.
    Ein wenig OT
    Die Niederlande hatte vor kurzem eine regionale Wahlen und Potzblitz gewann eine neue Partei ‘der Bauern’ diese Wahl. Vor ein paar Tagen hatte dann die rechtsrechtsaussen Partei den Sieg eingestrichen und die neue ‘Bauernpartei’ (Finanzen von B&R) wurde nicht einmal erwähnt.

    1. Die EU folgt dem Schicksal von Byzanz. Nur wird es die EU nicht 1058 Jahre brauchen um “unterzugehen” das geht deutlich schneller. Danach wird eine neue Seite aufgeschlagen. Wie die genau aussieht ist schwer zu prognostizieren, in GB haben nach den Abzug der Römer Chaos und Kriege geherrscht. In Europa könnte es auch zu Bürgerkriegen kommen vor allem wenn es im Interesse der USA liegen sollte den “Vorposten Europa” aufzugeben und der Konkurrenz aus Russland zu überlassen (im Moment spricht nicht dafür) Vielleicht gehen aber auch die Nationalstaaten ins Nationale zurück, und es gibt erst mal eine Weile gar keine große europäische Zusammenarbeit. Alles ist möglich.

  4. krasse Situation, schon mehr als erschreckend mit welchen Mitteln um den reinen Machterhalt gekämpft wird! Danke für den aufschlussreichen Bericht!

  5. Lieber Herr Streck, ich kann ihre Empörung nicht teilen über all die bösen Rechten, Ultrarechten, Franquisten, etc. pp., die grad Spanien unsicher machen, ihrer Meinung nach. Dieselben, die Sanchez in die Flucht getrieben hat oder wahlweise in den Knast gesteckt, holt er sich jetzt zurück, um sein eigenes Regime weiterverfolgen zu können. Die Regierung Sanchez hat in den vergangenen drei Jahren die Menschen in Spanien terrorisiert mit ihren “Coronamaßnahmen”. Ist das jetzt klassisch links? Macht ihn das zu einem Guten? Alle (!!!) in der alten wie neuen Regierung Sanchez sind staats- und systemtragend, sie sind Feinde großer Teile des Volkes. PP und Vox sind da nicht besser, aber vielleicht ja ehrlicher, auch wenn ich nicht deren Meinung bin. Und die katalanische Unabhängigkeitsbewegung muß sich fragen lassen, wo ihre alternativen Ideen zum mörderischen Neoliberalismus sind. Der Feind steht rechts!? Die Frage ist, wo man selber steht!

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