Deutsche Nationalbibliothek: Digitales Gedächtnis der Nation mit Lücken

Lesesaal in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt am Main. Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) mit Standorten in Frankfurt und Leipzig hat den Auftrag, das kulturelle Gedächtnis zu bewahren. Die Selbstbeschreibung unter dem Titel “Gedächtnis der Nation”: „Wir sammeln, dokumentieren und archivieren alle Medienwerke in Schrift, Bild und Ton, die seit 1913 in und über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Ob Bücher, Zeitschriften, CDs, Schallplatten, Karten oder Online-Publikationen – wir sammeln ohne Wertung, im Original und lückenlos.“

Das ist eine hehre Aufgabe, und es wäre auch wichtig, um zu verstehen, was in einer Zeit gedacht und geschehen ist und wie sich die Geschichte in Deutschland bis zur Gegenwart entwickelt hat.

Aufmerksam wurde ich auf den Archivierungsauftrag der DNB durch Kommentare der Overton-Leser anlässlich der von Heise Medien im Dezember vorgenommenen Sperrung des Zugangs zum Telepolis-Archiv von 1996-2021 mit seinen kontinuierlichen Berichten und Interviews über Politik, Kultur und Medien. Mit den weit mehr als 50.000 Artikeln geht der Öffentlichkeit auch ein Stück Zeitgeschichte verloren, Telepolis hat beispielsweise die Entwicklung des Web begleitet und kommentiert. Die Androhung der Redaktion bzw. des Heise-Verlags, manche Artikel, genannt „Perlen“, aus dem Archiv auszuwählen und zu „überarbeiten“ ist genau das, was eine Archivierung nicht machen darf. Daher sagt auch die DNB, man würde alles „ohne Wertung, im Original und lückenlos“ sammeln und zugänglich machen, anstatt die Geschichte durch wie auch immer motivierte Selektion und – welch orwellsches Ansinnen – auch noch Veränderung oder Korrektur zu verfälschen.

Interessant ist, dass es nach dem Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek (2006) eine Ablieferungspflicht für die Verlage auch für unkörperliche Medienwerke wie Online-Magazine gibt. Sie müssen vollständig „binnen einer Woche seit Beginn der Verbreitung“ bereitgestellt werden. Nach „Mahnung und fruchtlosem Ablauf von weiteren drei Wochen“ ist die DNB berechtigt, die Medienwerke „auf Kosten der Ablieferungspflichtigen“ zu beschaffen. Wer fahrlässig nicht abliefert, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einer Geldstrafe bis 10.000 Euro rechnen.

Sucht man nach Telepolis bei der DNB stößt man auf 7 archivierte Webseiten (von mehr als 50.000), 132 Online-Ressourcen, meist Bücher und eBooks, oder 29 Artikel, die wohl zuerst auf Telepolis, aber dann woanders veröffentlicht wurden. Archiviert wurden aufgrund ungenannter Kriterien also lediglich 7 Webseiten. Lückenlos ist etwas anderes. Hat Telepolis bzw. der Heise-Verlag die Archivierungspflichten nicht beachtet? Ist die DNB ihren Pflichten nicht nachgekommen, immerhin gibt es das Online-Magazin seit 1996, also bald seit 30 Jahren?

Es gibt nach der Verordnung über die Pflichtablieferung von Medienwerken an die Deutsche Nationalbibliothek für Netzpublikationen eine Ausnahme:

  • 7 Beschaffenheit von Netzpublikationen und Umfang der Ablieferungspflicht

(1)         Unkörperliche Medienwerke (Netzpublikationen) sind in marktüblicher Ausführung und in mit marktüblichen Hilfsmitteln benutzbarem Zustand abzuliefern. Eine Pflicht zur Ablieferung besteht nicht, wenn die Ablieferungspflichtigen im Rahmen des § 16 Satz 2 des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek mit der Bibliothek vereinbaren, die Netzpublikationen zur elektronischen Abholung bereitzustellen. Für die Ablieferung von Netzpublikationen gilt § 2 Abs. 3 entsprechend; für die Bereitstellung zur elektronischen Abholung gilt § 2 Abs. 3 Satz 1 entsprechend.

 

„Elektronische Abholung“ bedeutet, dass die Inhalte direkt und ohne Schranke zugänglich sind, also im Internet aufgerufen werden können. Wenn Heise Medien das bislang öffentlich zugängliche Archiv von Telepolis unzugänglich machte, würde eigentlich die Pflichtablieferung der gesperrten Inhalte einsetzen, für die, so sollte man meinen, nicht geltend machen kann, dass der Zugang „kein öffentliches Interesse“ beinhaltet.

Der Vorgang, ein umfangreiches Archiv abzuklemmen, dürfte neu sein, zumindest wirft es Fragen für die DNB und für Verlage auf, wie sie mit dem digitalen Gedächtnis umgehen. So ist die Frage ist, ob Heise Medien die Pflichtablieferung missachtet und ob die DNB ihren Auftrag nicht erfüllt, Netzpublikationen zu archivieren bzw. die Inhalte zur Ablieferung einzufordern, wenn diese nicht mehr zur „elektronischen Abholung“ bereitgestellt werden. Oder wird einfach zugeschaut, wie ein Konvolut von weit mehr als 50.000 Artikeln, die über 25 Jahren veröffentlicht wurden und die Zeit- und vor allem die Internetgeschichte begleitet haben, aus dem nationalen Gedächtnis gestrichen oder verfälscht bzw. „überarbeitet“ werden? Zum Overton-Magazin, das immerhin auch schon seit einigen Jahren besteht, gibt es noch gar keinen Eintrag: „Ergebnis der Suche nach: overton-magazin im Bestand: Gesamter Bestand. Ihre Suchanfrage ergab leider keine Treffer.“

“Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt Websites derzeit nur in Auswahl”

Warum wurde Telepolis trotz des Auftrags nicht archiviert? Ich fragte bei der Deutschen Nationalbibliothek nach: Warum wurde Telepolis – es geht um immerhin 25 Jahre Zeitgeschichte – nicht archiviert und was gedenken Sie zu tun? Die Antwort einer für Netzpublikationen zuständigen Mitarbeiterin:

„Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt Websites derzeit nur in Auswahl. Dies geschieht unter anderem angesichts der enormen Menge an Internetpublikationen, die zum Sammelauftrag der DNB gehören. Zu den fast 18 Millionen registrierten .de-Domains gibt es noch mehrere Millionen unter Domains wie .com oder .org erscheinende Websites mit einer deutschen Adresse im Impressum. Eine vollständige Sammlung ist in diesem Bereich leider nicht möglich, was unweigerlich zu Lücken in unserem Bestand führt.“

Mit der Antwort war ich nicht zufrieden, auch wenn ich bei einem Telefonanruf darüber aufgeklärt wurde, dass die Schwierigkeit auch darin besteht, dass noch keine HTML-Dateien archiviert werden können, sondern einzelne Artikel im PDF-Format mit entsprechenden Metadaten eingeschickt werden müssten. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) ist für die DNB zuständig. Ich richtete meine Nachfragen daher  an diese. In der Antwort wurde ich erstmal auf die Pflichtablieferungsverordnung aufmerksam gemacht, die Einschränkungen der Ablieferungspflicht für Netzpublikationen vorsieht:

„Nach § 8 Abs. 2 PflAV kann die Bibliothek u.a. auf die Ablieferung verzichten, wenn technische Verfahren die Sammlung und Archivierung nicht oder nur mit beträchtlichem Aufwand erlauben. Auch können gem. Abs. 3 der Regelung Umfang und Häufigkeit der Ablieferung von regelmäßig aktualisierten Netzpublikationen durch die Bibliothek eingeschränkt werden. Der Bestand an digitalen Publikationen in der DNB konnte in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut werden. Dennoch kann sie, wie Ihnen bereits mitgeteilt wurde, nicht alle digitalen Publikationen sammeln, was der hohen Zahl der Netzpublikationen und den dafür erforderlichen technischen Ressourcen geschuldet ist. Insbesondere die Sammlung von Webseiten ist seit der Gesetzeserweiterung auf digitale Publikationen nur in einer begrenzten Auswahl möglich.“

Ich gebe im Weiteren die Fragen und Antworten wieder:

Aus der Antwort der DNB entnehme ich, dass es für die DNB faktisch keine Archivierungspflicht und für Verleger von Onlinepublikationen keine Einreichungspflicht gibt, wie dies gesetzlich vorgegeben ist. Deute ich das richtig? Wie begründen Sie dies?

 

BKM: Grundsätzlich besteht für alle Verlage und Produzenten von digitalen Publikationen eine Ablieferungspflicht nach dem DNBG, sofern die DNB technisch in der Lage ist, die Medien in die Sammlung aufzunehmen. Die (automatisierten) Prozesse der Ablieferung werden dabei zwischen der DNB und dem Ablieferndem abgestimmt, mitunter werden auch Verlagsdienstleister einbezogen. Für Webseiten besteht ein Dienstleistungsvertrag mit einer Firma, die in abgestimmten Zeitintervallen vorgegebene Webseiten harvestet, speichert und zur Benutzung bereithält.

 

Nach welchen Kriterien wird entschieden, was die DNB an Online-Publikationen archivieren muss/soll?

 

BKM: Die DNB wählt die zu archivierenden Webseiten nach aktuellen Ereignissen, bestimmten Institutionen des öffentlichen Lebens und ausgewählten Themen aus. Aktuell werden nur einige tausend Webseiten geharvestet, was in Anbetracht des Umfangs des ‚deutschen‘ Webs unbefriedigend ist, sich aber derzeit aus Kapazitätsgründen nicht ausweiten lässt.

Um die Webarchivierung Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, arbeitet die DNB mit Universitäten, anderen Nationalbibliotheken und der Wayback Machine des Internet Archive zusammen. Dadurch möchte sie nach und nach die Kriterien für eine ‚exemplarische Sammlung‘ schärfen sowie die erforderlichen technischen Lösungen entwickeln.

Was telepolis.de und Heise Medien betrifft: Die DNB lässt zu, dass ein Archiv von 1996 bis 2021 mit weit über 50.000 Artikeln, die auch einen Teil Internet- und Zeitgeschichte beinhalten, aus der Öffentlichkeit verschwindet, ohne eine Archivierung anzustreben? Zumal Heise Medien androht, nur selektiv und womöglich “überarbeitete” Artikel wieder zu veröffentlichen, was den Kriterien der Archivierung fundamental widerspricht. Gibt das Ihre Position korrekt wieder? Was werden Sie in diesem konkreten exemplarischen Fall machen.

BKM: Die DNB hat erst durch Ihre Anfrage erfahren, dass Heise Medien das Archiv der Jahrgänge 1996 bis 2020 von Telepolis nicht mehr zur Verfügung stellt. Das Verschwinden dieser Inhalte, die Zeitgeschichte dokumentieren, ist auch aus ihrer Sicht bedauerlich. Allerdings wäre die Übernahme eines solchen Bestands von weit über 50.000 Artikeln, wenn sie (noch) möglich wäre, für die DNB mit hohen Aufwänden verbunden. Gemessen am Umfang des Auftrags des für die Web-Archivierung eingesetzten Dienstleisters entspräche dies einem Mehrjahreskontingent, das zusätzlich beauftragt und finanziert werden müsste.

Indes hat eine Recherche ergeben, dass das Internet Archive die fraglichen Jahrgänge in seiner Wayback Machine gespeichert hat (ob lückenlos, war auf die Schnelle nicht zu prüfen, aber zumindest sehr umfangreich: https://web.archive.org/web/20240901000000*/http://telepolis.de/ (https://web.archive.org/…)). Hier könnte ggf. in bewährter Weise kooperiert werden.

Fazit: Die Antwort war vorhersehbar. Es gibt zwar die Archivierungspflicht, aber wenn es technisch schwierig und finanziell zu teuer wird, wird ihr nicht nachgekommen. Stattdessen wird auf die private Wayback Machine verwiesen, deren Betreiber auf finanziell wackeligen Füßen steht, weil abhängig von Spenden, und jederzeit selbst vom Netz verschwinden kann, wenn es keine ausreichende öffentliche Förderung mehr gibt.

Fraglich ist auch, warum die DNB keine html-Seiten archivieren kann, wenn dies schon seit 1996 der Wayback Machine möglich ist. Und die archivierten Webseiten sind öffentlich über das Internet zugänglich, nicht nur paradoxerweise in den Lesesälen der DNB. Egal scheint es DNB und BKM zu sein, wenn ein Verlag der Öffentlichkeit ein ganzes Archiv über 25 Jahre kontinuierliche Berichterstattung entzieht. Auch wenn die DNB technisch und finanziell nicht in der Lage ist, diese zu archivieren, könnte man erwarten, dass dem ablieferungspflichtigen Verlag die Auflage gemacht wird, eine solche Entscheidung zu melden und das Archiv zumindest vorerst aufzubewahren.

Aber erst einmal steht es schlecht um das digitale Gedächtnis und BKM bzw. die Bundesregierung drücken sich um die Aufgabe, der nur in symbolischen Dosen nachgekommen wird, während viele digitale Inhalte drohen, spurlos als 404 zu verschwinden.

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41 Kommentare

  1. Wenigstens ein ehemaliger Autor kam seiner Verantwortung nach und machte seine auf Telepolis erschienenen Artikel technisch verfügbar. Die Frage, ob der ehemalige Chefredakteur die Archivierung nicht hätte anleiern können, stellt sich natürlich erst im Nachhinein, nachdem sein altes Haus vom Neuen auf Kosten des kompletten Interieurs vor dessen Zeit für die nächste Zukunft in Ordnung gebracht wurde. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, aber die Marke Telepolis macht auf dem Medienmarkt abgesehen von einer ärgerlichen Unverfügbarkeit des Archives keinen schlechten Eindruck.

    1. “Marke Telepolis macht auf dem Medienmarkt abgesehen von einer ärgerlichen Unverfügbarkeit des Archives keinen schlechten Eindruck.”

      Schon mal die Admins von Telepolis kennengelernt? Probieren Sie es mal aus, das ist ein wahres Fest.

      1. Aktuell veröffentliche Artikel auf Telepolis sind auch oft von eher seichter Qualität. Die Moderation in den Foren ist schon länger von besonderer Qualität. Schon vor der Qualitätsoffensive gab es öfter Sperren und Löschungen für Kommentare, die später als Artikel erschienen oder den Neuber selbst erwischte oder sogar mit dem Artikel konform ging. Interred Moderation ist von ganz besonderer Qualität.

        Der „nicht schlechte Eindruck” kann nur von der jetzt entfernten Vergangenheit von Telepolis kommen und dem Ruf von früher. Das Heute ist meistens ziemlich seicht und belanglos.

  2. Wenn die DNB die Werke zum normalen Preis zzgl. Versandkosten erwerben würde, wäre mir die DNB egal. So, wie das jetzt läuft, nämlich unter Strafandrohung kostenlos und auf eigene Versandkosten sein Eigentum dort abliefern, ist diese Organisation für mich der letzte BRD-Dreck.
    Übrigens haben die Bundesländer ebenfalls eine eigene Sammlung und die entsprechende Gesetzgebung (Zwang zur Ablieferung unter Strafandrohung). Jedenfalls in meinem Bundesland ist das so und ich als Selbstverleger mehrerer Bücher mit jeweils mehreren Hundert Auflage bekam entsprechende Post. Im Fall der DNB habe ich abgeliefert, die Angst vor der Strafe war zu groß, aber der Trockenpflaume in unserem Bundesland, die mir sogar telefonisch nachstellte, habe ich eine sehr direkte Antwort gegeben und nichts geliefert.
    Manche Buchautoren sind richtig geil drauf und bilden sich etwas darauf ein, daß ihr Werk in der TEUTSCHEN NAZIONALPIPLIOTHEK aufbewahrt wird, ich weiß. In Wirklichkeit ist die DNB ein gigantisches, täglich wachsendes Mausoleum für Bücher.
    Für die Einhaltung der Urheberrechte sehe ich schwarz. Von wo bekommen Digitalisierer wie GoogleBooks wohl die Metadaten????

    1. Jetzt mal langsam mit den Pferden: Seien Sie doch froh, dass Ihre weltbewegenden Ergüsse für die Ewigkeit und ganz offiziell aufbewahrt werden und nicht im Orcus des Vergessens verschwinden…😉 Und “mehrere hundert Auflage” – jede Chronik von Kleinkleckersdorf hat ne höhere Auflage.😁

      1. Meine Ergüsse sind dort, wo sie fachlich hingehören, und dort sind sie für Interessenten in 200 Jahren noch auffindbar. Das ist es, was zählt. 70 Jahre nach meinem Tode könnten sie nach heutiger “Rechts”lage digitalisiert werden, das Büchermausoleum wird dadurch aber nicht besser.

        Deine herablassende Äußerung legt nur offen, daß Du keinerlei Ahnung von Auflage hast. Und wenn man keine Ahnung hat, einfach mal nix dazu äußern, wäre mein Tip.

        1. Glaubens mir, ich hab a bisserl Ahnung von Auflage. Und was die Herablassung betrifft: Ist “BRD-Dreck” und “Trockenpflaume” etwa nicht herablassend?🥴 Und die DNB ist tatsächlich sowas wie ein “Bücherarchiv”, das nicht einfach aufgelöst werden kann wie etwa eine wissenschaftliche Bibliothek, dessen Werke im schlimmsten Fall in alle Winde verstreut und verhökert werden. Davon abgesehen: Die DNB hat offenbar Nachholbedarf, was digitale Publikationen und Online-Veröffentlichungen betrifft

          1. Gib Deinen Erguß einer Druckerei, 3 Wochen später kommt ein Lkw mit ein paar Paletten Bücher. Die verkaufst Du dann. Wenn Du möchtest, setzen wir dann unseren Erfahrungsaustausch fort – auf Augenhöhe.

      1. Na Euro, Paketdienst. Ich habe es erwähnt, weil es dem Gesetzgeber so wichtig war, daß er es explizit fordert. Es ist einfach eine Demütigung, sein Eigentum noch auf eigene Versandkosten an die BRD verschenken zu müssen. Das ist alles.

        1. Es ist nicht so, dass ich dich nicht verstehe und meine Neigung, der Republik was zu “schenken”, ist auch sehr gering. Deshalb holen sie es sich auch mit mehr oder weniger Gewalt. Aber ehrlich, ich kann mir eine andere als die gegenwärtige Verfahrensweise nicht vorstellen.
          Die berühmteste Bibliothek aller Zeiten, die des antiken Alexandria, ging wohl noch brutaler vor. Die städtischen Autoritäten stahlen, unterschlugen und beschlagnahmten vollkommen schamlos, was auf Schiffen oder anderen Wegen in ihren Machtbereich kam. Wo das nicht möglich war, wurden zahllose Schreiber eingesetzt, um in sehr kurzer Zeit, Buchrollen zu kopieren. Waren das eigentlich frühe Raubkopien?
          Schenkungen und Kauf gab es natürlich auch.
          Ziel war es ja, das Wissen der Welt an einem Ort zu konzentrieren und sie waren zumindest dichter dran als jeder Andere.

          Und dann ging das alles in Flammen auf. Irgendwie sehr symbolträchtig.

  3. Es gab auf TP doch diesen “Drucken”- oder “Druckansicht”-Knopf. Da ließe sich mit einem Skript eine PDF-Version der Artikel erzeugen. Die könnte man zugänglich machen, bis die DNB HTML versteht; dieser Standard ist ja erst 30 Jahre alt. 😉 Damit sollte das Argument der “technischen Beschränkung” vom Tisch sein.

    Beziehen sich die 10.000 Euro Strafe vielleicht auf PRO ARTIKEL? Dann wäre das vielleicht ein Argument gegenüber dem Verlag. Ein Jurist sollte einmal prüfen, wer diesen Anspruch überhaupt durchsetzen könnte.

    1. Okay, und wenn man den Unterschied kennt zwischen Archivierung und HTML, versteht man auch da Problem.
      HTML-Daten kann man naütlich speichern und in einem Datensysem verwalten, aber damit auch verändern. und Veränderung widerspricht der Archivierung (Unveränderlichkeit). Und da ist doch das eigentliche techische Problem. Auch ein Pdf-Druck ist eine veränderte Variante und kein “Original” der Webseite (andere Metadaten etc.), und Html-Seiten enthalten oft auch noch eingebettete Bilder/Flilme/Frames. Also wäre erstmal zu unterschieden ob eine Archivierung der reinen Inforamtionen (Text) erfolgen soll oder der kompeten codes (über Jahrzehnte, die aber lesbar bleiben müssen, auch bei veränderter Software, “Explorern”, Browsern oder sonstigen Programmen…. Und am Ende liegt es nun mal am Steuer-Geld.
      Leider sind nunmal nicht alle 80 Mio Bundesbürger bereit Millionen auszugeben, für die Aufbewahrung von Bücher oder Webseiten von jedem Verleger aus D ode über D. Aber dann schlage man BKM doch eine Pflichtabgabe (Steuer) vor,

  4. Die deutsche Nationalbibliothek hat ihren Sitz in Frankfurt am Main und in Leipzig. Ursprünglich war alles in Leipzig aber nachdem 2. Weltkrieg kam auf Grund der Teilung Deutschlands FFM für die BRD hinzu. Das Bundesarchiv hat seinen Sitz in Koblenz. Vom Bundesarchiv weis ich, das eines der Hauptprobleme bei den digitalen Dokumenten die Lesegeräte sind. Sprich Bandlaufwerke, Lochstreifenlesegeräte etc. Da diese Geräte nicht mehr hergestellt werden. Mit der Umsetzung in ein anderes Format sind zumindest beim Bundesarchiv nicht wenige Archivare beschäftigt.
    Was Telepolis betrifft, so würde ich einen Unterschied machen ob die Dokumente / Artikel tatsächlich gelöscht wurden oder ob sie lediglich nicht mehr der öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das Zentralarchiv hat beispielsweise sehr viele Dokumente die dauerhaft der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und das aus verschiedenen Gründen.

    1. Das mit den “Lesegeräten” – vielleicht gibt es für deren Gesamtheit eine gute technische Bezeichnung, die ich aber nicht kenne – ist eine richtig wichtige Frage. Wir können fünftausend Jahre alte in Stein gehauene Nachrichten entziffern, auch dreitausend Jahre alte Tontafeln können uns was mitteilen. Zweitausend Jahre alte Texte auf Papyrus machen die Augen der Historiker leuchten. Tausend Jahre alte Bücher auf Papier auch, wobei es bei jüngeren auch Problem mit der Haltbarkeit gibt.
      In der Neuzeit, der coolen technikiverliebten, sieht das so aus, wie du es beschreibst. Da wird vieles für immer verschwinden, auch ohne die Bosheit einer Qualitätsoffensive.

      Wobei ich manchmal denke, ob das wirklich so schlimm ist? Aber das ist eine philosophische und keine technische Frage

  5. „warum die DNB keine html-Seiten archivieren kann“
    Das mag mit ihrem Status als rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts zusammenhängen. Womöglich müssen deshalb diverse nicht zum Inhalt gehörende Elemente ausgeblendet werden, was einiges an manueller Arbeit und Kontrolle nötig machte. Auch an schädliche Sachen muß man denken, die man jedenfalls auf den Rechnern der Bibliothek nicht ausgeführt haben will.

    1. Das ist alles technisch machbar, aber die DNB, wie eigentlich jede staatliche Einrichtung in Deutschland, ist technisch ziemlich unbedarft. Mit Büchern, Zeitschriften und Mikrofilmen kann man dort umgehen. Computer sind zu neu vermute ich.

      1. Alfred übernimmt gerne die Haftung, wenn da was passiert, und den Aufwand für die archivsichere Übernahme der heutigen Webseitenbasteleien.

  6. Man möchte nicht gerne Aussprechen, was da so nahe liegt und zwar das in diesem Land von offizieller Seite möglichst nichts was der Propaganda widerspricht übrig bleiben soll.
    Dieser Staat ist so kaputt, er besteht eigentlich nur noch aus Lügen und Betrug, geführt von Lügnern und Betrügern, die lieber die Welt Untergehen lassen wollen, als ihre Macht zu verlieren.

  7. Sie sichern ein paar ausgewählte Publikation. Man darf annehmen ganz wichtige und vollkommen wertfrei entscheiden sie selbst, was wichtig ist.
    Nun ja.
    Die DB hat auch eine extrafeine Musikbibliothek, früher in Berlin, jetzt in Leipzig , in der unter anderem Musikverlage, die CD in den Verkauf brachten, zwei Pflichtexemplare einzustellen hatten. Ziemlich bald war klar, dass die CD als Informationsträger ungeeignet ist. CD s, wirklich alle, lösen sich nach einer Zeit auf und können nicht mehr ausgelesen werden. Der Prozess kann wohl nicht aufgehalten werden und dauert nur – je nach Fertigunsqualität- unterschiedlich lang. Die DB plante vor Jahren – und das Letzte was ich davon hörte, war, dass die Mittel für die Beschaffung der notwendigen Technik bereitgestellt wurden – die Rohdaten der CD im Bestand umzukopieren. Eine aufwändige aber löbliche Aktion und ich hoffe, dass sie durchgeführt wurde und auch gelang.

    Dass die Sicherung elektronischer Publikationen nicht auch möglich sein sollte, ist schwer vorstellbar. Sie würde doch jeweils nur solche Publikationen betreffen, die vom Herausgeber selbst nicht mehr zugänglich gemacht werden.
    Und wenn sie dort keine HTML speichern können, obwohl ich mir nicht verstellen kann, dass man dabei nicht innerhalb vernünftiger Fristen eine Lösung finden kann, könnte man erstmal physische Datenträger sichern. Schwer vorstellbar ist auch, dass der Fachverlag Heise selbst nicht in der Lage sein sollte, PDF zu liefern, obwohl ich nicht sicher bin, ob das Sinn macht.
    Aber wenn man sich in Erinnerung ruft, dass 6,5 Millionen PDF”Seiten” auf einer SSD von 1TB gespeichert werden können.
    Aber vielleicht wäre das erstmal eine denkbare Zwischenlösung, auch wenn die Trennung des geschätzten Chefredakteurs vom Heise-Verlag nicht ganz so harmonisch erfolgt sein sollte, wie es ihm zu wünschen gewesen sein sollte, kann Heise ihm das Archiv doch physisch zur Verfügung stellen, um eine spätere Sicherung in der DB oder sonstwo zu ermöglichen. Natürlich mit den üblichen Verboten eigener Publikation. Oder sind die wirklich so scharf darauf, das alles in die Tonne zu treten?

  8. um mal mit thomas mann zu sprechen

    als der junge schriftsteller thomas mann mit 25 jahren seinen roman “buddenbrooks” veröffentlichte, entstand zeitgleich auch der nobel preis für literatur. es war vielleicht nicht sofort klar, dass dieser roman ein klassiker werden würde, aber nach 29 jahren wurde es allmählich zeit, den autor entsprechend zu würdigen. die schweden taten sich trotzdem schwer, sie überreichten dem autor also den preis, freilich expressis verbis nur für die “buddenbrooks”, nicht etwa für das machwerk das er da neuerdings vorgelegt hatte, den “zauberberg”. egal, heute gilt auch diese telenovella als klassiker, und ebenso bewahrt man seinen ganzen journalismus irgedwo auf, soeben wurde zu seinem 150sten wieder gerade eine solche journlistische sammlung neu aufgelegt.

    ich bin eher nur ein journalist, und die meisten meiner sachen mögen für geringfügige schreibseleien gelten, trotzdem bin ich aber auch ein autor, wenigstens eines bisher vorgelegten romans und wer weiß, ob nicht vielleicht doch in 29 jahren einmal gerade dieses machwerk als deutscher klassiker gelten könnte, etwa in der wertschätzung irgendwelcher ausländischer literaturkenner, so wie einst bei thomas mann und den schweden. ob man dann nicht auch den meinigen kram, der bei telepolis erschien, gerne nochmal gesammelt auflegen wollen würde?

    ja vielleicht gibt es dann noch ein paar verstümmelte text stückerln, aber ohne fotos, ohne lohnenswerte kommentare von zeitgenossen? was war das denn für ein schmieriges blatt, dieses telepolis? wird man vielleicht fragen. wer weiß? klingt wie eine städtische TV postille? sagen dann die deutschen meister des landes, die sehr wohl, wie 1929 oder 1939 in deutschland, nichts weiter als verachtung für diesen autor hegen?

    und wer wird je erfahren, dass ich für hunderte meiner fotos nie auch nur einen roten heller bezahlt bekam, während ein new yorker photograph für ein — von der redaktion, nicht etwa von mir —
    aus dem internet geborgtes john lennon bildlein 13 jahre NACH der veröffentlichung ein straf-honorar von $ oder €4.600 kassieren durfte??? zustände, sagt man dazu, wie im alten rom, aber die totale löschung des telepolis archivs ist auch nichts anderes. als ein akt der puren barbarei. ist es doch schon heute wieder üblich, dass man als preseschreiber “PG” zu sein habe. ob ein thomas mann von heute wohl noch problemlos in X, Y, oder Zett schreiben dürfte? eine von thomas mann geschätzte neuseeländische und später australische autorin, jean devanny, blieb zeitlebens in ihrer heimat geächtet, gerade weil sie von thomas mann geachtet wurde. 1929, als mann den nobel preis bekam, wurde ihr roman “the butcher shop” nachträglich auch noch einmal in australien verboten. da hatte man es damals mit dem faschismus noch etwas eilliger als in deutschland.

    1. vor ein paar Tagen kam mir die Idee eines Open source Kommentar archives.
      Eine Spendenfinanzierte Plattform, wo der Artikel, auf den man sich bezieht, und die veroeffentlichende Website benennt. Dann kann man seinen Kommentar dort speichern. also im Prinzip eine Datenspiegelung auf die die jeweiligen Betreiber der Ursprungswebsite keinen Zugriff haben, da nur Schreibrechte, aber keine Bearbeitungsrechte(Löschen)gewährt werden!
      Dafür müsste eine brauchbare App geschaffen werden die mit einem Befehl die Spiegelung automatisiert vornimmt. Vielleicht ein lohnendes KI Projekt
      ( Mist, hätte ich die Idee erst schützen sollen? Aber dann wäre es kein Open source mehr).

      Spricht irgendein Gesetz dagegen, wenn man das täte?
      können Autoren die Zweitnutzung ihres Artikels in so einem Archiv verfügen?

      mit diesem Tool würde Zensur und Willkür gut sichtbar zu machen sein.

      Für die Diskussion darüber richte ich ” dissidentenarchiv@mailbox.org ein.
      ist ab Donnerstag morgen freugeschaltet

  9. In diesen Kriegs- bzw Vorkriegzeiten auf eine staatliche Institution zu setzen, ist mMn der völlig falsche Ansatz.
    Diese virtuellen Bücherverbrennungen sind den Herrschenden höchst wilkommen. Im Zweifel wird dann halt mal eben die gesetzliche Grundlage der DNB geändert werden, statt die Zensur zu stören.
    Und wie der Autor erwähnte, steht auch das Internetarchive auf wackeligen Beinen und dies nicht nur finanziell.
    So gab es 2024 einen massiven Hackerangriff der für einige Tage Downtime sorgte. Es konnten zwar diesmal noch die Daten weitgehend wiederhergestellt werden, aber beim nächsten Mal?
    Die unfassbare Aktion von telepolis sollte jedem ein Warnschuss sein, dass eine Website eine sehr fragiler Ort für langfristiges Aufbewahren von Nachrichten ist.
    Ein einfacher Link zu Hause abgespeichert, war bisher sehr bequem, aber nun eben nicht mehr ausreichend.
    Die besten Lösung um wichtige Information auch für später zu konservieren, liegt in jedem Individuum.
    Wir müssen ja nicht gleich wie in Fahrenheit 451 jeder einen tp-Artikel auswendig lernen. 😉
    Aber wichtige Artikel lokal sichern, jetzt halt von der WaybackMachine.

    1. Die Lösung wäre ein von den alternativen Medien getragenes “Dissidenten-Archiv”, das professionell entsprechende Beiträge sammelt und sichert, egal ob analog oder digital.

      1. Und wer garantiert, dass so ein zentrales Archiv nicht per Hackerangriff oder per Beschlagnahmung zerstört wird?
        Nein, halbwegs sicher wären nur föderative, dezentrale Ansätze.

        1. Ich schrieb ja auch sammeln UND sichern, meinetwegen auch dezentral. Davon abgesehen: was machst du, wenn dein individuelles, sorgsam gepflegtes Archiv deines digitalen Nachlasses deine Erben nicht die Bohne interessiert und sie einfach – im übertragenen Sinn – die Delete-Taste drücken? Gut, “machen” könntest du dann sowieso nichts mehr.🥴

      2. ähm, leider müssten alle Medien mitmachen bzw. nur die, die einer Weiterverwendung zustimmen. sonst kommen die Abmahn-Anwälte wie Untote aus dem Boden und machen den Laden dicht (Urheberrechte, Linzenen,…). Ohne rechtl. Grundlage nur gegen Bezahlung… oder es sind nur “alternativen Medien” enthalten, was auch eine Auswahl (Zensur ?) gleichkäme…

  10. Die Ausrede, es sei schwierig, HTML-Dokumente in PDF zu wandeln, ist geradezu albern. Mein Browser kann das, man nehme [Strg]+[P] und entscheide sich dann noch zwischen „Original“ oder „vereinfacht“. Die mir bekannten Betriebssysteme, bzw. deren Druckerroutinen, können das obendrein auch noch, unabhängig vom sendenden Programm. Selbstverständlich können das auch sowohl die DNB wie auch die Publizisten der Seiten.

    Vielleicht sollten die bei der Nationalbibliothek mal irgend einen interessierten Schüler um Hilfe bitten, der ihnen fix ein Skript schreibt, um die Sache zu automatisieren. Das geht wie gesagt mittels der Druckausgabe, die heutzutage ohnehin die auszudruckenden Dokumente im PDF an den Drucker senden kann oder auch üblicherweise sendet (bei mir z.B. so eingestellt).

    By the way: Soso, die Deutsche Nationalbibliothek „harvestet“ also Webseiten. Mich dünkt, die nehmen es mit der Archivierung der deutschsprachigen Dokumente ähnlich genau wie mit der Pflege der deutschen Sprache. Das kann ich nicht so recht approven, I’m sorry.

      1. Auch HTML lässt sich archivieren. Es braucht so wenig Speicherplatz wie kaum ein anderes Dateiformat. Und definierte “Viewer” für ihre digitalisierten Bücher hat sich jede größere Bibliothek selber definiert. – Das haben sie sogar ohne SAP geschafft! Grins…

  11. Im Grunde genommen könnte man Telepolis anzeigen. Würde ich befürworten. Und wenn das alles zu viel Arbeit macht, dann muss der Inhalt eben wieder online gehen. Keine Gnade.

    1. Weswegen? Wegen einer Ordnungswidrigkeit, die das Nichteinstellen wäre? Zumal das in dem Moment nicht mehr verfolgt werden könnte, in dem Heise erklärt, dass er dass sofort heilt, wenn man ihm sagt, ob und auf welchem Weg die Daten in die Bibliothek gelangen.
      Die Antwort, die Rötzer erhielt, ist doch klar. Die können und wollen das nicht sichern und in einer ihrem Gewerbe entsprechenden Weise zugänglich machen.

  12. vor ein paar Tagen kam mir die Idee eines Open source Kommentar archives.
    Eine Spendenfinanzierte Plattform, wo der Artikel, auf den man sich bezieht, und die veroeffentlichende Website benennt. Dann kann man seinen Kommentar dort speichern. also im Prinzip eine Datenspiegelung auf die die jeweiligen Betreiber der Ursprungswebsite keinen Zugriff haben, da nur Schreibrechte, aber keine Bearbeitungsrechte(Löschen)gewährt werden!
    Dafür müsste eine brauchbare App geschaffen werden die mit einem Befehl die Spiegelung automatisiert vornimmt. Vielleicht ein lohnendes KI Projekt
    ( Mist, hätte ich die Idee erst schützen sollen? Aber dann wäre es kein Open source mehr).

    Spricht irgendein Gesetz dagegen, wenn man das täte?
    können Autoren die Zweitnutzung ihres Artikels in so einem Archiv verfügen?

    mit diesem Tool würde Zensur und Willkür gut sichtbar zu machen sein.

    Für die Diskussion darüber richte ich ” dissidentenarchiv@mailbox.org ein.
    ist ab Donnerstag morgen freugeschaltet

  13. Ich denke, ganz ehrlich, dass irgendwann im nächsten Jahrhundert kein Schwein mehr nachvollziehen kann, wie und warum wir in eine Krise gekommen sind, die den Planeten fast ausgelöscht hat.

  14. Jeder Buchhändler und Verlagsbuchhändler kennt die Ablieferungspflicht (nach dem Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek, DNBG):
    — 2 Exemplare jedes Medienwerks sind in die Sammlung der Nationalbibliothek abzuliefern (§14, 15).
    — “Medienwerke in KÖRPERLICHER Form sind alle Darstellungen auf Papier, elektronischen Datenträgern und anderen Trägern.” (§2, Absatz 2)
    — Hier für uns von Interesse: “Medienwerke in UNKÖRPERLICHER Form sind alle Darstellungen in öffentlichen Netzen.” (§2, Absatz 3)

    Allerdings frage ich, ob es sich bei ‘Telepolis’ um eines der E-Journals handelt, die die Deutsche Nationalbibliothek erwähnt, wenn sie über ihre “Sammlung unkörperlicher Medienwerke” schreibt (=Videos, Audios, E-Books, sog. Netzpublikationen, Doktorarbeiten als PDF-Dateien usw., auch E-Journals): – https://www.dnb.de/DE/Professionell/Sammeln/Unkoerperliche_Medienwerke/unkoerperliche_medienwerke_node.html – E-Journals erwähnt die Nationalbibliothek, aber von Websiten ist nirgendwo die Rede.

    Die Deutsche Nationalbibliothek praktiziert Vasallentum, da sie ihre staatliche und kulturelle Aufgabe glaubt, an die private Bibliothek “Internet Archive” in San Francisco übertragen zu können. (So wie aktuell Alice Weidel mit Elon Musk ihre Aufgabe bespricht, den europäischen Sozialstaat zu zerstören, schreibt german-foreign-policy.com heute. Oder wie Scholz mit Biden die Pipeline-Sprengung abgenickt hat.)
    Damit verstößt die Deutsche Nationalbibliothek gegen das Gesetz (siehe oben), auf dessen Grundlage sie überhaupt entstanden ist. Der “Niedergang des Westens” wird auch bei dieser kulturellen Kernaufgabe des deutschen Staates deutlich.

    Tatsächlich spende ich selber privat gelegentlich an archive.org, da ich es öfters verwende.

  15. Alle Gedächtnisse haben Lücken. Die individuellen sowieso, die persönlichen Büchereien auch, öffentlich unterhaltene Archive auch. Lücken, die einem auffallen sind genauso relevant für die Beschreibung eines Zeitraums wie volle Regale. Materiell vorhandene Bestände haben die Tendenz zu zerfallen, zu verbrennen, von Adepten gestohlen zu werden, von Gegnern angezündet… etc. Auch moderne Informationsträger sind nicht ewig. Auch sie bedürfen einer ständigen Übertragungsarbeit, die erbracht und finanziert werden muss.
    Estragon verweist zu Recht darauf, dass es auch eine Frage des persönlichen und/oder politischen, historischen Interesses ist, die Erhaltung von Archivalien zu unterstützen. Manche Menschen tun das. Immer im Rahmen ihrer räumlichen und finanziellen, materiellen Möglichkeiten. So öffnet z. B. der Hollerhof in Bad Radkersburg (A – Steiermark) den Nutzern seiner Ferienwohnungen die Bibliothek des deutschen Kabarettisten Dietrich Kittner. Sicher vieles dabei, was ich nicht kenne.
    Ich bin mir nicht sicher, ob die Erhaltung sämtlicher Textbestände einer die Welt umspannenden Lesekultur ( abzgl. von ca. 10 – 15 % Analphabeten) Ziel möglichen staatlichen Handelns sein kann oder sein soll. Die umfassende Alphabetisierung hielte ich für wichtiger – auch hierzulande übrigens! Auch die umfangreichsten Archive können keine Vollständigkeit aller gesprochenen, geschriebenen und verteilten Texte sicherstellen.
    Von mir aus kann man solche Forderungen gerne stellen. Wenn es um die Verwendung des Umsatzsteueranteils meiner Rente geht, halte ich andere öffentliche Leistungen in der Tat für wesentlich wichtiger: sauberes Wasser (was bei uns zufällig örtlich noch gegeben ist), ausreichendes und gesundes Essen (welches auf Grund geographischer Bedingungen aus einem Umgriff von ca. 50 km bezogen werden kann) und wärmendes Obdach für ALLE (zu sichern durch Holzsammeln und regelmäßigen Einschlag in einem fußläufig erreichbaren Gebiet). Ergänzt durch eine bescheidene Nutzung sog. Genussmittel gleich welcher Art. Die Geschmäcker sind da unterschiedlich.
    Was alle kritikfähigen und -willigen Menschen der BRD in ihrer politischen Überzeugungs- und Durchsetzungsfähigkeit massiv beeinträchtigt, sind Debatten um öffentlich finanzierte ideelle und intellektuelle Genüsse saturierter Schichten. Mein Nachbar jedenfalls diskutiert als Empfänger eines deutlich unterhalb des Mindestlohns liegenden Einkommens lieber über Möglichkeiten eine egalitär organisierte Befriedigung grundlegender materieller Bedürfnisse sicherzustellen, als über öffentliche Spaßbäder, Darbietungen lokaler Musiker oder Ausstellungen farbig gestalteter räumlicher oder ebener Gegenstände. Obwohl er manches davon durchaus zu schätzen weiß. Ab und zu leistet er sich eine Eintrittskarte.

    1. Ergänzung zu meinem obigen Text
      “Auch die umfangreichsten Archive können keine Vollständigkeit aller gesprochenen, geschriebenen und verteilten Texte sicherstellen.”
      Seit es Sprachen gibt und den gesellschaftlichen Wandel, dem sie unterliegen, ist das Verstehen älterer Texte ein Privileg älterer und alter Menschen, trainierter `Wortfahnder´. Ob auf Sprache bezogene KI daran etwas ändert? Auch die arbeitet ja nicht in Echtzeit, sondern muss Tausende und Abertausende von Textbeispielen abarbeiten um zu einer Aktualisierung von Wortwahl, Redewendungen, Bildern zu kommen. Was ist mit den zukünftig erforderlichen Übersetzungen eines 20 Jahre alten Textes in die jeweils aktuelle Sprache?
      Bezogen auf die Jetzt-Zeit könnte der Fall eintreten, dass schon 10 Jahre alte Texte eine gewaltige Herausforderung für die Leser darstellen. Selbst (oder gerade dann?) wenn es z. B. um Unterhaltendes wie Krimis, Science Fiction, Heimatromane etc. geht. Das ist zumindest meine Beobachtung. Je schneller sich der erlebte Alltag verändert, desto schwieriger wird selbst der Zugang zur 5 Jahre alten Heimatzeitung. Dabei denke ich z. B. an die zeitweilig modische Sitte zum `runden Geburtstag´ ein reproduziertes Exemplar der Zeitung vom Geburtstag zu verschenken. Mit Kategorien wie “Jugendsprache” u. ä. kommt man da nicht mehr zurecht, denn die öffentliche Verkehrssprache wandelt sich in immer kürzeren Zeiträumen.
      Solche Hobbies kann man – auch gesellschaftlich oder mit einem geschichtlich interessierten politischen Hintergrund – gerne pflegen. Aber aus öffentlichen Kassen, die von denjenigen gefüllt werden, die froh sind, wenn jeden Tag etwas auf dem Teller liegt?
      Einen Zugang zu dieser Problematik eröffnen z. B. in Ergänzung zu meinem obigen Text die Ausstellungen des Erika-Fuchs-Hauses in Schwarzenbach/Saale. [ https://www.erika-fuchs.de/ ]
      Auch mit den aktuell diskutierten Ansätzen zur Analyse manipulativ wirksamer Sprache kommt man da nicht viel weiter.

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