Das zionistische Versprechen

David Ben-Gurion erklärte am 14. Mai 1948  unter dem Bild von Theodor Herzl, dem Gründer des modernen Zionismus, die Gründung des Staates Israel. Bild: Rudi Weissenstein/Israelisches Außenministerium/public domain

Hat der Zionismus sein Versprechen eingehalten, den Juden eine Heimstätte zu errichten, in welcher sie in Sicherheit und Frieden leben können?

 

Man spricht allenthalben über den gegenwärtigen Zustand Israels. Viel ist die Rede vom Apartheid-Staat und von “israelbezogenem Antisemitismus”, von der Faschisierung der israelischen Gesellschaft und dem palästinensischen Terror, von der Kahanisierung der israelischen Politik, vom Alltagsrassismus, dem Niedergang der israelischen Linken etc.

Das sind alles gewichtige Themen, die den desolaten Zustand des israelisch-palästinensischen Konflikts widerspiegeln, mithin den des zionistischen Staates. Sie widerspiegeln auch eine gewisse Gesinnungsheterogenität, die sich aber im Rahmen eines weitgehend konsensuellen zionistischen Selbstverständnisses der Juden in Israel (und auf der Welt) abspielt.

Dabei fällt aber auf, dass bei aller Brisanz der Debatten und Inbrunst der Bekenntnisse eine Frage gar nicht erst aufkommt: Hat der Zionismus sein historisches Versprechen eingehalten, den Juden eine nationale Heimstätte zu errichten, die ihnen Schutz, Sicherheit und ein friedliches Leben garantiert? Insofern der Zionismus eine Reaktion auf jüdische Leiderfahrung, Schmach und jahrhundertelanger Verfolgung war, bot er im Verlauf seines über hundertjährigen Bestehens eine wesentliche Antwort auf diese erlebten historischen Übel?

Die Antwort darauf muss negativ ausfallen. Und es drängt sich die Frage auf, wie es dazu kam, dass der Zionismus sein Versprechen nicht einzuhalten vermochte und einen hundertjährigen Kampf um sein Werden und Bestehen mit der trüben Erkenntnis bilanzieren muss, dass der Jude als Individuum nirgends auf der Welt so bedroht ist wie gerade in Israel, und dass mitnichten auszuschließen sei, dass die nächste Kollektivkatastrophe des jüdischen Volkes sich gerade im territorialen Bereich des politischen Zionismus ereignen werde. Nur in Israel ist der Jude qua Jude in seinem Leben bedroht. Nirgends ist er als solcher so gehasst wie in Israel. Die größte Niederlage des Zionismus betrifft seine Raison d’être: Er ist in seinem Anspruch gescheitert, den Juden auf der Welt eine sichere Zufluchtsstätte zu bieten.

Die Gründung eines Staates Israel, das Ziel des politischen Zionismus, durfte 1945, zumindest aus jüdischer Sicht, für eine historische Notwendigkeit erachtet werden. Die Shoah hatte gleichsam den geschichtlich-empirischen Beweis erbracht, dass die Juden schon nicht mehr “nur” Verfolgte und Ausgegrenzte, sondern als Kollektiv physisch-existenziell bedroht, der schieren Möglichkeit eines Genozids ausgesetzt seien. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende, in Reaktion auf den sich ausbreitenden modernen Antisemitismus aufgekommene Option der Errichtung einer nationalen Heimstätte, die jetzt als Zufluchtsstätte für verfolgte Juden zu fungieren hatte, wurde nunmehr als eine Unumgänglichkeit angesehen, die sich in kollektiv-historischem Maßstab zu manifestieren hatte.

Aber es war auch klar, dass das damit einhergehende Versprechen von Sicherheit und Frieden die Bedingungen mitbedenken musste, unter denen sich die anvisierte Lösung der “jüdischen Frage” verwirklichen sollte. Denn früh genug wusste man ja, dass die zionistische Parole, derzufolge ein Volk ohne Land in ein Land ohne Volk einziehe, eine ideologische Lüge war. Auf dem Territorium, auf dem die Zufluchtsstätte errichtet werden sollte, lebte bereits ein Kollektiv, auf dessen Rücken man sich das eigene Problem zu lösen anschickte. Der Konflikt mit den in Palästina der prästaatlichen Ära lebenden Palästinensern war dem emanzipativen Bestreben der Zionisten eingeschrieben. Es stellte sich von nun an primär die Frage, ob und wie man diesen Konflikt zu lösen gedachte.

Was dann folgte ist allseits bekannt: 1948 erfolgte die Gründung Israels, die mit dem zionistischen “Unabhängigkeitskrieg” und der Nakba, der national-kollektiven Katastrophe der Palästinenser einherging. Dabei manifestierte sich der expansive Charakter der zionistischen Ideologie als zentraler Faktor des ideologischen Selbstverständnisses der Zionisten und deren Umgang mit dem Konflikt. Der Territorialkonflikt verfestigte sich dann schnell genug zur gravierenden Koordinate des Verhältnisses zwischen zionistischen Juden und Palästinensern. 1967 wurde dieser Aspekt des Konflikts noch durch das katastrophenträchtige Moment der religiösen Emphase aufgeladen.

Ab diesem historischen Moment verwandelte sich das Territorium, um welches man stritt (vor allem das Westjordanland) von einem politischen Faustpfand, der bei künftigen Friedensverhandlungen eingesetzt werden sollte (“Territorien für Frieden”) zu einem dezidiert religiösen Faktor, welcher als gottverheißenes Land schlechterdings unverhandelbar war. Dass sich dieses religiös irrationale Moment im sich säkular wähnenden Zionismus nicht nur einnisten, sondern als unverbrüchliches Postulat etablierten konnte, indiziert das, was durch den Siedlungsbau, der die Gründung eines palästinensischen Staates zunehmend verunmöglichte, längst schon evident geworden ist: Der Staat Israel, Träger der zionistischen Ideologie, wollte den Konflikt gar nicht lösen – er wollte den Frieden gar nicht. Eine Friedenslösung, die sich auf der Basis eines Rückzugs aus den besetzten Gebieten und Räumung der Siedlungen zu vollziehen hätte, würde heute eher in einen innerisraelischen Bürgerkrieg münden, als die Grundlage für den Frieden schaffen.

Hat also der Zionismus sein ehemaliges historisches Versprechen eingelöst? Nein, denn ab einem entscheidenden Zeitpunkt seiner Entwicklung wollte er es gar nicht mehr.

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18 Kommentare

  1. Welche Tragik! Es bleibt dabei, es wird für niemanden der Menschheit eine Konfliktlösung geben, solange Kapitalismus herrscht, der die Konflikte produziert und immer wieder reproduziert.
    Nur die Befreiung der Produzenten aus den Ausbeutungsverhältnissen kann alle Menschen befreien.
    Hoffen wir, dass die Menschheit das noch erlebt. Da bin ich skeptisch.

    1. Mit dem Transhumanismus, mit dem die kap. Grenzen des Wachstums aufgehoben werden sollen, ist längst die nächste Stufe gezündet worden.
      Ich sehe da auch wenig bis keine keine Hoffnung….

    2. Ich teile deinen Optimismus nicht. Selbst das Ende des Kapitalismus wird über Jahrzehnte möglicherweise kein Ende der Ausbeutung herbeiführen, sondern einfach Menschenleben kosten. Viele. Ich sag´s mal verkürzt: Du glaubst. Die Zukunft ist immer offen. Ob mit oder ohne Kapital.

    3. Ich teile deinen Optimismus nicht. Selbst das Ende des Kapitalismus wird über Jahrzehnte möglicherweise kein Ende der Ausbeutung herbeiführen, sondern bloß Menschenleben kosten. Viele.

  2. Eine NGO feiert ‚ihre‘ grossartige Leistung…
    https://www.rt.com/news/568842-israel-record-immigrants-russia-ukraine/
    Lt dem Artikel ist man sehr froh über den jungen demographischen Zuwachs, erhält dieser doch den Wettbewerb in der Enklave am Leben und zeitgleich auch das Gefühl zur Expansion…

    Der freundlich erscheinende Zionist, ist die grösste Gefahr für das Judentum.
    Und hüben wie drüben wollen die Menschen nicht erkennen das ein ganz übles politisches Spiel betrieben wird.

  3. Mit dem Krieg kommt der Hass und mit dem Hass kommt der Krieg.
    Der eigene Nationalismus gebiert (der sich über den Nächsten stellt) den Nationalis der Anderen.
    Das Anliegen der ersten Zionisten war gut und ehrenhaft, die praktische Umsetzung der schönen Ideologie blendete den Aspekt der Geopolitik aus: den Imperialismus, der bis heute auf der Nichtbeachtung der Interessen der Menschen in den imperial beherrschten Gegenden der Welt beruht. So wurde der Zionismus zu einem imperialen Projekt. Grundlage der Politik sind eben doch die Klassenverhältnisse, ob uns das nun passt oder nicht.

    1. > Das Anliegen der ersten Zionisten war gut und ehrenhaft

      Was es das, falls ja – wieso?

      Ich bin jedenfalls anderer Meinung. Die Zionisten hätten locker in die USA auswandern können und sich soweit integrieren oder eben nicht integrieren können, wie es Millionen von Juden vorher und seither gemacht haben. Die USA waren noch weniger bevölkert als heute – und das heisst was – und die USA waren wirtschaftlich aufstrebend. Die gut ausgebildeten europäischen Juden hätten in den USA problemlos Fuss fassen können.

      Dass die Landnahme – egal, ob kriegerisch oder über die Geldbörse – mittelfristig grosse Probleme schaffen wird, hätte jeder mit nur schon minimal überdurchschnittlicher Intelligenz ohne Nachdenken erkennen können.

      Es war meiner Ansicht nach damit weder gut noch ehrenhaft.

      1. Auch wenn die USA groß und dünn besiedelt waren (und sind): militanten Antisemitismus gab und gibt es auch dort genug. Das wird oft vergessen, Antisemitismus ist kein deutsches, sondern ein weltweites Phänomen.
        Deswegen kann man die Idee der Juden, einen eigenen Staat haben zu wollen, absolut nachvollziehen. Leider gab und gibt es das aber nicht: ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land. Selbst die Kurden und andere zersplitterte Völker sind in einer besseren Situation. Es musste also ein Konflikt entstehen.
        Trotzdem gab es im Verlauf der letzten 50 Jahre Phasen, in denen Juden und Palästinenser sich hätten „zusammenraufen“ können. Selbst der so oft, aber nicht immer zurecht gescholtene Ghadaffi hat die Überzeugung geäußert, dass Juden und Palästinenser in EINEM Land gemeinsam leben könnten bzw. müssten. Dem standen aber immer Hardliner auf beiden Seiten wie aktuell Netanjahu und die Hamas entgegen, denen Hass und Konflikt dienlicher waren als Frieden. Ich erinnere mich an ein Abkommen von Oslo, nach dem alle voller Hoffnung waren. Doch Kriegsverbrecher auf beiden Seiten haben das schnell torpediert. Leider zeigt Moshe Zuckermanns Artikel keinen Ausweg auf. Sollen Juden bis ans Ende aller Tage in der Diaspora verstreut und von gewissenlosen Menschen verfolgt bleiben? Das kann eigentlich niemand wollen. Es müsste eben doch eine andere Klasse von Politikern – insbesondere auf der israelischen Seite – an die Macht, um zu einer Übereinkunft zu kommen. Vielleicht zunächst mit den Palästinensern in der Westbank. Dazu müssten die Israelis aber ihre tausendfachen Rechtsbrüche dort zurücknehmen. Welcher Politiker das leisten kann, weiß ich freilich auch nicht.

      2. „….weder gut noch ehrenhaft.“ Dem stimme ich zu. Zuckerman gibt ja schon das Gründungsargument der 1945er Jahre an, die Shoa, dort kann ich ein ehrenhaftes Moment noch erkennen. Der religiöse Aspekt des biblischen Anspruches auf das Territorium ist es in meinen Augen schon weniger, weil es die aktuell-historische Situation ausblendete. Und die „Lösung“ des Palästinenserproblems als rein kolonialistische Übernahme von Territorium und Verdrängung der Eingesessenen war zu dieser Zeit die einzig denkbare Möglichkeit, andere waren schlicht nicht denkbar oder nicht mehrheitsfähig.
        Imperialistisch eben.

  4. Nicht nur, dass Israel kein sicheres Land für Juden ist, jetzt gleitet es auch noch in wirklich faschistische Zustände, in einen Apartheidsstaat mit einem quasi rechtlosen Bevölkerungsteil ab. Höchst Besorgnis erregend ist diese Stellungnahme linken Bürgerrechtsanwaltes https://www.fr.de/meinung/gastbeitraege/europas-stunde-der-wahrheit-91986919.html
    „ISRAEL: EUROPAS STUNDE DER WAHRHEIT IST GEKOMMEN
    In den Koalitionsabkommen mit dem künftigen Premier von Israel, Benjamin Netanyahu, hat Smotrich durchgesetzt, dass jede einzelne Vollmacht, über die Militärs und der Verteidigungsminister seit der 55-jährigen Besatzung verfügen, auf ihn übergeht. Smotrich, vorgesehen als Finanzminister, erhält die Macht, Masterpläne für Siedlungen zu genehmigen, Abrisse in palästinensischen Gemeinden anzuordnen, zu bestimmen, wer und was nach Gaza rein- und rausgeht und welchen Palästinensern erlaubt wird, den (Westbank-)Trennzaun zu überqueren, um ihre Ländereien auf der anderen Seite zu bestellen.

    Israel – Ziel ist, das duale Rechtssystem zu vertiefen

    Und das ist nicht alles. Dem Koalitionsvertrag zufolge werden drei Vollzeitjuristen Militärbefehle entwerfen, um von der Knesset erlassene Gesetze auf israelische Westbank-Siedler anzuwenden. Ziel ist, das duale Rechtssystem zu vertiefen, das bereits im besetzten Gebiet besteht, wo ein Gesetz (zivil, verabschiedet von gewählten Abgeordneten) für Siedlerinnen und Siedler gilt und ein anderes (militärisch, drakonisch, tyrannisch) für die Palästinenser.

    Zusammengefasst hat Israels neue Regierung vor, die Herrschaft über Palästinenser und palästinensisches Land quantitativ und qualitativ umzugestalten – im Hinblick auf Intensität der Kontrolle als auch auf ihre Struktur. Das wird eine Verwaltung sein, die nicht die Absicht verhehlt, die Tyrannei zu verfestigen, während jüdische Vorherrschaft als politisches und legales Credo kultiviert wird.“

  5. Herzl hatte lange Zeit keine Ahnung von den Problemen der armen jüdischen Migranten in Wien, und keine Ahnung von dem Land, das er besetzt sehen wollte.

    Das was er da fabuliert hat, war eine einzige Fiktion. Als würde ein Fantasy-Autor seinen Roman in die Realität umsetzen wollen.

    Eigentlich eine Psychose.
    Deren Opfer aber total real waren.

    Und Ben-Gurion hat die 50 Jahre zwischen Idee und Umsetzung dieser, nicht genutzt, um hier vernünftige Lösungen, kooperative Lösungen zu finden zwischen Einwohnern und Einwanderern.

    Um den Wahnsinn auszutreiben. Um das ganze Konzept auf vernünftige Füße zu stellen.

    Er war der Meinung, es müsse mit Gewalt gelöst werden. Er hatte sogar Verständnis geäußert dafür, dass sich die Palästinenser und Araber in den 30ern wehrten.

    Trotzdem durfte deren Widerstand für das Resultat keine Rolle spielen.

    Ergo: noch mehr Gewalt.

    So wie es dem Wesen nach faschistoid funktioniert: Fiktionen, die den realen Bedürfnissen der Betroffenen widersprechen werden qua Waffengewalt durchgesetzt.
    Oktroyiert.

    Je extremer die Fiktion umso extremer die Gewalt. Größer die Opfer.
    Der Grad der Zerstörtung variiert. Auch ihre Mittel.
    Aber der Denkmechanismus ist derselbe.

    Selbstbestimmung? International anerkanntes Recht auf Widerstand?
    Pustekuchen.

    Die tonangebenden Zionisten praktizierten das, was der Ideologie nach, europäischer Kolonialismus in 500 Jahren perfektioniert hatte.

    Und wenn man heute in irgendeiner dt. Uni Ben-Gurions eigene Worte zitieren würde, würde man wahrscheinlich zum Teufel gejagt werden.

    * * *

    Ich glaube, die SZ hatte bereits vor mehreren Jahren in einer Rezension eines Buchs von Moshe Zuckermann (Teil einer Sammelrezension damals) Zuckermanns avancierte Positionen übel genommen und als „unsachlich“ abgetan.

    Dass die Rezensentin im selben Text auf die damaligen infam konstruierten Antisemitismus-Vorwürfe gegen Corbyn in naivster Weise affirmierend rekurrierte machte den SZ-Text endgültig komplett unbrauchbar.

  6. Der Zionismus erscheint mir von Anfang an als eine Spielart des Faschismus.
    Im Zeitalter des bürgerlichen Nationalismus kommt ein umtriebiger Provinzjournalist auf die Idee, dass mit den Juden alles besser würde, wenn die ein eigenes Territorium hätten. Einen Staat. Und nun entwickelt er Ideen, wo er dafür das Gelände herbekomme. Da es mit Südamerika und Afrika nicht geklappt hatte – die dortigen Herrscher hatten keine Lust, ihre Länder zu verkleinern für die Idee des Zionismus, blieb, sozusagen als Notlösung, wie Herzl es meinte, Palästina. Und verklickern wollte er es den Seinen, dass es doch das verheißene Land sei. Denn einen Grund musste er liefern, warum man in die Wüste ziehen solle. Waren doch vor Jahrhunderten zahllose Juden aus diesem Landstrich weggezogen, weil dieser sie nicht ernähren konnte. Die praktischen Gedanken entwickelte Herzl in einer Deutlichkeit, dass Victor Klemperer darüber berichtete, wie er entsetzt von Herzls Schrift zurückgefahen sei, weil er doch dort alle Züge wiederfand, die Hitler an Schlechtem allen Juden unterstellte.

    Aber schon damals machte sich Herzl Gedanken, wie mit den Einheimischen zu verfahren sei. Und man findet keinen Unterschied zu den späteren Lösungsansätzen der Zionisten – die Palästinenser müssten irgendwie weg.
    Es war nie ein kolonialistischer Ansatz – es war immer ein Liquidierungsansatz. In diesem Sinne gingen die Gedanken der Zionisten damals über das Kolonisieren hinaus – und gipfelten in faschistischen Ansätzen der Ausrottung der Anderen. Daran ändert sich auch nichts, als in der Anfangszeit Kibuze mit sozialistischer Orientierung auch entstanden. Gesiegt hat der brachiale Faschismus.

    Heute nun sieht es für mich so aus, dass Antizionismus Antifaschismus bedeutet.

    1. Für Liquidierung sehe ich mit Verlaub keinen Beleg.
      Soweit ich Herzl erinnere, kommen die Bewohner Palästinas 2 mal vor.

      Einmal in seiner fiktional Schrift Altneuland.
      Und einmal in seiner Theorie zum jüdischen Staat. Und dort ist, denke ich, nicht von Exterminierung die Rede.
      Sondern davon, dass die Leute irgendwie dann halt das Hl. Land verlassen müssten um woanders, sprich in den Nachbarstaaten, Jobs usw. zu finden.
      Flapsig von mir ausgedrückt weil flapsig von ihm gedacht.

      Besonders analytisch war das nicht. Arrogant westeuropäisch. Man betrachtet den „Araber“ als Verschiebemasse.
      Hat sich bis heute nicht geändert.

      Aber Mord usw, entspricht überhaupt nicht Herzls Sozialisierung und Charakter.

      Der war ein enttäuschter Bourgeois verheiratet mit einer Frau die ihn blöd fand. Und als Folge eines Nervenzusammenbruchs kam er auf die glänzende Idee sich zu erneuern.

      Wäre er weniger künstlerisch interessiert gewesen oder hätte er als Autor echten Erfolg gehabt, hätte er diese Rolle nicht gespielt.

      Aber die gesellschaftl. Probleme die der „Zionismus“ lösen sollte, wären geblieben.

      Was die progressiven Strömungen innerhalb und außerhalb des Zionismus angeht, darf man die aber keineswegs unterschätzen.

      Sie hatten Pionierfunktion, auch in Kooperativen mit Einheimischen, zu denen auch alteingesessene Juden gehört.
      Und eine Tragödie ist der fast völlige Verlust dieser Tradition.

      Und realiter gab es nun mal die Pogrome im Osten.
      Wenn die armen Massen weg wollten, dann musste man das lösen.

      Und die hochindustrialisierten Gesellschaften hier, hatten keinen Bedarf.

      Natürlich wäre ein unkompliziertes Zusammenleben in Europa egentlich dem allen vorzuziehen gewesen.
      Aber der Widerwille des Kapitals hat dann einfach auf Umwegen seinen indirekten Zwang ausgeübt durch Hass, Arbeitslosigkeit, usw.

      1. Ob das von Herzl je als Lösung für die Armen angedacht war, halte ich für Spekulation. Schließlich wollte er das Geld der zionistischen Juden zwischenparken, damit diese im gelobten Land damit arbeiten könnten. Inwieweit Arme da was beisteuern können, halte ich also für unwahrscheinlich. Im Grunde ist er mit dem Horizont eines Kramladenbesitzers an die Aufgabe herangegangen. Gemessen an der europäischen Arbeiterbewegung der damaligen Zeit, bleibt er weit hinter den Erkenntnissen, die damals über Gesellschaft zu haben waren, zurück. Sei es, wie es sei. Herzl ist ziemlich unschuldig an der Entwicklung. Und er wird ja von den Zionisten auch ignoriert. Wollte doch Herzl, dass nur der Jude bliebe, der innerhalb einer Frist nach Palästina umsiedelte. Von dieser Vorstellung mussten sich die Zionisten trennen, wenn sie nicht alsTrachtengruppe enden wollten.

        1. Dass es aufrichtig um der „Armen“ willen geschah, will ich gewiss nicht behaupten.
          „Die Armen“ ist nur eine Umschreibung der migrantischen Bewegungen und ihres sozialen Status – welche qua Masse einen polit. Druck auslösten, den Herzl aus seiner journalistischen Tätigkeit kennenlernen durfte.

          Interessant finde ich den Ansatz Herzl werde „ja von den Zionisten auch ignoriert.“

          Zu klären wäre, inwieweit er jenseits der Folklore (was ihm extrem unangenehm gewesen wäre, als klassischer upperclass Theoretiker) überhaupt eine Rolle spielt(e). Also nicht nur als Maskottchen.

          „Geld zionistischer Juden zwischenparken“ ist mir leider zu nahe am antisemitischen Duktus. (Auch wenn es gar nicht intendiert ist.)

          Abgesehen davon: Ich bin nicht wissend hinsichtlich möglicher Verbindungen zwischen Investoren und Kapitalakkumulation als Background eines nationbuilding Projekts dieser histor. Größenordnung. Obgleich grundsätzlich das als Triebfeder solcher gewaltigen Unternehmungen nicht abwegig ist.

          Allerdings war, ich glaube, generell das Siedlerleben nicht unbedingt eines des Überflusses und des Luxus. Da ist die Frage wo das Geld ggf. sich vermehren hätte können. Für Grundstückserwerb gewiss nicht. Denn das wurde durch schiere Gewalt den Einheimischen genommen. Und von Waffen, Massenkonsum, Pharmaerzeugnissen und High-Tech Investment usw. kann man wohl in erster Linie erst ab 1967 sprechen (nachdem Israel sich als geopolitisch potenter Partner qualifiziert hatte in den Augen der Amerikaner). Was waren dann die entscheidenden „commodities“ oder Finanzprodukte die vor den 1940ern Reichtum generieren konnten.

  7. Im kapitalistischen Weltsystem zwangsläufig konkurrierende Nationen reduzieren sich in immanenten Krisen letztlich immer auf einen – protektionistisch daherkommenden – Nationalismus.
    Ob er dann Zionismus oder wie auch immer heißt….

  8. Es ist zwar müßig, jetzt noch darüber zu diskutieren, aber ich denke, es hätte durchaus einen „soften“ Zionismus geben können, einen, der sich in kleinen Wellen über Generationen hingezogen hätte, und – ähnlich wie die leise, aber stetige Arbeitsmigration in die BRD – als eine evolutionäre Entwicklung und Bereicherung, und nicht als „Eroberung“, aufgefasst worden wäre.
    Dass es letztlich – nach der Shoa – zu einem „harten“ Zionismus gekommen ist, der mit einer
    – für Verzweiflungsaktionen typischen – Kombination aus Mut,Wut und Rücksichtslosigkeit durchgeführt wurde, dafür trägt m.M.n die junge BRD und ihre Besatzungsmächte die Verantwortung, und nicht die zionistische Bewegung !
    Wie schon gesagt: Die BRD hat den Überlebenden der Shoa keine sichere Heimstätte auf Ihrem Territorium angeboten, obwohl dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit hätte sein müssen; unter diesen Umständen musste es wohl zu einem „harten“ Zionismus kommen – mit all seinen Konsequenzen.

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