
Es geht ein Gespenst in der EU um, es herrscht Angst vor Desinformation, genauer vor unerwünschter Information. Analog zu einer Flug- oder Raketenabwehr sollen nun die Menschen der Demokratien in der EU durch ein Schild geschützt werden, das European Democracy Shield, das EU-Kommissionspräsidentin bereits im Sommer angekündigt hatte. Abwehr sei notwendig, weil die „die demokratischen Systeme und Institutionen unter Beschuss geraten“, sie werden im Informationskrieg angegriffen. „Wir müssen mehr machen, um unsere Demokratie zu schützen.“
Mit dem Schild, das letzte Woche angekündigt wurde, will man „ausländischer Informationsmanipulation und Einmischung im Internet entgegenwirken … Ziel ist es, das Situationsbewusstsein zu stärken, indem Desinformation und Informationsmanipulation aufgedeckt, analysiert und proaktiv bekämpft werden.“ Von Informationsfreiheit ist bezeichnenderweise nicht die Rede. Und auch nicht davon, dass die demokratischen Institutionen der EU und der Mitgliedsländer vor allem von innen bedroht sind – durch einen zunehmenden Vertrauensverlust, der mit der Politik der Regierenden zu tun hat, aber nicht auf Desinformation oder Beeinflussungskampagnen von außen. Nach der aktuellen Mitte 2025-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung sinkt das Vertrauen in die Demokratie: „Nur noch 52 % finden, die Demokratie funktioniere ‚im Großen und Ganzen ganz gut‘ (2022/23: 57 %; 2018/19: 65 %).“ Die Demokratie muss weniger beschützt denn verbessert werden.
Notwendig sei der Informationsschild, so die EU-Kommission, um den „offenen zivilen Raum“ zu erhalten, der mit einer EU Strategy for Civil Society hinter dem Schild aber geordnet und gefördert werden soll. Um das EU-weit zu regeln oder zu koordinieren, soll ein European Centre for Democratic Resilience eingerichtet werden, das eng mit dem Rapid Alert System (RAS) des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) verbunden ist.
Die Rhetorik ist verschleiernde Propaganda. Da ist beispielsweise von der „Stärkung der Integrität des Informationsraums“ die Rede, der über den Digital Services Act und den Code of Conduct on Desinformation gereinigt werden soll. Dazu soll ein „unabhängiges“ Europäisches Netzwerk von Faktencheckern eingerichtet und vom ebenfalls „unabhängigen“, seit 2018 bestehenden European Digital Media Oberservatory (EDMO) koordiniert werden. Fakten gibt es in den Wissenschaften, kaum aber im politischen Feld, wo aus dem Faktencheck schnell ominöse Wahrheitsverwaltung wird.
Die Arbeit der 31 Organisationen mit 1517 Faktencheck-Artikeln sieht beispielsweise im letzten Bericht so aus: „Im September war ein Anstieg um zwei Prozentpunkte bei Falschmeldungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zu verzeichnen. Gleichzeitig nahmen Falschinformationen zu Einwanderung und zur Europäischen Union um einen Prozentpunkt zu. Mit dem Ende des Sommers gingen Falschmeldungen zum Klimawandel deutlich zurück. Die Falschinformationen zu den anderen von EDMO-Briefings beobachteten Themen blieben stabil.“ Wie zuverlässig die Erkennung von Desinformation ist, lässt sich etwa an der „Analyse“ sehen: „Die fortwährende Erzählung, die Zelensky als korrupt darstellt, wurde weit verbreitet.“ Was man von EU-Seite mit ihren „unabhängigen“ Faktencheckern als Desinformation bezeichnete, wurde im November zum unübersehbaren Fakt.
Informationsfreiheit wird nicht erwähnt
Die Idee scheint sich an das europäische Schengensystem anzulehnen, Freizügigkeit im Inneren, eine Festung nach außen mit starken Grenzen. Aber es ist natürlich paradox, Meinungsfreiheit, unabhängige Medien und eine lebendige Zivilgesellschaft durch Zensur oder eine Wahrheitsinstanz schützen zu wollen. Aber für von der Leyen gibt es kein reflexives Innehalten, sondern nur Propaganda: „Freie Meinungsäußerung, unabhängige Medien, widerstandsfähige Institutionen und eine lebendige Zivilgesellschaft. Das ist die Stärke Europas, und wir müssen unsere kollektive Fähigkeit stärken, diese Stärke jederzeit zu schützen.“
Erklären lässt sich das dadurch, dass die herrschenden Kräfte in der EU sich auch intern durch rechte Parteien gefährdet sehen und sie sich in einem Informationskrieg mit Russland, China und Co. befinden, in dem Information als Waffen gelten und strategische Kommunikation gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden muss. Eine Form der kognitiven Kriegsführung ist der Kampf gegen Desinformation aus einer bestimmten Richtung, der einen offenen Diskurs einschränken und das Overton-Fenster entsprechend verengen muss. Vor allem geht es um die Abwehr von Foreign Information Manipulation and Interference (FIMI) und Desinformation, also letztlich um Manipulation oder Beeinflussung der öffentlichen Meinung, wo bei auch interne Proxies bekämpft werden müssen. Das geschieht allerdings durch alle politischen Akteure mit „public relations“ und natürlich intensiv durch die kapitalistische Konsumgesellschaft mit der allgegenwärtigen Werbung.
Die EU, vielmehr die EU-Kommission, sieht die Demokratie gefährdet. Das ist natürlich schon selbst paradox, weil die EU-Kommission nicht direkt demokratisch gewählt wird. Zudem geht die Kommission, die eine bestimmte Form der Demokratie und deren Kräfte schützen will, davon aus, dass die Menschen in der EU gefährdet sind, durch aus ihrer Sicht falschen Informationen verführt oder geblendet zu werden. Sie sind dem Informationsstrom, so wird suggeriert, schutzlos ausgesetzt und deswegen leicht manipulierbar. Daher muss man die Menschen, d.h. die Bürger, die durch ihre Wahlentscheidung eigentlich jede Demokratie legitimieren sollen, mit einem Schild oder einem Filter vor angeblich gefährlichen Informationen bewahren.
Die offenbar gar nicht souveränen und dummen Bürger, die ohne eigenes kognitives Immunsystem auch ebenso leicht von ihren Regierungen und der Kommission verführt oder beeinflusst werden könnten, sollen durch Maßnahmen der EU-Kommission von Informationen abgeschirmt werden, die diese als gefährlich bzw. als Desinformation sieht. Die kommen selbstverständlich nicht von der EU-Kommission, sondern wie immer und überall aus dem Ausland, aber auch hier nur aus Russland und vielleicht China, (noch) nicht aus den USA und den amerikanischen Plattformen, die lediglich die unerwünschten Informationen durch ihre Algorithmen und fehlender Abwehr verbreiten.
Resilienz ist das Zauberwort, das eigentlich Machterhalt bedeutet
Es geht den Regierenden, die sich als Schützer der Demokratie sehen, ebenso wie autoritären Regierungen darum, das politische System stabil zu halten – das mittlerweile übliche Wort zur Verschleierung des Machterhalts ist Resilienz. Der Begriff taucht inflationär auf und bedeutet, schlicht gesagt: Es soll bleiben, wie es ist, Reformen sollen durch die Regierenden von oben erfolgen, nicht von unten. Immer schon herrschte die Angst derjenigen, die an Schalthebeln der Macht sind, vor unkontrolliert zirkulierenden wahren, halbwahren oder falschen Gerüchten, Narrativen und Informationen, die Menschen aufwiegeln könnten. Stattdessen werden und wurden Nachrichten verbreitet, also Informationen, nach denen sich die Menschen richten müssen. Man kann daran erinnern, dass an den Anfängen der Philosophie und Demokratie im antiken Griechenland mit Sokrates die Infragestellung von Wissen, Ethik, Ordnung und Gesellschaft die Polis so bedrohte, dass dieser mit dem Schierlingsbecher aus der Welt gebracht werden musste.
Das EU-Programm zur Säuberung des Informationsraums ist allerdings erst einmal ein Luftschloss. Nirgendwo werden konkrete Zahlen zur Finanzierung gemacht. Die Teilnahme der EU-Mitgliedsstaaten am zentralen European Centre for Democratic Resilience ist freiwillig. Ein Effekt könnte sein, dass parallel zur Angst vor allem vor Russland, aber auch vor anderen ausländischen Staaten, die Angst vor Desinformation in der Bevölkerung genährt werden soll, allerdings nur vor FIMI, was gleichzeitig unterstellt, wie gesagt, dass die Regierenden und ihre Behörden sowie die finanzierten NGOs die Menschen für dumm und wehrlos befinden.
Um nicht den Anschein zu erwecken, dass es nur um die politisch interessierte Säuberung des Informationsraums geht, soll auch der „unabhängige und lokale Journalismus“ mit dem Media Resilience Programme gestärkt werden. Man darf davon ausgehen, dass unabhängige regierungs- oder EU-kritische Medien nicht unterstützt werden. Finanziert werden sollen auch „unabhängige“ Medien in Kandidatenländern und Ländern, die aufgenommen werden könnten. Daran wird deutlich, dass es um Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch EU-konforme Medien gehen soll.
Auch wenn der Europäische Informationsschild nicht wirklich oder nur teilweise umgesetzt wird, muss vor solchen Bestrebungen gewarnt werden, die Kontrolle und Zensur des Informationsraums zu verstärken versuchen. Es sind Instrumente, die dann auch anderen politischen Akteuren, die an die Macht kommen, dienen können, in ihrem Sinn den Informationsraum zu säubern, um resilient zu werden.
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Tja. Dann sollten die Autoren hier schon mal vorsorgen für den Tag an dem sie auf die Sanktionsliste kommen, und alle Konten gesperrt sind.
Passend dazu:
„Union- und SPD-Fraktion wollen „politisch motivierte“ Kontokündigungen nicht verbieten“
https://multipolar-magazin.de/meldungen/0342
Eleganter geht das natürlich über Sperrlisten bei den DNS-Resolvern.
Welche Demokratie denn?
Es hat nie eine Demokratie gegeben nirgendwo!
Doch. Die gab es.
In der Schweiz.
Die Betonung liegt auf gab es, denn die Schweizer Politiker sind ebenfalls korrumpiert von diesem elenden EU Gesindel.
„Unsere“ Demokratie, heißt das!
Das ist inzwischen wie in dem alten DDR-Witz: Nenne die drei Weltmächte mit „U“!
UDSSR
USA
Unsere Deutsche Demokratische Republik
Man könnte auch das Netz mit den „richtigen“ Informationen fluten, so wie Israel das offenbar macht:
https://www.berliner-zeitung.de/news/millionenprojekt-israel-setzt-auf-ki-strategie-zur-meinungsbeeinflussung-li.10005960
Und so beginnt es …………….
Ursula von der Leyen ist die schönste und klügste Frau der Welt und unser Friedrich Merz (ohne äh) ist ein ganz, ganz toller Hecht.
Und wir haben sie alle lieb.
So sehen bald alle Kommentare hier aus.
Denn alles andere wäre Desinformation.
of topic
Es gibt Spekulationen ob Selenskij nach Griechenland flüchtet oder nicht in die Ukraine zurückkehrt und durch einen extremeren Rechten ersetzt wird.
Man darf auf jeden Fall fwspannt sein ob seine Tage jetzt gezählt sind.
Das ist reine Desinformation. Die Aufdeckung der Korruption beweist das die Demokratie in der Ukraine intakt und Selenskij ein ehrlicher Mensch ist dem man gerne noch ein paar Milliarden anvertraut.
….nicht daß noch einer ungestraft die Desinformation verbreitet, das Corona-Virus stamme aus dem Labor! Oder Russland hätte der NATO einen Nichtangriffspakt vorgeschlagen! Oder daß nur jedem 7. positiven PCR-Test eine Infektion mit dem Virus zugrunde lag…. oder daß es in der Ukraine stramme Nazis gibt….
Ich sehe uns bei Honecker Abbitte leisten!