Blamierter „Käfig“: Puigdemont taucht in Barcelona auf und wieder ab

Tausende wollten Puigdemont vor Verhaftung schützen. Bild: Ralf Streck

Exilpräsident kehrt in die katalanische Heimat zurück, um vor zahllosen Anhängern in Barcelona seinen Anspruch auf das Präsidentenamt zur Amtseinführung zu bekräftigen. Wütend sind viele auch in der gespaltenen Republikanische Linke Kataloniens (ERC), dass die den „spanischen Nationalisten“ Salvador Illa zum Präsidenten gekürt hat. Ein Pyrrhussieg, der bald zum Sturz der spanischen Regierung führen dürfte.

Schon am frühen Donnerstag versammeln sich am Triumphbogen in der katalanischen Hauptstadt tausende Menschen und fiebern in schwüler Hitze einem Akt entgegen, der frischen Wind in die gebeutelte Bewegung bringen soll, die die Unabhängigkeit von Spanien will. Denn nach sieben Jahren im Exil, hat Puigdemont zur Amtseinführung nach den Wahlen im Mai seine Rückkehr angekündigt, um seinen Sitz im Parlament anzutreten.

Um das zu verhindern, wurde Barcelona und Katalonien in einen nicht erklärten Ausnahmezustand versetzt. An jeder Ecke steht Polizei, es gibt überall Straßensperren, Kontrollen in Zügen und Hubschrauber kreisen über der Stadt. Das ist wie vor sieben Jahren, nachdem islamistische Terroristen am 17. August Anschläge in Barcelona verübten und 16 Menschen auf den Ramblas ermordeten. Dabei wird nach keinem Terroristen gesucht, sondern nach dem Exilpräsidenten Carles Puigdemont, der im gleichen Herbst eine friedliche Abstimmung über die Unabhängigkeit von Spanien am 1. Oktober durchführen ließ. Die Anschläge im August, in die spanische Geheimdienste verstrickt sind, sollten das nach Ansicht eines hochrangigen Ex-Polizisten verhindern.

Puigdemont, der sich nach spanischen Gesetzen zur Wahl gestellt hatte und auch zugelassen und gewählt worden war, hatte stets versprochen zurückzukommen. Das „Exil muss enden“, erklärte er erst kürzlich auch denen im eigenen Lager, die einer möglichen Inhaftierung in Spanien kritisch gegenüberstehen. Tatsächlich hatte ein Richter ihm sogar „Terrorismus“ vorgeworfen, doch der musste kürzlich sein Verfahren einstellen. Die Wahlen waren aber ohnehin nicht sauber, da Puigdemont im Wahlkampf behindert wurde. Er konnte ihn nur aus dem Ausland führen, massive Probleme gab es auch bei der Auszählung von Auslandsstimmen.

Obwohl der Terrorismusvorwurf eingestellt wurde, besteht bis heute ein Haftbefehl gegen ihn in Spanien und ein Richter bastelt bekanntlich auch an einem „Hochverrat“ und einer Russland-Verschwörung“. Mit der „Operation Käfig“ sollte der vollstreckt werden. Doch genau wie der Präsident Puigdemont nach dem Unabhängigkeitsreferendum und nach Verkündigung der Unabhängigkeit wegen der spanischen Repression Ende Oktober 2017 nach Belgien verschwinden konnte, so tauchte er vor seinen Anhängern am Triumphbogen in Barcelona am frühen Donnerstag wieder auf. Zehntausende waren zusammengeströmt, um ihn zu empfangen und zu schützen. Sie wollen ihn wie Marta Sabatés ins Parlament begleiten. „Ich habe meinen Urlaub unterbrochen, bin eilig mit meiner Tochter zurückgefahren“, erklärt sie schwitzend in der schwülen Hitze. Sie wartet darauf, dass Puigdemont die Bühne betritt.

Der war, begleitet von seinem Anwalt Gonzalo Boye und Vertrauten durch engen Gassen geleitet worden. Er wurde dabei gefilmt, wohl darum, um Märchen auch in Deutschland zu begegnen, im „Kofferraum“ von Autos zu verschwinden.

Puigdemont bei seinem Auftritt. Bild: Ralf Streck

In der Trafaltar-Straße wurde er von den Abgeordneten seiner Partei „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) empfangen, um ihn zur Kundgebung zu geleiten. Auf der Bühne hielt er eine kämpferische Rede. „Wir sind noch immer hier“, rief er dem breiten Spektrum derer zu, die sich versammelt haben. „Puigdemont, unser Präsident“, schallt es aus der Menge zurück. Niemand habe das Recht, „auf die Selbstbestimmung zu verzichten, da es sich um ein kollektives Recht handelt“. Ein Referendum zu organisieren, um dieses Recht umzusetzen, „ist kein Verbrechen und wird niemals ein Verbrechen sein“, fügt er an. „Unabhängigkeit“, schallt es aus der Masse zurück. Viele wollten „meine Verhaftung feiern“ und damit sogar ein vom „spanischen Parlament verabschiedetes Gesetz brechen“. Man habe kein Interesse daran, „in einem Land zu leben, in dem Amnestiegesetze nicht amnestieren”.

Denn trotz einer verabschiedeten Amnestie hält der spanische Richter Pablo Llarena mit einer absurden Argumentation an seinem Haftbefehl fest, um sie auszuhebeln. Er behauptet, Puigdemont und andere hätten sich persönlich bereichert, da das Referendum aus öffentlichen Kassen bezahlt wurde, auf Grundlage eines Gesetzes. Aber es geht noch abstruser. Die „Separatisten“ seien so fanatisch, dass sie es sonst aus eigener Tasche bezahlt hätten. Deshalb sei das eine persönliche Bereicherung, fabuliert Llarena, denn die kann nicht amnestiert werden.

Die Masse strömt mit den Parlamentariern zum Parlament. Bild: Ralf Streck

Hochrangige spanische Juristen erklären, dass nicht Puigdemont eine Amtseinführung des spanischen Sozialdemokraten Salvador Illa „stören“ wolle, wie auch in etlichen deutschen Medien massives Framing betrieben wurde. Dass er sein Recht ausübt, das kommt einigen Journalisten nicht in den Sinn. Die klärt der andalusische Verfassungsrechtler Joaquín Urías auf. Der Professor stellt fest, dass Puigdemont nicht festgenommen werden dürfe. Geschehe das, seien Richter dafür verantwortlich, „die das Gesetz missachten und sich über das Parlament stellen“. Das nennt man Amtsmissbrauch und ist ein Verbrechen. Spanien mache sich „lächerlich“. Das Land habe einen „Obersten Gerichtshof, der Gesetze missachtet und Politik macht“. Der frühere Richter am Obersten Gerichtshof José Antonio Martín Pallín verweist auch darauf, dass Puigdemont „parlamentarische Immunität“ genießt. Er dürfe nur bei einer schwereren Straftat in flagranti festgenommen werden.

Parlamentspräsident Rull, Ex-Regierungschef Mas und die JxCat-Parlamentarier auf dem Weg durch die Menge in Richtung Parlament. Bild: Ralf Streck

Vor dem Parlament ist die Wut groß, dass nach dem gewählten Parlamentarier gefahndet wird, statt ihn ins Parlament zu lassen. Noch wütender ist man auf die „Republikanische Linke Kataloniens“ (ERC) die nach ihrer Wahlschlappe und dem Verlust der Hälfte ihrer Sitze, nun auf dem Weg war, den spanischen Sozialdemokraten Illa zum Regierungschef zu küren.

Marta Sabatés hatte die ERC noch im Mai gewählt und fühlt sich betrogen. „Die ERC hat immer gesagt, mit Illa nicht paktieren zu wollen.“ Dass die in zwei Blöcke gespaltene Partei Illa unterstützt, kann auch der ERC-Veteran Joan Puig nicht verstehen, der seit 32 Jahren Parteimitglied ist. Ihm scheint es wahnsinnig zu sein, dass man die Partei darüber „auf den Müllhaufen der Geschichte befördern will“. Illa stehe für den spanischen Nationalismus. Er habe nicht nur die Repression beklatscht, sondern auch mit Faschisten, gemeinsam mit dem bisherigen EU-Außenbeauftragten Borrell, gegen das Selbstbestimmungsrecht demonstriert. Dass die Parteispitze nach einem knappen Ja von 53,6 Prozent der Mitglieder diesen Weg geht, bringt die ERC der Spaltung näher.

Polizei prügelte und versprühte massiv Pfefferspray auf Journalisten und Demonstranten an Eingang zum Park am Parlament. Bild: Ralf Streck

Ob Illa gewählt wird, blieb abzuwarten. JxCat hat die Suspendierung des Plenums beantragt, da ihrem Parlamentarier und Kandidaten der Zugang verwehrt wurde. Zudem wurde vor den verschlossenen Toren des umliegenden Parks auf Menschen eingeprügelt. Auch Journalisten, wie der Autor dieser Zeilen, wurde mit Pfefferspray eingenebelt. Dass mir auch erstmals verweigert wurde, das Parlament zu betreten, kommt auch einer Behinderung der Presse gleich. Die Versuche der üblichen Akkreditierung hatten keinen Erfolg, weshalb ich abgewiesen wurde.

Eine Abstimmung könnte wegen all dieser Vorgänge illegal sein. Die Jagd auf Puigdemont erinnert an die verzweifelten Versuche Spaniens, die Wahlurnen 2017 zu finden. Die brutalen Übergriffe erinnern an die Prügelorgien auf Wähler beim Referendum am 1. Oktober 2017 durch spanische Sicherheitskräfte. Nun war es aber die katalanische Polizei, befehligt von einer noch ERC-Regierung, die schließlich mit deren Zutun abgelöst wurde. Keiner deren 20 Abgeordneten tanzte aus der Reihe. Letztlich wurde Illa mit nur einer knappsten Mehrheit gewählt. Puigdemont ist nach seinem Auftritt wieder abgetaucht und ist nach Angabe seines Anwalts „zu Hause“.

Pfefferspray Prügel und Festnahmen von friedlichen Demonstranten. Bild: Ralf Streck

Zwei katalanische Polizisten wurden festgenommen, gegen weitere wird ermittelt, die ihm beim Verschwinden geholfen haben sollen. Damit hat er das riesige Polizeiaufgebot lächerlich gemacht, da sogar Autobahnen 150 Kilometer entfernt von Barcelona gesperrt wurden. Verschwendung von Steuergeldern. Für den spanischen Regierungschef Pedro Sánchez ist es ein Pyrrhussieg, seinen Kandidaten in Katalonien installiert zu haben. Seine Regierung ist auf die Stimmen der Puigdemont-Partei angewiesen. JxCat hat schon zwei Gesetze durchfallen lassen, einen Haushalt für 2024 gibt es noch nicht, für 2025 wohl nun auch nicht, womit die Sánchez-Regierung am Ende wäre.

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27 Kommentare

    1. Macht er doch. Jährlich fließen mehr als 20 Milliarden nach Spanien, die nicht zurückkommen. Was für ein geniales Gesundheitssystem man damit schaffen könnte. Aber du willst vermutlich nur ätzen. Das ist aber ohnehin in Katalonien noch gut im Vergleich zu Andalusien, Madrid…

      1. Herr Schelm:
        Neue Gebäude sind evtl. damit finanziert worden. Die Ärzte arbeiten aber schlecht.
        EIn schlechter Autofahrer wird nicht zu einem guten Autofahrer bloss weil er ein neues Auto bekommt.
        Ein schlecht arbeitender Arzt und ein schlecht arbeitendes Hospital werden nicht zu gut arbeitendem Arzt und gut arbeitendem Hospital bloss weil man die selben Menschen in neue Gebäude steckt.

        Auch wir haben für die bezahlten Steuern keine fehlerfreien Dienstleistungen erhalten.
        Neue Hospitäler und Ärztezentren sehen gut aus. Gut aufgehoben ist man als Patient jedoch nicht.

        1. Du hast keinen Schimmer. Schreibst am Thema vorbei. Mit 20 Milliarden muss man viele Gebäude bauen? 20 Mrd im Jahr, Tendenz steigend, zuletzt 22.. Man könnte nicht auch Ärzte einstellen und vernünftig bezahlen, damit die nicht auswandern? Wie kann man nur auf solche Gedanken kommen…
          Aber Nein, das Geld versickert unproduktiv im spanischen Sumpf.

        1. Es geht um Katalonien und was journalistisch relevant ist, bestimmt zum Glück kein Autokrat wie du. Ein Freund von Abascal oder Maduro, Putin oder Selenskyj?

          1. Bei dem ganzen Katalonien-Unabhängigkeitsgedöns wäre einzig interessant, was dich die Unabhängigkeitsanhänger davon erwarten und wie sie sich das vorstellen, mit wem in der EU sie dann z.B. Handel treiben wollen.

            Für mich sieht das aus wie die Brexit-Kämpfer, deren höchstes zu erreichendes Ziel es war, die Leute, die zur Vernunft mahnten, nieder zu walzen.

            Statt darüber zu reden, wie die Unzufriedenen zufriedener gemacht werden können, was im Fall Englands letztlich auf sozialdemokratische Politik hinausgelaufen wäre, gibt es jetzt in Katalonien diese schrille Hyperspot-Fokusierung auf Unabhängigkeit.

            Leider machen die Overton-Artikel im Fall Kataloniens mit. Wobei Richter, die ihr Privatrecht schaffen, schon ein Thema sind – aber dann eben ein spanisches.

  1. Hat es sich um eine nicht-genehmigte Demonstration gehandelt?

    Warum wird so ein Wirbel um etwas gemacht dass nicht besser ist als Sudentendeutsche?

    Auf dem letzten Bild sieht man zwei Verdächtige die vielleicht Waffen im Rucksack versteckt haben.
    Man sieht nicht wie sich die beiden ausweisen gegenüber den Polizeibeamten.
    Der Demonstrant mit dem grünen Rucksack wird nicht verprügelt.
    Der Frau mit der Hose scheint sich von der Demonstration entfernen zu wollen ohne sich gegenüber den Polizeibeamten identifiziert zu haben.

    1. 1. genehmigt. Haben die auch ne eigene Sprache und Kultur und wurden immer wieder kolonisiwet und unterworfen, gewaltsam wie 1704 oder 1939 die Katalanen? Fragen fur einen Freund.

  2. Da hat der sie mal wieder alle vorgeführt und gezeigt, welche “Demokratie” wir in Spanien haben und was von “Linken” wie den “Spezialdemokraten” oder diesen “ERC” Trollen zu halten ist. Links wird langsam, auch in Venezuela, zum Schimpfwort. Danke für den Text und die Bilder. Gute Arbeit!

  3. Da lebt einer im europäischen ‘Exil’, weil dieser Herr oder seine Organisation etwas in Bewegung brachte…
    Jeder ‘kriminelle’ wird von der Justiz oder Politik oder wer auch immer gejagt. Der Westen hat sogar internationale Standards für die Auslieferung von kriminellen oder politisch verfolgten ausgearbeitet.
    Aber der Revoluzzer von Katalonien, sitzt im benachbarten europäischen Land, kehrt zurück für die katalonische Freiheit.
    Nach all den Sanktionen die die westlichen Staaten verüben, bleibt ein fettes grinsen, für wen gilt diese Darstellung?
    Ich nehme seit Jahren nichts mehr Ernst, da der Ernst verloren ist, mit ihrer eigenen Politik.
    Selbstverständlich ist das Politik, aber verstehen wir lesen, was da von statten geht?

    1. Dass der einfach nichts strafbare getan hat, politisch verfolgt wird, wie viele andere Katalanen auch, kommt natürlich nicht für dich in Frage…

      1. Wer ist er, eine Person, eine Organisation? Woher stammt das Geld vom ER, für eine Bewegung die nicht gerade billig ist?
        Wenn er im Exil lebt, hätte die spanische Regierung immense Möglichkeiten diesem ER dingfest zu machen, da wir doch im vereinigten Europa mit Interpol und wieviel anderen Diensten ausgestattet sind.
        Warum schauen die intelligenten Europäer zu, wie vor ihren Augen eine Wahl umgemünzt wird, entgegen dem Ergebnis und wollen aber demokratische rechte für eine PR Posse unterstützen?

        Denn die EU bestimmt, was in der EU geschieht, die nationale Souveränität haben die klügsten der klugen innerhalb der EU aufgegeben, eure ideologischen Hirngespinste gilt es zu überarbeiten.

    1. Klar. Wenn man die Leute mit brutaler Gewalt wegprügelt. Warum dieser doch so demokratische Staat das nicht wie UK in Schottland oder Kanada in Quebec machen? Weil das keine Demokratie ist vielleicht?

    2. Die Bundesrepublik hat die Deutsche Demokratische Republik auch nicht als Staat anerkannt.
      Nichtsdestotrotz handelte es sich bei der DDR um ein Land.

      Ausserdem sieht man auf dem Bild nicht, das irgendwer verprügelt wird.
      Nur eine Verdächtige die wegrennt und einen Herrn mit einem Wasserfläschchen in der Hand.

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