Der amerikanische Krieg aus der Hölle, 20 Jahre später

Bombardierung der eingekesselten Stadt Falludscha im November 2004. Bild: DoD

Wie Washington seinen moralischen Kompass im Irak verlor

Wer erinnert sich noch daran, dass wir im Jahr 2003 Wladimir Putin waren? Heute sind unsere Kabel- und Social-Media-Nachrichten voll von Anklagen gegen den Präsidenten der Russischen Föderation wegen seiner gesetzlosen und brutalen Invasion in der Ukraine. Als Außenminister Antony Blinken am 2. März in Neu-Delhi kurz mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow zusammentraf, forderte er ihn unmissverständlich auf, “diesen Angriffskrieg zu beenden”.

Putin selbst hat jedoch ein längeres Gedächtnis. In der Rede, mit der er seine “Spezialoperation” einleitete, prangerte er die USA für “die Invasion des Irak ohne jegliche rechtliche Grundlage” an. Dann fügte er hinzu: “Wir waren Zeuge von Lügen, die auf höchster staatlicher Ebene und von der hohen UN-Tribüne aus geäußert wurden. Das Ergebnis ist ein enormer Verlust an Menschenleben, Schaden, Zerstörung und ein kolossaler Anstieg des Terrorismus.”

Ja, es ist wahr, am 20. Jahrestag der Invasion des Irak ist dieser Krieg hier längst vergessen. Niemand in der Biden-Administration kümmert sich heute darum, dass er die Glaubwürdigkeit Amerikas als Pfeiler der internationalen Ordnung im Globalen Süden ruiniert und Putin Deckung für seine eigenen Gräueltaten gegeben hat. Lehnen Sie sich also einen Moment zurück und lassen Sie sich von mir auf eine kleine Reise in eine längst vergessene gesamtamerikanische Welt mitnehmen.

Mission (Un)Accomplished

Am 1. Mai 2003 saß Präsident George W. Bush in seiner Top-Gun-Ausrüstung auf dem Kopilotensitz eines Kampfjets und wurde zum Flugzeugträger USS Abraham Lincoln geflogen, der damals vor der Küste von San Diego stationiert war. Für diesen kostspieligen Ausflug gab es keinen Grund, außer den Bildern, die sein Propagandateam zu erzeugen hoffte.

Dann hielt er vom Deck des Schiffes aus unter einem Banner mit der Aufschrift “Mission erfüllt” eine im Fernsehen übertragene Rede über die Invasion des Irak, die er weniger als zwei Monate zuvor angeordnet hatte. Stolz verkündete Bush, dass “die Hauptkampfhandlungen im Irak beendet sind. In der Schlacht um den Irak haben die Vereinigten Staaten und unsere Verbündeten gesiegt.” Natürlich sollte sich keine der beiden Behauptungen als auch nur annähernd wahr erweisen. Tatsächlich sind bis heute rund 2500 US-Soldaten im Irak stationiert, um den Kampf gegen die Führer der ehemaligen Baath-Partei zu unterstützen, die inzwischen zu fundamentalistischen Guerillas geworden sind. Und man sollte nicht vergessen, dass diese Truppen dort bleiben, obwohl das irakische Parlament sie zum Abzug aufgefordert hat.

Der Rest von Bushs Rede sollte bekannter sein, als sie dies geworden ist. Der Präsident erklärte: “Heute haben wir die größere Macht, eine Nation zu befreien, indem wir ein gefährliches und aggressives Regime brechen. Mit neuen Taktiken und Präzisionswaffen können wir militärische Ziele erreichen, ohne Gewalt gegen Zivilisten anzuwenden.” Man kann weiter träumen, aber natürlich hat Bush diese “Mission Accomplished”-Rede gehalten, um einen Angriffskrieg als Routineinstrument der präsidialen Politik zu beschönigen. Das marode Vierte-Welt-Land Irak als “gefährlich” und “aggressiv” zu bezeichnen, war genauso übertrieben wie Putins Einstufung der Ukraine von Wolodomyr Selenskij als “Nazi”-Staat.

In Bushs napoleonischer Rede über die gewaltsame Verbreitung von “Demokratie” und “Freiheit” mit dem neuen Instrument der “Präzisionskriegsführung” fehlte jedoch ein Begriff: das “Völkerrecht”. Bei den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Internationale Militärtribunal festgestellt:

“Der Krieg ist im Wesen etwas Böses. Seine Folgen sind nicht nur auf die kriegführenden Staaten beschränkt, sondern betreffen die ganze Welt. Einen Angriffskrieg zu beginnen, ist daher nicht nur ein internationales Verbrechen; es ist das höchste internationale Verbrechen, das sich von anderen Kriegsverbrechen nur dadurch unterscheidet, dass es das gesamte Übel der Welt in sich birgt.”

Und natürlich verbietet die Charta der Vereinten Nationen die militärische Aggression. Sie erlaubt einen Krieg nur zur Selbstverteidigung oder wenn der Sicherheitsrat ihn genehmigt.

Auf dem Deck des Flugzeugträgers hatte Bush jedoch die Frechheit zu sagen: “Wenn die irakische Zivilbevölkerung in die Gesichter unserer Soldaten und Soldatinnen blickte, sah sie Stärke, Freundlichkeit und guten Willen.”

Die Iraker haben einen Großteil des 20. Jahrhunderts damit verbracht, die britischen Kolonialisten aus ihrem Land zu vertreiben, und es war kaum verwunderlich, dass im Jahr 2003 so viele von ihnen in den Streitkräften, die in ihr Land eingedrungen waren, keine solchen Tugenden sahen. Die US-Militärs vor Ort, mit denen ich damals oder später sprach, sprachen oft von den mürrischen, wütenden Blicken der Iraker, denen sie begegneten. Ein Bekannter von mir, Leutnant Kylan Jones-Huffman, schickte mir in jenem Sommer eine Nachricht, in der er beschrieb, wie er mit anderen amerikanischen Streitkräften auf dem Rücksitz eines Truppentransporters auf einer Straße im Südirak saß und von einer Lastwagenladung bewaffneter Iraker überholt wurde. Einer von ihnen schielte säuerlich zu ihnen herüber und hob bedrohlich sein Gewehr. Kylan sagte, er habe nur sein M1-Gewehr getätschelt, um die Drohung zu erwidern.

Als Navy-Reservist und Spezialist für den Nahen Osten plante er eine akademische Karriere nach dem Militärdienst, nachdem er einen Doktortitel in Geschichte erworben hatte. Der einfühlsame und umgängliche Kylan, der exquisite Haiku-Gedichte verfasste, versprach, ein spannender Kollege für mich zu werden. Er erzählte mir, dass er aus Bahrain geschickt wurde, um die militärischen Führungskräfte in der Stadt Hillah im Südirak zu informieren. Am Abend des 21. August 2003 sah ich auf CNN, dass ein Amerikaner in Hillah erschossen worden war, und das machte mich unruhig. Am nächsten Tag erfuhr ich, dass es sich tatsächlich um Kylan handelte, der von einem jungen Iraker getötet wurde, als er in einem Jeep an einer Kreuzung wartete. Es war ein Schlag in die Magengrube, der mich zu Tränen rührte – und es tut immer noch weh, die Geschichte zu erzählen.

Er war einer von mehr als 7000 Angehörigen des US-Militärs, die im Irak, in Afghanistan oder an anderen Schauplätzen des “Kriegs gegen den Terror” ums Leben kamen, zusammen mit 8000 Auftragnehmern des Pentagon. Ganz zu schweigen von den mehr als 30.000 Veteranen dieser Konflikte, die später Selbstmord begingen. Einer von ihnen besuchte meinen Kurs über den modernen Nahen Osten an der Universität von Michigan. Er war zwar gut informiert und gutmütig, konnte aber das Semester nicht überleben, da er von den Dämonen geplagt war, die er dort erlebt hatte. Für diejenigen, die immer noch an den Irak denken, hört der Schmerz über diesen Krieg nie auf.

Nicht zu vergessen die mehr als 53.000 amerikanischen Militärangehörigen im Irak und in Afghanistan, die im Kampf so schwer verletzt wurden, dass sie in einem Krankenhaus landeten. Etwa 10 % von ihnen hatten Wunden auf einer Verletzungsschwere-Skala von neun oder höher und litten laut einer Studie der National Institutes of Health unter traumatischen Hirnschäden, offenen Wunden, chronischen Blutgerinnseln und Verbrennungen.

Leichenpatrouillen

Und all das war nichts im Vergleich zu dem, was das US-Militär den Irakern antat.

Es sollte nicht überraschen, dass Präsident Bush, Vizepräsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Unterverteidigungsminister Paul Wolfowitz und die anderen Architekten eines der größten außenpolitischen Fiaskos, das Amerika in den 246 Jahren seines Bestehens erlebt hat, die unverfrorene Lüge unterstützen konnten, dass sie eine neue Art der Kriegsführung erfunden hätten, die keine nennenswerten zivilen Todesopfer oder Opfer forderte. Wohlgemerkt, sie haben auch eine wiederholt Lügen über die nicht vorhandenen Verbindungen des irakischen Diktators Saddam Hussein zur Terrorgruppe al-Qaida und seine angeblich aktiven biologischen und nuklearen Waffenprogramme verbreitet.

Im Gegensatz zu den oberflächlichen Behauptungen von Präsident Bush stieg die Zahl der Todesopfer im Irak mit fortschreitender Dauer der Kämpfe an. Amerikanische Flugzeuge griffen routinemäßig Ziele in dicht besiedelten irakischen Städten an. Einige amerikanische Truppen verübten Massaker, zum Beispiel die Blackwater-Söldner, die für das US-Militär arbeiteten. Während des Bürgerkriegs von 2006-2007, der aus der amerikanischen Besetzung des Landes hervorging, musste die Polizei von Bagdad eine regelmäßige Leichenpatrouille einrichten, die zu Beginn jedes Arbeitstages Karren mit menschlichen Überresten auflud, die über Nacht von rivalisierenden sektiererischen Milizen auf die Straße geworfen worden waren.

In den Jahren nach der Bush-Invasion erzählte mir eine irakische Witwe aus der südlichen Hafenstadt Basra, dass ihre Familie nur knapp einem Angriff von Mitgliedern eines mittellosen, vertriebenen Stammes der Marsch-Araber entkam, die damals in der Stadt Schutzgelder erpressten. Die Flucht der Familie kostete sie ihr gesamtes Bargeld und erforderte ein Festmahl für die Stammesangehörigen. Entschlossen, die Situation zu verbessern, kandidierte der Mann des Hauses für ein öffentliches Amt. Eines Tages, er war gerade in sein Auto gestiegen, um auf Wahlkampftour zu gehen, tauchte plötzlich ein maskierter Angreifer auf und schoss ihm aus nächster Nähe in den Kopf. Seine tränenreiche Witwe erzählte mir, dass sie diesen Anblick nie verwinden konnte. Und solche Ereignisse waren damals keine Seltenheit.

Nachdem der Islamische Staat im Irak und in der Levante (ISIL), die aus der US-Besatzung des Landes hervorgegangene Terroristensekte, 2019 endgültig besiegt wurde, waren nach Schätzungen des Costs of War Project der Brown University rund 300.000 Iraker “durch direkte kriegsbedingte Gewalt, die von den USA, ihren Verbündeten, dem irakischen Militär und der Polizei sowie von Oppositionskräften ausgeübt wurde”, gestorben. Ein Vielfaches dieser Zahl wurde verwundet oder verkrüppelt. Hunderttausende von Witwen verloren ihre Familienernährer, und einige von ihnen wurden genötigt, ein Leben lang zu betteln. Eine noch größere Zahl von Kindern verlor einen oder beide Elternteile. Dabei ist zu bedenken, dass diese Zahlen nicht die Iraker einschließen, die an indirekten, aber kriegsbedingten Ursachen starben, wie dem Zusammenbruch der Trinkwasser- und Stromversorgung durch US-Bombenangriffe und Schäden an der Infrastruktur des Landes.

Das amerikanische Beispiel im Irak

In der ersten Phase des Krieges, während der Bush-Jahre, wurden vier Millionen Iraker vertrieben, von denen etwa 1,5 Millionen das Land verließen und der Rest im Inland blieb. Viele konnten nie wieder nach Hause zurückkehren. Eines Abends im Sommer 2008, als ich in Amman, Jordanien, Interviews mit irakischen Flüchtlingen führte, aß ich mit einem Berufspaar, einem Architekten und einem Ärztin, zu Abend. Ich erwähnte, dass das Schlimmste des Bürgerkriegs vorbei zu sein schien, und fragte, ob sie planten, nach Bagdad zurückzukehren. Der Mann war Sunnit, seine Frau Schiitin. Sie erklärte, dass ihr Haus in einem gehobenen schiitischen Viertel gelegen habe und sie Angst hätten, zurückzukehren, da so viele Viertel von der rivalisierenden Sekte ethnisch gesäubert worden seien.

Ein anderer Mann – nennen wir ihn “Mustafa” – lebte damals im Exil in den Slums von Ost-Amman. Die Mitglieder seiner sunnitischen irakischen Familie, denen eine Arbeitserlaubnis verweigert wurde, lebten von ihren schwindenden Ersparnissen. Seine Frau dachte daran, als Näherin zu arbeiten, um über die Runden zu kommen. Mustafa erklärte, dass er im Briefkasten seiner alten Wohnung in Bagdad einen Umschlag von einer militanten schiitischen Miliz erhalten hatte, in dem stand, dass er und seine Familie in 24 Stunden tot sein würden, wenn sie blieben. Also hatten er und seine Frau sofort alles, was sie unterbringen konnten, in ihr Auto gepackt, die Kinder geweckt und waren die neun Stunden nach Amman gefahren. Mustafa zögerte. Er sah sich um und senkte seine Stimme. Er hatte, wie er sagte, sogar in Jordanien Drohbriefe erhalten und war in eine andere Wohnung gezogen. Die Miliz hatte immer noch ein Auge auf ihn geworfen und war wahrscheinlich in die irakische Gemeinschaft der Auswanderer eingedrungen. Nein, er und seine Frau könnten nicht nach Bagdad zurückkehren, versicherte er mir.

Unter den Amerikanern gab es keine Sicherheit für irgendjemanden. Vor zwei Jahrzehnten lösten die von Bush Beauftragten die alte irakische Armee auf und versäumten es, eine wirksame neue Armee auszubilden oder eine professionelle Polizeiarbeit einzuführen. Ich besuchte Bagdad im Mai 2013 während des Interregnums zwischen den beiden amerikanischen Kampagnen im Irak, um an einer internationalen Konferenz teilzunehmen. Unsere freundlichen irakischen Gastgeber führten uns in das Nationalmuseum und in nette Restaurants.

Dazu mussten wir uns jedoch in weiße Lieferwagen zwängen, die von Fahrzeugen der irakischen Armee umringt waren, die den gesamten übrigen Verkehr aus dem Weg räumten und dafür sorgten, dass unser Konvoi nie stehenblieb und somit nicht in einen Hinterhalt geriet.

Bushs katastrophaler Angriffskrieg war ein Geschenk, das nicht aufhört zu wirken. Die Zerrüttung der irakischen Gesellschaft und der irakischen Regierung durch diese Invasion ebnete letztlich den Weg für den IS, der 2014 40 % des irakischen Territoriums erobern konnte. Sechs Millionen Iraker flohen vor den brutalen Sektierern, und anderthalb Millionen von ihnen sind immer noch auf der Flucht. Einige flohen in die Türkei, wo ihr Leben erst kürzlich durch die Erdbeben vom Februar 2023 zerstört wurde.

Heute sind die Kassen der irakischen Staatskasse leer, obwohl das Land seit 2003 500 Milliarden Dollar an Öleinnahmen hätte erzielen sollen. Korruption und Ineffizienz sind zu einem Markenzeichen der neuen Ordnung geworden. Die von den USA eingesetzte instabile Regierung, die von schiitischen religiösen Parteien dominiert wird, hat seit 2018 drei Ministerpräsidenten erlebt. Die Zuversicht des Journalisten Jonah Goldberg, dass die Iraker die neue Verfassung, die 2005 unter amerikanischer Herrschaft ausgearbeitet wurde, lieben würden, war völlig unangebracht. Er ist ein Beispiel für die Intellektuellen, die den Krieg befürworten und darauf beharren, dass ihre rechte Politik ihnen ein besseres Urteilsvermögen über ein Land verleiht, über das sie in Wirklichkeit so gut wie nichts wissen.

Im Irak selbst sind in den letzten Jahren immer wieder junge Menschen auf die Straße gegangen, um zu fordern, dass die Regierung wieder grundlegende Dienstleistungen bereitstellt. Der derzeitige Premierminister, Mohammad Shia al-Sudani, steht den vom Iran unterstützten Milizen nahe, die inzwischen eine überragende Rolle in der irakischen Politik spielen. Wenn jemand den Irakkrieg gewonnen hat, dann war es der Iran.

Wirtschaftswissenschaftler hatten geschätzt, dass die Kosten des Irakkriegs für die Vereinigten Staaten bereits vor dem ISIL-Feldzug 2014-2019 6 Billionen Dollar betragen würden, wenn man die Versorgung verwundeter Veteranen für den Rest ihres Lebens hinzurechnet. Ohne die im Irak vergeudeten Summen wäre unsere Staatsverschuldung immer noch geringer als unser jährliches Bruttosozialprodukt, was uns im Jahr 2023 in eine viel günstigere wirtschaftliche Lage versetzen würde. Wie im heutigen Russland förderte in den Nullerjahren dieses Jahrhunderts eine Kriegsmentalität eine en, die sich immer noch entfaltet.

Eines der Mantras der US-Regierung ist heute angesichts des brutalen Einmarsches Russlands in der Ukraine das Hochhalten der „Charta der Vereinten Nationen” und der “regelbasierten internationalen Ordnung”. Das steht natürlich im Gegensatz zu dem, was Washington jetzt als den wahren internationalen Verbrecher auf dem Planeten Erde ansieht, nämlich Putins Russische Föderation. Die russische Wirtschaft wird wie die iranische behandelt und ist unerbittlichen Sanktionen und Boykotten ausgesetzt. Eine von Senator Lindsey Graham (R-SC) unterstützte Senatsresolution forderte den Internationalen Strafgerichtshof, dessen Autorität die USA nicht einmal anerkennen, auf, russische Beamte wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen.

Graham war einer der Hauptbefürworter des ebenfalls illegalen Irakkriegs. Heuchelei in einem solchen Ausmaß ist für ein Land, das immer noch die Weltmacht auf diesem Planeten sein will, kaum beeindruckend. Rückblickend, am 20. Jahrestag der alptraumhaften Entscheidung, in den Irak einzumarschieren, haben wir nicht nur unsere Glaubwürdigkeit im Globalen Süden oder unser echtes Engagement für das Völkerrecht verloren. Als Land haben wir unseren moralischen Kompass verloren, und jetzt, inmitten der russischen Verbrechen in der Ukraine, scheint es, dass wir auch jegliche Erinnerung an den Weg, den wir geebnet haben, und an das Beispiel, das wir im Irak gesetzt haben, sowie an die von uns begangenen Verbrechen verloren haben.

Der Artikel ist zuerst in der englischen Originalversion auf TomDispatch.com erschienen.

Juan Cole ist Richard P. Mitchell-College-Professor für Geschichte an der Universität von Michigan. Er ist der Autor der Bücher “The Rubaiyat of Omar Khayyam: A New Translation From the Persian” und “Muhammad: Prophet of Peace Amid the Clash of Empires”. Sein neuestes Buch ist “Peace Movements in Islam”. Sein preisgekrönter Blog ist Informed Comment. Er ist auch ein Fellow des Zentrums für Konflikt- und humanitäre Studien in Doha und von Democracy for the Arab World Now (DAWN).

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27 Kommentare

  1. Zu „Wie Washington seinen moralischen Kompass im Irak verlor“:

    Ach so, Washington hatte vorher also einen „moralischen Kompass“ – etwa für „The Democracy World Tour“ seit 1950 (Korea)?
    Hier mal eine Liste der US-Angriffskriege seitens des chinesischen Außenministeriums:
    https://twitter.com/zlj517/status/1140713703563829248?lang=de
    „If democracy means this, be ware! USA bombing list: the Democracy World Tour… none of these countries have ever attacked, invaded or occupied the USA.“

    1. Deine Frage ist berechtigt. Soweit ich das überblicken kann, ist Cole recht kritisch.

      Ich habe den fast mit Juan Gonzales, dem Medienpartner von Amy Goodman verwechselt. Der ist auch so ein Linksliberaler, ehemals Linker, der in NYC wohnt. Die Lebenshaltungskosten dort sind teuer. Bei der Trennung von Greenwald und The Intercept kam raus, dass die Journalisten dort hunderttausende Euro im Jahr kriegen. Es ist eher ein Friedhof oder Abstellgleis für soziale Bewegungen oder linke Kritiker.

      Bei Telepolis gab es heute auch wieder einen Artikel vom “Institute for responsible Statecraft”. Mir wurde nirgends erklärt, warum wir solche Artikel in deutschen Alternativmedien sehen und wer die sind. Wenn man wie TP eine “Medienkooperation” mit denen macht, müsste man die doch mal vorstellen, und erklären was die gemeinsamen Werte sind.

      Kam der Artikel eingeschickt oder war er nachgefragt? Cole ist wenigstens eine bessere Wahl aus einfach von offensichtlichen US-Geheimdienst-Sockenpuppen-NGOs Artikel zu übernehmen wie Neuber das macht. Das sind leicht durchschaubare Versuche bei der Opposition auch die Narrative zu kontrollieren, so wie auch die Mini-Yacht auf Rügen als Tatort für die Nordstream-Sabotage. Dann ist der Pöbel (wir) mal wieder beschäftigt und abgelenkt für ein paar Tage.

      “Cole responded that while he personally despised “everything Ahmadinejad stands for, not to mention the odious Khomeini”,[26] he nonetheless objected to the New York Times translation.[26] Cole wrote that it inaccurately suggested Ahmadinejad was advocating an invasion of Israel (“that he wants to play Hitler to Israel’s Poland”). He added that a better translation of the phrase would be “the occupation regime over Jerusalem should vanish from the page of time,” a metaphysical if not poetic reference rather than a militaristic one.[26] He also stated that Hitchens was incompetent to assess a Persian-to-English translation, and accused him of unethically accessing private Cole e-mails from an on-line discussion group.”

      https://en.wikipedia.org/wiki/Juan_Cole#Ahmadinejad's_remarks_on_Israel

      Gute Kritik von ihm an Hitchen (RIP), der vor seiner falschen Pro-Irakkrieg-Position auch ab und zu mal was Richtiges sagte. Nur schränkt das Cole auch da ein: Er verabscheue Khomeini und fände Achmedinechad widerwärtig. Also gleich mal zurückrudern, damit er weiterhin an US-Unis lehren kann.

      Da er ein Experte für Iran ist, wäre es interessant darüber etwas rauszukriegen, ob Cole da in regime-change-Versuche der CIA involviert war und ist. Daran könnte man sehen, ob er sich als unabhängiger Intellektueller sieht oder nicht.

      Ich weiß noch zu wenig, um mir dazu ein Urteil zu bilden.

      1. @Georg
        Mir ging es nicht darum, Cole irgendwie zu bewerten, sondern nur um den „moralischen Kompass“ vor den Irak-Kriegen.
        Ich finde es nicht schlimm, wenn Alternativmedien Artikel bringen, die ganz oder in einzelnen Punkten das westliche Narrativ vertreten, solange in deren Kommentarspalten Kritik daran zugelassen wird.
        Das ist hier glücklicherweise der Fall – bei Telepolis hingegen……..

        Ansonsten denke ich, wir Leser sollten nicht verlangen, nur das serviert zu bekommen, was unserer persönlichen Auffassung entspricht, zumal wir ja nicht alle die gleiche haben.

      2. @ Georg
        Zu Ihrer Ergänzung, die ich erst jetzt sehen konnte:
        Neuerdings bringt Foreign Affairs (vom Council on Foreign Relations) wiederholt Artikel, die sich auffallend kritisch mit Irakkrieg sowie dem US-Hegemonieanspruch an sich auseinandersetzen.
        Ein Teil der US-Falken scheint also zu überlegen, was jetzt noch realistisch zu gewinnen ist.

    2. Washingtons “moralischer Kompass” hatte seit Bestehen der USA stets die gleiche, und ausschliesslich eine Ausrichtung: Reichtumsvermehrung der “Eliten”. Das ganze politische System der USA ist auf dieser Prämisse konstruiert worden, mit 2 Parteien, die dieselben Interessen vertreten.

      Die seit Anbeginn der USA begleitenden Erzählungen von “Werten” und Moral waren nie mehr als eine dünne Tapete zu Instrumentalisierung der einfachen Bevölkerung zur Durchsetzung dieser Kapital- und Machtinteressen der Eliten. Schliesslich braucht man ja williges (!) Kanonenfutter und Steuernutzvieh, wenn man zur Interessendurchsetzung gerne auch auf Gewalt zurückgreift und das Ganze von der Allgemeinheit finanzieren lassen möchte.

      Aber immerhin, das muss man attestieren, hat sich tatsächlich die Dauerindoktrinantion in weiten Teilen zumindest der NATO-Länder gelohnt: Sehr viele Menschen glauben tatsächlich entgegen JEDEM historischen Beleg an die pinzipiell positive Gesinnung der US Aussenpolitik – obwohl die schon seit mindestens WK1 von Wallstreet Banken über das Council on Foreign Affairs dominiert wird. Die bekanntlich geradezu Synonym für Selbstlosigkeitkeit und moralische Integrität stehen

      1. Danke.
        Ganz meine Meinung.
        Noch ergänzend: Das willige Kanonenfutter erhält man auch durch mediale Verblödung, ein marodes Bildungssystem und gewollte schlechte Verhältnisse für das Prekariat.

    1. Richtig. Das fehlte noch in dem Artikel und wäre eine Erwähnung wert gewesen, als Albright danach gefragt wurde, ob ca. 600.000 durch ihre zu verantwortenden Sanktionen gegen den Irak getöteter Kinder es wert gewesen wären und sie antwortete “Ja, es war diesen Preis wert”.
      Albright ist übrigens das große Vorbild vieler Mitglieder der “Grünen”. Ein Vorbild für “feministische Außenpolitik”.

  2. Was ist mit dem ersten Irak-Krieg 1991 ?
    Der war doch moralisch bestimmt einwandfrei, oder ?

    Bush jr. würde sich heute mit dem Besuch auf einen Flugzeugträger lächerlich machen.
    Amerkias Admiralität hat vor einigen Monaten das historische Ende der Flugzeugträger verkündet, weil jetzt und in Zukunft keine Abwehrmöglichkeiten gegen Hyperschallwaffen existieren und existieren werden. Der stolze Flugzeugträger macht gluck-gluck und die Fregatten drumherum schauen zu.

  3. “Wie Washington seinen moralischen Kompass im Irak verlor”
    Ach ja, erst im zweiten Golfkrieg? Und was war vorher? Ich will mir jetzt eine umfangreiche Aufzählung ersparen, all die Vertragsbrüche, false flag-Angriffe, um einen Vorwand für militärisches Eingreifen zu erhalten, all die Massaker, die auf dem Territorium der heutigen usa ihren Anfang nahmen. Man sollte nie vergessen, dass dieses Nation ihre Existenz einem Genozid an der autochthonen Bevölkerung verdankt.

    “Das marode Vierte-Welt-Land Irak als „gefährlich“ und „aggressiv“ zu bezeichnen, war genauso übertrieben wie Putins Einstufung der Ukraine von Wolodomyr Selenskij als „Nazi“-Staat.”
    Das ist ein Versuch, die beiden Vorgänge zu parallelisieren. Allein die geographische Lage zwischen den Kontrahenten verbietet das. Und wenn man dann noch an die aggressiven Pläne der NeoCons denkt, die Ukraine als Rammbock für die Zerstückelung Russlands zu verwenden, ist endgültig klar, dass der Vergleich abwegig ist. Niemand hat je vorgehabt, den Irak gegen die usa in Stellung zu bringen und es wäre auch gar nicht möglich gewesen.

    1. So sehe ich die Lage auch. Während bei den Kriegen der USA es stets um die Expansion des Weltmachtanspruchs und um Money Money Money geht, ist es im Fall der Ukraine und Russlands eine ganz andere Thematik: hier geht es nämlich um die Sicherheitsinteressen und ist eine existenzielle Frage für Russland.
      Die Ukraine ist das Bauernopfer der US-Hegemonialambitionen mit der “hidden fist”, wie ein Herr Thomas Friedman so schön erklärt hat: “The hidden hand of the market will never work without a hidden fist. McDonald’s cannot flourish without McDonnell Douglas, the designer of the F-15. And the hidden fist that keeps the world safe for Silicon Valley’s technologies to flourish is called the US Army, Air Force, Navy and Marine Corps.”

  4. Es ist grauenvoll, es zu lesen. Auch wenn man glaubt, es alles schon zu wissen. Ich selbst bin im Vietnamkrieg sozialisiert worden. Wem die Bilder der mit Napalm verbrannten Menschen nicht ins Herz gingen, der wird in seinem Leben zu nichts mehr geworden sein, dass man an menschlichen Maßstäben messen kann. Und das haben sie schon in Korea gemacht.
    Der Autor stellt Putins Zuschreibung der Ukraine als faschistische Gesellschaft in Frage. Ok , ich bin vor dem Krieg in der Ukraine zu Eindrücken gelangt, die eher bei Putin als beim Autoren liegen. Wer auch immer von uns beiden Unrecht haben mag, wird nicht im Diskurs zu klären sein. Nur, wenn ich die beeindruckende Schilderung lese, dann leuchtet doch ein, dass die Russen , und das ist Putin nicht allein, darin das Schicksal sahen, dass die Amis ihnen zugedacht haben. Das aber ist, wenn man der Blutspur folgt, die die Amis in den letzten Jahren auf der Welt hinterließen, keine Paranoia. Ich mag auch nicht mehr darüber nachdenken, ob der Weg, den sie wählten, der richtige ist. Und ich will aus ganzem Herzen, dass dieser Scheiß sofort aufhört. Unbedingt.. Aber ich weiß auch, dass die Amis, solange sie die Macht dazu haben, immer und immer wieder losziehen werden, um zu töten.
    Denke, die Russen wollten nicht warten, bis ihre Lage noch schlechter wird. Sie kennen das, was der Autor beschreibt sehr gut.

  5. “Wie Washington seinen moralischen Kompass im Irak verlor”
    hatten die US-Amerikaner denn ueberhaupt einen moralischen Kompass ….. im 21. Jahrhundert, im 20. Jahrhundert oder noch frueher?
    Wenn ich mir die brutalen US-Kriege des 20. Jahrhunderts ins Gedaechtnis rufe, dann kommen mir da ganz grosse Zweifel…..!
    “Wenn jemand den Irakkrieg gewonnen hat, dann war es der Iran. ”
    Und genau dieser Iran wird jetzt mit Saudi-Arabien (ich hoffe es) den “Neuen Nahen Osten” gestalten, die Staaten brauchen alles und vieles mehr aber kein US-Militaer in ihren Laendern.

    1. Auch schon früher waren die Yankees nicht zimperlich.So hat im Bürgerkrieg die Nordstaatenarmee regelrecht eine Todeszone geschaffen…Bei ihrem Marsch vom Missisipi zur Atlantikküste wurde ein breiter Streifen Land systematisch zerstört.Jedes Lebewesen wurde getötet,Alles von Menschenhand geschaffene zerstört,jede Nutzpflanze verbrannt…Den Völkermord an den Ureinwohnern nicht vergessen…

        1. Als Schweizer erlaube ich mir den Hinweis, dass Wikipedia für den Beleg deutscher Kriegsschuld völlig untauglich ist, wie Wikipedia für alle geopolitischen Themen völlig untauglich ist.

      1. Die “Yankees” waren ausgewanderte Europäer.
        “Der international renommierte Dokumentarfilmregisseur Raoul Peck beleuchtet den engen Zusammenhang zwischen Rassenhierarchisierung und Völkermorden in der europäischen Geschichte: Ausgehend vom kolonialen Ursprung der Vereinigten Staaten von Amerika zeigt er, wie der Rassenbegriff mitsamt seinen dramatischen Folgen einen institutionellen Status erlangt”(Klappentext)
        Rottet die Betien aus(1) https://www.youtube.com/watch?v=Eab3tERgsn0
        Rottet die Betien aus(2) https://www.youtube.com/watch?v=wLJJZIjg-pg
        Rottet die Betien aus(3) https://www.youtube.com/watch?v=nkHsLTKwLOo
        Rottet die Betien aus(4) https://www.youtube.com/watch?v=vH6rNt5G2E0

  6. Und wer war bei der “Koalition der Willigen” die diesen Krieg des Imperiums unterstützt haben unter anderen aus Europa dabei?

    Dänemark, Albanien, Tschechische Republik, Bulgarien, Georgien, Estland, Mazedonien, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Großbritannien und die Ukraine.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Koalition_der_Willigen#/media/Datei:Original_coalition.png

    Und wer ist auch jetzt wieder ganz vorne mit dabei?

  7. Biden hatte vor kuzrem gesagt, dass China sich an die Regeln halten soll.
    Mehr muss man eigentlich über die USA nicht wissen, da sie sich selbst noch nie an Regeln gehalten haben, es nun aber von anderen fordern.
    So sieht dann das Ergebnis der US Außenpolitik aus, von erfolgreich kann man da nicht sprechen.

  8. “dass er die Glaubwürdigkeit Amerikas als Pfeiler der internationalen Ordnung im Globalen Süden ruiniert ”

    Erst 2003?

    Der war gut …

    ;-(

    Da frage ich mich doch, ob es überhaupt lohnt, weiterzulesen angesichts solcher massiver Fehleinschätzungen.

  9. Vor 20 Jahren Irak?
    Wurde der Irakkrieg nicht 1991 begonnen und mit dem Einmarsch des Irak in den Jemen begründet? Vor über 20 Jahren wurde doch Afghanistan überfallen, nach dem Anschlag auf das World Trade Center?

    1. Einfach recherchieren:
      “ Der Irakkrieg oder Dritte Golfkrieg (auch Zweiter Irakkrieg) war eine Militäroperation der USA, Großbritanniens und einer „Koalition der Willigen“ im Irak. Er begann am 20. März 2003 und führte zur Eroberung der Hauptstadt und zum Sturz des damaligen irakischen Diktators Saddam Hussein.” Wikipedia

  10. Hat Overton die Geschichte mit dem Jet und der Drohne übersehen ?

    Amidrohne fliegt auf russische Grenze zu, russische Abfangjäger steigen auf, wollen über Funk zum Abdrehen auffordern, aber kein Funkkontakt möglich.
    Russischer Pilot soll dann über Drohne Kerosin abgelassen haben, was den Propeller der Drohne demoliert haben könnte. Amis müssen Drohne kontrolliert abstürzen lassen. Drohne liegt in ca. 1500 m am Meeresgrund.

    Schlage nach unter: Wirbelschleppen-Kategorie -> Flugobjekt fliegt in Wirbelschleppe eines anderen Flugobjektes

    1. “Nach dem Absturz einer unbemannten Militärdrohne über dem Schwarzen Meer hat das US-Militär im Streit mit Russland Bildmaterial von dem Vorfall veröffentlicht. Darauf ist zu sehen, wie ein russisches Kampfflugzeug beim Anflug auf die US-Drohne Treibstoff ablässt und dann extrem nah heranfliegt. Bei einem zweiten Anflug ließ der russische Su-27-Jet erneut Treibstoff ab und stieß mit der Drohne zusammen,”

      Das mit dem Zusammenstoß dürfte natürlich wieder mal aus dem Bereich der alternativen Fakten des Pentagon und des Weißen Hauses stammen, denn das wäre IMHO ziemlicher Blödsinn. Warum sollte sich der SU-27 Pilot in Gefahr bringen, wenn er die Drohne mit einfachen Mitteln (Treibstoff in die Flugbahn der Drohne bringen und Wirbelschleppe) zum Strömungsabriss bringen kann. Wie immer, wird dieser Unfug natürlich völlig kritik- und ahnungslos von der deutschen US-hörigen Presse übernommen….

      1. Eben.
        Der russische Pilot darf das nach internationalem Recht auch so machen, bei ( drohenden ) Luftraumverstößen wenn kein Sicht-, und Funkkontakt zu einem Piloten möglich ist.

        Die Amis wissen das und machen dennoch aus nem Furz nen Fackelzug.

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