Das Politbüro, vier Millionen Dollar und das Ende von Joe Biden

Joe Biden im Wahlkampf im Oktober 2024 in Arizona
Joe Biden im Wahlkampf im Oktober 2024 in Arizona. Bild: Gage Skidmore/CC BY-SA-2.0

Was wusste der Präsident und wann wusste er es? Das war die berühmte Frage im Watergate-Skandal, als Richard Nixon und seine Berater vom Kongress gegrillt wurde. Heute fragen sich Amerikaner: Was wusstet ihr ÜBER den Präsidenten und wann wusstet ihr es? Denn dass Biden doch ein bisschen zu alt für den anstrengenden Job im Weißen Haus war, kam nicht so überraschend, wie es mancher gerne hätte.

Einer von denen, die ein bisschen mehr wussten, ist Mike Donilon. Donilon war Bidens oberster Berater und Chefstratege im Wahlkampf in 2024. Und nicht erst seit der Wahl. Der Washingtoner Jurist berät Biden seit 1981; die Washington Post nannte ihn einmal Bidens „Gewissen, Alter Ego und geteiltes Gehirn“.

Donilon arbeitete nicht nur für Biden, sondern für viele Demokraten, darunter Bill Clinton und dessen Vize Al Gore, aber Biden, dessen „Joseph R. Biden, Jr. School of Public Policy & Administration“ er auch leitete, stand er am nächsten.

Es war Donilon, der Biden durch den desaströsen Wahlkampf begleitete und ihn ermunterte, an der Kandidatur festzuhalten, bis die Kampagne vorzeitig damit endete, dass jeder im Fernsehen sehen konnte, wie alt und zerstreut Biden wirklich war.

Da es nun für eine Kandidatenauswahl zu spät war, wurde Bidens Vize Kamala Harris ins Rennen geschickt, die Politikerin aus San Francisco, die zuvor, aus eigener Kraft, nur ein Prozent der Stimmen für sich hatte gewinnen können. Alle Demokraten machten mit. Und es wäre auch eine Brüskierung der Stammwählerschaft gewesen, eine (halb)-schwarze Frau so kurz vor der Ziellinie auszuwechseln.

Donilon handelte nicht direkt uneigennützig. Die Biden-Kampagne hat ihm vier Millionen Dollar für den Wahlkampf gezahlt, und ihm weitere vier Millionen Dollar versprochen, sollte Biden gewinnen. Das mit dem Bonus erfuhren wir, als Donilon im Juli 2025 vor einem Kongressausschuss auftrat. Dabei gab sich der Politberater reuefrei: Jeder Präsident altere, und Biden sei mit dem Alter weiser geworden.

Bevor sich Donilon um die Biden-Kampagne kümmerte, war er Jurist im Weißen Haus, mit einem eher normalen Gehalt. Dass ihn Biden mit einem derart fürstlichen Bonus abwarb, wurde schon damals kritisiert. Aber die Details des Biden-Verfalls — und wie die Demokraten darauf reagierten — sickerten erst nach dem Desaster durch.

Es gab ein „Politbüro“, das Biden puschte, noch einmal anzutreten

Amerika erfuhr davon aus dem Buch „Original Sin“, das unter dem deutschen Titel „Hybris“ zeitgleich bei dtv erschienen ist. Die Autoren sind Jake Tapper und Alex Thompson. Tapper ist der leitende Korrespondent für CNN und arbeitet schon seit Jahrzehnten als Politjournalist. Thompson ist Reporter des Politikmagazins Axios.

Das Buch erschien im Mai 2025. Im Mai 2025? Das heißt, dass das Material bei den beiden Washingtoner Insidern schon seit einem Jahr auf dem Schreibtisch lag, wenn nicht länger. Tapper hat auch die nun infame Debatte zwischen Trump und Biden moderiert, bei der der damalige Präsident von Satz zu Satz stolperte.

Dass ein Journalist, der Biden seit Amtsantritt journalistisch begleitet hat, nicht wusste, wie es um den Präsidenten stand, ist völlig unwahrscheinlich. Hätte Tapper nicht schon vorher auf CNN Alarm schlagen können? Dafür wird er immerhin bezahlt. Oder wollte er seinen hochdotierten Buchvertrag nicht gefährden, der letztlich darauf basierte, dass er zurückgehaltenes Wissen als Neuigkeit verkauft?

Tapper bekam schon nach Erscheinen des Buches viel Flak, vor allem von Demokraten, die ihm vorwarfen, seine Energie auf Biden zu verwenden statt auf Trump, aber auch von dem rechten Sender Fox News und der New York Post. Die meinten, er schreibe Geschichte um und ignoriere seine eigene Rolle dabei.

Donilon und Tapper sind nicht die einzigen, die noch Mitte 2024 so taten, als hüpfe Biden hinter verschlossenen Türen fröhlich und voller Kraft durch das Oval Office und sei nur ein wenig pressescheu. Es gab ein „Politbüro“, so die britische Times, das Biden puschte, noch einmal anzutreten, erzählte David Axelrod, langjähriger Berater von Barack Obama. Das handelte auch gegen Bedenken von Bidens Kabinett.

Dazu gehören, natürlich, Donilon, aber auch Steve Ricchetti, ein anderer Berater und Lobbyist, dessen Kinder allesamt für Biden arbeiten. Ricchetti bearbeitete Journalisten, die kritisch über Bidens Gesundheit schrieben. Als George Clooney in der New York Times die Demokraten aufforderte, einen jüngeren Kandidaten zu suchen, habe er Clooney bedroht „wie ein Mafiaboss“, so Axelrod.

Auch Bidens frühere Stabschef Ron Klain war Teil des Politbüros. Sein Job war es, Biden in Camp David für die Debatte mit Trump zu präparieren. Er musste bald feststellen, dass der Präsident meistenteils schlummerte oder am Swimmingpool saß und Probleme hatte, einfache Anweisungen zu verstehen. Aber er behielt das für sich, weil er glaubte, nur Biden könne Trump schlagen. Derweil hielt Bidens Frau Jill die Presse fern, und Kamala Harris die Illusion aufrecht, Biden werde durchhalten — während das „Politbüro“ davon überzeugt war, dass Harris nicht gewinnen könne.

Auch alle Demokraten übten den Schulterschluss, allen voran der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom, der im Fernsehen ernsthaft erklärte, wenn man Biden persönlich treffe, wirke er gar nicht alt. Newsom will selber Präsident werden und da kommt es nicht gut, wenn man zu früh als Königsmörder auftritt. Auch die großen Zeitungen, die New York Times, und die Washington Post schlugen spät Alarm, wobei sich Biden übrigens stets weigerte, der Times ein Interview zu geben.

Scholz: „Joe Biden ist jemand, der sehr klar ist“

Und die deutschen Medien? Die hängen am Tropf der amerikanischen Presse und sie haben wenig bis gar keine Gelegenheit, über Pressekonferenzen hinaus die Nähe von Entscheidungsträgern zu finden oder gar exklusive Gespräche zu führen. Aber solch ein Geheimnis war Bidens Gesundheitszustand dann auch wieder nicht.

Gleichviel, Elmar Theveßen, ZDF-Chefreporter aus Washington erzählte einem größeren Publikum in Deutschland im Februar 2024, Biden sei geistig topfit; er könne seine Ansichten in gestochen scharfen Sätzen hinüberbringen. Hingegen verhaspele sich Donald Trump und viele seiner Sätze seien sinnfrei. Wirklich? Hatte Theveßen überhaupt direkten Zugang zu Biden oder lief er nur im Pressetross mit?

Und ganz ähnlich der damalige deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. „Ich finde, dass Joe Biden jemand ist, der sehr klar ist, der genau weiß, was er tut, und der auch gerade, wenn es um internationale Politik geht, zu den erfahrensten Politikern gehört, die weltweit überhaupt unterwegs sind“, sagte er im Juni 2024 am Rande des G7-Gipfels in Italien. Scholz, übrigens, war noch schneller vergessen als Biden.

Eva C. Schweitzer

Eva C. Schweitzer pendelt zwischen Berlin und New York, wo sie eine Dissertation über den Times Square verfasst hat; sie arbeitet als Buchautorin und freie Journalistin über Medien, Entertainment und Politik. Ihr letztes Buch war „Links Blinken, rechts abbiegen“ beim Westend Verlag; derzeit schreibt sie ein Buch über die Tucholsky-Familie. Sie leitet auch den Verlag Berlinica Publishing, der Bücher aus Berlin nach New York bringt. Zuvor war sie Redakteurin beim Tagesspiegel in Berlin.
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9 Kommentare

  1. Och, neee, ist doch völlig Wurst wann der alte Knacker als Senil eingestuft wurde oder nicht.
    Schon zu Anfang seiner Amtsperiode war doch schon klar, das der Alte, gelinde gesagt, nicht mehr so ganz auf der Höhe war.
    Wie den Jemand überhaupt noch Jemand wählen konnte, und dann auch noch zur letzten Amtszeit wird mir auf ewig Schleyerhaft bleiben.

    1. Die zusätzlichen Wählerstimmen damals für Biden sind dann bei Harris gegen Trump nicht mehr abgegeben worden. Die Wähler sind wohl Zuhause geblieben? Auch senil und haben die Wahl vergessen?

  2. Ich erinnere mich noch gut an den ARD-Faktenfinder zu dem Thema. Noch wenige Tage vor dem bitteren Ende wurde dort standfest behauptet, Biden ist topfit und all die „Gerüchte“ über seinen Gesundheitszustand sind russ. und trump. Lügenpropaganda. Obwohl jeder schon seit Ewigkeiten live miterleben durfte/konnte, daß Herr Biden nicht mehr alle Tassen im Schrank hat, sich die Livebilder des stark zunehmenden geistigen und körperl. Verfalls anschauen konnte, leugnete man in der dt. Presse das offensichtliche bis zum Schluß. Nicht nur beim ÖRR, auch die privat. Meinungsmacher spielten dieses Spiel. Nicht aus Versehen oder unzureichender Informationslage, sondern man belog das Publikum ganz bewußt über den Gesundheitszustand von Biden. Oder um es neudeutsch zu sagen – man schwurbelte und verbreitete Verschwörungstheorien.

  3. Also ich hab’s genossen! Wie sie sich überboten haben, immer größere Böcke zu schießen – die Erlöserin? Yeah!
    Und dann: Kamala wird’s nicht und klapp – Germany ohne Regierung.
    Alles ganz ohne vorher Eintritt bezahlen zu müssen.

  4. Vor allem ein schönes Beispiel dafür, wie man den Geisteszustand des Bürgers einschätzt und dass man der festen Überzeugung ist, er sei so dumm, dass man ihm schlichtweg alles erzählen kann.
    Und es betrifft ja nicht nur diesen Fall, sondern schlichtweg alles.
    Das läuft eindeutig auf kriminelles Verhalten hinaus.
    Soviel zu Rechtsstaat und Demokratie.

  5. Das sind doch völlig irrelevante Fragen.
    Die wirklich interessante Frage lautet doch, wer anstelle von Biden die Regierungsgeschäfte geführt hat und ob das von Anfang an so geplant war.

  6. „Und die deutschen Medien? Die hängen am Tropf der amerikanischen Presse und sie haben wenig bis gar keine Gelegenheit, über Pressekonferenzen hinaus die Nähe von Entscheidungsträgern zu finden oder gar exklusive Gespräche zu führen. Aber solch ein Geheimnis war Bidens Gesundheitszustand dann auch wieder nicht.“

    Wohl wahr! Aber die deutschen „Qualitätsmedien“ sind in ihrer Unterwürfigkeit noch krasser als deutsche Politiker. Noch eine Woche vor Bidens Waterloo im TV-Duell wiesen sie einhellig jede zarte Kritik an Biden als Hirngespinnste weit von sich. Der folgende Eiertanz war wirklich sehenswert.

    Den Vogel schoß Rene Pfister im Spiegel ab. Unter dem Titel „Das laute Schweigen der Medien über Joe Biden“ beschwerte sich Pfister über die bösen, bösen US-Medien, die „über den offensichtlichen geistigen Verfall“ Bidens einfach nicht berichtet hatten! Was erlaube US-Medien?

    Wann hatte denn Pfister darüber berichtet? Oder wenigstens der Spiegel? Wenn es doch so „offensichtlich“ war? Anscheinend brauchten die dazu das „ok“ aus Washington?
    Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man schallend darüber lachen!

    https://www.spiegel.de/ausland/joe-biden-vs-donald-trump-das-drama-um-den-praesidenten-und-das-versagen-der-us-journalisten-a-16cdd5a1-1c46-4a47-98cd-c4d58a2f9696

  7. „Wann hatte denn Pfister darüber berichtet? Oder wenigstens der Spiegel? Wenn es denn so „offensichtlich“ war? Anscheinend brauchten die dazu das „ok“ aus Washington?“

    Wenn man als Reporter die Welt ausschließlich von seinem Internetzugang aus betrachtet, ist man natürlich auf die Vorgaben linientreuer Kollegen vor Ort angewiesen.

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