Assange als Blaupause für den in Polen inhaftierten Reporter Pablo González?

Wichtige nationale und internationale Journalistenverbände sowie die großen Gewerkschaften im spanischen Staat haben vor dem polnischen Konsulat in Madrid die Freilassung des baskischen Journalisten gefordert, der seit genau zwei Jahren und vier Monaten ohne Anklage als angeblicher Spion Russlands in polnischer Isolationshaft sitzt. Soll auch er weichgekocht werden, damit er eine Spionage zugibt?

Dieser Mittwoch war ein Tag wichtiger Nachrichten für den Journalismus. Es war der Tag, an dem der WikiLeaks-Gründer nach insgesamt 12 Jahren endlich wieder in Freiheit ist. Seine Frau Stella Assange twitterte per X nach seiner Ankunft in der australischen Heimat nur ein Wort: „Home“. Ein Bild zeigt, wie sie ihren Mann bei der Ankunft endlich umarmen konnte. Es war aber auch der Tag, an dem der Prozess gegen den Wall Street-Journalisten Evan Gershkovich in Russland begonnen hat. Seit 15 Monaten ist er in Russland als angeblicher Spion inhaftiert und auch über diesen Vorgang wird allseits auch in großen Medien in Deutschland berichtet.

Ganz anders stellt sich der Fall des baskischen Journalisten Pablo González dar. Dass in der spanischen Hauptstadt Madrid etwa 100 Kolleginnen und Kollegen dem Aufruf von bedeutenden nationalen und internationalen Journalistenorganisationen gefolgt sind, um vor dem polnischen Konsulat dessen Freilassung zu fordern, darüber herrscht in Medien in Europa und Deutschland weiter ein vielsagendes Schweigen. Auf die entlarvende Doppelmoral im Vergleich zu Gerschkowitz hatte Overton schon vor gut einem Jahr hingewiesen.

Daran hat sich nichts geändert, obwohl der Baske nun schon 2 Jahre und vier Monaten, also 850 Tage, in einem polnischen Gefängnis in Isolationshaft sitzt, ohne dass Anklage gegen ihn erhoben wird. Seither wird „geheim“ ermittelt und nach Angaben des spanischen Vertrauensanwalt werden die Vorgänge in die Länge gezogen, wie Gonzalo Boye gegenüber Overton erklärt hatte. So wurde einfache Fragen, warum der Baske zum Beispiel über einen spanischen und russischem Pass verfügt, lange Zeit nicht geklärt. Boye beklagt „langsame, sehr langsame Ermittlungen“.

So wurde von den Organisatoren des Protests am Mittwoch ein gemeinsames Manifest vor dem polnischen Konsulat verlesen. Das haben neben der Europäische Journalisten Föderation (IFJ-EFJ) auch die Reporter ohne Grenzen (RSF) oder die Föderation spanischer Journalistenorganisationen sowie auch großen baskischen und spanischen Gewerkschaften unterstützt. Die IFJ-EFJ hatte vor einem Monat auf ihrer Jahrestagung eine Resolution verabschiedet, um die „sofortige Freilassung“ von González zu fordern: „Es ist nicht hinnehmbar, dass in einem Land der Europäischen Union ein Journalist unter absoluter Unklarheit über die genauen Anschuldigungen gegen ihn sich seit 27 Monaten in Isolationshaft befindet.“

Eigentlich sollte das gemeinsame Manifest dem polnischen Konsul übergeben werden, doch es wurde nicht einmal vom Konsulatspersonal in Empfang genommen. Den versammelten Journalisten wurde bestellt, „wir sollten sie in den Briefkasten werfen“, erklärte die Präsidentin der baskischen Journalistenvereinigung Amaia Goikoetxea eine vollständige Ignoranz gegenüber den Medienvertretern. Die forderten, dass González, der im Februar 2022 über die ukrainischen Flüchtlinge für diverse Medien aus dem Grenzgebiet berichtete, endlich einen „gerechten Prozess mit Beweisen“ erhält. Den solle er in Freiheit erwarten dürfen.

Von der spanischen Regierung wurde gefordert, sich endlich für den Journalisten einzusetzen. Die Regierung aus Sozialdemokraten und der Linkskoalition Sumar hält sich aber vornehm zurück. Bei einem Besuch 2022 in Warschau hatte der sozialdemokratische Ministerpräsident Pedro Sánchez sogar „Respekt“ vor dem polnischen Justizsystem gefordert. Dabei hatte zuvor sogar die EU-Kommission längst ein Rechtsstaatsverfahren wegen den Problemen in der Justiz eingeleitet. Das wurde nun nach Versprechen der neuen Regierung aber eingestellt. Dabei zeigt allein der Fall González deutlich, dass es in dem Land enorme Defizite gibt.

Gefordert wurde in Madrid auch, dass endlich die Isolation aufgehoben wird, der Journalist regelmäßige Besuche erhalten und auch mit seinen Kindern telefonieren kann. Beklagt wird, dass er in 850 Tagen nur drei Besuche von seiner baskischen Frau Oihana Goiriena erhalten durfte. Sogar seinem Anwalt Boye wurde ein Jahr jeder Kontakt zu seinem Mandanten verweigert. In dem Manifest wurde auch darauf hingewiesen, dass er nur eine Stunde Hofgang hat und auch eine schriftliche Kommunikation nur mit langer Verspätung möglich ist.

Boye hatte schon frühzeitig vermutet, dass man den Journalisten mit harten Maßnahmen „weichkochen“ will, dass er irgendetwas zugibt. Angeblich soll er für Russland spioniert haben. Dass aber keinerlei Beweis für die schweren Vorwürfe vorgelegt werden konnte, spricht für Boye für sich. Der hat keinen Zweifel daran, dass Polen versucht, „den Willen“ seines Mandanten mit den harten Bedingungen zu brechen.

Er glaubt, González solle die angebliche Spionage zugeben, die es aber nie gegeben habe. Wenn es Belege dafür gäbe, hätte Polen „die längst vorgezeigt“, meint Boye. Polen habe sich in eine Sackgasse manövriert und wisse keinen Ausweg. So ähnlich hatte das Piotr Niemczyk, Ex-Direktor eines polnischen Geheimdienstes ausgedrückt und sich über seine Kollegen lustig gemacht. „Kein russischer Spion, getarnt als Journalist, würde sich erlauben, zwei Pässe und Kreditkarten des Landes mit sich zu führen, für das er spioniert“, plaudert der Experte aus dem Nähkästchen. „Kein operatives Verfahren der Welt lässt dies zu.“

Die Einschätzung von Boye drängt sich nach fast zweieinhalb Jahren und dem widersprüchlichen Vorgang um die Freilassung von Assange geradezu auf. Nach sieben Jahren eingeschlossen in der Botschaft Ecuadors in London und nach fünf Jahren in Untersuchungshaft im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh hat Assange einen „Verstoß gegen das Spionagegesetz“ in den USA eingeräumt. Er habe als Journalist seine „Insider ermutigt, mir Informationen zu geben, die als geheim galten, um sie zu veröffentlichen“. Allerdings fügte er hinzu, dass er dachte, dass er dafür durch den ersten Verfassungszusatzdiese geschützt sei.

Er musste also einer Art Erpressung nachgeben, um über einen Deal endlich freizukommen und der Gefahr einer Auslieferung an die USA und einer möglichen lebenslänglichen Haftstrafe zu entgehen. So wurde er zu den fünf Jahren Haft verurteilt, die er in Großbritannien schon abgesessen hat, damit einige ihr Gesicht angesichts eines unglaublichen Vorgehens gegen die Pressefreiheit wahren können. Schließlich hatte er nichts anderes getan, als US-Kriegsverbrechen aufzudecken.

So könnte genau dieser Vorgang die Blaupause für Polen zur Lösung des Problems mit dem baskischen Journalisten sein. Dafür ist auch dienlich, dass man Menschen in diesem EU-Land „unbegrenzt“ inhaftieren kann. So weist Boye Anwalt immer wieder auf die „besorgniserregende“ Tatsache hin, dass „das polnische Recht keine Obergrenze für die Dauer der Untersuchungshaft“ kennt. Es ist die „größte Sorge“ der Verteidiger, dass die Haft sehr lange dauern könne, da man Menschen in diesem EU-Land „unbegrenzt“ inhaftieren könne.

Ähnliche Beiträge:

24 Kommentare

  1. Von Gonzalo Lira spricht auch kein Mensch mehr. Obwohl US-Staatsbürger ließ man ihn in einem ukrainischen Knast verotten oder zu Tode foltern.

        1. Ein Typ, an den der Secretary of State Anthony Blinken garantiert nicht gedacht hat, als er Neil Youngs „Keep on Rockin’ in a Free World“ neulich in einem Kiewer Nazi-Treff zum Vortrage brachte.

    1. Gonzalo Lira starb an einer Lungenentzündung, die er sich in ukrainischer Haft zugezogen hat und die nicht behandelt wurde.
      Wäre so was mit Nawalny in Russland passiert, wäre es ein Riesenskandal gewesen.

      1. Überall wo die USA ihre dreckigen Finger im Spiel hat, wird der
        wirkliche Jounalismus zur Farce und investigative Journalisten
        zur Zielscheibe für “Diszilinarmaßnahmen”. Das erwischt aber
        nicht nur Journalisten, wie man an Ballwege bei uns in Deutschland
        gesehen hat.

    1. Unschuldige bekennen sich schuldig, und der Rechtsstaat hat Recht behalten, wie im Mittelalter beim Autodafé und wer nicht Kooppiert, der so lange Schlecht behandelt bis jeder Widerstand gebrochen ist. Das Subjekt wird anschließend Rehabilitiert und bedankt sich am Ende für die großzügige Hilfe! Totalitäre Systeme nennen das Gehirnwäsche.

  2. Assange 2.0
    Nur darf der Mann nicht darauf hoffen, dass sich die Spanier für einen Basken einsetzen.
    Danke für die Berichte, macht ja sonst niemand.

  3. Ist Polen jetzt wieder stalinistisch? Ich dachte die gehören zu EU. Somit hat die EU und das Parlament Mitschuld an der Missachtung der Menschenrechte!

    1. Polen hatte sich doch auch freiwillig an diesem Entfuehr-Folter-Mord Programm der CIA im war on terror beteiligt.
      Vermutlich auch noch mit alten Nazi-Folterhandbuechern ausm WWII … frage mich, wann die sich ihr Sueck ausm Ukraine-Kuchen rausschnippeln.
      Was machen dann die Ukronazis? Wieder in Muenchen inne WG?

  4. Versteht Ihr denn nicht: “Wir” leben im besten Europa aller Zeiten wo Demokratie & Recht regieren!
    Ironie aus!
    Alle paktieren mit Allen, um die auch die letzten Reste der derzeit so oft beschworenen Demokratie zu zerstören und gut dotierte Posten zu behalten! Und die Völker schauen Fußball …! …
    MfG KB

  5. Im “Deutschen Rechtsstaat” kann die Polizei einen “Gefährder” in Ewigkeitsgewahrsam nehmen. Eine Anklage oder ein Vergehen ist nicht dazu notwendig.

  6. “Es ist die „größte Sorge“ der Verteidiger, dass die Haft sehr lange dauern könne, da man Menschen in diesem EU-Land „unbegrenzt“ inhaftieren könne.”

    Dieser Umstand sagt nun alles, was man über unsere Werte, die Polen ja auch vertritt, wissen muss. Aus meiner Sicht ist ein Land wie Polen kein Rechtsstaat.

      1. Dafür funktioniert Polen als Agrarproduzent noch ganz gut. Irgendwo müssen die Nahungsmittel noch herkommen, wenn nicht vo der Front.

  7. “Er musste also einer Art Erpressung nachgeben, um über einen Deal endlich freizukommen und der Gefahr einer Auslieferung an die USA und einer möglichen lebenslänglichen Haftstrafe zu entgehen. So wurde er zu den fünf Jahren Haft verurteilt, die er in Großbritannien schon abgesessen hat, damit einige ihr Gesicht angesichts eines unglaublichen Vorgehens gegen die Pressefreiheit wahren können. Schließlich hatte er nichts anderes getan, als US-Kriegsverbrechen aufzudecken.”

    Ich dachte immer, Richter in den USA seinen frei in ihrem Urteil. Scheinbar gibt es aber Kungelurteile, die schon vor Prozessbeginn von weiser Hand und mit großer Achtsamkeit festgelegt werden. Fast so wie in Russland.

  8. “Er musste also einer Art Erpressung nachgeben, um über einen Deal endlich freizukommen…”

    Nils Melzer, der Sonderberichterstatter über Folter des Menschenrechtsrats der UN, hat dieser ganz konkreten “Art Erpressung” noch während seiner Amtszeit einen unmissverständlichen Namen gegeben: Folter!

  9. Die Blütenreine weiße Weste des Westens hat da noch ein paar Flecken, doch Persil, Ariel und Co. machen das schon, umweltfreundlich und Klimaneutral und nachhaltig, versteht sich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert