Die einst deutsche Pharmaindustrie geht „weit weg von Europa“

Bild: H005/gemeinfrei

Pharma-Konzern Bayer: „Wir verlagern unseren kommerziellen Fußabdruck und die Ressourcen weit weg von Europa.”

„Bayer verlagert den Schwerpunkt seines Pharma-Business weg vom innovations-feindlichen Europa in die USA“ titelte vor drei Tagen die Financial Times. Als Grund nannte das Unternehmen die „großen Fehler“, die die EU und Großbritannien bei der Regulierung der Gesundheitsbudgets machen. Die europäischen Regierungen, begründete Bayer-Manager Stefan Oelrich auf der JPMorgan Gesundheits-Konferenz in San Francisco, machen das kommerzielle Überleben schwer. Man werde stattdessen verstärkt in den USA und China investieren. In den USA seien höhere Preise für Medikamente zugelassen und das Reich der Mitte setze auf Innovation. „Wir verlagern unseren kommerziellen Fußabdruck und die Ressourcen weit weg von Europa“.

Damit war eigentlich zu rechnen, nur der Grund für die Produktionsverlagerung dürfte ein ganz anderer sein: nicht die Regulierungen, die ohnehin zahnlos sind, sondern eine langfristig angelegte Strategie, die mit dem Kauf der Aktienmehrheit der DAX-Unternehmen durch US-amerikanische Vermögensverwalter begann und die Des-Industrialisierung Europas zum Ziel hat. Bayer macht da nur den Anfang, denn längst herrscht Handelskrieg. Und den hat Europa, bevor es ihn überhaupt zur Kenntnis genommen hat, verloren.

Während die deutschen Großkonzerne – und dort halten BlackRock und Co die Mehrheit – seit dem Ukraine-Krieg kampflos den russischen Markt und den Zugang zu den billigen russischen Rohstoffen preisgegeben und sich von dort zurück gezogen haben, protestieren in Europa vor allem die Handwerker und Familienbetriebe. Doch vor den nackten Zahlen kann niemand die Augen verschließen. Die Bauindustrie geht von massiven Umsatzeinbußen 2023 aus, und weniger Umsatz bedeutet: weniger Arbeitsplätze und weniger neue Wohnungen. Und das ist erst der Anfang.

Die USA hatten bereits 2018 Strafzölle auf europäischen Stahl und Aluminium verhängt. Ein Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO erklärte sie für rechtswidrig. Doch Biden schert sich darum nicht und will an ihnen festhalten. China, Norwegen, die Schweiz und die Türkei hatten geklagt. Die EU hatte anfangs ebenfalls Klage eingereicht, den Fall dann jedoch ruhen lassen.

Die Merkel-Regierung schaute tatenlos zu, wie BlackRock, Vanguard und Co. sich bei deutschen Traditionsunternehmen einkauften. Sie hätte, wie sie es jetzt bei der russischen Rosneft-Gruppe getan hat, die Beteiligung durch das deutsche Wirtschaftsministerium untersagen können, etwa weil eine systematische Übernahme der DAX-Unternehmen durch die US-Konkurrenz dem „Wohl des Bundes“ oder dem „Wohl Europas“ schade, da somit Investitions-Entscheidungen in ausländische Hände gelegt werden, die zur gleichen Zeit auf dem Weltmarkt um Anteile und Macht konkurrieren. Das haben aber weder die Merkel-Regierung noch die Truppe um Scholz & Habeck getan. Somit ist es nunmehr logisch, dass die neuen Eigentümer der deutschen Industrie sich der lästigen Konkurrenz entledigen und nur die Filet-Stücke übernehmen wollen, letztere aber innerhalb der Vereinigten Staaten, wo dann Arbeitsplätze, Patente und Mehrwert entstehen. Ein gelungener Coup.

Bei Bayer, wo BlackRock und Co. längst Haupteigentümer sind und so die Fäden ziehen konnten, gingen BlackRock und Co. besonders gerissen vor: Zunächst ließ man Bayer 2018 die Aktienmehrheit am Saatguthersteller Monsanto für die astronomische Summe von 63 Mrd. Dollar kaufen – ein überhöhter Preis und mit hohem Risiko behaftet. Zum Zeitpunkt des Kaufs waren bereits vor US-Gerichten zahlreiche Zivilklagen auf Schadensersatz wegen des krebserregenden Pestizids Glyphosat anhängig und Milliarden-Verluste drohten. Da war es für die US-Aktieninhaber sehr praktisch, das unkalkulierbare Prozessrisiko auf die Deutschen abzuwälzen. Und offensichtlich waren die deutschen Manager nur mit bescheidener Intelligenz gesegnet, als sie Monsanto mit allen anhängigen und künftigen Prozessen im Beipack kauften. Und noch weniger intelligent waren die Europäische Zentralbank und die Bundesbank in Frankfurt, die den Kauf von Monsanto mit-finanzierten. Die EZB hat mir gegenüber diesen Kauf von Bayer-Anleihen bestätigt, aber die Bundesbank verweigert die Aussage, wie viele Milliarden geflossen sind, zu welchem Zinssatz und ob man eine Risikoüberprüfung (Due diligence) vorgenommen habe. Ich habe die Bank auf Auskunft verklagt und bisher in allen Instanzen verloren. Die EZB übrigens lässt sich von Leuten aus dem Hause BlackRock beraten und sieht darin keinen Interessen-Konflikt.

Bisher hat der Leverkusener Konzern 16 Mrd. Dollar für die Schadensersatzklagen vor US-Gerichten ausgegeben, und ein Ende ist nicht abzusehen. Verspricht sich Bayer Hilfe von der Biden-Administration für diese Prozesse, wenn es jetzt seine Investitionen und vielleicht demnächst auch seine Verwaltung in die USA verlagert?

US-Regierung lockt Investoren mit neuen Gesetzen

Zunehmend bauen europäische Unternehmen ihre Standorte in den USA aus. Seit der Ukraine-Krise ist dort der Strom nur ein Fünftel so teuer wie in Deutschland, die Steuern sind niedriger und die Subventionen höher. Berlin sei alarmiert und wolle „gegensteuern“, behauptet das Handelsblatt. Doch wie dieses „Gegensteuern“ aussehen soll, wird bislang verschwiegen.

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wiegelte sogar in ihrer Eröffnungsrede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos regelrecht ab: Es gehe nur gemeinsam, meinte sie, gemeinsam für die Ukraine, gemeinsam gegen die Energiekrise, gemeinsam fürs Klima. Sie appellierte gegen geopolitische Abgrenzung und Eigeninteressen. Zwar hat die Dame zur Kenntnis genommen – die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache – dass es “kein Geheimnis sei, dass bestimmte Elemente des US-Gesetzes ‚Inflation Reduction Act‘ Bedenken bezüglich einiger der gezielten Anreize für Unternehmen aufgeworfen haben”. Aber welche Maßnahmen diese „Bedenken“ nach sich ziehen, verschwieg sie.

Das umfangreiche Gesetzespaket sieht 370 Milliarden Dollar für Klimaschutz und Energiesicherheit vor und stellt hohe Subventionen für in den USA hergestellte Produkte zur Verfügung. Es benachteiligt also nicht-US-amerikanische Unternehmen. Mit diesem neuen Gesetz will Biden, angeblich um die ökologische Wirtschaft und den green deal voranzutreiben, verstärkt europäische Fachkräfte und Firmen in die Vereinigten Staaten holen. Die französische Regierung schäumt vor Wut, Präsident Emmanuel Macron kritisierte das Inflationsbekämpfungsgesetz als “super aggressiv”. Ursula von der Leyen beschränkt sich, wie gesagt, auf „Bedenken“.

Vielleicht hängt dies damit zusammen, dass ihr Ehemann Heiko von der Leyen seit September 2020 medizinischer Direktor des US-biopharmazeutischen Unternehmens Orgenesis ist. Die Firma ist auf Zell- und Gentherapien spezialisiert und hat es sicher mit Freude gesehen, dass die chinesischen und russischen Impfstoffe gegen Covid innerhalb der EU nicht zugelassen worden sind und sogar Ausländer, die in die EU einreisen wollten, mit europäischen oder US-Impfstoffen immunisiert sein mussten.

Die Höhe des Salärs, das Orgenesis an Heiko von der Leyen zahlt, ist nicht bekannt. Es dürfte die Bezüge der EU-Kommissionspräsidentin bei weitem übertreffen. Für Big Pharma zahlt es sich gewiss aus.

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22 Kommentare

  1. Ja, sie kriegen unser Land noch kapputt, diese Lumpen. Man sollte den Firmen keinen Vorwurf dafür machen, dass sie dahin gehen, wo die Bedingungen am günstigsten sind. Was aber nicht nachvollziehbar ist, dass sich die Bayer-Chefs dafür ausgerechnet die USA aussuchen. Die Rechtssicherheit ausländischer, insbesondere deutscher Firmen in den USA ist so gering wie in einem afrikanischen Potentatenstaat der 60er Jahre. Die USA werden sich die Vorteile, die sie jetzt gewähren, und noch viel mehr sehr bald wieder durch Strafzahlungen oder ähnliche Einfälle zurückholen.
    Es ist wie auf allen Feldern: mein Respekt vor dem deutschen Unternehmertum (mit Ausnahmen wie z.B Herrn Grupp) ist fast auf das des deutschen Journalisten gesunken: gegen Null.
    Die eigentlich Schuldigen sind aber die meineidigen Politiker, die angeblich die Interessen dieses Landes vertreten. Und das genaue Gegenteil tun!

      1. Wer in seinem Leben schonmal gearbeitet hat, abhängig beschäftigt war, weiß, dass man kaum häufiger Arschl …… als bei den Betriebsräten findet.
        Entlarvende Frage.

    1. “Ja, sie kriegen unser Land noch kapputt.”

      Meinst du den virtuell-völkischen Anteil, oder was gehört dir von Deutschland ?
      ” Uns “, der überwiegende Anteil der Bevölkerung, gehörte hier nie etwas.

  2. Das was aussieht wie eine Abwanderung ist heute die Übernahme.
    Deutsche Politik war und ist opportun und wer sich mal die Namen anschaut die seit der Trump Regierung installiert wurden, wird erkennen das D der Macher ist. Kapitalismus beruht auf Ausbeutung, um diese Ausbeutung voran zu treiben, wird im Ausland unter besseren Konditionen investiert. Aber das Haupt anliegen liegt darin den eigenen Markt neu zu reformieren, d. H. D muss günstiger werden als die USA.
    Eine Spirale das den Weltmarkt auf Trab hält, von unten nach oben…

  3. US-Regierung lockt Investoren mit neuen Gesetzen

    Ich hatte vor dem Wirtschaftskannibalismus der Vereinigten Staaten gewarnt. Sie werden sich im Wirtschaftskrieg auf Kosten der s.g. “Verbündeten” über Wasser halten ohne mit der Wimper zu zucken. Sie sind nicht eure Verbündete oder gar Freunde. Ihr seid deren Kolonie. Sie haben euch nicht ohne Eigennutz gemästet und jetzt werdet ihr geschlachtet.

  4. Auch interessant

    Von wegen isolierte Russen-Wirtschaft: Neun von zehn Firmen aus dem EU-Raum sind weiterhin in dem Land aktiv und investieren dort auch. Das zeigt eine Studie der Universität St. Gallen.

    Neue Forschungsergebnisse der HSG zeigen, dass sich westliche Unternehmen nur in sehr begrenztem Umfang aus Russland zurückziehen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen widerlegen die oft in den Medien geäusserte Behauptung, dass westliche Unternehmen den russischen Markt in grossem Umfang verlassen. Tatsächlich haben viele westliche Unternehmen dem Druck von Regierungen, Medien und Nichtregierungsorganisationen widerstanden, Russland nach dem Einmarsch in die Ukraine zu verlassen.

    Als Russland in die Ukraine einmarschierte, waren insgesamt 2405 Tochtergesellschaften von 1404 EU- und G7-Unternehmen in Russland aktiv. Bis Ende November 2022 hatten weniger als 9 Prozent dieser Unternehmen mindestens eine Tochtergesellschaft in Russland veräussert, stellte das Forschungsteam fest.

    Von den in Russland verbliebenen westlichen Unternehmen sind 19.5 Prozent deutsche, 12.4 Prozent amerikanische und 7 Prozent japanische multinationale Unternehmen. Diese Ergebnisse stellen die Bereitschaft westlicher Unternehmen in Frage, sich von Volkswirtschaften abzukoppeln, die von den Regierungen ihrer Heimatländer inzwischen als geopolitische Rivalen eingestuft werden.

    Quelle moneycab

    Doh!

  5. Ein Dystopischer Artikel und wenn man sich die Konsequenzen klar macht, für Europa ein Desaster.
    Mich würde interessieren, ob dahinter ein Plan steckt?
    Der Umbau der Weltfinanzwirtschaft in dieser Form wurde ja hierzulande seit beginn der 90’er thematisiert. Zumindest erinnere ich mich an Artikel im ehemaligen Nachrichtenmagazin, darüber wie die USA zunächst mit normalenAktienanteilen, dann über Finanzprodukte und den brühmten “Heuschrecken” in der Form von Private Equity Fonds und in den letzten 20 Jahren immer mehr über Beteiligungsunternehmen, die deutsche Wirtschaft massiv veränderten. Unter Kohl war das meines Wissens noch unerwünscht, aber nahm dann mit Schröder fahrt auf.
    D.h. die Politik und die Medien Wissen das seit Anfang der 90er und tun nichts. Ich vermute mal, die lukarativen Dividenden und permanenten Kursteigerungen haben alle nicht so genau hinschauen lassen. Aber wir haben in den 70er und 80er schon einmal den Ausstieg aus Industrien erlebt und während dessen ein ziemliches Elend in der Bevölkerung.
    Daher nehme ich an der Plan ist der, dass man jetzt komplett die Industrie, die Energie verbraucht, entfernt (mit der Begründung CO2), um danach durch einen Umstieg auf eine Digitalisierung der meisten Vorgänge, eine komplett neue Wirtschaftsbasis erschafft, deren Einnahmen uns in ein neues Zeitalter schieben werden. Ich werde das mit Ende 50 wohl nicht mehr erleben. Zuletzt hat es von anfang der 70er bis Mitte der 90er gedauert, bis der Umbau der Frühindustriegesellschaften, zu Technik und Dienstleistung vollendet war.
    Aber damals haben die Stahl-, Werft-, Kohlearbeiter auch gejammert. Aufhalten läßt sich diese Entwicklung aber sicher nicht mehr. Die Karten sind verteilt.

    1. Mich würde interessieren, ob dahinter ein Plan steckt?

      Man muss nicht von bösen Absichten ausgehen, wo Alles mit Dummheit und arroganter Ignoranz gut erklärbar ist.

  6. Es wäre doof, von Gaby Weber zu verlangen, zu wissen, was “fiktives Kapital” ist, aber wenn sie über so’n Zeug schreibt, dann hat sie gefälligst zu wissen, was “Investmentvermögen”, “Vermögensverwaltung” und “Fondsverwaltung” sind, und daß deren Rolle in dem Maße wächst (nicht linear zu verstehen), wie auf den Märkten der Return der produktiven Geschäftstätigkeit (“Profitrate”, “Cashflow”) sinkt und gleichzeitig die Vermögen vermittels Staatskredit inflationieren. Und was das für Folgen für die Handlungsmaßstäbe eines Global Player, wie BlackRock haben muß, namentlich unter der Voraussetzung, daß zwei Drittel der Anleger Institutionelle Anleger sind.
    Für solche Player kann die Schädigung eines nationalen Standortes zugunsten eines anderen im Normalfall kein Nullsummenspiel, nur ein Verlustgeschäft werden. Schon gleich gar kein Interesse hat er an “Deindustrialisierung” eines Standortes. Es mag im Einzelfall für ihn eine Option sein, politische Deals einzugehen, wenn astronomische Staatskredite im Spiel sind, wie jetzt in den USA, aber dies gewiß nicht bedenkenlos.
    Schaut aus, als behandele Gaby BlackRock als “Agentur” der US-Föderation, weil der Firmensitz in New York liegt. Das wäre dümmer, als analoge, 70 Jahre alte Nazi-Propaganda, umso mehr, als Gaby getreulich berichtet, BlackRock beabsichtige die Geschäftstätigkeit in den USA UND China auszubauen.

        1. früher wollt`”man” Bayer wegsprengen (“…so gewalttätig wie ihr es seid, kann ich gar nicht sein, oh nein!” -but alive) , jetzt hör ichn schlechten krimi, wo`s allerdings heißt, “man” könne “fiktives kapital” wegsprengen, einfach indem “man”s klaut und das ginge sogar recht einfach, allerdings zappt die autorin vom “raubwillige polizistin” trifft “bankerfreundin” mit kurzer zwischeninfo zum “wie?” (leicht beschafflicher gefälschter ausweis) direkt zum geglückten “raub” , allerdings in zirkulation verbleibend (schulden bei “gangstern” an “gangster” rückzahlen ausm “gangster-fond” oderso) , also leiderleider stehts wichtige nicht geschrieben….nuja…..
          nu schrieb frau weber wohl auch , daß ” BlackRock beabsichtige die Geschäftstätigkeit in den USA UND China auszubauen.” unds wär ja wohl arg wichtig bei nem BlackRock-wegsprengen, daß china da keinen fiktiven schaden nimmt, oder?….
          ja, isn scheißzeuch (fiktives kapital) ebenso wie computer – find ich….aber ja, TG is realer als es ihm selbst lieb is öftermal 😉 🙁 ….

      1. FTR: “Bashen” war nicht meine Absicht, das ist deine Wahrnehmung. Ich schätze Gaby Weber, aber wenn sie dumme Deutungen ihrer Arbeitsergebnisse in die Welt setzt, halte ich dagegen.

  7. Gaby Weber spricht mal wieder vorausschauend etwas an, über das in weniger als 12 Monaten der Spiegel Jammern wird: Wir sind echt am A…

    Auch wenn man wenig Sympathie für das alte Wirtschaftsmodell haben sollte, bleiben nämlich mindestens diese zwei Probleme:
    1) Die zukünftig abwandernden, weder sonderlich nachhaltigen noch menschen- oder umweltfreundlichen Industriezweige, werden höchstwahrscheinlich den Planeten nicht ganz verlassen, sondern nur woanders unter lascheren Gesetzen weiter schaden…
    2) Sie füttern Staat und Gesellschaft derzeit ganz gut. Was kommt danach?

  8. Es wird eng, die führenden nationalen Kapitale zerfleddern einander. Das tun sie immer, aber nun, da die Hegemonialmacht um ihren Status kämpft, wird mit noch härteren Bandagen gekämpft. Wie Weber konstatiert, stellen sich die deutschen Fühurngskreise ziemlich dumm an. Nicht nur wird mit dem Ukraine-Gambit Russland beschäftigt, der grosse Vorteil besteht in dem zwischen der EU und spezifisch Deutschland und Russland getriebenen Keil, der die Wettbewerbsposition der EU massiv verschlechtert und die Kannibalisierung seiner Industrie ermöglicht. Dividende der ausgeübten Suzeränität.

    Nicht dass diese für den Moment erfolgreich aussehende Strategie am Niedergang der usa grundlegend etwas ändern würde. Dafür ist dieser Staat selbst in einem viel zu maroden Zustand. Sicher aber ist, dass Deutschland damit noch stärker in diesen Malstrom hineingesaugt wird. Und sollte die entfachte Dynamik nicht im letzten Moment noch gestoppt werden, könnte es sein, dass sich ganz Europa in eine Wüste verwandelt. Dass es dieses Schicksal mit den u.s.-amerikanischen Machtzentren teilen würde, ist dann auch kein Trost.

  9. @Zack15 20. Januar 2023 um 16:44 Uhr:
    Soweit gehe ich mit der Einschätzung konform. Beim letzten Satz sehe ich inzwischen auch Anzeichen für andere Tendenzen:
    “Dass es dieses Schicksal mit den u.s.-amerikanischen Machtzentren teilen würde, ist dann auch kein Trost.”
    Die Anzeichen wären die ausbleibenden Panzerlieferungen, aber auch daß sich der Suzerän mittels Rohrsprengungen der Gehorsamkeit der deutschen Regierung versichern muss. Auch Scholz’ Chinareise und seine Bemerkung, daß man nach dem Ukrainekrieg ja immer noch Russland als Nachbarn hätte, mit dem man dann leben müsse, zeigen vermutlich Spuren von Realismus. Dafür bekommt er gerade heftige Anfeindungen von den treuesten US-Dackeln…
    Ganz klar gibt es da auch innerhalb der deutschen Wirtschaftselite ziemlich unterschiedliche Strömungen. Sicher ist, die Handwerker und Familienbetriebe haben Wurzeln, die kann man nicht einfach über den Teich verpflanzen. Globale Konzerne sind eben global, wandern zu den ergiebigsten Weidegründen. Dafür wird Globalisierung gebraucht und gemacht. Wenn die Bevölkerung das versteht, und es mit demokratischen Mitteln schafft, ihre Politiker zu entsprechenden Maßnahmen zu zwingen (ähm, jahaaa….) – aber das würde bedeuten, vom Leitbild des Exportweltmeisters wegzukommen. Mehr lokal, weniger Rohstoffe, also intelligenzintensivere Produkte zu exportieren, was Konsequenzen für das Wirtschafts- und Bildungssystem hätte, hatte ich neulich schon mal angerissen:
    https://overton-magazin.de/top-story/studie-der-wissenschaftliche-und-technische-fortschritt-erlahmt/#comment-20065
    Mal sehen, ob sie es schaffen. Die Kuschelzeit mit den USA ist offenbar vorbei. Der Hinweis auf die Truthahn-Illusion von Jock the Prepper weiter oben ist großartig passend.

  10. Ich denke, TomGard könnte mit seiner (etwas brüsk formulierten) Kritik inhaltlich recht haben.
    Es ist wichtig, zwischen ABSICHT und INKAUFNAHME zu unterscheiden.
    Eine regionale „De-Industrialisierung“ kann zur Verfolgung überregionaler sehr langfristiger Ziele oder auch zur Vermeidung eines befürchteten größeren Übels in Kauf genommen werden.

    So lässt sich das Verhalten deutscher Wirtschaftseliten zur Russland-Politik verstehen.
    (Wird auch im Artikel „The Winner Takes It All“, den die der russischen (!) Regierung nahestehende Zeitschrift Russia in Global Affairs veröffentlicht hat, so gesehen.)
    Ob das Kalkül aufgehen wird, ist eine andere Frage.

    Das Handelsblatt 2018 zu Bayers Monsanto-Kauf:
    „Der Leverkusener Konzern steigt mit dem Kauf von Monsanto zum unangefochtenen Marktführer in der Agrochemie auf. Bayers Division Crop Science kommt nach Zahlen von 2017 auf einen Umsatz von rund 21 Milliarden Euro. Der Konzern hat künftig das weltweit größte Angebot an Saatgut und das größte Volumen an Pflanzenschutzmitteln im Angebot. Die Division wird ihren Hauptsitz weiterhin in Monheim bei Leverkusen haben, allerdings werden große Teile des Geschäfts und der Forschung künftig von den USA aus geführt.“

    Die Teilverlagerung in die USA war also damals schon beschlossen und das Kalkül des Monsanto-Kaufs richtete sich darauf, sich langfristig als Weltmarktführer mit gigantischen Umsätzen zu etablieren.
    Dafür wurden kurzfristige „Unkosten“ in Kauf genommen.

  11. Nun, hier kann man schön sehen, daß dem kapital nation egal ist, während der dummkopf für seinen nationalen sandkasten in den krieg zieht.

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