
Affirmative Action und die Debatte, welcher Hautfarbe, welcher Ethnie welche Bevorzugung zusteht.
Amerikanische Universitäten hatten immer Quoten für Studenten. Einer meiner Freunde, dessen Vater aus einer Familie von jüdischen Einwanderern aus, ich glaube, der Ukraine kam, oder vielleicht auch Russland, bewarb sich an der Columbia University. Das muss so ungefähr sechzig Jahre her sein.
Jüdische Amerikaner waren damals schon an Bildung interessiert, mehr als es der Anglo-Elite, den anglikanischen Protestanten aus England, genehm war. Jedenfalls, die alteisernen karrierefördernden Ivy-League-Unis, zu denen, ja, auch die Columbia zählt, hatten Quoten, wie viele Juden sich maximal immatrikulieren durften.
Der Vater meines Freundes schaffte es nicht, obwohl er bessere Noten hatte als mancher WASP, der angenommen wurde. Er wollte sich das aber nicht bieten lassen, marschierte ins Büro des Direktors und erklärte nachdrücklich, welch gute Leistungen er habe und dass dies ungerecht sei. Der Direktor sah ihn zweifelnd an, holte dann den Karteikasten mit den Namen der zugelassenen Studenten, blätterte die durch und sagte herablassend: “Na, ich glaube, einen Juden kriegen wir schon noch unter.”
Der Vater meines Freundes ging dann nach Harvard.
Heute gibt es an den Universitäten und Colleges der USA immer noch Quoten, aber es sind andere; Mindestquoten, keine Höchstquoten. Oder gab es, denn der Supreme Court, das höchste Gericht, hat die gerade abgeschafft. Erst jetzt, letzte Woche.
Es war ein Urteil wie ein Erdbeben, aber nicht unerwartet. Große Aufregung, klar, aber wir haben ja jetzt die drei frischgebackenen konservativen Verfassungsrichter, die Trump ins Amt gehievt hat. Das musste so kommen.
Das Urteil betrifft nur Universitäten, die Bundesgelder in Anspruch nehmen, zu denen zu meinem Erstaunen offenbar auch Harvard gehört, auch Ivy League. Harvard war eine der Beklagten: Die Ivy Leaguer in Boston hatten einen asiatischen Studenten abgelehnt, obwohl der bessere Noten hatte als manche, die angenommen wurden.
Das Urteil war der Höhepunkt einer aufregenden Woche. Die Kanadier haben mal wieder ein paar Rauchschwaden von ihren brennenden Wäldern nach New York geschickt, was gerade jetzt, wo es so richtig heiß werden soll, blöd ist. Und natürlich gucken wir fasziniert im Fernsehen, wie die Franzosen ihre Vorstädte abfackeln. Normalerweise gibt es in Amerika Aufstände wegen Polizeigewalt und die Franzosen predigen uns, nicht so rassistisch zu sein, umgekehrt ist es auch mal ganz nett.
Dem Supreme Court galt auch Affirmative Action als Rassismus. Das ist ein Methode, Studenten bevorzugt in Universitäten aufzunehmen der Hautfarbe wegen, indem die vielen, oft auch undurchsichtigen Faktoren, die bei der Aufnahme eine Rolle spielen, anderes gewichtet werden. Und auf einer Ivy-League-Uni unterzukommen ist super-wichtig, das ist das Ticket für die weitere Karriere.
Neu ist das Verfahren nicht. Affirmative Action geht auf die sechziger Jahre und den damaligen Präsidenten Lyndon Johnson zurück, der es durchsetzte, dass Afro-Amerikaner wählen durften. Damals ging es um Arbeitsplätze.
Unter Obama aber wurde es auch an Universitäten durchgesetzt, dass Afro-Amerikaner bevorzugt wurden, aber auch Indianer und Hispanics, Einwanderer aus Mexico und Südamerika. Nicht aber andere Einwanderer, keine aus Asien, keine Inder, Chinesen, Koreaner, Pakistanis oder Philippinos.
Nicht nur hat ein chinesischer Student gegen Affirmative Action geklagt, die Mehrheit der Amerikaner steht hinter ihm. Viele haben das Gefühl, für die Afro-Amerikaner werde schon zu viel getan. Die Sklaverei sei doch schon so lange her. Und wirklich, talentierten Einwanderern einen Studienplatz vorzuenthalten?
Die Sklaverei ist lange her? Ja, das schon. Aber danach folgte eine sehr lange Periode der Benachteiligung und Diskriminierung, nicht nur in den Südstaaten. US-Präsident Woodrow Wilson führte die Rassentrennung vor dem Ersten Weltkrieg auch auf Bundesebene ein, in Bussen und Bahnen. Selbst in Bundesstaaten, wo es nicht verboten war, dass Schwarze und Weiße heirateten, war es streng tabuisiert.
Und dass von Weißen besetzte Stadt- und Staatsregierungen, auch weiße Mobs schwarze Wohnsiedlungen, Geschäfte, Kirchen, Colleges zerstörten — wir erinnern uns an das Tulsa Massacre, oder genauer, wir haben gerade erst entdeckt, dass es passiert ist, wir erinnern uns nicht — das passierte noch im 20. Jahrhundert.
Noch unter Bill Clinton gab es “Redlining”: die Praxis von Banken, bestimmte Wohnviertel mit einem Rotstift zu umzirkeln, die zu arm, was heißt, schwarz waren, um Kredite zu bekommen. Clinton über Druck auf die Banken aus, das aufzugeben. Nun bekamen Afro-Amerikaner Immobilienkredite, aber als schlechte Risiken zu schlechteren Konditionen. Sie gingen zuerst pleite, als die Banken unter George Bush Jr. die Weltwirtschaft fast an die Wand bretterten. Das ist nicht solange her.
Trotzdem … Clarence Thomas, einer der Richter am Supreme Court, der gegen Affirmative Action gestimmt hatte, ist selber schwarz, und wäre ohne dieselbe nicht erzkonservativer Verfassungsrichter geworden.
Die Demokraten glauben tief drinnen, wenn sie helfen, dass Afro-Amerikaner Karriere machen, blieben die ihnen für immer als Wähler treu, aber das ist wahrscheinlich ein Trugschluss. So ähnlich wie die fast achtzigjährige liberale Verfassungsrichterin Ruth Baden Ginsberg unter Obama hätte zurücktreten können, damit der eine neue, junge, linke Verfassungsrichterin ernennt. Auf Lebenszeit. Sie glaubte, sie sei unsterblich und unersetzlich. Auch ein Trugschluss.
John McWorther, Professor an der Columbia University, New York Times-Kolumnist und ebenfalls Afro-Amerikaner sprach sich nach dem Urteil gegen Affirmative Action aus. Nicht unerwartet, McWorthers Rolle ist es, eine konträre Meinung zu der des Durchschnittsschwarzen zu vertreten. Er ist so eine Art Ahmad Mansour der USA, argwöhnisch beobachtet von linken Weißen, weil er ihren Helferkomplex stört.
McWorther beschreibt in seine Kolumne, wie er immer weiter aufstieg zum unkündbaren Professor, weil gutwillige Weiße unbedingt einen Mann mit schwarzer Hautfarbe auf eine Stelle wollten, obwohl andere qualifizierter waren. Er hielt sich selber für seriös unterqualifiziert und bemühte sich, diese Defizite aufzuholen, bevor die Studenten das bemerkten und er sich lächerlich machte. Nun ist er dagegen.
Aber trotzdem … die Benachteiligung ist schon real. Also, Affirmative Action für die Nachkommen von schwarzen Sklaven, das hat einen gewissen Sinn.
Das Schräge an der Debatte ist etwas ganz anderes: Wie sind die Hispanics da reingeraten? Hispanics sind spanischsprechende Zuwanderer aus südlichen Landen, viele aus Mexico, auch Venezuela oder El Salvador, Argentinien oder Costa Rica, oder, im Fall der Puerto-Ricaner, Bewohner einer von den USA besetzten Insel, denen inzwischen die gleichen Bürgerrechte eingeräumt wurden wie den Anglos.
Sonia Sotomayors, ebenfalls Verfassungsrichterin, die aus einer puerto-ricanischen Familie stammt, selbst-identifiziert als Woman of Color. Nun hatte sie es gewiss nicht leicht; alkoholischer Vater, schwierige Mutter, sie wuchs in der Bronx zur Zeit der Bandenkriege auf, aber deswegen ist sie trotzdem 100 Prozent südeuropäisch.
Sind Südeuropäer in Amerika weiß? Nur wenn sie direkt aus Europa kommen. Nehmen sie einen Umweg über Puerto-Rico, gelten sie irgendwie als braun, so wie früher die Italiener oder die Juden. Diese fixe Idee ist weder den rechten noch den linken Amerikanern auszutreiben. Sie gilt aber nur für Südeuropäer. Mitt Romney etwa, dessen Vater in Mexico geboren ist, ist immer noch strahlend weiß.
Tatsächlich haben die spanischen Siedler in Puerto Rico und anderswo die Eingeborenen ausgerottet, und sogar recht brutal. Während die US-Linke in der Fiktion lebt, dass es sich bei Latinos um Halbindianer handelt, mögen die echten Indianer des Südwestens, die Apachen, die Navajo, die Hopi die spanischstämmigen wesentlich weniger als die Anglos und erzählen heute noch Geschichten, wie die Conquistadoren den Indianerkindern lebend die Füße abgehakt haben.
Zwar haben Wissenschaftler über DNA-Forschung nachgewiesen, dass manche Puerto-Ricaner tatsächlich noch Spuren von Taino-DNA haben, Spuren der ehemaligen Stämme, bevor Columbus kam, oder auch schwarzes Blut, wobei dies eher auf die Besetzung Spaniens durch die Mauren zurückgeht. Aber das gilt auch für weiße Südstaatler. Die Zahl der Anglos, die sich mit einer Urgroßmutter vom Stamm der Cherokee brüstet, ist Legion. Und die Zahl der weißen Südstaatler, die sich mit einer schwarzen Urgroßmutter nicht brüsten, ist noch höher.
Wenn es auf die Menge der Tropfen an schwarzen Blut ankäme und nicht auf eine persönliche Familiengeschichte von Armut und Sklaverei, dann müssten die USA auch Affirmative Action für andere Immigranten einführen, deren Ur-Ur-Ur-Großeltern mal Berührung mit Sub-Sahara-Afrika hatten. Ägypter etwa, haben die nicht auch schwarz-afrikanisches Blut? Libyer? Äthiopische Juden? Afrodeutsche? Afrikanisch-stämmige Franzosen, die vor der Polizeigewalt nach New York fliehen?
Einer der legitimen Gründe, gegen Affirmative Action zu sein, ist sicher, dass die Hautfarbe über alles andere gestellt wird; über Armut, Ausbildung, Vermögen, Familiengeschichte, Immigrationsstatus, alles Dinge, die ebenfalls wichtig sind und die aber in den USA niemanden so recht interessieren. Wer es schwer hatte als Kind und keine Spanierin aus der Bronx mit einem Tropfen Blut aus Marokko ist, bekommt keine Hilfen. Klassenfragen interessieren hier nicht.
Es gibt noch einen wesentlicheren Grund, gegen Affirmative Action zu sein: Die Debatte, welcher Hautfarbe, welcher Ethnie welche Bevorzugung zusteht, hat inzwischen merkwürdige Blüten in der Forschung getrieben. Wir wissen nun, dass ein Puerto-Ricaner 65,6 Prozent Spanisch sein kann, 5,8 Prozent Taino, 7,3 Prozent Guanche — das ist die Urbevölkerung der Kanaren, die mit den Berbern verwandt sind — sechs Prozent subsahara-schwarz und der Rest italienisch und irisch.
Sollte das für Affirmative Action reichen? Wie wäre es mit einem Zehn-Prozent-Minimum-Quorum an schwarzem oder indianischem Blut? Ich bin sicher, wenn die Wissenschaft fortschreitet, kann man das demnächst sowieso aus einem Tropfen Spucke analysieren und vielleicht in den Pass eingravieren oder so.
Wollen wir eine Kultur, bei der Menschen aufgrund ihrer Genmischung Vorteile haben? Wollen wir überhaupt detaillierten Chromosomenanalysen gestatten? In einem Land, in dem Datenschutz ein totales Fremdwort ist? Die USA sind schon balkanisiert genug, auch ohne dass Studenten einen genetischen Fingerabdruck vorlegen müssen, um nach Harvard zu kommen. Und irgendeinen halbkeltisch-halbukrainischen Cherokee mit Vorfahren aus Alaska kriegen wir immer noch unter.
Ähnliche Beiträge:
- Apachen am Trigger
- “Schlechtes Gewissen einer Wohlstandselite” – Judith Sevinç Basad im Interview
- CDU und Scholz-Gegner – jetzt auch in woke!
- »Die Wokeness ist ein typisch amerikanisches Kulturphänomen«
- Links und linker
Aha? Der Rassismus in den USA lebt, dank modernster Biotechnologie und Gentechnik wieder auf? Eugenik ist wieder “in” bei US-Eliteangehörigen 🙄👎
Das sollte man sich als aufgeklärter Europäer merken, der sich noch an Zeiten erinnern kann, wo es auch aus den US-Eliten noch tönte, dass wir eigentlich alle Schwarze sind,
und es nur 1 menschliche Rasse gibt der alle Menschen heute angehören, nämlich den Homo Sapiens Sapiens.
Übrigens die variierende Hautfarbe bei uns Menschen ist ursprünglich durch Anpassung an die natürliche Lebensumgebung entstanden,, oder auch durch Verbindung mit längst ausgestorbenen real existierenden anderen Menschenarten,wie z.b. dem Neandertaler in Europa, lt. diesen US-Forschern.
Tja, lange ist’s her, und längst vergessen 👎☹️
Cancel Culture und woke Zeiten eben 🙄🙄🙄
Gruß Bernie
Da bringe ich manchen jungen Leut bei, wie man deutsch oder englisch babbelt.
So mancher jungspund fragt auch mal nach, was ist USA, Aussie, Neuseeland?
“Ohhh, das sind alles annektierte Länder durch Profit gierige Unternehmen”,
nebenbei rotteten sie fast jegliche Substanz an einheimischen aus, um auf der anderen Seite die Überreste weiterhin zu drangsalieren.
Jetzt sollte mal jeder sich vergegenwärtigen, was diese Expeditionen bis zum heutigen Tag an Verwerfungen hervorgebracht haben?
Ach, wie blöd nicht die Zionisten zu erwähnen…
Die Autorin schreibt :
“Klassenfragen interessieren hier nicht.”
und weil Fragen dieser Art in den USA kaum einen Menschen interessieren, hat die USA einen riesigen Problemeberg vor der eigenen Haustür !
Warum die USA’ler sich entschlossen haben, Nationen auf anderen Kontinenten Probleme zu machen, anstatt die eigenen zu lösen, ist nicht einfach eine Frage, sondern ein Welträtsel ! Wer dieses Rätsel löst hat erklärt, warum diese Welt so beschissen ist wie sie ist, und auch nicht anders als beschissen sein kann !
Amis sind besonders fasziniert und besessen von Rasse. Erst die Indigenen umbingen oder vertreiben, dann weiß ma nit welche dissenting protestants zum auserwählten Volk gehören, die Südstaaten importieren Afrikaner als Sklaven, diverse Immigrantengesetze sperren Asiaten -vorhandene ein, fremde aus-, Italiener sind farbig im Gegensatz zu Iren, endlich kommen Latinos zur Billigarbeit, sind leider meist katholisch.
Die Anwältin Kimberlé Crenshaw erfindet (u.a.) woke & intersection, weil Klasse kanns ja nicht sein.
Dabei nutzt affirmative action der Unis sowieso nur der Mittelklasse, in den Ghettos haben die davon nix.
https://www.nzz.ch/meinung/affirmative-action-war-gut-gemeint-armen-brachte-es-aber-fast-nichts-ld.1745572
Rassismus kommt früher und schlimmer als an Unis, da auch schlecht. https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_Schweitzer beömmelt sich. Es gäb einfach wichtigere Baustellen.
Die USA sind noch viel kranker als bekannt.
Also in Bezug auf Colleges (Universitäten) in den USA wäre ich, vor allem bei den sogenannten Eliteuniversitäten (wenn diese Steuergelder erhalten), für folgendes Vorgehen.
Bis auf eine gewisse Quote von Studienplätzen, werden alle streng nach Leistung/Qualifikation vergeben. Weiterhin gibt es eine gewisse Anzahl von Stipendienplätzen für die diversen Collegesportarten. Außerdem gibt es eine Quote von Stipendienplätzen, welche streng nach Leistung/Qualifikation der Bewerber an finanziell benachteiligte Personen vergeben werden.
Der Rest der Quotenplätze wird wie folgt vergeben:
Die Studienplätze werden an die meistbietenden versteigert mit Mindestgebot, welches mindestens das x-fache der normalen Studiengebühren beträgt (vorzugsweise mit x>2). Und zwar ganz transparent. Übr die weiteren Modalitäten der Versteigerung kann man sich noch Gedanken machen (im Sinne der Profit/Einnahmenmaximierung durch die Uni). Plätze, welche aus irgendwelchen Gründen dann doch nicht vergeben wurden, werden entweder frei gelassen oder streng nach Qualifikation (wobei eine Mindestqualifikation/Mindestleistung erfüllt sein muss) entweder als Stipendiat oder “normal” vergeben.
Dadurch wäre sichergestellt, dass die bisherigen “Elite” auch weiterhin ihre Sprößlinge auf Eliteunis schicken können, wenn diese eben genug Geld locker machen (und zwar auch dann wenn die Sprößlinge eigentlich,nicht die nötigen Leistungen für die Aufnahme erbracht haben), allerdings dann ganz legal ohne irgendwelche Bestechung (oder Korruption). Die Plätze wären allerdings beschränkt. Und die Uni kann dadurch sogar noch etwas Geld verdienen.
Das einzige kleine Problem wäre dann vielleicht nur noch, dass einige “Reiche” versuchen könnten über Bestechung einen Stipendienplatz für einen Collegesport für einen ihrer Sprösslinge zu ergattern (aber auch da sollte man “Leistungstests” einführen können).
Die USA sind eben wie Israel:
Weiße Invasoren verdrängen indigene Einwohner.
Irgendeinen Grund oder wenigstens einen Anlass MUSS man finden, um jemanden unterdrücken und ausbeuten zu können, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Nase krumm, Haut zu dunkel, Ururgroßmutter bäh, in der Schule nicht mitgekommen weil Zeitungen austragen gemusst, Studium ohne Kredit nicht möglich, falsche Straßenseite gewohnt, Eltern eingewandert – wunderbar, jeder sieht es ein, der Rassismus/Klassismus ist so unterschwellig tief verwurzelt und als gottgegebene Normalität akzeptiert, daß er kaum einmal ins Bewusstsein nach oben dringt. Ganz wichtig aber: ein paar Vorzeige-Ausnahmen halten den schönen Schein aufrecht.
Und ein wunderbarer Vorwand, nicht über das zu reden, worum es eigentlich geht: DIE DA OBEN GEGEN DIE DA UNTEN.
Die Klassenfrage eben.
Ich weiß nicht, ob es die Absicht der Autorin war – fast vermute ich es – mit der Beschreibung der Methoden, mit denen eine ethnische Abstammung nachgewiesen wird, die Lächerlichkeit des Systems zu illustrieren. Letztendlich brauchst du, wenn du solch filigrane Auswertungen zur Verfügung hast -0,05% von irgendwas plus 2,28% von was anderem usw. – eine administrative Grundlage, also ein Gesetz, um all diese Faktoren zu gewichten. Sowas wie die Nürnberger Gesetze auf modern : “Deutscher im Sinne dieses Gesetzes ist….”. Dann natürlich, wer “Benachteiligter ” im Sinne des Gesetzes ist. 8,42 % oder doch 14,92%?
Wenn der asiatische Zuwanderer aus solchen Gründen, obwohl er objektiv der bessere Bewerber war, abgelehnt wird, er also benachteiligt wird, bekommen dann seine Enkel oder Urenkel einen besseren Benachteiligung Koefizitenten? Müsste dann natürlich für die ganze Ethnie gelten, so ab 27,48%.
Was, das frage ich mich auch, hat der 18 jährige asiatische Bewerber – sofern er nicht selbst in seinem bis dahin kurzen Leben Sklaven hielt und man vermutet, dass er es nicht tat -. damit zu tun, dass die Vorfahren seines schwarzen Mitbewerbers bestialisch behandelt wurden ?
Vor einiger Zeit – ich glaube, es war analog, jedenfalls finde ich es bei schnellem Googeln nicht – las ich einen interessanten Bericht. Amerikanische Forscher hatten Untersuchungen zu den Lebensbedingungen in den USA um die Zeit des Bürgerkrieges angestellt. Das war auch die Zeit der stürmischen Industrialisierung im Norden. Arbeitszeiten von bis zu 12 Stunden an 6 Tagen, Kinderarbeit , bestialische Wohnverhältnisse. Eben die ganze Palette des Kapitalistischen Menschenverbrauchs. Und, eigentlich nicht überraschend, stellte man fest, dass der Gesundheitszustand und die Lebenserwartung solcher Industriearbeiter schlechter war als die von Sklaven auf den Plantagen des Südens.
Gäbe es im wokeschistischen Bürgertum Spuren von Restverstand und Anstand hätte es ein Anlass sein müssen, die Debatte vom Kopf auf die Füße zu stellen und man käme zwangsläufig dazu, Kapitalismus, Klassengesellschaft, Ausbeutung zu diskutieren. “Noname” hat es in seinem Kommentar schon benannt.
Aber natürlich hat es das alles, also Verstand und Anstand bei den Wokeschisten nie und man fiel über die Forscher her. Alles falsch, was sie belegten, weil man will, das es falsch ist.
Damit ich nicht falsch verstanden werde. Die rechtskonservativen -und schlimmer- Amis sind genau so übel, haben aber im Moment nicht die Hegemonie im Diskurs. Wenn es wieder dazu kommt, da mache ich mir keine Illusionen, wird es nicht besser, eher schlechter.
Gibt es eigentlich keine Menschen in Amisland, die sich vor beiden Seiten – zurecht- ekeln ?
Irgendwie wollte ich, als ich auf Noname abhob, auch schreiben, dass die Autorin das exakt so und richtig benennt. Sollte hier aber noch mal stehen.
Letztendlich ist ein Diskurs, der von der konkreten sozialen Lage der Menschen nichts wissen will und statt dessen endlos über Geschlecht, Rasse, sexuelle Neigung palavert, bestenfalls esoterischer Unfug, meist am schlimmeres.
Ist schon bemerkenswert, wie der wokeschistischen Diskurs tatsächlich die Ansicht verbreiten konnte , dass die Kassiererin bei Lidl, die Putze, die ausgebeutete Praktikantin etc, im gleichen Boot wie die Ausbeuterin im Vorstand des DAX Unternehmens sitzt, weil sie eine Frau ist, dass aber ihr Gatte, ihr Freund und Partner, ihr Kollege, ihr Bruder, der Vater, mit dem gemeinsam sie ausgesaugt wird, mit dem zusammen sie sich durchs Leben schlägt, ihr geborener Feind ist und dass das alles viel besser ist, wenn man dann in einem beschissenen Deutsch kommuniziert, in gerechter Sprache.
Ist eine Gesellschaft, in der sowas den Diskurs beherrscht, nicht unheilbar krank?