Bis zuletzt stritten sich Abgeordnete über Fragen des Gesundheitsschutzes und der Gehirnentwicklung.
Das Cannabisgesetz erhitzt seit Monaten die Gemüter. Die Ampelregierung wollte laut ihrem Koalitionsvertrag Fachgeschäfte zum Verkauf der psychoaktiven Substanz ermöglichen, doch dem steht EU-Recht entgegen. In einem ersten Schritt soll Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen und damit entkriminalisiert werden. Zum legalen Konsum soll zum 1. April der (begrenzte) Eigenanbau und ab 1. Juli der Bezug über Cannabis-Clubs ermöglicht werden.
Nach internen Streitigkeiten innerhalb der SPD-Fraktion zur Jahreswende wurde das Thema diese Woche eingehend im Gesundheitsausschuss des Bundestags behandelt. Es soll eine intensive und emotionale Sitzung gewesen sein. Doch das Protokoll für den 21. Februar ist noch nicht verfügbar.
Am heutigen Freitag, den 23. Februar gab es von 14:00 bis 15:00 Uhr eine Aussprache im Bundestag (hier zu sehen auf YouTube). Den Auftakt hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Er hob noch einmal hervor, dass trotz des Verbotes Jahr für Jahr 4,5 Millionen Bürger*innen Cannabisprodukte konsumieren würden.
Diese Zahl habe sowohl unter Jugendlichen als auch Erwachsenen in den letzten Jahren stark zugenommen. Mit dem Cannabisgesetz könne man Gesundheitsrisiken verringern, weil dann kein potenziell gefährlicheres Produkt vom Schwarzmarkt mehr gekauft werden müsse. Die Teillegalisierung solle durch bessere Aufklärung über die Risiken des Konsums ergänzt werden.
Argumente
Beim Schlagabtausch im Bundestag wurden Argumente genannt, die wir hier in den letzten Monaten ausführlich diskutiert hatten. Aus dem konservativen Lager wurde wieder auf das Psychoserisiko und besondere Risiken bei unabgeschlossener Gehirnentwicklung hingewiesen. Leser meiner Artikel wissen, dass Ersteres insbesondere für starken und häufigen Konsum gilt und sich die Altersgrenze von 25 Jahren im Gehirn nicht festmachen lässt.
In den letzten Wochen warnten einige Vertreter aus der Justiz, durch die rückwirkende Entkriminalisierung würde ein großer Verwaltungsaufwand auf Staatsanwaltschaften und Gerichte zukommen. Fälle im sechsstelligen Bereich müssten neu beurteilt und ergangene Urteile aufgehoben werden. Dieses Argument brachte heute auch die CDU/CSU-Fraktion in die Diskussion ein.
Aber gerade Vertretern des Rechtsstaats müsste es doch um Gerechtigkeit gehen. Wenn man sich nun darauf einigt, dass der Besitz von etwas getrocknetem Harz oder Blütenpollen der seit Langem für medizinische Zwecke und Rausch verwendeten Cannabispflanze keine Straftat ist, dann müssen die Akten auch richtiggestellt werden. Warum wurden denn Jahr für Jahr Menschen im sechsstelligen Bereich für solche Delikte verurteilt, für den reinen Besitz mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe?
Bewegend
Die Abgeordnete Heike Baehrens (SPD) wandte sich mit bewegenden Worten an die Bevölkerung: “Ihr seid für uns keine Kriminellen!” (14:33 Uhr). Den lebhaftesten Redebeitrag hielt wohl Ates Gürpinar von der Gruppe Die Linke. Für seine Kritik an der ablehnenden Haltung der Konservativen erhielt er auch Applaus aus den Kreisen der Ampelkoalition. Doch dann wendete er sich auch gegen die Regierung für ihre “Hasenfüßigkeit”, für unzureichende Aufklärung und Prävention und forderte eine umfassende Legalisierung der Substanz.
Als Stephan Pilsinger (CSU) aus konservativer Sicht noch einmal gegen das Cannabisgesetz wetterte, ließ er eine Zwischenfrage zu. Darin wurde er mit seiner Aktion aus dem Bundestagswahlkampf 2017 konfrontiert, ein eigenes “Pilsinger-Pils” brauen zu lassen. Wenn er so positiv zum Alkohol stehe, wie könne er dann gegen Cannabis sein?
Der CSU-Abgeordnete reagierte ähnlich wie die frühere Drogenbeauftragte Daniela “Cannabis ist kein Brokkoli” Ludwig aus seiner Partei mit dem Hinweis, die Verfügbarkeit von zwei gefährlichen Substanzen rechtfertige nicht die Legalisierung einer dritten. Er blieb auf seinem Standpunkt, das Cannabisgesetz sei in Wirklichkeit ein “Dealerschutzgesetz”.
Und er wiederholte auch den hier ausführlich diskutierten Fehlschluss einiger anderer Mediziner: Dass er im Praktikum an der Uniklinik München Patienten mit Psychosen gesehen habe, die zuvor gekifft hätten, diente ihm als Beleg für die Gefährlichkeit der Substanz. Was hier Ursache und was Wirkung ist, wird jedoch in der Wissenschaft noch erforscht. Die “klinische Erfahrung” solcher Ärzte spiegelt wohl auch deren Vorurteile wider.
Abstimmung
Auf Antrag der Unionsfraktion wurde nach Ende der Aussprache um 15:00 Uhr bis um 15:20 Uhr namentlich über das Cannabisgesetz abgestimmt. Dafür mussten die Abgeordneten persönlich zur Wahlurne schreiten. Das Ergebnis war um 15:41 Uhr ausgezählt:
Von 637 Stimmen entfielen 407 auf “ja”, 226 auf “nein”, bei 4 Enthaltungen. Damit ist das Cannabisgesetz vom Deutschen Bundestag verabschiedet.
Es wird vor dem Inkrafttreten noch vom Bundesrat behandelt werden. Laut Bundesregierung ist das Gesetz aber nicht zustimmungspflichtig. Demnach könnte die Länderkammer es nur verzögern, doch nicht mehr aufhalten. Von Seiten der Ampelkoalition wurde angedeutet, bei diesem Zwischenschritt könne man noch einmal den Verwaltungsaufwand für die Justiz prüfen.
Der Artikel wurde dem Blog „Menschen-Bilder“ des Autors entnommen.
Uff, geschafft. Nicht zu fassen, wie sehr gewisse Leute an der Prohibition hängen.
Wiso denke ich wenn ich den Klabauterbach sehe immer gleich an
Zwangsjacken? Weil die Bekloppten in den Filmen immer normaler
aussehen als er?
Gut, daß das Zeug endlich legalisiert wird. Und bis diese Gesetze voll in Kraft getreten sind wird sowieso jeder weiterkiffen wie gewohnt. 😉
Ein Punkt fiel mir auf, der zeigt, was für eine Gurkentruppe von Medizinern und, Therapeuten in diesem, unserem Lande unterwegs ist. Da hat also einer > im Praktikum an der Uniklinik München Patienten mit Psychosen gesehen, die zuvor gekifft hätten,< und das diente ihm als Beleg für die Gefährlichkeit der Substanz. Na toll!! Aber sicher hat er doch auch Patienten mit Psychosen gesehen, die vorher eben nicht gekifft haben. Ist das dann der Beleg für die Gefährlichkeit des Nicht-Kiffens? Ich lach mich weg.
In meiner Jugend kannte ich schon ein paar Kiffer, die ziemlich schräg drauf waren. Aber die hatten wohl sowieso gewisse Veranlagungen und wären wohl auch ohne Dope früher oder später ein bisschen abgedreht.
@ Jinpa
Nun ist es so, daß Hanf bei richtiger Dosierung helfen kann Grübelgedankenspiralen des Gehirns zu unterbrechen. Das Kurzzeitgedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit können leiden. Menschen mit Psychosen könnten ja mit Hilfe dieser gewünschten Effekte versucht haben eine Linderung bzw. Heilung ihrer Beschwerden zu erreichen. Falls es dann nicht funktioniert hat kamen sie erst dann in die Psychatrie. Da sie den Hanfgenuss zugaben, war der Auslöser als Kausalität gefunden. Eine mögliche Erklärung. Muss nicht, könnte aber so sein.
Guter Einwand, tatsächlich sind häufig Suchtmittelgebrauch der Versuch einer Selbstheilung.
Ach ja? Haben die Abgeordneten zusammen Zwiebeln geschält oder wieder ein Spiel der DFB-Elf geguckt? Da sollen einem ja regelmäßig die Tränen kommen…
Ja, wir Leser sind eben für andere Meinungen und Positionen offen und lassen uns auch mal mit Argumenten überzeugen. Aber wer irgendwelchen Hardcore-Puritanern rational beikommen will, kann auch gleich versuchen einen Hanfkuchen an die Wand zu nageln… wäre aber schade um die guten Lebensmittel.
Da bin ich jetzt aber beruhigt! Das heißt, wir können die Massenüberwachung, die IMSI-Catcher, Drohnen, stillen SMS, Staatstrojaner, Chat-Kontrollen, V-Leute, Verfassungsschützer und Blockwarte allesamt in die Mottenkiste verbannen? Und Crack, Heroin, LSD, Speed und Muskatnuss zu konsumieren ist ab heute jedem überlassen, wie es ihm beliebt? Und die Ungeimpften sind auch wieder offiziell ein vollwertiger Bestandteil der Gesellschaft und dürfen sich ihren schwarzen Winkel abreißen?
Welch Überraschung! Neoliberale unter sich!
Mit dem Sturz der Ampel- und übrigen Blockparteien könnte man noch jede Menge mehr Gesundheitsrisiken verringern, weil dann keine potenziell gefährliche Regierung mehr an der Macht wäre, die das Leben der Beherrschten mit unsinnigen Sanktions- und Pandemieregimen, Imperialkriegen, Sozialstaatsschleifungen, Ausspähaktionen und sonstigen Verbrechen belastete und dadurch chronischen wie akuten Krankheiten Vorschub leistete. Und man müsste von diesen Untaten auch nicht mehr zwanghaft mit Geschichten wie dem schein-liberalen „Cannabis-Gesetz“ abzulenken versuchen.
Pilsinger (sic!) sagte: “Dass er im Praktikum an der Uniklinik München Patienten mit Psychosen gesehen habe, die zuvor gekifft hätten, diente ihm als Beleg für die Gefährlichkeit der Substanz.”
Und Fußpilz hat er noch vergessen: Auch viele Fußpilz-Patienten haben schon einmal gekifft…
Aber der Witz des Jahrhunderts ist das Datum. Hätte man uns 1976 erzählt, dass 2024 am 1. April 😉 Cannabis legalisiert würde, dann hätten wir wirklich ein rofl erlebt, während die nächste Tüte gedreht wurde…
Nö ist ganz normal, daß zum Beginn des zweiten Jahresquartals neue Gesetze gelten.
Hurra, wir haben die linke Hand Bin Landens erwischt!
Oder so ähnlich:
Eine weitere siegreiche Schlacht im “War on Drugs”! Damit bleiben alle Wege und Mittel gerechtfertigt und auch der endgültige Enderfolg ist nur noch eine Frage der Zeit…
Außerdem werden bei der Polizei nun endlich Ressourcen frei, die bisher durch den Kleinkram der vielen Cannabis-Delikte gebunden waren.
Wenn das mal nicht ein willkommener Nebeneffekt ist, in Anbetracht all der schönen neuen Straftatbestände, die man sich in letzter Zeit so ausgedacht hat…
Psychosen und kiffen. Durch die Legalisierung wird es weniger Psychosen geben da die Leute sauberes Gras bekommen können. Die konservativen Deppen scheinen zu glauben das nur gekifft wird wenn’s legal wird? Kiffer sind nicht so sehr die Klientel der CDU/CSU und AfD. Deshalb kriminalisiert man sie. Bei Alk und Ritalin etc interessiert sie der Jugendschutz einen Dreck. Zynische Bande.
“Zynische Bande.” ist in dem Zusammenhang noch untertrieben, denn Alkohol schafft es bei regelmäßigem Konsum Psychosen zu fördern ohne das zusätzlich gekifft werden müßte.
Was ist ‘schmutziges’ Gras?
Ist das mit Pestiziden behandelt?
Keine Ahnung …
Warum wird eigentlich nie über den Nichtkifferschutz gesprochen?
Mir ist es herzlich egal was ein erwachsener, zurechnungsfähiger Mensch konsumiert. Aber muss ein lauschiger Sommerabend an einem Fluss- oder Seeufer in der Stadt wirklich immer nach irgendeinem THC haltigen Produkt riechen?
Das wird durch die Legalisierung bestimmt nicht besser. Können die Kiffer am Ufer nicht einfach Plätzchen essen?
Eh,ne.Die Dinger sind dermassen tueckisch ….
@Jinpa, marschpapst: Das Fußpilz-Beispiel gefällt mir gut! Interessanter wäre der Schluss von:
(1) Ich habe im Praktikum in der Uniklinik Patienten mit Psychosen und Fußpilz gesehen…
auf:
(2a) …also verursacht Fußpilz Psychosen.
oder:
(2b) …also verursachen Psychosen Fußpilz.
Die Logik ist immer dieselbe. Ernsthafter haben wir uns damit in diesem Beitrag beschäftigt:
Ist Cannabiskonsum wirklich gefährlich?
https://overton-magazin.de/top-story/ist-cannabiskonsum-wirklich-gefaehrlich/
Gesundheitsexpertin Kirsten Kappert-Gonther verwies auf (Zitat) “gepanschtes Cannabis”, das vielfach auf dem Schwarzmarkt im Umlauf sei, eben deshalb wird “die schädliche Verbotspolitik” beendet, da der Schwarzmarkt die Risiken des Konsum verschärfe, sagte sie, und von daher (aus einer zu Politik geronnenen alten Binsenweisheit vom Hörensagen?) sei “ein Paradigmenwechsel” erforderlich.
Ein weiterhin beliebtes, mutmaßlich älteres und augenscheinlich ähnliches “Argument” gegen ein Ende der Verbotspolitik bleibt der Verweis auf Cannabis als “Einstiegsdroge”.
Im Drogenunterricht der 70er (Hessen) wurden Broschueren des LKA verteilt in denen vor Heroin im Hanf gewarnt wurde, sogenanntes ‘gestrecktes’ Haschisch.Unser Klassenlehrer erhob waehrend des Vortags des Drogenbeauftragten die Hand und fragte wie sich das fuer den Dealer rechne,das Heroin sei ja pro Gramm viel teurer …. der Mann grinste und sagte das waere halt so in den Broschueren.
Die Zwo verstanden sich.
Wenn 30-40% eines Jahrgang in den Schulen kiffen und 10% eigentlich behandlungsbedürftige Folgen davon tragen, zeigt das gut, dass unser Jugendschutz nicht funktioniert und für die Politik ein Feigenblatt ist. Der Jugendschutz funktioniert auch nicht bei Tabak oder Alkohol. Nur bestätigt dies nur noch mehr, wie wenig ernst diese Problematik genommen wird.
Was Erwachsene tun, ist ihnen überlassen. Unsere Jugend sollten wir jedoch ernsthaft schützen wollen.
An honest education of the merits and dangers of any activity probably provides the greatest safeguard , it also provides opportunities in the form of teaching , prohibition only provides opportunity for criminality .
Ich denke schon Sokrates hat mit seinen Studenten Wein getrunken,galt aber eher als warnender Abstinenzler.
Sitzen drei Kiffer am Straßenrand. Ein hochtouriges Motorrad fährt vorbei.
Nach einer Viertelstunde sagt der erste: es könnte eine Honda gewesen sein.
Nach einer weiteren Viertelstunde der zweite: es könnte auch eine Kawasaki gewesen sein.
Nochmal eine Viertelstunde später der dritte: ihr macht mir zu viel Stress. Ich gehe heim.
Ja die haben schwarzen Afghan geraucht.
Bei rotem Libanesen hätte der erste gesagt in 15 Minuten kommt eine 750er Honda vorbei,
der zweite, ja sie ist etwa 80 kmh schnell und der dritte fragt habt ihr nicht die Durchsage gehört, die hat heute 10 Minuten Verspätung.
Endlich ist der Karneval idiotische/sinnlose Geplapper erst einmal durch.
Jetzt warten wir auf die nächste Episode…
Deutschland hat gewiss politisch ärgere Probleme zu lösen, als man von Gott gegebene Pflanze endlich teillegalisiert. Man achte vor allem auf das Wort ‘Teillegalisierung’!, Scheisse da kommt noch mehr von teuflischen geplappere.
Ich halte dieses Gesetz für extrem rassistisch, denn dann machen die Afrikaner in den Parks kein Geschäft mehr.
Genau Susi.Soll doch die Kommune am Autobahnrand Hanf anbauen ……
“Die Ampelregierung wollte laut ihrem Koalitionsvertrag Fachgeschäfte zum Verkauf der psychoaktiven Substanz ermöglichen, doch dem steht EU-Recht entgegen.”
Aber genau so läuft es doch in den Niederlanden seit knapp 50 Jahren. Zwar kommen diese “Fachgeschäfte” in den Niederlanden streng genommen nur “illegal” an ihre Ware, der Verkauf selbst in diesen ist aber entkriminalisiert – ob man das jetzt als “legal” oder “geduldet” benennt ist Wortklauberei.
Wieso soll eine entsprechende Lösung hierzulande dann gegen EU-Recht verstossen?
Nun,in den Niederlanden duerfen diese ‘Fachgeschaefte’ weder Tabak noch Alkohol verkaufen.Also wer einen selber bauen will muss samt Ware doch noch in den Schnapsladen um Tabak zu besorgen.
Ja und, was hat das damit zu tun?
Was spräche zB gegen eine Abgabe in Apotheken, die das ja bereits schon – bislang allerdings nur auf BTM-Rezept – tun?
Technische Frage:ist bei der 25g Grenze fuer Cannabis Gras oder Haschisch gemeint?
Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung…