Anschläge auf Nord Stream-Pipeline: Polen will offenbar Auslieferung von Wolodymyr S. verhindern

KI-generiertes „realistisches“ Bild (DALL-E), das eine „beschädigte Gaspipeline nach einer Explosion zeigt – inspiriert von der Nord Stream Pipeline“. Sonderlich realistisch ist es allerdings nicht.

Polen hat am 30. September Volodymyr Zhuravlov (Wolodymyr  Schurawlew) aufgrund eines von der Bundesanwaltschaft bereits im Juni 2024 ausgestellten Europäischen Haftbefehls festgenommen. Er wird verdächtigt, als Taucher an den Anschlägen auf Nord Stream beteiligt gewesen zu sein und wird des gemeinschaftlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, der verfassungsfeindlichen Sabotage und der Zerstörung von Bauwerken beschuldigt. Er soll Teil des siebenköpfigen Teams sein, das von der Yacht Andromeda angeblich die Anschläge durchgeführt hat. Über die Auftraggeber gibt es offiziell keine Informationen, auch nicht darüber, wie realistisch das Andromeda-Szenario ist. Selbst im NDR gab es kürzlich einen kritischen Bericht. Vermutet wird von Skeptikern, die Andromeda-Geschichte sei eine Deckgeschichte, um von den eigentlichen Tätern abzulenken.

Die Bundesanwaltschaft hatte gegen Schurawlew schon letztes Jahr einen Europäischen Haftbefehl ausgestellt und diesen den polnischen Behörden übermittelt, da der Verdächtige in Polen lebte. Dort wurde der Haftbefehl aber liegen gelassen, während S. wohl einen Wink erhielt und ohne Probleme in einem Fahrzeug der ukrainischen Botschaft aus Polen ausreisen und sich in die Ukraine flüchten konnte. Die Polizei fand ihn dann nicht mehr vor und wusch ihre Hände in Unschuld. Unbekannt ist, ob Deutschland auf die ukrainische Regierung Druck ausübte, den Verdächtigen zu überstellen. Vermutlich nicht, denn Kiew streitet jede Beteiligung an den Anschlägen ab.

Polen tritt jedenfalls als eine Art Komplize der Täter auf (Spielt Polen eine Rolle bei den Anschlägen auf die Nord Stream-Pipelines?) Regierungschef Tusk hatte schon in einem offiziellen Tweet die damalige Bundesregierung aufgefordert, die Täter nicht zu verfolgen, sich zu entschuldigen und zu schweigen. Jetzt soll nach „Rzeczpospolita“ Außenminister Radosław Sikorski in Gesprächen gesagt haben, „dass er bereit sei, Wolodymyr S. in unserem Land Asyl zu gewähren und ihm einen Orden zu verleihen“.

Daher war schon verwunderlich, dass nun S. in Polen festgesetzt wurde, nachdem man ihm schon einmal zur Flucht verholfen hat. Möglicherweise war er zu dreist, die Verpflichtungen der polnischen Sicherheitsbehörden herauszufordern, indem er wieder in die polnische Stadt Pruszków in der Nähe von Warschau zurückgekehrt war, wo er auch letztes Jahr wohnhaft war.

Die polnische Staatsanwaltschaft hat angeordnet, den Verdächtigen sieben Tage lang in Haft zu nehmen, damit die relevanten Dokumente der Bundesanwaltschaft ins Polnische übersetzten werden können. S. streitet ab, an den Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Sein Verteidiger Tymoteusz Paprocki lehnt eine Auslieferung an Deutschland ab. Sein Mandant habe schon 3,5 Jahre in Polen gelebt und in der EU keine Straftaten begangen. Paprocki betonte, der Fall habe wahrscheinlich eine politische Dimension. „Kein ukrainischer Bürger, der der Zerstörung kritischer Infrastruktur und der Verfassungssabotage zugunsten Deutschlands beschuldigt wird, weil er die Infrastruktur zwischen Deutschland und Russland zerstört hat, sollte dafür innerhalb der EU strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden“, so der Anwalt.

Er bestritt nicht, dass S. letztes Jahr der Verhaftung entging: „Ich verstehe nicht, warum den Aktionen des vergangenen Jahres Bedeutung beigemessen wurde, denn kein polnischer Staatsbürger oder in Polen wohnhafte Person ist verpflichtet, an jedem Tag, an dem die Polizei eine Aktion durchführt, zu Hause zu sein.“ S. sei danach wieder nach Polen zurückgekehrt, aber es habe ihn niemand angewiesen, sich zu melden. Zudem sagt er: „Mein Mandant hat Polen nicht verlassen. Angaben zu seiner Ausreise in die Ukraine werden durch die Unterlagen zu seinem Aufenthalt nicht bestätigt.“

Die polnische Staatsanwaltschaft erklärt, sie habe die Dokumente erhalten, beantragt aber eine Verlängerung der Untersuchungshaft auf 100 Tage. Dann soll erst entschieden werden, ob er ausgeliefert wird. Man will offenbar Zeit schinden. „Es gibt absolut keinen Grund, die Auslieferung von Wolodymyr S. … an Deutschland zu überstürzen“, sagte Tomasz Siemoniak, Ministerkoordinator für Geheimdienste. Die Angelegenheit sei „äußerst ernst“ und müsse deswegen gründlich untersucht werden: „Ich vertraue auf die Weisheit der Richter, ihre sorgfältige Beurteilung der Situation und ihre Weigerung, unter medialem oder politischem Druck zu handeln.“ Das klingt danach, dass er in Polen bleiben soll.

Und Marcin Przydacz, Leiter des Präsidialbüros für internationale Politik, betonte, es gebe zwar rechtliche Verpflichtungen, aber der polnische Staat könne seine Muskeln spielen lassen: „Vielleicht sollten wir tatsächlich prüfen, ob die Übergabe dieses Mannes an die deutschen Dienste erstens mit allen Verfahren, zweitens mit den Interessen des polnischen Staates und der gesamten euro-atlantischen Gemeinschaft vereinbar ist, und drittens sollten wir auch die politischen Folgen einer solchen Entscheidung bedenken.“ Als politische Interessen könnte man durchaus zur Überzeugung kommen, dass Polen bei der Sabotage seine Finger im Spiel hatten und hat. Das legen auch seine weiteren Äußerungen nahe: „Wenn es tatsächlich so ist, dass dieser Mann großen Mut und große Entschlossenheit gezeigt hat, Europa sicherer zu machen, dann müssen die Ziele seines Handelns, die zu seinen Gunsten sprechen, unbedingt berücksichtigt werden.“

Der weitere Verdächtige, Serii Kuznietsov, der in Italien am 21. August auch aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen wurde, sitzt auch noch weiter in Untersuchungshaft und wurde noch nicht ausgeliefert. Er soll Chef des Andromeda-Teams gewesen sein. Ein Gericht in Bologna hatte dem Auslieferungsersuchen stattgegeben, es steht eine Entscheidung des Berufungsgerichts an. Zur Debatte steht u.a., ob er eine „funktionelle Immunität“ geltend machen kann, weil er auf offiziellen Befehl gehandelt haben könnte.

Florian Rötzer

Florian Rötzer, geboren 1953, hat nach dem Studium der Philosophie als freier Autor und Publizist mit dem Schwerpunkt Medientheorie und -ästhetik in München und als Organisator zahlreicher internationaler Symposien gearbeitet. Von 1996 bis 2020 war er Chefredakteur des Online-Magazins Telepolis. Von ihm erschienen sind u.a. „Denken, das an der Zeit ist“ (Suhrkamp 1988), „Die Telepolis“ (1995), „Vom Wildwerden der Städte“ (Birkhäuser 2006), „Smart Cities im Cyberwar“ (Westend 2015), „Sein und Wohnen“ (Westend 2020) oder „Lesen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz“ (Bielefeld 2023)
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17 Kommentare

  1. Völlig gleichgültig, denn „Volodymyr“ hat garantiert nichts damit zu tun. Er ist – 100% sicher – weder bei einem Spezialkommando der USA, noch Großbritanniens, beschäftigt. Ansonsten wäre auch nicht festgenommen worden.

  2. Merkt denn niemand, das mit diesem Schmierentheater nur von den wirklichen Tätern abgelenkt werden soll? Und von der Mitwisserschaft und vermutlich auch Billigung dieses Terroranschlages durch die Regierung Scholz/ Habeck…

  3. Die Kaltschnäuzigkeit und Ungerührtheit, mit der mittlerweile alle Herrschenden die Masken fallen lassen, die ihnen über Jahrzehnte fast festgewachsen zu sein schienen, ist schon krass.

  4. Zu dem was in Gaza-Stadt und Gaza passiert:
    Bei einem Angriff im Al-Tuffah Viertel werden siebzehn Menschen getötet. Unter den Toten sind sieben Kinder. Mindestens vierzig Menschen wurden verwundet.

    Gestern sind zwei Menschen verhungert.
    Es werden an diesem Tag mehr als sechsundvierzig Menschen getötet.

  5. Dann gibt es mit Polen einen weiteren Staat für den Terrorismus normale Politik ist. Was für alle Staaten die mit Polen zu tun haben berücksichtigen sollten. Wann wird die UN Polen offiziell als Terrorunterstützer Einstufen?

  6. Wer hier an die Andromeda-Geschichte glaubt, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
    Das sind alles nur Ablenkungen.
    Mit den Worten des Monotonen: Sie werden uns alle Pipelines nehmen !
    Diese Schweine !

  7. Eigentlich muß Deutschland diesen Wolodomir mit Kusshand aufnehmen und
    nicht ins Gefängnis stecken. Diese Taucher, die von dem Expeditionsschiff Andromeda
    aus, jeweils 2-4 Tonnen Sprengstoff, 3 Mal bis in 80-100m Tiefe geschleppt haben
    und sogar ohne Dekompression noch am Leben sind, muß man doch hegen wie rohe
    Eier. Auch der, der die Andromeda mit 10 Tonnen Sprengstoff beladen, auf der kabbeligen
    Ostsee über Wasser gehalten hat muß ein Genie sein. Es gibt doch Superhelden!!!
    Na ja, dass bischen Schlampen mit den Spuren des Sprengstoffs auf dem Kajütentisch
    kann man verzeihen. Überhaupt, den Hersteller der Andromeda sollte man sich auch
    warm halten. So ein Boot zu konstruieren, in dem der Tisch in der Kajüte eine Tonne
    trägt, ist auch genial. Waren die Ukrainer eigentlich auch schon auf dem Mond?

  8. Polen scheint sich mal wieder zwischen alle Stühle setzen zu wollen … Die Verhinderung etwaiger Aufklärung eines ‚terroristischen Akts‘ und der Beifall für die Zerstörung von Nordstream-2 sprechen jedenfalls Bände. Mit solchen ‚Bündnispartnern‘ braucht man keine Feinde mehr!

  9. An sich wärs doch an der Zeit die bisherigen Drehbuchschreiber und Regisseure fürs Bubenstück gegen etwas fähigere Exemplare auszutauschen. Wenns so weitergeht wird die Aufführung eh kein Kassenschlager.

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