Ausbruch aus der Simulation: Junge Gamer als Drohnenpiloten gesucht

Screenshot aus einem Propagandavideo der  25. Sicheslav-Luftlandebrigade

 

Wenn man auf die Website der 25. Sicheslav-Luftlandebrigade der ukrainischen Streitkräfte geht, erfährt man, dass es sich um eine Eliteeinheit handelt und dass offenbar in erster Linie Drohnenpiloten gesucht werden. Aber es gibt auch andere Jobangebote als Panzerfahrer, Infanterist, Scharfschütze oder Aufklärungsspezialist. Und es werden auch Freiwillige aus dem Ausland gesucht, offenbar vor allem junge Menschen, die Gamer sind und daher versiert und virtuos Objekte im virtuellen sowie Drohnen im realen Raum steuern können.

Kürzlich gab es einen Propagandaartikel über die Brigade, die als Eliteeinheit an zahllosen Kämpfen beteiligt war und ihre Fertigkeiten an Ausländer weitergibt: „Schnelle Angriffe, Kampf in den Städten und Angriffe mit tiefer Durchdringung. Diese Schnelligkeit, Disziplin und Kampfkraft werden nun an internationale Freiwillige weitergegeben, die sich in den Kampf um die Ukraine einschalten.“ Es werde hart trainiert, auch im Schützengrabenkrieg, wichtig seien die Koordination in der Gruppe und vor allem die Einstellung: „Die Ausbilder bauen eine Mentalität auf, die auch unter Beschuss ruhig bleibt, instinktiv handelt und auf Überleben eingestellt ist. Diese mentale Resilienz, sagen sie, ist oft das, was solide Einheiten von toten Einheiten unterscheidet.“

Das soll offenbar Ausländer anziehen: „Jede Woche schließen sich mehr Ausländer den ukrainischen Streitkräften an. Diese Ausbildung bereitet sie auf das vor, was vor ihnen liegt: ein Krieg, der Meter für Meter und oft von Angesicht zu Angesicht geführt wird.“

Angeblich werden aber gerne Gamer gesucht, die im Drohnenkrieg wegen ihrer an Computerspielen geschulten sensomotorischen Schnelligkeit entscheidend sein sollen. Da wäre sonstige körperliche Fitness nicht entscheidend, es könnte ein Couch Potato reichen, der mit seinen Augen und Fingern Figuren oder eben Drohnen im Raum steuern kann.

Allerdings müssen den Gamern Disziplin, Gehorsam und Belastbarkeit im „Stahlgewitter“ an der Front beigebracht werden. Viele Gamer haben schon den Vorteil, dass sie kriegs- oder tötungsgeübt sind. Und auf dem Bildschirm ist ja nicht zu unterscheiden, ob sie leibhaftige Menschen töten oder virtuelle Wesen. Letztlich gesucht sind jugendliche Mörder, also auch solche junge Menschen, die endlich den thrill erleben wollen, aus relativ sicherer Position in der Realität andere Menschen jagen und im Unterschied zur Virtualität wirklich töten zu können. Der Tod oder die Irreversibilität ist die blaue Blume der Digitalen. Natürlich im Dienst der guten Sache. Das senkt die Tötungsschwelle.

Ausländer, so berichtet etwa der britische Independent, mit viel Computerspielerfahrung sollen zur ukrainischen Geheimwaffe werden. Das militärische Konzept der Ukraine ist, einen 50 km breiten Drohnenkorridor an der Front zu schaffen (Drone Line), um eine „10-15 km tiefe Todeszone zu schaffen, in der sich der Feind nicht ohne Verluste bewegen kann“. Bis zu einer Entfernung von 20 km sollen alle Kommando- und Logistikzentralen ausgeschaltet werden, ab Kilometer 15 die Artillerie, ab  Kilometer 10 jede Logistik, ab 5 Kilometer ist alles vermint und jeder Unterschlupf – verbrannte Erde – zerstört. Letztes Jahr hat die Ukraine mehr als 2 Millionen Drohnen produziert, das sollen nun 5 Millionen werden. Eine entsprechende Todeszone befindet sich auf russischer Seite, die mittlerweile auch bei der Zahl der Drohnen überlegen ist.

Hier klicken, um den Inhalt von videos.cnscdn.com anzuzeigen

Die Brutalität des von FPV-Überwachungs- und Killerdrohnen bestimmten Kriegs für die Beteiligten und die Zuschauer, die zum Voyeur werden (Video, Vorsicht noch grausamer). Drohnenpiloten des ukrainischen Bataillons „Force of Freedom“ der Nationalgarde beim Töten russischer Soldaten. Diese Wirklichkeit kennen die Gamer, die dabei mitmachen wollen. Video:  https://censor.net/en/v3551885

An der Drone Line ist die 25. Luftlandebrigade nicht beteiligt. Der Amerikaner ukrainischer Herkunft Oleg Grabovyy hat sich dem ukrainischen Militär 2022 angeschlossen und trainiert jetzt für die Brigade die ausländischen Neuankömmlinge. Der Independent, der glorifizierend, eher werbend über die Gamer berichtet, die endlich die Realität erfahren wollen, zitiert ihn: „Die Geschicklichkeit, die man mit einem Xbox-Controller erlangt, lässt sich direkt auf das Steuern von Drohnen übertragen. Der beste FPV-Pilot (First-Person-View), den ich je getroffen habe, war ein unermüdlicher Gamer.“ Angeblich kamen zu Beginn viele Ausländer, dann brach der Zufluss ab, um in letzter Zeit nach Trumps Beginn der Präsidentschaft wieder anzuschwellen. Es seien meist Menschen mit ukrainischer Abstimmung: „Sie würden sich wundern, wie viele kommen – Hunderte und Aberhunderte aus der ganzen Welt. Wir bekommen viele junge Amerikaner, 18, 19, 20 Jahre alt“, sagte Grabovvy. „Sie glauben, dass ihre Regierung die Ukraine im Stich gelassen hat.“

Die jungen Kriegswilligen müssen zunächst einen sechswöchigen Grundausbildungskurs durchlaufen, bevor sie sich als Drohnenpiloten oder anderweitig spezialisieren. Nur Gamer zu sein, reicht also nicht, wenn man an der Front eingesetzt wird und nach dem virtuellen in den realen Krieg eintritt. Der amerikanische Veteran Shawn McVey leitet den Grundkurs, in dem ukrainische und englischsprachige Rekruten gemischt werden. Soldaten müssen gedrillt werden, um unter Todesgefahr und im Lärm des Gefechts zu lernen, wie sie sich verhalten müssen und um die Tötungshemmung abzubauen. McVey: „Sie brauchen Hilfe, um die Ernsthaftigkeit von den Fantastereien und Kriegstouristen zu unterscheiden. Wir sagen den Leuten die ehrliche Wahrheit. Wenn sie nicht dafür geeignet sind, sind sie raus. Wir lehnen etwa 30 bis 50 Prozent ab.“

Es ist nicht so leicht, als Gamer in die wirkliche Welt überzutreten, die Simulation zu durchbrechen, um endlich einmal Wirklichkeit zu erfahren und die eigene Existenz zu bestätigen: Ich töte, also bin ich. Die entscheidende Eigenschaft ist die Irreversibilität, die Unumkehrbarkeit der Zeit, letztlich der Tod: die existentielle Erfahrung des Todesrisikos, die auch sonst Menschen in riskante Unternehmungen treibt, und, was am leichtesten der Krieg bietet, die Möglichkeit, Mitmenschen zu töten, ohne dafür belangt zu werden und bestenfalls als Held geehrt zu werden.

Ähnliche Beiträge:

9 Kommentare

  1. Sie werden sich bald als Infanteristen wiedersehen, was auch der Sinn derartigen Rekrutierungen ist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Drohnen vollautomatisch fliegen und angreifen können, Drohnenpiloten werden dann nicht mehr gebraucht.

    1. Da glaubt sich jemand auszukennen. Woher nehmen Sie ihre Expertise, oder ist das nur der Wunsch Vater des Gedankens.
      So wird es wohl sein.

    2. Die First-Person-View Piloten sterben wie Fliegen es sind die berühmten Pappbecher innerhalb der 5000 Meter Kontaktzone die hocken da in irgendwelchen Unterständen die meistens auch zu Heldengräbern werden.

  2. Kalsarikännit ist hier voll zuzustimmen. Gerade ukrainische Drohnenpiloten sterben wie die Fliegen. Ich bin jetzt zu faul, den Beitrag (Frontbericht) aus einem ukrainischen Milblog rauszukramen, aber die schreiben genau das: die Beobachtung durch gegnerische Helikopter, Flugzeuge und Drohnen wird immer lückenloser, die Reaktionszeiten verkürzen sich auf Minuten. Wer eine Drohne gestartet hat, tut gut daran, zu rennen, auch wenn das gegen sich ständig verbessernde elektronische Aufklärung auch nicht hilft. Angriffe erfolgen mit Artillerie (gelenkte Krasnopol), LMUR-Raketen, auf grosse Ansammlungen thermobarischen Raketen (TOS1/2), Iskander und KAB-Lenkbomben, Ladungen werfenden und FTP-Drohnen. Die Halbwertszeit von Drohnenpiloten dürfte unter einer Woche liegen.

    Herr Rötzer hätte gegenüber solcher Anwerbe-PR durchaus etwas kritischer sein können. So ist das Beihilfe zum Abschlachten dummer junger Menschen.

  3. Kurz zu xblob: Ganz abwegig ist das nicht, da auch Spezialisten der Luftabwehr, des Sanitätswesens, der Pioniere, der Artillerie etc. in den Fleischwolf geworfen werden, zu Zehntausenden. Ein NAFO-Vollidiot wie Hautono ist sich zu fein, innerukrainische Debatten (im Rahmen des dort Erlaubten) zu verfolgen. Die AFU ist in einem Prozess der Selbstkannibalisierung, dass da „Drohnenfreiwillige“ besser behandelt würden als andere Söldner, ist eher zweifelhaft.

    Nicht, dass es ihnen als Drohnenpiloten besser ginge. Knapp Postpubertäre und Incels machen sich keine Vorstellung von dem Leben (so man es so nennen kann) in Gräben, Unterständen, mit Scheisse, Leichen, Ratten, ständigem Artilleriefeuer.

    Die PR-Kampagne westlicher Medien zur Anwerbung von Gamern ist eine Riesensauerei. Die Verantwortlichen verdienen, unter einen massiven Solnstepjok-Schlag zu geraten (oder an den Rand davon, dass sie was vom Gegrilltwerden haben). Ok, fruchtloser frommer Wunsch, das Grauen der Front bleibt den armen Schweinen vorbehalten.

    1. „Nicht, dass es ihnen als Drohnenpiloten besser ginge. Knapp Postpubertäre und Incels machen sich keine Vorstellung von dem Leben (so man es so nennen kann) in Gräben, Unterständen, mit Scheisse, Leichen, Ratten, ständigem Artilleriefeuer.“

      Es ist halt nicht wie im warmen Wohn- oder Kinderzimmer vor dem Computer zu sitzen und Ballerspiele zu spielen-
      An der Front werden sie eher zu Gejagten.

  4. aus relativ sicherer Position

    wenn es eine relativ sichere Position wäre müsste man nicht Drohnenpiloten im Ausland rekrutieren. Der Drohnenpilot befindet sich in der Regeln in unmittelbarer Nähe des Einsatzortes in Reichweite von Artillerie und gegnerischer Drohnen.

    1. Dann vernetzen wir unsere Gamer eben mit den ukrainischen Drohnenschwärmen. Das kann kann ja wohl nicht so schwer sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert