Adornos Paragraph

Massengrab in Rafah. Bild: Times of Gaza

Ein Fragment in Adornos Aphorismussammlung “Minima Moralia” weist eine erstaunliche Aktualität auf – in der israelischen Rhetorik zum Gazakrieg.

 

“Der Paragraph” ist der Titel eines Fragments im Anhang zu Theodor Adornos berühmter Aphorismensammlung Minima Moralia. Das Fragment beginnt mit den Worten: “Was die Nazis den Juden antaten, war unsagbar: die Sprachen hatten kein Wort dafür, denn selbst Massenmord hätte gegenüber dem Planvollen, Systematischen und Totalen noch geklungen wie aus der guten alten Zeit des Degerlocher Hauptlehrers.”

Mit dem Degerlocher Hauptlehrer war Ernst August Wagner gemeint, der im Jahr 1913 in Stuttgart-Degerloch einen Massenmord verübte. Adorno fährt fort: “Und doch mußte ein Ausdruck gefunden werden, wollte man nicht den Opfern, deren es ohnehin zu viele sind, als daß ihre Namen erinnert werden könnten, noch den Fluch des Nicht gedacht soll ihrer werden antun. So hat man im Englischen den Begriff genocide geprägt. Aber durch die Kodifizierung, wie sie in der internationalen Erklärung der Menschenrechte niedergelegt ist, hat man zugleich, um des Protestes willen, das Unsagbare kommensurabel gemacht.”

Die kodifizierende Verbalisierung ermöglicht also die Sagbarkeit des Unsagbaren, welche aber Adorno folgendermaßen reflektiert: “Durch die Erhebung zum Begriff ist die Möglichkeit gleichsam anerkannt: eine Institution, die man verbietet, ablehnt, diskutiert.” Daraus folgert er: “Eines Tages mögen vor dem Forum der United Nations Verhandlungen darüber stattfinden, ob irgendeine neuartige Untat unter die Definition des genocide fällt, ob die Nationen das Recht haben einzuschreiten, von dem sie ohnehin keinen Gebrauch machen wollen, und ob nicht angesichts unvorhergesehener Schwierigkeiten in der Anwendung auf die Praxis der ganze Begriff des genocide aus den Statuten zu entfernen sei. Kurz danach gibt es mittelgroße Schlagzeilen in der Zeitungssprache: Genocidmaßnahmen in Ostturkestan nahezu durchgeführt.”

Adorno problematisiert die Verwandlung des Unsäglichen zum Begriff, hebt jedoch zugleich hervor, dass es keine Möglichkeit gegeben habe, diese nicht zu vollziehen. Menschen brauchen nun einmal die Sprache, um dessen Herr zu werden, was ihnen als Unausgesprochenes und somit Unbegreifliches in höchstem Maß bedrohlich erscheint. Die Folge aus dieser Aporie ist die Verselbständigung der namentlichen Begrifflichung des historischen Ereignisses und ihre Institutionalisierung, welche aber als Ergebnis ebendieser Etablierung leichterdings zum Thema eines Paragraphen auf der Tagesordnung der UN verkommen mag. So kommt es, dass aus dieser Entwicklung dereinst der Völkermordbegriff zum Disputgegenstand degradiert werden, eventuell gar “aus den Statuten” wieder verschwinden könnte.

In der Welt lösen die Bilder des menschlichen “Kollateralschadens”, der Verwüstung und des humanitären Elends im Gazastreifen großes Entsetzen aus. Man beschuldigt die Israelis eines beabsichtigten Genozids, welches sie an den Palästinensern verübe. Zu fragen gilt es gleichwohl: Ist das Grauen nicht schon schlimm genug? Muss man es verbal in den Stand des Völkermords erheben? Bedenkt man die Ausmaße historischer Genozide (wie etwa das an den Juden und an den Armeniern verübte oder an den Völkermord in Ruanda 1994), scheint die Nomenklatur dem ehrlich gemeinten Entsetzen über das Schicksal der Gaza-Bewohner einen Streich zu spielen: So wenig wie die Katastrophe des 7. Oktober der Shoah vergleichbar ist (wie es so manche in Israel behaupten), ist die militärische Barbarei im Gazastreifen einem Genozid gleichzustellen. Diese Kategorie sollte man sich für menschengemachte Desaster anderer Dimensionen aufbewahren.

Hört und liest man aber, was Israels Politrhetorik in den letzten Wochen alles hervorbringt, kann man den Eindruck bekommen, dass ungeachtet dessen, was von Israel real an Katastrophischem an den Gaza-Palästinensern verbrochen wird, so manche in Israels Medien und Politik den Genozid nachgerade herbeiwünschen bzw. ihren Massenmord-Phantasien freien Lauf lassen – und es ist nicht ausgemacht, dass sie dabei nicht der vox populi inhumana (Adorno) großer Teile der israelischen Bevölkerung eine artikulierte Stimme verleihen.

So trat gleich zu Beginn des Krieges der “Iran-Experte” Eliahu Yusian mit der Behauptung auf, in der ersten Nacht schon hätte Israel 50.000 Gazabewohner niederstrecken müssen, und zwar als “Blutrache” – er kenne den wahren Nahen Osten und die Mentalität der Iraner. Zvi Yehezkeli, ein weiterer, in einem der zentralen TV-Kanälen angestellter “Kenner der Araber und ihrer Mentalität”, erhöhte gar den palästinensischen Blutzoll; man hätte gleich zu Anfang 100.000 Gaza-Bewohner umbringen sollen. Für ihn gibt es keinen Unterschied zwischen Hamas und Nicht-Hamas, Beteiligten und Unbeteiligten, alle in Gaza sind Hamas, also “todeswürdig”.

Der israelische Minister für Wirtschaft und Industrie (Likud), Nir Barkat, erklärte, er sei besorgt über den Kriegsverlauf: “Wir sind zu nett und rücksichtsvoll”; keine Erwägung rechtfertige “die Gefährdung unserer Soldaten im Namen einer phantasierten Moralität”. Für Danny Kushmaro, Starmoderator im israelischen Fernsehen, sind die Gaza-Bewohner Nazis; Gaza gehöre dem Erdboden gleichgemacht, denn “es leben dort Monster”. Die Likud-Politikerin Mai Golan sagt unverhohlen, Gaza interessiere sie nicht. Sie möchte “Leichen von Hamas-Leuten sehen, viele Leichen und zerstörte Häuser”; der damit verbundene Preis an Leben von Zivilisten sei ihr gleich. Auch Medienmann Shimon Riklin gesteht, nicht gut einschlafen zu können, ohne einstürzende Gebäude in Gaza zu sehen.

Der Militär- und Sicherheitsexperte Giora Eiland, ehemaliger Generalmajor in der IDF, postuliert, dass 90% der Gaza-Bewohner Hamas seien, was rechtfertige, sie in eine humanitäre Katastrophe zu stürzen, und selbst Yair Golan, auch er ehemaliger Generalmajor in der israelischen Armee, Meretz-Mitglied und Hoffnungsträger der zionistischen Linken für die nächsten Wahlen, hält es für angebracht, eine Hungersnot im Gazastreifen zu verursachen.

Die Liste der kommentierenden “Experten” und PolitikerInnen ließe sich lange fortsetzen. Ihre Protagonisten überschlagen sich nachgerade in ihrer exaltiert-faschistischen Gewaltrhetorik, die, wie gesagt, auch vor völkermordendem Wunschdenken nicht zurückschreckt. Sie wissen sich dabei des Zuspruchs der allergrößten Mehrheit der israelischen Bevölkerung gewiss. Sie selbst hetzen beherzt in Richtung einer gesteigerten Gewaltanwendung im ohnehin bereits horrenden Gewalteinsatz der IDF im Gazastreifen, beschwören die totale Vernichtung herauf; aber sie artikulieren dabei im Grunde nur, was bei ihren Rezipienten bereits vorhanden ist, wie die Diskurse der sozialen Medien unmissverständlich zeigen.

Die Bevölkerung ist dabei zweifellos von der Schockerfahrung des 7. Oktobers angetrieben, aber es tritt auch ein seit jeher wesender Bodensatz des Hasses gegen “die Araber” zutage, einer rassistisch-generalisierenden Einstellung zu den “Palästinensern”. Der 7. Oktober hat gleichsam nur bestätigt, was man schon immer über sie dachte. Während sich aber zumindest der Teil der Bevölkerung, der sich selbst für liberal-aufgeklärt erachtet, politisch-korrekt hütete, seinem latenten Rassismus und den faschistoiden Tendenzen Ausdruck zu verleihen, sind jetzt alle Dämme gebrochen: Über 20,000 Tote im Gazastreifen, unter denen der allergrößte Teil Frauen und Kinder, sind offenbar nicht genug, um die grauenhafte Entwicklung der Dinge wenigstens zu überdenken. Im Gegenteil, die offizielle Politik und die Medien achten darauf, dass nichts von der Gaza-Hölle thematisiert bzw. auch nur gezeigt werde.

Viele TeilnehmerInnen am öffentlichen Diskurs halten sich etwas darauf zugute, kein Fünkchen Empathie für die Leiderfahrung der Gaza-Bewohner entfaltet zu haben: Alle Menschen im Gazastreifen seien monströse Hamas-Anhänger; sie selbst hätten das Unglück über sich gebracht; ihnen seien ihre toten Kinder doch gleich, was sich daran erweise, dass sie sich gegen die Hamas nicht empört hätten – und dergleichen mehr perfide Rationalisierungen des eigenen Unvermögens, den 7. Oktober als das Resultat einer Politik, die man über Jahre und Jahrzehnte zugelassen bzw. befürwortet hat, zu reflektieren.

“Das Jüngstvergangene stellt allemal sich dar, als wäre es durch Katastrophen zerstört worden”, schreibt Adorno in einem Aphorismus und fügt dieser Einsicht eine andere, auch im hier erörternden Zusammenhang zu beherzigende hinzu: “Das Splitter in deinem Auge ist das beste Vergrößerungsglas.” (Minima Moralia).

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36 Kommentare

    1. Selten so eine emotionslose Kreatur wie Sie in diesem Forum erlebt. Nach diesem Ausflug können ja wieder beruhigt auf die Seite von xhamster, Abteilung Koprophagie, zurückkehren.

    2. Man könnte das auch anders interpretieren: die Demonstration eines Rests von Standhaftigkeit und Unbeugsamkeit gegenüber dem Tun des faschistischen Abschaums.

    3. Ein Bild von dir, Kartoffel, würde vermutlich auch mehr als 1000 Worte sagen.

      Was meinst du, wollte deine Familie sehen, wie du von den IDF-Faschos ins Gesicht gepisst bekommst?

    4. Muslime beerdigen ihre toten nach den Regeln vom Islam.
      Falls dieses Bild echt sein sollte, was ich stark bezweifle, würde die Muslime und Muslima zum Aufschrei bringen.
      Das schreibe ich als christlich bekennender, der an einigen muslimischen Bergräbnisse teilnahm.

    5. Der Teufel sollte dringend zum
      Augenarzt! Oder rechnen lernen. Wie viele Leute stehen um das Grab ? Wieviele haben
      ein Smartphone in der Hand ?
      Wie viele davon sind PRESS ?

    6. Kann man sich darauf einigen dass es einfach nur tragisch ist ? Auf beiden Seiten religiös Fanatisierte, die ihr schlichtes Mensch sein idiotischem religiösen /ideologischen Wahn geopfert haben .

      Dazu natürlich die übliche Ignoranz gegenüber rein biologischen Faktoren wie Dichtetress usw.

  1. Der noch größere Skandal ist das Schweigen oder gar die Zustimmung des “Wertewestens” zu solch faschistischer Politik. Vor dem Hintergrund der A-Kriecherei vor dem Neo-Banderismus in der ach so “demokratischen” Ukraine aber auch nicht wirklich verwunderlich. Der “Wertewesten” hat fertig.

  2. —Eine, die den “Bodensatz des Hasses gegen die Araber” frühzeitig erkannte, war die grosse deutsch-jüdisch-amerikanische Philosophin Hannah Arendt+++

    Von ihrem Pariser Exil aus hatte sie in den 30ern mehrmals jüdische Auswanderergruppen nach Palästina begleitet. Sie war einerseits beeindruckt von der Aufbauleistung der Juden in Palästina, aber sehr bedrückt vom geistig-moralischen Klima. “Ich dachte eine neue Aristokratie”, erinnert sie sich 1969 in einem Brief an Mary McCarthy. “Ich wusste schon damals… dass man dort nicht leben konnte. `Herrsche über deine Nachbarn`, darauf läuft es natürlich hinaus”. (Zitiert aus Alois Prinz, Hannah Arendt oder die Liebe zur Welt).

    Arendt, die mit “Eichmann in Jerusalem” eine der wichtigsten Analysen der Motivlage der Holocaust-Täter geliefert hat, war und ist in zionistischem Kreisen regelrecht verhasst.

  3. Wenn man derlei Aussagen liest, kommt einem unweigerlich der Gedanke an eine gewisse Periode unserer Geschichte. Da ging es genauso, nur gegen Juden, Andersdenkende, Anderlebende, Slawen, … Geschichte wiederholt sich leider immer wieder, weil Menschen nicht lernen (wollen). Und unsere Eliten machen freiwillig mit, vertuschen derlei Gerede oder verdrängen dies. Doch für mitfühlende Menschen ist derlei Gerede unerträglich und hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun. Es ist grundlegend faschistisch. Und wenn Juden faschistisches Gedankengut haben, dann ist das wohl so. Ich hoffe nur inständig, dass nicht alle Juden so denken, wie ich auch hoffe, dass nicht alle unsere Eliten so denken. Ansonsten ist ein erneuter Völkermord nicht mehr zu verhindern, auch mit den besten Waffensystemen nicht.

  4. Also die israelische Gesellschaft als Paradebeispiel für DIE westliche Demokratie ist voll gelungen.
    Israel ist DER Beweis, dass Demokratie nichts mit Menschenrechten zu tun hat. Wenn die Bevölkerung faschistoid ist, wird sie auch so wählen.

  5. Das Ganze ist ein Genozid, Israel will die Bevölkerung ausradieren oder vertreiben. Sie können nichts anderes machen. Die zwei Staaten Lösung ist nicht mehr möglich, da das Gebiet inzwischen vollkommen durchsiedelt ist, eine Apartheid würde langfristig nicht funktionieren, eine demokratische Ein-Staatenlösung würde die Zionisten auch ganz schnell verschwinden lassen. Die einzige Möglichkeit für die Zionisten zu gewinnen ist der Völkermord. Und die einzige Möglichkeit für die Palästinenser ist es zu gewinnen und die israelische Armee zu zerschlagen, um die Staatsgewalt zu übernehmen. Deswegen wird keine Seite aufhören, das können beide nicht, denn sie würden jeweils alles verlieren. Israel wird allerdings dabei in jedem Fall verlieren, selbst wenn sie gewinnen. Denn Israel wird nach dem Völkermord für alle Zeiten dieses Label anhaften, nicht unbedingt in Deutschland, aber im Rest der Welt. Der Hass auf dieses Land wird, gerade in der muslimischen Welt, sehr lange bestehen bleiben. Ich vermute, es wird dabei dann auch keine Differenzierung mehr zwischen Zionisten und Juden stattfinden.

  6. In der Regel wird die Diagnose Völkermord nach der Beendigung desselben gestellt, hier ist er aber in vollem Gang und es gibt zumindest die theoretische Möglichkeit, ihn aufzuhalten, obgleich schon jetzt unklar ist, wie überlebende Palästinenser in diesem verwüsteten Stück Land nach dem Ende der ja mindestens als ethnische Säuberung angelegten Aktion, dort weiter leben sollen.
    Auch die Völkermorde an den diversen indigenen Völkern anderer Kontinente durch Europäer waren nicht kurzfristig fabrikmäßig angelegt, sondern Jahrhundert-Ereignisse vor dem Hintergrund eines zutiefst rassistischen Menschenbildes, das die Rechtfertigung für diesen Wahnsinn lieferte und, wie man sieht, weiterhin liefert.
    Mal abgesehen davon ist die Vernichtung und Zerstörung durch die vielfältigen Erfindungen der Rüstungsindustrie und durch Entlaubungsmittel, Phosphorbomben und Giftgas letztlich auch industrieller Massenmord.
    Mit den Zeiten ändern sich eben leider auch die Mittel der gegenseitigen Zerstörung und Vernichtung, die dahinter stehende Verachtung anderen Lebens ist jedoch die selbe.
    Das gilt ja genauso für den Umgang mit den Tieren, mit der “Natur”, von der wir in unserer vor allem europäische Weltsicht glauben, separieren zu müssen. Und dann führt man solche empörenden Vergleiche und Gleichsetzungen an wie “wie Tiere behandeln” , als sei es völlig normal und berechtigt, Tiere so zu behandeln, wie sie in den Schlachtfabriken und in den Massenschlächtereien z.B. bei der Ausrottung vieler Großtierarten behandelt werden oder eben bei der Vernichtung ihrer Lebensräume.

    1. Ich will Ihnen einmal zum Jahresende meinen ausdrücklichen Dank für Ihre empathischen Kommentare in diesem Forum aussprechen, dem ich eigentlich nur als stille Leserin aufmerksam beiwohne. Ich teile Ihre Achtung und Ihr Mitgefühl für die Tierwelt (denn wer sind wir Menschen denn, uns als höherwertig anzusehen) aus vollstem Herzen und bin immer wieder froh Ihre wertvollen Beiträge zu lesen.

  7. Kurz zur Autoren Beschreibung von Herrn Zuckermann.
    In ein paar Zeilen liegt die Geschichte bis zum heutigen Tag verborgen.
    Den Grund für das hervorheben liegt am ‘Meister der Psychoanalyse’, der es verstand alle zu blenden.
    Sehr oft las man, das Israel der einzige demokratische Staat in der Region sei, aber hat bis heute nicht eine eigene Verfassung. Demnach nehme ich an, das andere für ihre ‘Verfassung’ zuständig sind, aber eben nicht das Volk. Das Volk, wie etliche anderen, folgen der Manipulationen (Psychoanalyse) und folgen wie blind in den geschaffenen Abgrund. Der Abgrund wird heutzutage nicht politisch bemessen, sondern, wie die Mehrheit unter ihrer demokratischen Fassade in die Armut und desaströsen Zerstörung gestützt werden.
    Hier werden etlichen Völkern die Bürden ihrer Politik zur Rechnung gestellt. Erstaunlicherweise streben die Völker keinen Wiederstand an und lt Medien applaudieren zu ihrem Sturz in den Abgrund. Das betrifft ziemlich viele Ethnien und Glaubensrichtungen.
    Der ‘Meister der Psychoanalyse’ ist ein Meister.

  8. Zuckermann dementiert sich selbst. Entscheidend für die Erfüllung des Begriffs ‘Genozid’ ist nicht Quantität, sondern Qualität. Und die ist gegeben – in den faschistischen Rachefantasien rassistisch aufgehetzter Israelis und auch in den Aktionen der israelischen Armee. Man muss schon blind sein, um nicht die Absicht zu sehen, den Gaza-Streifen zu leeren. Und wäre man nicht bis zu einem gewissen Grad abhängig von einer Aussenwelt, auf deren bleibendes Wohlwollen man ganz gewiss nicht zählen kann, würde man noch weit drastischer vorgehen.

    Doch, es ist ein Völkermord, ein Völkermord, den man nicht allein vollzieht, sondern mit Hilfe des Wertewestens, der einen Grossteil der Mittel liefert.

    Und noch ein Detail – es widerstrebt mir zwar, an Opferzahlen herum zu laborieren, aber es würde auch einem Zuckermann gut anstehen, gelegentlich wieder zu erwähnen, dass sich unter den 1’200 Opfern des 7. Oktobers auch viele befinden, die von der eignen, rücksichtslos vorgehenden Armee ums Leben gebracht wurden.

    1. In Israel spricht man von Brudermord/Totschlag, wenn die Namen von Yotam Hain, Alon Shamriz, Samer Fuad El-Talalka und Yuval Doron Kestelman genannt werden.

    2. Im Kampf dabei gefallene oder getötete Sicherheitskräfte kann man dabei nur bedingt als Opfer bezeichnen.
      Und wenn man das tun möchte, dann sind sie Opfer der israelischen Sicherbeitsbehörden und deren Generalität, welche die Gaza-Grenze bis auf 2 Batailone entblößt haben, während man 32 davon im Westjordanland stationiert hatte und schon ab dem 2. Oktober heftig provozierte.
      Wenn man die Aussagen der 2 Generäle liest, kann ein Fähiger nur schwer begreifen, warum diese wegen Unfähigkeit nicht längst degradiert worden sind, um als Kanonenfutter an der Front ihre unwürdige Existenz auszuhauchen.
      Wenn solch analytische Unfähigkeit die Kampfkraft der IDF symbolisiert, dann verliert diese jede Auseinandersetzung auf gleicher und damit fairer Augenhöhe.

      Genozid ist als Begriff weit gefasst und keinesfalls mit jeder Form von Shoa identisch.
      Es mischen sich dabei aber viel zu oft Herrschafts- und Wahnvorstellungen.
      Dabei ist das (verkannte!) Kernwesen der jüdischen Kultur etwas ganz anderes.
      Aber deswegen wurde auch der Nazaräer verkannt und Spinoza zur formalen Bekenntnislosigkeit gezwungen, obwohl selten ein Bekenntnis so eindeutig und manigfaltig hinterlegt war.

      Aber mit den aktuellen Ereignissen ist der Rubikon überschritten und damit beginnt die Phase des points of no return.
      Es wird das Ende Israels als verbendeter und verblendender Herrschaftsstaat sein.

  9. Hört das denn nie auf, diese Zitate von Leuten, die unter dem Schock der Ereignisse Dinge gesagt haben, die sie heute nicht mehr sagen? Ich sehe da überhaupt niemanden, der die Ausrottung oder Vertreibung der Palästinenser fordert. Der Armesprecher sagt, man hätte die Sache im Gaza auch in zwei Tagen erledigen können. Selbstverständlich wäre das gegangen, man macht es nicht zur Schonung der Zivilbevölkerung. Die IDF veröffentlicht immer wieder Statements mit der Behauptung, die Zivilbevölkerung zu schonen. Glauben muss man das nicht, aber wenigstens zitieren könnte man es.

    https://www.juedische-allgemeine.de/politik/hoechste-standards/

    Hetzt wird auch noch der 7. Oktober schön geredet. Moshe, das war die Belegschaft von Auschwitz mit der Absicht, die Beschlüsse der Wannseekonferenz zu vollenden. Was denn sonst? Wir können ja mal ein Gedankenexperiment machen: wenn nun der Moshe und der Shlomo Sand am 7. Oktober auf dem Konzert gewesen wären. Dann hätten sie den heranstürmenden Terroristen zugerufen: “Freunde! Nicht schießen! Wir sind keine Zionisten, wir lehnen den Zionismus ab! Verschont uns!” Hätte das geholfen? Ich sage nichts.

    Dirk Pohlmann berichtet in einem seiner Vorträge über ein Ereignis im WK II. Dem polnischen Widerstand war es gelungen, einen Agenten sowohl nach Auschwitz als auch ins Warschauer Ghetto zu schmuggeln, hinein und wieder hinaus. Den schickte man zu den Amerikanern , um sie aufzuklären. Tatsächlich wurde er zu Präsident Roosevelt geführt und durfte berichten. Und? Roosevelt glaubt ihm kein Wort. So ist das eben: der Normalmensch hält solche Untaten aus reinem Rassismus für unmöglich. Was durchaus einen Einblick in die Thunbergsche Psyche erlaubt. Auch sie kann sich das nicht vorstellen und glaubt daher, die Palästinenser würden fürchterlich unterdrückt, wenn sie solche Dinge tun.

    Falsch, Greta. Extrem falsch.

    1. Artur _C Diktate sind mir nicht verständlich, da doch in etlichen Medien, pro oder contra Israel oder Palästina, darüber berichtet wurde, was israelische Politiker, Funktionäre, Militärs oder andere Personen von sich gaben über die Palästinenser!
      Für 2024 empfehle ich Artur _ C ein Wochenende in einem postmodernen OM OM SANTI OM Gegend, um seine persönlichen diversifikationen Wahrnehmungen zu ergründen.
      Viel Erfolg dabei.

        1. Im Artikel sind genügend Namen aufgeführt, die sicherlich über diverse Browser Information zu ‘ihren’ Äusserungen hergeben.
          Mit ein wenig Elan, könnte somit jeder selbstständig auf die Suche gehen.

  10. O-Ton Netanjahu:

    „Sie (die Soldaten Israels) sehnen sich danach, die Mörder für die schrecklichen Taten zu bestrafen, die sie an unseren Kindern, unseren Frauen, unseren Eltern und unseren Freunden begangen haben. Sie setzen sich dafür ein, dieses Übel aus der Welt auszurotten, für unsere Existenz, und ich füge hinzu, für das Wohl der gesamten Menschheit. Das gesamte Volk und die Führung des Volkes glauben an sie. „Gedenke, was dir die Amalekiter taten auf dem Wege…… “.* Wir erinnern uns und wir kämpfen.

    Unsere tapferen Soldaten, die jetzt in Gaza, um Gaza und in den anderen Sektoren im ganzen Land sind, schließen sich einer Kette von Helden Israels an, die seit über 3.000 Jahren andauert, von Josua, Juda Makkabäus und Bar Kochba bis hin zu den Helden. Von 1948, dem Sechs-Tage-Krieg, dem Jom-Kippur-Krieg und den anderen Kriegen Israels. Unsere heldenhaften Soldaten haben ein oberstes Ziel: Den mörderischen Feind zu vernichten ……”

    *Im 5.Buch Mose, das N. hier bemüht, fordert Gott Israel auf, “das Gedächtnis der Amalekiter aus(zu)tilgen unter dem Himmel”.

    Ersetze Amalekiter mit Palästinenser (und tilge sie aus dem Gedächtnis der Menschheit – oder was sonst ist gemeint?) Was ist das anderes als ein Aufruf zum Völkermord (auf Befehl Gottes)?

  11. Wenn man davon ausgeht, dass Milošević wegen Genozids verurteilt wurde aufgrund der Tötung von 8.500 Männern im wehrfähigen Alter, war es der Internationale Gerichtshof, der die Latte für den Tatbestand des Genozids nicht eben hoch anlegte. Allerdings ist auch schon der Versuch eines Genozids strafbar, und es dürfte nicht schwer sein, diesen aus den Wortmeldungen diverser israelischer Politiker herzuleiten.

    Grundsätzlich bin ich aber gegen die mediale Ausschlachtung solcher Begriffe, und grundsätzlich dafür, dass die gegenwärtige Schlächterei in Palästina ein Ende finden möge. Der Friede ist ein Menschenrecht.

    1. Milošević wurde nicht verurteilt; er starb an einem Herzinfarkt in seiner Zelle.
      Was die Definition von “Völkermord” angeht:

      “Nach Artikel II versteht man darunter, die an einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe begangenen Handlungen:

      Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
      Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
      vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung
      ganz oder teilweise herbeizuführen;
      Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
      gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

      Diese Handlungen müssen in der Absicht begangen werden, die Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.”

      Es macht sich also schon jemand des Völkermordes schuldig, der lediglich beabsichtigt, also den Vorsatz hat, eine Menschengruppe zu vernichten. Ist eine der Taten von Artikel II a bis e der Konvention tatsächlich durchgeführt worden in Vernichtungsabsicht, dann ist es unerheblich, ob oder wie viele Mitglieder der Gruppe wirklich vernichtet worden sind. Letztendlich braucht man für die Strafbarkeit das „Ziel“ nicht erreicht zu haben.”

      https://www.voelkermordkonvention.de/voelkermord-eine-definition-9158/

  12. Genozid ist perse absichtlich.

    Wobei man im Falle von Gaza eher davon ausgehen kann das Genozid ansich nicht im Vordergrund steht sondern Vertreibung vom Land. Was Israels Politik seit Jahrzehnten ist und auch jetzt wieder von israelischen Regierungsvertretern ! öffentlich gesagt wurde.

    Die Vertreibung vom “Land” ist allerdings meist der eigentliche Grund gewesen in der Geschichte.

  13. “Eines Tages mögen vor dem Forum der United Nations Verhandlungen darüber stattfinden, ob irgendeine neuartige Untat unter die Definition des genocide fällt, ob die Nationen das Recht haben einzuschreiten,…”

    In D wird der Holocaust durch Beschluss und angepasster GG Änderung derart “definiert”, verklärt, relativiert und verharmlost, dass einem Angst und Bange werden sollte.
    Eine Form der Vergangenheitsbewältigung, die Faschismus, Krieg und Genozid zur tatkräftigen Staatsraison in der Ukraine und Israel erklärt.

    Im Geiste mit Adornos und Horkheimers zeitlos dialektisch-aufklärerischen Werken zu sein, heißt Feindbild der neoliberalen Gegenaufklärung sein.

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