Argentinien: Beginnt am Montag das Gemetzel?

Milei verkündet das Ende des Cepo. Screenshot von YouTube-Video der Cadena Nacional del Presidente

 

Am Freitagabend, nach Schließung der Wechselstuben, gab die argentinische Regierung bekannt, endlich den „cepo“, die Beschränkungen für den Dollarkauf und den offiziellen Wechselkurs des Peso aufzugeben. Künftig wolle man den (offiziellen) Peso in einer Bandbreite zwischen 1000 und 1400 floaten lassen, also den Markt entscheiden lassen.

Präsident Javier Milei feierte dies als großen Sieg und eine wahre Befreiung, haben doch alle Gelehrten des Neoliberalismus dieses schrankenlose Floaten als Grundlage ihres freien Wirtschaftsmodells vorgeschrieben. Die Getreideexporteure begrüßten diese Maßnahme ebenso wie der Internationale Währungsfonds IWF, der am Montag die erste Tranche (12 Milliarden Dollar) des bereits bewilligten 20 Milliarden-Dollar-Kredits überweisen wird: „zur freien Verfügung“, wie verlautete. Die Opposition und die meisten Ökonomen sind entsetzt und sprechen von einer „verschleierten Abwertung von 30 Prozent“ und einem „wahren Gemetzel“. Das werde nicht nur die Inflation, sondern auch die Armut in die Höhe treiben. Sie malen einen „schwarzen Montag“ an die Wand, wenn am 14. April um 10 Uhr die Wechselstuben und Banken öffnen. Historiker erinnern an zwei ähnliche Katastrophen, an den Februar 1989, als die Finanzmärkte durch gezielte Spekulationen eine Hyperinflation auslösten und damit Präsident Raúl Alfonsín stürzten, und an die Zahlungsunfähigkeit 2001/2002, die (bisher) tiefste Wirtschaftskrise Argentiniens.

Milei war mit dem Versprechen angetreten, das Land zu dollarisieren und die Wechselkurse freizugeben, neoliberale Weisheiten aus den Lehrbüchern Milton Friedmans. Er genehmigte per Dekret, in Zukunft Verträge in ausländischer Währung abzuschließen, und inzwischen werden neue Mietverträge in Dollars abgeschlossen, aber eine Freigabe des Wechselkurses schien zu riskant. Schließlich wollte er die astronomische Inflation der peronistischen Vorgängerregierung reduzieren, und dafür musste er den Konsum einschränken und den Peso künstlich aufwerten. Das machte zwar argentinische Produkte auf dem Weltmarkt viel zu teuer und nicht mehr konkurrenzfähig, der Tourismus brach angesichts der Mondpreise ein, und Getreide-Exporteure weigerten sich, ihre Devisen-Einnahmen über die Zentralbank in Buenos Aires abzurechnen. Außerdem ließ sich nicht einmal die Inflation davon beeindruckten, da nun eben die Preise in Dollars stiegen. Im März dieses Jahres war die Inflation auf 3,7 % geklettert, wohlgemerkt, im Monat. Und auch der IWF drängte auf einen realistischen Wechselkurs.

Nun gibt es, nicht erst seit Mileis Amtsantritt im Dezember 2023, verschiedene Kurse für den Peso, die beiden wichtigsten sind der offizielle, der im Moment (noch) bei 1097,50 für einen Dollar liegt, sowie der „Blue“, der Schwarzmarktpreis, wo pro Greenback 1375 Pesos gezahlt werden. Dank dieser Differenz nutzen Schlitzohre die lukrative Möglichkeit, bei einer staatlichen Bank billige Dollars zu erwerben, die Straße zu überqueren und beim „Arbolito“ (Geldwechsler) teuer zu verkaufen. Aus diesem Grund schränkte die Regierung das Recht auf den Erwerb von Dollars zum offiziellen Kurs auf 200 US$ pro natürliche Person ein. Das wurde „cepo“ genannt, laut Wörterbuch: Fangeisen, Fußangel, Bremsklotz, Hemmschuh. Doch wer einen legalen Job hatte, machte natürlich von dieser Möglichkeit Gebrauch, was zu einem massiven Abfluss öffentlicher Gelder führte. Die Zentralbank verlor Milliarden auf diese Weise, die theoretisch in Infrastruktur hätten investiert werden können. Dieses Kapital wurde praktisch verbrannt. Ein Ende war absehbar, und Milei bettelte schon seit Monaten beim IWF um einen neuen Kredit, um den Peso zu stützen, d.h. um weiterhin Geld verbrennen zu können.

Ob sich Trump oder Musk, wie Milei hoffte, für ihn beim IWF einsetzten, darf bezweifelt werden. Auch wenn sich der rechtsextreme Anarcho-Kapitalist als ihr bedingungsloser „Freund“ darstellt, von den neuen Zöllen ist Argentinien genauso betroffen wie alle anderen Länder auch, es gibt keine Ausnahme für Rindfleisch aus der Pampa.

Am Freitagabend verbreitete Milei in seiner TV-Ansprache Optimismus und drohte zugleich „neue Kürzungen“ an, „falls es externe Störungen“ gebe:

„Die Neuordnung unserer Makro-Ökonomie ist abgeschlossen. Wir sind vom schlechtesten Schüler zum Vorzeige-Schüler geworden. Mit der Entscheidung des IWF wird zum ersten Mal keine ungeordnete Volkswirtschaft finanziert, sondern ein erfolgreicher Plan unterstützt“.

Ab Montag wird also der „cepo“ nicht mehr gelten, aber ob dann wirklich alle Bürger unbegrenzt Dollars zum offiziellen Kurs erwerben können, ist unwahrscheinlich; auch ein digitaler Erwerb scheint ausgeschlossen. Es steht noch in den Sternen, mit welchem Wert der Handel am Montagmorgen beginnen wird. Die Regierung hat angekündigt, den offiziellen Kurs bis zu 1400 Pesos steigen zu lassen, ohne einzugreifen und die Finanzreserven bzw. den neuen IWF-Kredit anzutasten. 1400 Pesos ist praktisch der Schwarzmarktkurs, den Milei damit legalisiert. Das ist nichts anderes als eine Abwertung, nur, dass er es so nicht nennt. Denn jeder Schuljunge weiß, dass Abwertung Kaufkraftverlust und Inflation bedeutet, die Mieten müssen in teuren Dollars gezahlt werden, aber die Löhne werden in nationaler Währung gezahlt.

Und völlig unvorhersehbar ist, ob sich diese Abwertung steuern und stoppen lassen wird. Wenn einmal der Run beginnt, wird es schwierig sein, ihn aufzuhalten. Vor allem, weil auch ein Peso zum Kurs von 1400 immer noch extrem überbewertet wäre, also das eigentliche Problem keinesfalls aus dem Weg geräumt ist.

Und ob die 12 Milliarden US$, die Washington am Montag überweisen wird, ausreichen, eine neue Spirale der Spekulation zu begrenzen, darf ebenfalls bezweifelt werden. Die historische Erfahrung der Argentinier ist, dass man in dieser Situation retten muss, was noch zu retten ist. Und dann wird der Peso kaum bei 1400 zu halten sein, sondern möglicherweise weit über das Doppelte steigen, was ungefähr seiner realen Kaufkraft entspräche.

Allerdings steht die Frage im Raum, wieso der IWF diesen neuen Kredit überhaupt bewilligt hat, denn er wird, wie bereits die Reserven der Zentralbank, nur der Geldverbrennung dienen. Fest steht, dass die Supermärkte am Montagmorgen die Preise ihrer Waren neu auszeichnen werden. Beginnt dann das Gemetzel?

 

 


Siehe auch von Gaby Weber: Milei und die Narcos – Drogenboom dank Kettensäge

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Artikel zur Kontokündigung: De-Banking oder: die Rache der Bundesbank?

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42 Kommentare

  1. Das ist am Dienstag den 08.04.2025 in Gaza passiert:

    https://vimeo.com/1075041184

    Bei einem Angriff auf ein Wohngebäude wurden 11 Menschen aus einer Familie getötet.
    Die Wasserzufuhr wurde eingestellt. Den Palästinensern stehen nun 70% weniger Trinkwasser zur Verfügung.

    Länge: 0:30 Minuten
    Sie können den Link gerne rumschicken, wenn Sie möchten.

    1. Habe gerade bei RT gelesen, dass Israel mit Raketen das letzte noch funktionierende
      Krankenhaus in Gaza zerstört hat. Die Israelis sind Monster, anders kann mann sie
      leider nicht mehr bezeichnen.

      1. 22 von ehemals 36 Krankenhäusern sind teilweise wieder aufgebaut und können wieder Notdienste anbieten(besser als nix]. Quelle: auch RT. beruft sich auf Al Jazeera.

      2. @ Träumer
        „Die Israelis sind Monster“

        Du meinst sicher die Regierung! Du siehst dich ja auch nicht als Dummchen, nur weil unsere Regierung voll von denen ist, oder?

        1. Gebe ja zum Teil Recht. Aber nicht die Regierung schießt auf Frauen, Kinder
          und Männer und töten sogar die Haustiere, sondern Israelis, die sich als
          Soldaten verkleiden. Sie befolgen nicht nur den Befehlen, sondern sie
          machen das ganz freiwillig. Das wird dann von einem Großteil der Bevölkerung auch noch bejubelt. Einfach einmal Videos der Israelischen
          Soldaten ansehen, in denen sie sich über die Menschen auch noch
          lustig machen die sie gerade abgeschlachtet haben. Ich bejuble keinen von diesen Schwachmaten die vorgeben unsere Politiker zu sein. Ich lasse mit auch nichts in die Adern jagen, nur weil ein paar Pfeifen sagen wir haben
          eine Plandemie!

  2. Wie immer danke an Gaby Weber für den sehr kenntnisreichen Artikel. Natürlich hat der IWF Interesse daran, Argentinien in neue, stärkere Abhängigkeiten von ihm zu bringen.

  3. Milei macht vieles richtig.
    Um den parasitären Beamtenstaat zu schleifen, kann keine Maßnahme zu verrückt oder zu radikal sein.
    Das kommt hier auch noch und das ist keine Frage des Wollens. Es kommt zwangsläufig, aus finanzmathematischen Gründen.

          1. Unsere Nick´s sind doch harmlos. Das Ihr Namensgeber schon damals mit der Erderwärmung Pech hatte, war doch schade. Das Fliegen hätte sich doch ökologisch von Vorteil entwickelt, wenn wir uns einfach nur Flügel anschnallen müßten um los zu flattern.

    1. @Harri Kiri

      wer diesen Psycho lobt, ist nicht mehr zu helfen….

      Das kommt hier auch noch und das ist keine Frage des Wollens. Es kommt zwangsläufig, aus finanzmathematischen Gründen.

      So? Lassen Sie besser die Finger von Zauberpilzen…

  4. Gaby Weber bohrt mal wieder sehr in die Tiefe. Danke dafür.

    Ist es nicht beschämend, das ihr Konto gesperrt wurde?
    keiner geht für Meinungsfreiheit auf die Strasse, die Bahnsteigkarte ist halt zu teuer und auf den Wiesen steht ein „Betreten verboten“ Schild. So geht Diktatur ähm Demokratie.
    Einfach mal Gaby Weber und Kontensperrung googeln. Sie ist da auch nicht die Erste.

    Ein Hoch auf die wertewestliche Meinungsfreiheit und deren Verteidiger.
    wer beim letzten Satz Zynismus findet, darf ihn behalten. Es war ja nur Ironie….

    1. Die neueste Sprachregelung ist „unsere Demokratie“. Klingt für mich persönlich mehr nach deren „Demokratie“. So wie in der deutschen demokratischen Republik auch immer alles ganz demokratisch war in der Diktatur des Proletariates.

  5. Ein dankeschön an die Redaktion und Gaby Weber für ihre Arbeit und das dieses Magazin,
    TROTZ ALLER MISEREN UM PERSONEN, Ihre Position veröffentlicht.!!!
    Aus meiner persönlichen Sicht, Argentinien, wie diverse andere Staaten wurden zu 100% vergewaltigt und agieren nicht im demokratischen „Sinn“, wie häufig beschrieben.
    Die simulierte Demokratie gehört zur Diskussion, dieser Kettensägenmann und alle anderen Darsteller der Simulation, gehören vom Unterbau, genannt Gesellschaft, auf das Podium, über ihre Qualifikation und Integrität!
    Das geschieht nicht, da das Publikum, besorgt ist, um ihren Ego zu versorgen.
    Natürlich,in der Hoffnung man kommt nicht kürzer an, wofür man bezahlt

    Hier schreibe ich ganz offen, IHR IDIOTEN HABT NICHT BEHRIFFEN, wofür eure Leistung missbtaucht wird. „Die Idioten laufen ständig hinter Ideologien hinterher““…,Anstatt endlich ihr Hirn zu benutzen….
    Gut Glück und ein Wohl auf Gaby Weber!
    MfG

  6. Danke für den Artikel. Was man in der Presse liest, ist äußerst schwammig. Hier präzis erklärt.

    Insgesamt wurden dem Land jetzt ein Kredit in Höhe von 40 Milliarden gewährt, nachdem es schon zuvor 63 Milliarden bekommen hat. Damit ließe sich normal eine ziemliche Konjunktur befeuern. Aber eben nicht im Rahmen von Mileis Rosskur, die letztes Jahr ein Minuswachstum von 3,5 Prozent eingebracht hat. Der Kerl baut nur Mist.
    IWF und Weltbank machen das seit Kriegsende. Ein stark verschuldetes Land wird vor dem Staatsbankrott gerettet, indem der Abbau aller Sozialleistungen gefordert wird. Kompromisslose Durchsetzung der Rechte der Schuldner unter Inkaufnahme der totalen Veramung der Bevölkerung. Mit dem Kredit soll Milei zum Erfolgsmodell gemacht werden, sodass die Dummen in anderen Ländern ebenfalls so eine Regierung wählen, die sie entmachtet und verarmt. Mit meinem Steuergeld natürlich.
    Diejenigen, die sich hier über eingeschränkte Meinungsfreiheit beklagen, sollen doch mal nach Argentinien schauen. Versammlungsrecht, freie Meinungsäußerung, das alles ist weg. Mileis Partei hat nun einen bewaffneten Arm, heißt das staatliche Gewaltmonopol gibt es auch nicht mehr.

    DAS, genau das, wählt ihr, wenn ihr AfD wählt.

    1. @Artur_C: „Diejenigen, die sich hier über eingeschränkte Meinungsfreiheit beklagen, sollen doch mal nach Argentinien schauen.“
      Na ja, ziemlich erbärmliches Argument. Erinnert an die Diskussionskultur speziell in den 1970er und 80er Jahren hierzulande: „Dann geh‘ doch nach drüben!“

      Und dass die AfD eine Scheiß-Partei und Milei ein durchgeknallter, turbokapitalistischer Horrorclown ist, wird dadurch in keiner Weise relativiert.

      1. Moment, diese Rechtspopulisten werben mit der Freiheit, die sie wieder herstellen werden. Kaum an der Macht ist es damit vorbei. Genau deswegen muss man sich das anschauen. Diese Sorte ist weltweit dieselbe.

    2. Artur_C: Genau das haben wir bekommen, weil wieder die deutschen Vollpfosten die CDU/CSU, die SPD und die Grünen gewählt haben. Noch nicht mitbekommen, dass Mr. Blackrock noch viel stärker mit dem Vorschlaghammer auf den Sozialstaat einprügeln will wie Milei?

      1. Es liegt mir fern, Baerbock zu verteidigen. Aber ihr diesbezüglich den Milei-Kurs zu unterstellen, ist dann doch voll daneben. Völlige Falschgewichtung von rechts.

      2. Linkspartei haben Sie vergessen, die links tut aber genauso mit den neoliberalen Wölfen heult.

        Das sehr kanppe scheitern und Versagen der Nachzählung der Wagenknechtpartei müffelt auch etwas verdächtig, weil eine weitere Fraktion die schöne Blackrot-Koalition unmöglich gemacht hätte.

  7. Gaby Weber ist unter den Südamerika-Berichterstatterinnen das absolut informativste, was in das Gehirn eines verängstigten Lohnsklaven einsickern kann. Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender haben sich selbst einen Bärendienst erwiesen, diese hochehrenwerte Person zu mobben, bashen, blamen, disliken, bullymaken, rauszuschmeißen, weil sie die Einzige ist, die in Schlumpfhausen noch objektiv aus dem Hinterhof Amerikas berichtet. In der Ferne, so nah!

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