„Ausrotten der Schattengesellschaft“: Schwedens neue Härte

Riksdag in Stockholm. Bild: Christian Gidlöf/public domain

Die Ausländerpolitik der neuen Mitte-Rechts-Regierung, die auf demonstrative Härte setzt, sorgt derzeit für Unruhe in dem skandinavischen Land, vielen lehnen die neuen Maßnahmen ab.

„Ich werde alles tun, um die Einwanderung zu vermindern“, versprach Maria Malmer Stenergard, Schwedens Migrationsministerin. So wurden mögliche Grenzkontrollen zu Dänemark wieder diskutiert, was vor allem die Pendler zwischen Malmö und Kopenhagen aufregt, da sie dann zu spät zur Arbeit kämen. Gerade um den Verkehrsfluss zu ermöglichen wurde vor 22 Jahren die eine Milliarde Euro teure Öresundbrücke eröffnet.

Die seit Mitte Oktober wirkende Koalition unter Ulf Kristersson hat sich vorbehalten, wieder Grenzkontrollen einzuführen, sollte sich die Flüchtlingssituation verschärfen. „Dies ist notwendig“, so Stenergard, die den Fokus auf das Sicherheitsbedürfnis der Menschen in der Grenzregion legt. Bereits seit dem 12. November werden zwischen beiden Ländern, eigentlich eine Schengengrenze, gelegentliche Kontrollen durchgeführt.

Thema Nummer eins vor den Wahlen im September war bei allen Parteien die Bandenkriminalität. Dabei werden die Kämpfe um Drogenreviere vor allem von Menschen mit Migrationshintergrund ausgetragen. Die Regierung scheint daher unter Handlungszwang zu stehen.

Ein weiteres Projekt der 41-jährigen Ministerin, die wie der Premierminister der bürgerlichen Partei „Die Moderaten“ angehört, ist der Kampf gegen Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis, nach Regierungsangaben seien es über 100.000. Diese Schattengesellschaft wolle sie „ausrotten”, so die Wortwahl der studierten Juristin.

Dabei sollen nicht nur mehr Polizeikontrollen helfen, sondern auch Krankenhauspersonal und Lehrkräfte mögliche Illegale melden. Personen, die für den Staat arbeiten und eine illegale Person nicht zur Meldung bringen, müssen mit „Konsequenzen“ rechnen. Welche, will die Ministerin noch nicht verraten. Diese sogenannte „Anmeldepflicht“ stößt auf großen Widerstand in der schwedischen Gesellschaft.  Die „Schattengesellschaft, welche man weg haben will, wird damit nur wachsen“, prophezeit Bengt Sandberg, Sprecher einer Flüchtlingsorganisation, die sich für Personen ohne Ausweispapiere einsetzt. Die Linken in Schweden sprechen von „Hexenjagd‘.

Schwedens Regierung sieht sich im Komplex „Ausländerpolitik“ unter Erfolgszwang. So wachsen derzeit wieder die Anträge auf Asyl, Ende November waren es bereits über 15.000, was die Bürgerliche einschränken will. Auch die Anzahl der sogenannten Quotenflüchtlinge soll von 5000 von diesem auf 900 im nächsten Jahr gesenkt werden. Zudem wurde zwei Auslieferungsforderungen aus Ankara nachgekommen. Die Türkei weigert sich derzeit, den NATO-Beitritt Schwedens zu ratifizieren; das skandinavische Land tue angeblich zu wenig gegen die PKK und anderen kurdische Gruppen.

Vorbild für das Agieren der schwedischen Regierung ist klar der Nachbar Dänemark. Dort will man die Asylaufnahmen auf fast Null reduzieren und die Asylprozedur in einem afrikanischen Staat abwickeln. Als konkretes Vorbild ist hier wohl die ehemalige Migrationsministerin Inger Stöjberg zu nennen, die Strafverschärfungen gegen Migranten mit einem Zähler auf der Webseite des Ministeriums feierte. Stöjberg war damals Mitglied der bürgerlichen „Venstre“, eine Entsprechung zu den schwedischen „Die Moderaten“.

Zudem macht auch die rechtspopulistische Partei „Schwedendemokraten“ unter Jimmie Akesson Druck.  Sie unterstützt nicht nur die bürgerliche Minderheitskoalition im Parlament, sie wirkte und wirkt auch an der Ausarbeitung des Regierungsprogramms mit. In der Frage um die „Anmeldepflicht“ verlangt die rechte Partei eine härtere Gangart. So fordert deren Rechtsexperte, Richard Jomshof, die Verpflichtung für alle Berufsgruppen, einen Illegalen anzuzeigen.

Die Schießereien in Schweden halten an, es gibt bereits 60 Tote durch Schusswaffen und 370 Schießereien in diesem Jahr. Im Nachbarland Finnland kamen in diesem Zeitraum gerade Mal zwei Personen durch Kugeln ums Leben. Während die Gangs vor einigen Jahren eher wild herumschossen, seien in Schweden die Angriffe mit Schusswaffen gezielter geworden. Auch soll das Drogengeschäft ausgeweitet worden sein.

Hinzu kommt gerade, dass der Stockholmer Polizeichef sich wohl Mobbing, Stalking und anderen Amtsmissbrauch zuschulden hat kommen lassen, was seit Tagen Schlagzeilen macht und so die Autorität der Exekutive untergräbt.

Im Wahlkampf versprach Kristersson, dass mehr in Kameras und Polizeikräfte investiert werde, dazu kämen Strafverschärfungen sowie als Novum das Zeugenschutzprogramm für Aussteiger.

Die Sozialdemokraten, die im Verbund mit anderen linken und liberalen Parteien im September nur knapp geschlagen worden sind, verweisen aktuell auf das Problem der „Einsteiger“. Die Regierung tue zu wenig gegen die „Rekrutierung“ neuer Mitglieder in den Schulen und investiere nicht in vorbeugende Maßnahmen. Auch Gunnar Appelgren, ein bekannter Kriminalkommissar und Banden-Experte, glaubt mehr an Vorbeugung als an die neue Härte.

Die schwedische Traditionspartei unter Ex-Regierungschefin Magdalena Andersson steigt in ihrer Popularität. Seit den Wahlen konnten sie über vier Prozent hinzugewinnen.

Die Frage ist nun, wie es weitergeht. Die Minderheitsregierung ist nun mit den Sozialdemokraten als Kritiker, den Schwedendemokraten als Scharfmacher und mit den Medien und Sozialen Medien als Erwartende konfrontiert. Es werden wohl erstmals weitere plakative Aktionen und sprachliche Entgleisungen folgen.

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6 Kommentare

  1. Was mich bei diesem Europaweiten Recht und Ordnungsgetue stört, ist die Tatsache daß in jedem Land der Europäischen Union die Haftanstalten schon längst mit Gefangenen überfüllt sind. Da müssten erst einmal neue Haftplätze geschaffen werden. Bevor die Gesetzgebung weiter verschärft wird.

    Und was unsere Heimatminister*Innen gerne vergisst, daß sich ihre Wertebasierte Ordnung auch gegen ihre eigene Partei durchsetzen kann. Siehe das Wahlergebnis im Europäischen Ausland. Ansonsten machen es die Skandinavischen Ländern einfach immer besser als der Rest in der EU.

    1. Hinzu kommt, dass ich mir auch noch was ausdenken muss, damit ich über den Winter in den Knast komme. So spare ich das heizen und die Krankenkassenbeiträge.

      1. Hi Peter,
        du weißt bestimmt daß Altersarmut in Japan für das Japanische Justiz-System eines der größten Probleme ist. Dort werden viele Senioren mit Vorsatz Straffällig um im Gefängnis ein Lebensabend in Menschenwürde führen.

        Wenn du mal echte Langeweile hast, kann man sich auch in der Ehrenamtlichen Gefangenenhilfe melden. Und ein paar arme Teufel im Knast besuchen. Die meisten können ihre Geldstrafen nicht bezahlen und müssen in Ersatzhaft, daher die Tagessätze!

        1. Was Peter zu den eingesperrten japanischen Rentnern weiß, vermag ich nicht zu beurteilen, aber du weißt sicher, daß Japan zu den Ländern mit den wenigsten Menschen in Gefängnissen gehört. Es sind 40 auf 100.000 Einwohner. Deutschland hat fast doppelt so viel : 71, die USA über 600. Hälst du selbst deine Aussagen über japanische Probleme, nochdazu schreibst du von „größten Problemen“ für gesichertes Wissen?

          Da ich selbst Japan aus eigener Anschauung kenne und nahe Angehörige dort lebten und arbeiteten, möchte ich anfügen, dass ich mir sehr wünschte, unsere Sorgen hätten nur japanische Dimensionen. Auf jeden Fall im Bereich Kriminalität, Sauberkeit, Organisation des täglichen Lebens.
          Und es ist sehr sicher kein Zufall oder genetisch bedingt, dass japanische Menschen die höchste Lebenserwartung haben. Das hat zwar der geschätzte Herr Rötzer dereinst auf telepolis in einer Reihe antijapanischer Artikel als „Vergreisung“ abgewertet und nahegelegt, dass sie dort mehr Einwanderung zu dulden hätten. Das aber tun sie trotz Rötzers Ermahnung bisher nicht. Es wird sich zeigen, welches Gesellschaftmodell erfolgreicher sein wird. Sehr sicher scheint es mir nicht, dass es das mit liberaler, unbegrenzter und forderungsloser Einwanderung sein wird.
          Man wird sehen…..

  2. “ Viele (Schweden) lehnen die neuen Maßnahmen ab.“ Gibt es da Zahlen? Ich glaube das nämlich nicht. Ich denke, in Deutschland wird es langfristig ähnliche Maßnahmen geben.

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