„Die gesamte Verteidigungslinie der Ukraine ähnelt einem Sieb“

Ukrainische Soldaten der 110. separaten mechanisierten Brigade. Bild: www.facebook.com/110separatebrigade

Selbst wenn US-Präsident Trump sich gegen Russland wenden und Waffenlieferungen in größerem Umfang wieder aufnehmen sollte, dürfte das das militärische Blatt nicht wirklich wenden. Nach dreieinhalb Jahren Krieg zerfällt das ukrainische Militär von innen. Auch wenn die Europäer Selenskij unterstützen, irreale Forderungen nach einem Kriegsende zu stellen und so den Krieg mit massiven Finanz- und Militärhilfen trotz der grassierenden Kofrruption fortzusetzen mit bereit sind, ist absehbar, dass die Ukraine aufgrund des Personalmangels nicht mehr lange durchhalten kann. Die letzten Erfolge der russischen Truppen beim Durchbruch der Front bei Pokrowsk sind ein Zeichen dafür.

Wenn es stimmt, was der britische Telegraph heute berichtet, ist die ukrainische Armee am Zerfallen. 650.000 Männer im wehrpflichtigen Alter haben sich sowieso ins Ausland abgesetzt, Millionen von Männern verstecken sich seit der verstärkten Mobilisierung im Land, während die Rekrutierungsleute die Wehrpflichtigen mit Gewalt zum Militärdienst zwingen. Wer Geld hat, kauft sich vom Kriegsdienst frei, dafür gibt es ein ganzes Korruptionssystem.

Es sind die Freiwilligen und Nationalisten, die zum Teil seit Beginn des Krieges an der Front stehen, und diejenigen, die sich nicht freikaufen konnten, die nach Ansicht der europäischen Regierungen Europa und die Freiheit als eine Art Söldnerheer verteidigen. Aber die Zahl der Deserteure wächst zunehmend. Von den im letzten Jahr Mobilisierten sollen 200.000 unerlaubt verschwunden oder desertiert sein. Täglich sollen 400 Soldaten die Front hinter sich lassen. Die Mehrheit der Ukrainer (70%) ist nach einer Gallup-Umfrage für Verhandlungen und ein schnelles Kriegsende, nur noch 30% sagen, die Ukraine sollte kämpfen bis zum Sieg. Das Vertrauen in Selenskiy schwindet

Stansislav Bunyatov, Soldat und Blogger, sagt, dass wegen des Personalschwunds „die gesamte Verteidigungslinie einem Sieb“ ähnele. „Das Chaos wächst und eine stabile Frontlinie als solche existiert praktisch nicht“, stimmt Ex-Asow-Chef Borden Krotevhych zu. Deutlicher wird der polnische Militäranalyst Konrad Muzyka. Wegen der Personalkrise, aber auch weil die Russen im Drohnenkampf aufgeholt oder sogar die Ukraine überholt haben, sei die Ukraine „eindeutig dabei, den Krieg zu verlieren“. Die Moral lässt nach, die Soldaten an der Front sind erschöpft, es gibt zunehmend Zweifel an der Militärführung und wachsenden Ärger über diejenigen, die nicht kämpfen wollen. An einen militärischen Sieg wie zu Beginn glaubt kaum noch jemand, seit Trumps Präsidentschaft steht die drohende Niederlage im Raum.

Das Verrückte ist, dass es weiter zwei Welten zu geben scheint, dass selbst in der Ukraine der Krieg für die meisten im Hinterland weit entfernt ist, auch wenn die Angriffe auf Städte sich vermehrt haben. Der Telegraph schreibt: „Die Ukraine fühlt sich zunehmend wie zwei Länder an: das eine kämpft, das andere nicht. In Städten wie Lemberg, Kiew und sogar Charkiw – viel näher an der Frontlinie – kann das Leben auf den ersten Blick fast normal erscheinen. Die Geschäfte sind geöffnet. Restaurants, Nachtclubs und Opernhäuser sind voll. Man kann den Krieg weitgehend ignorieren.“

Der Bericht des Telegraph markiert auch eine zunehmend veränderte Berichterstattung der westlichen Medien. Allerdings wird trotz des düsteren Bildes, das der Artikel zeichnet, das Heldenmütige, das eigentlich eher verzweifelt und märtyrerhaft erscheint, noch gegen Ende herausgestrichen: „In den Ruinen der Frontstädte und auf dem Schlachtfeld gibt es kein Entrinnen. Trotz der Rückschläge kämpfen viele Soldaten unbeirrt weiter.“ Ein totaler Kollaps bleibe unwahrscheinlich, die Gefahr bestehe, dass die defätistische Stimmung selbsterfüllend werde. Dank der europäischen Unterstützung der Kriegsführung mit der Arbeitsteilung, dass die Ukraine die Soldaten und der Westen die Waffen und das Geld stellt, wird die Ukraine immer schwächer aus dem Krieg herauskommen und bei Verhandlungen auftreten können.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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14 Kommentare

  1. Gebietstausch wird sein:
    Trump kriegt von Putin Wladiostok und gibt dafür Kiew und alles öslich davon ab. DAS nennt man einen gutn Deal.

  2. Na denn man tau,
    jetzt kommt bestimmt die Dolchstoßlegende 2.0 die heldenhafte Ukraine im Feld unbesiegt aber die Mangelnde Unterstützung der Deutschen hat erst diese Niederlage geschaffen.

  3. Der totale Zusammenbruch der ukrainischen Front ist nicht unwahrscheinlich, aber eine Frage der Zeit. Der Zeitpunkt scheint sich zu nähern.

  4. Die Forderungen Russlands sind bekannt:

    – Gebietsabtretungen inkl. Krim, sonst hätte man den Korridor in der Ostukraine nicht schaffen müssen
    – Sanktionen gegen Russland lockern
    – eingefrorenes Staatsvermögen auftauen und rausrücken
    – neutrale Ukraine, kein NATO-Beitritt
    – Entnazifizierung

    Putin sprach heute noch über „notwendige Gesprächen zur Abschaffung strategischer Offensivwaffen“

    Das wird ein nettes Kaffeekränzchen in Alaska. Mehr ist nicht zu erwarten.

  5. Noch zu Beginn der Zeitenwende vermeldete der Mainstream, dass die Ukraine gegen Russland nicht gewinnen kann. Vermutlich wurden die Redakteure gefeuert, die das so sahen. Die letzten Jahre haben nur eins bewirkt, dass Europa incl. Ukraine wirtschaftlich und human zerstört wurde. Milliarden wurden in den Sand gesetzt, die Bevölkerungen wurden aufgehetzt, die Umwelt zerstört, Europa gespalten, die Bevölkerungen gespalten. Und immer noch posaunen Spiegel, FAZ, Focus und Bild die Phrase von der Verteidigung der Freiheit heraus. Nach Hindukusch und der Ukraine wird der Westen nun in Gaza verteidigt, gegen Kinder, Frauen und Kämpfer, die keinerlei Rüstungsindustrie haben und ihre Rohrbomben im Keller aus Müll basteln. Das wird gründlich schief gehen, manche haben das erkannt.

    1. Die haben dieselben Anweisungen erhalten, wie Selenski Anfang April 2022: Die Ukraine muß gewinnen! Also werden seitdem alle Meldungen entsprechend geframet. Ein taktischer Rückzug der Russen hinter den Dnepr gilt dann als Beweis, daß sie es kann. Und der Rest sind Meldungen britischer Geheimdienste wie die, daß die Russen ukrainische Hauhaltsgeräte plündern, damit sie mit den Chips Waffen bauen können. Und überhaupt gehen den Russen morgen die Raketen aus…. …seit mittlerweile über 3 Jahren….

    2. „und Kämpfer, die keinerlei Rüstungsindustrie haben und ihre Rohrbomben im Keller aus Müll basteln. “

      Das heißt, die Hamas ist der MacGyver des Nahen Osten.
      Was basteln die dann erst, wenn die einen Kugelschreiber oder einen Toaster in die Hand bekommen……….

  6. Was wenn Herr Putin einen dicken Bestellschein für diverse amerikanische Autos aus der Tasche zieht? Dazu noch eine Jahresproduktion Whiskey und Steaks. Baumaschinen und dicke Landmaschinen baucht es auch noch. Geld liegt ja schon auf der Bank. Muss nur noch ein Deal gemacht werden.

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