Die Militärallianz OVKS und die Geopolitik

Sitzung des Kollektiven Sicherheitsrats im November 2022. Bild: odkb-csto.org

Die Kooperation mit Weißrussland, Armenien, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan im Rahmen dieser Militärallianz ist für Moskau mit zahlreichen Herausforderungen verbunden.

 

Wie im ersten Teil  dargelegt, resultierte die Gründung der „Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit“ (OVKS/CSTO) in der Auflösung der einstigen Supermacht UdSSR. Für Russland gerieten mit dem Ende des Sowjetstaates zahlreiche sicherheitspolitische Aufgaben in Gefahr. Vor allem wurden die Russen der Möglichkeit beraubt, in mehreren für sie wichtigen Regionen Zentralasiens ihre Militärpräsenz auszuüben. Dank der OVKS ist Russland jedoch in der Lage, fernab von seinem Territorium militärisch agieren zu können.

Die aus russischer Sicht erfolgreiche Partnerschaft mit Weißrussland im Rahmen ihres Union Staates soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zusammenarbeit mit den anderen Ex-Sowjetrepubliken im Rahmen der OVKS mit deutlich mehr Problemen verbunden ist.

Ungleiche Militärstärke der Partner

Ein wichtiger Aspekt, der für die OVKS-Partnerschaft grundlegend charakteristisch ist und eine sorgfältige Herangehensweise erfordert, ist die Ungleichheit zwischen Russland und den anderen Verbündeten bei der Militärstärke. Denn Russland ist seinen Partnern nicht nur ökonomisch weit überlegen, sondern auch gemessen am Militärpotential. Experten des russischen Magazins „Russia in global affairs“ weisen darauf hin, dass die Kluft bei den militärischen Fähigkeiten zwischen großen Militärmächten und anderen Ländern maßgeblich die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit innerhalb einer Allianz bestimme.

In Bezug auf die OVKS betonen sie, dass bestimmte Herausforderungen von den Partnern sehr unterschiedlich wahrgenommen und der Grad einer Bedrohung von ihnen unterschiedlich festgelegt werden könnten. Möglich sei auch, dass den OVKS-Mitgliedern Zweifel bezüglich der russischen Bündnisverpflichtungen aufkommen könnten, denn die russische Armee wäre selbst bei einem möglichen Konflikt mit einem gleichwertigen Gegner auf die direkte militärische Hilfe durch die Verbündeten höchstwahrscheinlich nicht angewiesen.

Dieser Skepsis kann man mit dem 4. Artikel der OVKS-Charta entgegnen, der auch eine militärische Beistandspflicht der Partner vorsieht. Allerdings wird diese offenbar nur je nach geopolitischer Sachlage und der Interessenslage der Bündnispartner als Option in Betracht gezogen, wie einige Konflikte gezeigt haben.

Bei den Grenzkonflikten zwischen Armenien und Aserbaidschan 2021 und 2022 etwa hat die OVKS auf Friedenstruppen und Verhandlungen gesetzt, trotz des bestätigten Eindringens aserbaidschanischer Streitkräfte auf armenisches Territorium. 2021 hatte Russland Soldaten im Rahmen einer Friedensmission in das Grenzgebiet von Aserbaidschan entsandt. Im vergangenen Jahr hat man es geschafft, die Konfliktparteien recht schnell an den Verhandlungstisch zu bringen und die Kampfhandlungen dadurch zu beenden.

Geopolitik als entscheidender Faktor

Einer der Gründe für diese Zurückhaltung der OVKS liegt offensichtlich in den geopolitischen Interessen Russlands. Moskau versucht, sich alle Optionen in dieser Region offenzuhalten, und vermeidet es deshalb, sich für eine Seite zu entscheiden. Zumal seine Beziehungen zu Aserbaidschan, in denen die gegenseitige Achtung von Interessen großgeschrieben wird, den Charakter von strategischer Partnerschaft tragen, wie im Kreml mehrfach betont wurde. Es ist daher verständlich, dass die Russen diese Beziehungen nicht zerstören wollen.

Dieser Umstand stellt für Moskau jedoch ein weiteres Dilemma dar, denn es besteht keine klare Trennung zwischen den Interessen Russlands und denen der anderen Partner in der geopolitischen Lage, in der sich die OVKS befindet.

Für Russland ist die Präsenz in Zentralasien zwar wichtig, weil sich damit die Möglichkeiten des Landes im Hinblick auf die Kontrolle der dortigen regionalen Prozesse und die Sicherheitslage entlang der russischen Landesgrenze verbessern, allerdings sind die beiden genannten Aspekte für Russland als Atommacht und flächenmäßig größtes Land der Erde nicht von entscheidender militärischer Bedeutung.

Dabei gilt zu betonen, dass Russland aufgrund seiner Ausdehnung auf Europa und Asien über einen einzigartigen geopolitischen Vorteil verfügt – es hat den Zugang zu vier Schlüsselregionen in Eurasien: zum Nahen, Mittleren und Fernen Osten sowie zu Osteuropa. In Anbetracht dessen kann die OVKS in Zukunft eine große geopolitische Bedeutung erlangen, da der Verantwortungsbereich der Allianz bereits einen Großteil Asiens umfasst.

Gegenwärtig jedoch versucht die OVKS das System der kollektiven Sicherheit in Zentralasien zu stärken, nicht zuletzt wegen der schwierigen Sicherheitslage in Afghanistan, die Tadschikistan und Kirgisistan direkt betrifft. Weiteres Konfliktpotenzial bringt die Expansion der NATO mit sich, die sich in unmittelbarer Nähe des Verantwortungsbereichs der OVKS befindet.

Denn die jeweiligen Regionen im Südkaukasus und in Zentralasien sind für die nationale Sicherheit Russlands einerseits zwar wichtig, andererseits ist der Kreml offensichtlich nicht dazu bereit, etwa bei dem ersten Schusswechsel in einem Grenzkonflikt, der zwischen den postsowjetischen Staaten relativ oft vorkommt, gleich die schnelle Eingreiftruppe zu entsenden.

In diesem Zusammenhang weisen Militärexperten grundsätzlich darauf hin, dass es Großmächten misslingen könnte, die strategischen Bedürfnisse ihrer Bündnispartner mit ihren eigenen nationalen Interessen zu verknüpfen, falls der Charakter einer Allianz in hohem Maße durch die Geopolitik bestimmt wird. Vor allem dann, wenn die geopolitischen Aspekte zu einem dominierenden Faktor innerhalb dieser Beziehungen werden.

So gesehen steht Russland heute mehr denn je vor der Herausforderung, Verantwortung für seine Bündnispartner zu tragen und für Sicherheit in den genannten Regionen zu sorgen. Zugleich müsste es die Kooperation mit anderen Ländern, die nicht Teil der OVKS sind, verstärken und versuchen, sie in sein Sicherheitssystem einzubeziehen.

Der Artikel ist zuerst auf EuroBRICS.de erschienen.

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12 Kommentare

  1. OVKS war in dem Moment Geschichte, als Russland Armenien auf das Schändlichste verraten hat, indem es seinen Bündnisverpflichtungen weder nachkam noch nachkommt, ja sich sogar de facto auf die Seite Aserbaidschans geschlagen hat. Aktuell tut Russland auch nichts gegen die Blockade Bergkarabachs, obwohl Russland als Garantiemacht sich vertraglich dazu verpflichtet hat, die Landverbindung offen zu halten. Aber wie heißt es so schön: es gibt keinen Vertrag, den der Kreml nicht bricht.

    Seit Tagen gibt es in Armenien massive Proteste gegen die militärische Präsenz der russischen Verräter.

    Was für ein ehrloses Land.

    phz (2000)

    EDIT: neuerdings nennt der Diktator von Aserbaidschan ganz Armenien „West-Aserbaidschan“. Das Spiel kennen wir ja vom russischen Diktator. Kein Wunder, dass die beiden sich gut verstehen

    1. Du beschimpfst hier gerade einen unserer neuen, ersatzweisen Gaslieferanten. Den hat die Uschi aufgetan. Die dürfen übrigens auch mit russischem Gas handeln.

      Und dann nenne mir mal einen Wert, den die ehrbare EU noch nicht verraten hat.

      1. Ich stehe wohl kaum im Verdacht, auf Seiten Armeniens zu stehen. Als neutraler Beobachter kann man zu keinem anderen Schluss kommen. Dass Armenien es genauso sieht, dokumentiert auch die Absage des für 2023 geplanten OVKS Manövers in Armenien. Ich würde fast sagen; Russland hat sich einen weiteren Feind gemacht. Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass nur noch die übelsten der üblen Diktaturen mit Russland paktieren:
        – Syrien
        – Tschetschenien
        – Aserbaidschan
        – Weißrussland
        – Venezuela
        (und ein paar Warlords in Afrika)

        Schmutz und Schmutz gesellt sich gern.

        phz

        1. Was wollen Sie eigentlich? Zwischen Armenien und Aserbaidschan ist doch erstmal Ruhe, die OVKS setzte auf Friedenstruppen und Verhandlungen, trotz der Aggression Aserbaidschans. Wohl nicht Ihr Ding?
          Auch wenn das Problem noch nicht geloest ist (Grenzstreitigkeiten gibt es im Kaukasus zuhauf) sind die
          Kampfhandlungen beendet worden. Weder Aserbaidschan noch Armenien haben ein Interesse daran, deswegen mit Russland zu brechen, das haette der Westen zwar gerne aber das wird nicht funktionieren.
          Dass die NATO bei Grenzstreitigkeiten gleich das ganz grosse Besteck auffaehrt, wissen wir ja,
          die NATO-Friedensmissionen im Nahen Osten und auf dem Balkan sind alle Erfolgsstorys…..die Wut und die
          Frustration darueber sehen wir gerade in der Ukraine!

          1. OVKS hat Zuungunsten Armeniens nicht eingegriffen und dafür erhält Armenien einen Diktatfrieden und eine vollständige Blockade von Bergkarabach?! Da sind die Armenier aber glücklich. Dass wäre wie, wenn Russland gewaltsam die Suwalki-Lücke besetzen würde und die NATO sagt dazu: „Hauptsache es wird nicht mehr geschossen“. Wozu ist man dann genau Mitglied eines Verteidigungsbündnisses?

            Wie gesagt: die RF paktiert mehr oder weniger offen mit Aserbaidschan. Einem NICHT-Mietglied von OVKS.

            Abartige, ehrlose Verräter.

            phz

            1. Ihnen ist aber schon bewusst, dass Aserbaidschan und die Tuerkei eng miteinander verbunden sind?
              Und in Syrien die Tuerkei und Russland miteinander kooperieren, so einfach wie Sie sich das vorstellen geht es in der Geopolitik nun mal nicht zu, haetten Haubitzen wie Sie das Sagen, waere die Welt schon laengst ein Truemmerfeld und verstrahlt noch dazu!
              Dank der Tuerkei und Russland ist es gelungen, dass die Kontrahenten mehr oder weniger es vorziehen, nicht in einen Krieg zu ziehen der ihre Staaten um Jahrzehnte zurueckwirft.

    2. phz,
      wenn man von Bündnisverpflichtungen redet, sollte man diese schon kennen und die Lage danach beurteilen.
      Beim Krieg in den 90er Jahren hat die völkerrechtlich allgemein nicht anerkannte Republik Arzach ethnisch motivierte Vertreibungen veranstaltet, bei denen 750 Aserbaidschaner ihre Heimat verloren haben.
      2020 hat man provoziert, indem man den Parlamentssitz auf erobertes Gebiet verlagern wollte.
      Dies geschah dabei unter Billigung und Mithilfe der Schutzmacht Armenien.
      Inwiefern ein Verteidigungsbündnis als Eskalationsinstrument gebraucht werden darf, erschließt sich wohl nur den hartgesotten Uneinsichtigen.
      Armenien hat entgegen seinem Kalkül den Krieg auf hauptsächlich „azarischem“ Boden verloren, weil die alten Militär-Taktiken entgegen der Erwartungen nicht mehr trugen und mittels Drohnen Aufklärung und Kampfeinsätze eine ganz andere Bedeutung erhielten.

      Man kann nun die Feindschaften weiter aufrecht erhalten und die daraus resultierenden Kriege mit Krokodilstränen begleiten.
      Oder man kann versuchen, unterschiedliche Ethnien als verbindende Elemente zwischen Staaten zu nutzen, indem Staatlichkeit nicht mehr ethnisch, sondern integrierend wertebezogen definiert wird.
      Die Kraft und Ressourcen, die man in Konflikten vergeudet, könnten zum Wohle Aller besser genutzt werden.
      Das gilt übrigens auch in Tadschikistan, Usbekistan und Kirgisistan und im Gebiet der östlichen Mittelmeerküste genauso.

    3. Armenien hatte den Bündnisfall gar nicht ausgerufen du Schlaumeier.

      Ganz im Gegenteil zur NATO übrigens. USA hatte nach dem 11. September 2001 den Artikel 5. der NATO aktiviert und den Bündnisfall ausgerufen, welchem jedoch längst nicht Alle NATO Länder gefolgt waren und Jene die doch gefolgt waren, schickten nur ein ziemlich begrenztes Kontingent an Hilfstruppen zum Brunnenbauen nach Afghanistan.

      1. > Armenien hatte den Bündnisfall gar nicht ausgerufen du Schlaumeier.

        „Im Rahmen des Armenisch-aserbaidschanischer Grenzkonflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan forderte der armenische Premierminister Nikol Paschinjan im September 2022 das Militärbündnis um Hilfe auf Basis des Artikels 4 der OVKS. Dieser besagt, dass jede „Aggression gegen OVKS-Mitgliedsstaaten von den anderen Teilnehmern als Aggression gegen alle betrachtet wird.“[11] Putin lehnte die Ausrufung des Bündnisfalles ab und entsendete nur Beobachter.[12] “

        Dreckiger, ehrloser Gangster.

        OVKS ist damit Geschichte.

        phz (2000)

        1. OVKS ist damit Geschichte.

          „Trotz gewisser Meinungsverschiedenheiten und Diskrepanzen in den Beziehungen zwischen der OVKS und der armenischen Führung steht ein Austritt aus der Organisation derzeit nicht zur Debatte.“

          Alexander Markarov, Direktor des armenischen Instituts für GUS-Länder
          10.01.2023 pravda

          Dreckiger, ehrloser Gangster.

          sind die westlichen Propagandisten, welche Dinge aus dem Kontext reißen und dann bei Wikipedia zitiert werden.

          Ich habe mich vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt. Besser gesagt, Paschinyan war es nicht gelungen, den Bündnisfall im Rahmen der OVKS auszurufen. Nicht nur Russland, auch alle anderen Mitglieder der OVKS lehnten es ab die Aggression gegen die territoriale Integrität und Souveränität Armeniens seitens Aserbaidschans anzuerkennen.

          Artikel 6 OVKS lautet:
          „Der Beschluß, die Streitkräfte zur Abwehr eines Angriffs nach Artikel 4 dieses Vertrags einzusetzen, wird von den Staatsoberhäuptern der Vertragsparteien gefaßt.“
          und eben nicht von Putin alleine.

          Sowohl Russland wie auch alle anderen Mitglieder der Organisation hatten Berg-Karabach nie als Teil Armeniens, und damit als Teil der OVKS anerkannt. Außer Armenien selbst, hat kein anderer Staat der Welt die Region Berg-Karabach zu Armenien gezählt. Armenien wurde also auf dem von Armenien besetztem Territorium eines fremden Staates angegriffen.

          Darüber hinaus, hatte Paschinyan es formal versäumt den Kriegszustand auszurufen und Artikel 2 der OVKS zu aktivieren, welches ein Konsultationsmechanismus im Rahmen der OVKS in Gang setzt und die Voraussetzung für die Aktivierung des Artikels 4 wäre.

          Das wäre also ungefähr so, wie wenn die Türkei versuchen würde einen NATO Bündnisfall auszurufen, weil deren Streitkräfte im besetzten Teil des Iraks oder Syriens angegriffen werden würden. Wohl kaum würde die NATO einen Angriff auf türkische Truppen in Irak oder Syrien als einen Angriff auf Alle Mitglieder der NATO bewerten und der Türkei zur Hilfe eilen. Wohl kaum würdest du dies als Verrat der Türkei durch die USA bezeichnen und wohl kaum würdest du ein Ende der NATO herbei schreiben.

  2. Jedes Militär Bündnis hat die gleichen Herausforderungen, der Unterschied liegt daran ob es eine Verteidigung oder Angriffsbündnis ist. Dann liegt es vor allem an technische Entwicklung, Rohstoffvorkommen zur Herstellung, Forschung, Mannstärke und ganz wichtig ökonomische Ressourcen.
    Die NATO hat zwei Kandidaten, die von zwei anderen noch nicht genehmigt sind. Dann liefert die NATO sehr viel in einen Konflikt, das die Verteidigung etlicher Staaten im Verbund gefährdet.
    Die OVKS Mitglieder sehen alle was dort geschieht, sie sehen auch wie sich ihre wirtschaftliche Lage verbessert, sie sehen auch andere Organisation in denen China und etliche andere Staaten enthalten sind. Sie haben auch aus der Vergangenheit gelernt, welches Wort welchen Wert besitzt und wie Verträge nach Lust und Laune ignoriert wurden. Sie hatten die illegalen Einmärsche und Verwüstungen mit Millionen töten über die Medien mitverfolgt.
    Da denke ich, lieber ein kleines Problem, aber dafür bessere Aussichten.

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