Bulgarien will russische Reaktoren an die Ukraine verkaufen

Der ukrainische Präsident Selenski mit dem bulgarischen Regierungschef Nikolay Denkov am Freitag in Sofia. Bild: Ministerrat der Republik Bulgarien

Beim Besuch von Selenskij in Sofia wurden der Ukraine alte Waffen als Militärhilfe versprochen,  zudem wurde ein Deal mit zwei noch nicht fertiggestellten Reaktoren aus dem AKW Belene eingefädelt.

Überraschend war der ukrainische Präsident Selenskij am Freitag nach Bulgarien gereist. Der neue bulgarische Regierungschef Nikolay Denkov sicherte der Ukraine zu, neben anderer Unterstützung wie der Aufnahme in die Nato auch Waffen und Munition zu liefern, die Kampffähigkeit der bulgarischen Armee soll aber gesichert bleiben. Deswegen wird Bulgarien nicht die von Selenskij geforderten Waffen liefern. Wie andere Staaten auch, wird etwa alte Munition geliefert, deren Verfallsdatum näher rückt. Denkov sagt auch ganz unverblümt, dass man so Millionen spare, weil die Munition nicht in Bulgarien entsorgt werden muss, und die frei werdenden Lager mit neu hergestellten Produkten gefüllt werden können.

Interessant ist aber auch eine weitere Vereinbarung über die Intensivierung der Waffenhilfe hinaus. Man wolle insgesamt die Zusammenarbeit verstärken. Das betrifft insbesondere den Energiesektor. Die Energieminister beider Länder haben ein Memorandum of Understanding unterzeichnet. Dabei geht es um das AKW Belene, mit dessen Bau 1987 begonnen wurde. Wegen Geldmangel wurde der Bau dann 1990 eingestellt. 2005 war der Weiterbau beschlossen worden, der russische Konzern Atomstroiexport erhielt 2006 den Zuschlag. Immer wieder wurde der Weiterbau erörtert, zeitweise war RWE interessiert, stieg aber bald wieder aus. Russland hatte einen Kredit von 2 Milliarden US-Dollar als Überbrückung angeboten, aber die bulgarische Regierung bestand darauf, zuerst einen westeuropäischen Investor zu finden.

Geplant waren zwei Reaktoren des russischen Typs WWER-1000. 2012 wurden die Arbeiten wieder eingestellt. Investiert worden waren 1,5 Milliarden US-Dollar, die Fertigstellung würde über 8 Milliarden kosten. Mit dem Krieg gegen die Ukraine und den Sanktionen war dann das Projekt endgültig gestorben. Kurz gab es noch Anfang 2023 Verhandlungen mit dem französischen Atomkonzern EDF. Die seit Juni amtierende Regierungskoalition kam schließlich auf die Idee, die Reaktoren doch an die Ukraine zu verkaufen, die massiv auf Atomenergie setzt. Der Preis sei eine Frage von Verhandlungen, aber gezahlt werden müsse auf jeden Fall, was die Reaktoren bislang Bulgarien gekostet haben, nämlich 1,2 Milliarden Leva (etwa 600 Millionen Euro).

Begründet wird die Geschäftsidee, russische Atomtechnik an die Ukraine zu verkaufen, dass die Ukraine genau diese benötige, um die zwei WWER-1000-Reaktoren im AKW Chmelnyzkyj fertigstellen zu können. Auch dieses Projekt geht  auf die 1980er Jahre zurück und wurde dann stillgelegt. 2011 wurde mit Russland der Weiterbau verabredet, was 2015 aber wieder beendet wurde. 2021 kam es dann zu einem Vertrag mit Westinghouse, die Reaktoren fertigzubauen, was aber dann doch unterblieb. Stattdessen wird Westinghouse im AKW Kosloduj einen neuen Reaktor bauen und Brennstäbe für einen dort noch betriebenen russischen Reaktor liefern. Jetzt also soll die Ukraine, die natürlich keine Ausrüstung von Russland kaufen kann, die russische Technik von Bulgarien übernehmen. Nach einem Sprecher der EU-Kommission bestehen keine Einwände gegen den Deal: „Die Ukraine kann EU-Gelder für den Kauf von Atomreaktoren aus Bulgarien verwenden, da dies zur Stärkung der ukrainischen Wirtschaft beitragen würde“, sagte er.

Offenbar ist die ukrainische Regierung an dem Deal interessiert, auch wenn Selenskij dies nicht direkt ansprach. Kiew hat auch kein Problem damit, weiter russisches Gas gegen Bezahlung durch die Pipeline nach Europa fließen zu lassen. Auch nach 2014 wurde an dem Geschäft festgehalten, daher auch der Widerstand gegen Nord Stream 2. Gekauft wird seit Beginn des Kriegs kein russisches Gas mehr direkt, aber dann aus Europa doch indirekt. Gazprom droht nun wegen rechtlicher Konflikte mit Naftogaz den Gasdurchfluss zu beenden. Die Ukraine verdient mit der Durchleitung viele Millionen, aber das generiert auch Einkünfte für Gazprom und Russland, so dass letztlich beide Länder den Krieg auch mit diesem surrealen Deal finanzieren. Selenskij hat schon mal im Frühjahr gedroht, die Druschba-Pipeline nach Ungarn zu sprengen, um das Land wegen mangelnder Unterstützung zu bestrafen. Als Reaktion wandte sich Ungarn gegen europäische Waffenhilfe für die Ukraine.

Die groteske Position macht auch ein Action Plan deutlich, den Andriy Yermak, der Leiter des Präsidialamts,  und Michael McFaul, Direktor des Freeman-Spogli Institute for International Studies (FSI) und ehemaliger US-Botschafter in Russland, in der Internationalen Arbeitsgruppe über Sanktionen gegen Russland im April ausgehandelt haben. Eine der Forderungen: „Beendigung der direkten Lieferung von russischem Gas in die Europäische Union (EU), außer über die Ukraine. Wir schlagen Sanktionen vor zur Beendigung des Betriebs aller verbliebenen Pipelinerouten unter russischer Kontrolle, die derzeit russisches Erdgas in den europäischen Markt leiten, abgesehen von den verbliebenen Durchleitungen über das ukrainische Gasfernleitungsnetz, das über ausreichende Transitkapazitäten verfügt.“

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15 Kommentare

  1. Exxpress.at am 07.07.
    EKLAT !
    Elendski streitet sich vor laufender Kamera mit Denkov !!
    KEINE WAFFEN aus Bulgarien an Elendski. Mit Waffen ist das Problem Ukraine NICHT zu lösen, so Denkov.

    1. Das war eigentlich auch das Einzige spannende bei diesem Besuch.
      Selenksky forderte wie gewohnt mehr mehr und noch mehr Waffen. Radew meinte das würde nicht helfen und Alles nur schlimmer machen. Und Selensky fängt an ihn zu belehren und sogar zu drohen. Man könnte meinen es ginge um Eigentum der Ukraine. Daraufhin hat Radew erstmal alle Journalisten aus dem Saal gebeten und Selenksy erstmal so richtig die Meinung gesagt. Selensky war hinterher pampig und ätzend.

      1. Tja am Ende ist Selenski nur Bittsteller, aber die ganze Zeit ließ man ihn und andere ukrainische Politiker sich aufführen als ob sie irgendeine Macht hätten Forderungen zu stellen. Hat die Ukraine aber offenbar nicht. Die gelieferten Waffen und anderen Nachschub wird die Ukraine nie bezahlen können und auch sonst hat die Ukraine eigentlich nichts mehr anzubieten. Betteln können sie natürlich noch.

    2. Komisch, der Clown von Kiew verbietet alles Russische (Musik, Literatur, Kunst…), aber Technologie der “Orks” will er kaufen?

  2. Korruption mit Ankündigung und die Zunge der Schlange schnallt?
    Nach noch ‘alter’ Rechtsprechung müsste Bulgarien Russland um eine Einwilligung bitten.
    Da die Ukraine mit aller Vorsicht an Prognosen nicht im Wertewesten sein wird, könnte immerhin die Ukraine einen Exportschlager für grüne Energie werden. Irgendwie muss dem Bankrotten Land eine Möglichkeit geboten werden.Da diese wahrscheinlich weder in der EU noch NATO beitreten werden haben die EU einen grünen gewinnerfolg.

    1. Lokaler Strom – dicht beim Verbraucher erzeugt – ist bedeutend billiger als importierter Strom.
      PV liegt jetzt bei ca. 4 cents/kWh in Mitteleuropa, wie sollen die ukrainische Stromhaendler die Netzgebuehren da noch bezahlen?

  3. “Beendigung der direkten Lieferung von russischem Gas in die Europäische Union (EU), außer über die Ukraine.”
    Lustiger Vorschlag. Ich freue mich, dass das verzweifelt gegen das Ultimativ Böse Unter Dem Himmel kämpfende Land seinen Humor noch nicht verloren hat.

    1. Humor ist die Kernkompetenz von Selenski. Im Junta-Casual-Look macht der Clown Humor zum Totlachen. Es braucht ja auch viel schwarzen Humor, um die Russen von der Krim zu vertreiben.

  4. Wem gehören die ukrainischen Atomkraftwerke? Eigentlich Rosatom, das die Reaktoren auch warten musste. Aber im Jahr 2014 hat die Ukraine alle wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland abgebrochen. Seither werkeln ukrainische Amateure an den Anlagen und die sollen jetzt auch noch die Uralt-Kraftwerke in Bulgarien abbauen und in der Ukraine neu aufbauen? Sicher unter erstklassigen Sicherheitsstandards.

    Der Abbruch aller Beziehungen sollte natürlich Russland treffen. Zwei Länder, die wirtschaftlich so eng verbunden sind, überstehen das nicht unbeschadet. Aber Russland zeigte schon damals diese erstaunliche Resilienz, während die Ukraine alle Schlüsselindustrien verlor und zum Billigproduzenten des Westens wurde. Einer dieser sagenhaften Erfolge der Politik des Westens.

    Grund ist und bleibt der vom Westen massiv unterstützte Naziputsch von 2014. Man kann es nicht oft genug betonen.

    1. Aber im Jahr 2014 hat die Ukraine alle wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland abgebrochen.

      Hat sie nicht. Die hatten keine anderen. Sogar bis heute profitieren sie vom Rohstofftransfer und sind sich da nicht zu schade. Geld stinkt nun mal nicht.

      1. Jupp. Dann versteht man such die Sichtweise mancher Russen, daß man eine aufmüpfige Provinz wieder zur Ordnung ruft ähnlich Tschetschenien damals.

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