1. Mai – Der DGB feiert sich selbst

Bild (Ausschnitt): Leonhard Lenz/CC0/1.0

Wie jedes Jahr bringt Ende April der Deutsche Gewerkschaftsbund seinen Mai-Aufruf heraus, so auch in diesem Jahr. Die Parole lautet: „1.Mai 2025: Mach dich stark mit uns.“  Womit der Dachverband der deutschen Gewerkschaften darauf anspielt, dass der einzelne Arbeitnehmer einerseits darauf angewiesen ist, jemanden zu finden, der ihn für seine Arbeit bezahlt, andererseits gegenüber dem Einkäufer von Arbeitern und Angestellten sich in einer schwachen Position befindet. Als einzelner hat er da nichts in die Waagschale zu werfen, es sei denn, er schließt sich mit anderen zusammen, schaltet die Konkurrenz mit Seinesgleichen aus und droht mit Arbeitsverweigerung.

Doch das steht am 1. Mai gar nicht an, auch wenn der DGB verkündet: „Tag der Arbeit, Maifeiertag, Kampftag der Arbeiter.“ Wie soll denn ein staatlicher Feiertag ein Kampftag sein? Ist Weihnachten ein Kampftag? Wäre ja viel wuchtiger, sind es doch gleich mehrere Tage, an denen nicht gearbeitet wird? Oder Ostern? Schließlich haben die Nationalsozialisten den ehemaligen Kampftag der Arbeiter, an dem sie ihre Arbeit für einen Tag verweigert hatten und mit der Forderung nach einem Acht-Stundentag auf die Straße gegangen sind, zum nationalen Feiertag – zum Tag der Arbeit – erhoben und damit aus dem Kampftag einen Tag gemacht, in dem nicht die Klassengegensätze Thema sind, sondern die Leistung der Arbeiter für die Nation gewürdigt werden soll.

In dieser Tradition bewegt sich auch der DGB. Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass dieser Verein gar kein Ziel angibt, wofür es sich zu kämpfen lohnen würde. Er wendet sich stattdessen an diejenigen, die von ihrer Arbeit leben müssen. Bewegte er sich in der Tradition der alten Arbeiterbewegung, wäre ein solches Ziel leicht anzugeben: Schließlich ist die neue Regierung dabei, den Acht-Stundentag in Frage zu stellen und die Arbeitszeiten zu verlängern.

Doch davon findet sich nichts im Aufruf der Gewerkschaft, stattdessen feiert sie sich selbst: „Wir Gewerkschaften sind und bleiben ein Machtfaktor, in den Betrieben und in der Politik. Wir haben uns im Bundestagswahlkampf eingemischt und klar gemacht, was wichtig ist: Eine starke Wirtschaft, gute Arbeit und soziale Sicherheit. Lange haben wir eine Reform der Schuldenbremse gefordert. Dass im März noch ein großes Sondervermögen für Infrastruktur beschlossen wurde, ist auch ein Verdienst der Gewerkschaftsbewegung.“

Der Aufruf ist eigentlich eine Zumutung für die Mitglieder der Gewerkschaften, sollen sie doch am ersten Mai auf die Straße gehen als Statisten dafür, dass die Gewerkschaft als ein Machtfaktor in dieser Gesellschaft gilt. Dass dies keinem aufstößt, ist aber auch nicht verwunderlich. Sind die Gewerkschaftsmitglieder doch immer nur als Statisten oder Wähler gefragt. Ob bei der Betriebsratswahl oder wenn die Gewerkschaft es im Tarifrunde für nötig befindet, darauf zu verweisen, dass sie über Mitglieder verfügt. Dann gibt es für die Mitglieder rote Westen und Kappen, Trillerpfeifen und rote Fahnen. Deshalb sind die ersten Mai-Veranstaltungen in erster Linie ein Treffpunkt für Funktionäre, Betriebsräte und Linken Gruppen, die immer noch ihre Hoffnung darauf setzen, dass diese Gewerkschaften die materiellen Interessen von Arbeitern und Angestellten vertreten würden.

Dabei ist der Mai-Aufruf sehr informativ, indem er Auskunft gibt, wofür sich die Arbeiterpolitiker im Bundestagswahlkampf eingesetzt haben, man achte auf die Reihenfolge: An erster Stelle für eine starke Wirtschaft. Der Erfolg des Kapitals ist diesen Vereinen das oberste Ziel. Dass in der Kalkulation der Wirtschaft der Lohn oder das Gehalt als Kostenpunkt und damit als eine Belastung für diesen Erfolg erscheint und deshalb gering zu halten ist, ist für diese Ko-Manager die größte Selbstverständlichkeit, die sich immer wieder in Arbeitsplatzsicherungsverträgen niederschlagen, die Massenentlassungen einschließen. Gute Arbeit ist in den Augen dieser Arbeitspolitiker nur die lohnende, also gewinnbringende Arbeit, die dem Unternehmen dauerhaften Erfolg sichern soll.

Dass sich die Gewerkschaften als Machtfaktor in der Politik präsentieren, ist nicht ohne Angeberei. Sind ihnen doch zum einen jeglicher politischer Streik untersagt und haben sie zum anderen ihn auch nie für sich beansprucht. Ihre Macht soll auf die Zahl ihrer Mitglieder als Wähler gründen, ganz so, als ob mit der Mitgliedschaft in dem Verein auch klar ist, was ihre Mitglieder auf ihrem Wahlzettel ankreuzen. Die letzten Wahlergebnisse haben diese Vorstellung ziemlich blamiert. Praktisch gründet sich der Einfluss der Gewerkschaften auf die enge Verbindung zwischen ihren Führungspersonen und der Politik. Dies demonstriert der DGB auch am 1. Mai, an dem sie neben ihren Rednern auch immer Vertretern aus der Politik eine Bühne bieten, möglichst Vertreter aus der eigenen Partei.

Den Begriff der sozialen Sicherheit haben die DGB-Vertreter auch schon auf die Kriegstüchtigkeit der Nation ausgeweitet: „Europäerinnen und Europäer können sich nicht mehr auf das Schutzbündnis mit den USA verlassen, da die Trump-Administration zwischenzeitlich die territoriale Integrität einzelner Staaten von sich aus in Frage stellt. Die Europäische Union und die europäischen NATO-Staaten ziehen daraus ihre Konsequenzen: Sie stärken ihre militärische Verteidigungsfähigkeit, um zu verhindern, zum Spielball rivalisierender Großmachtinteressen zu werden. Vor diesem Hintergrund sehen auch der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften die Notwendigkeit, in Deutschland und Europa verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um gemeinsam verteidigungsfähiger zu werden.“

Als die Bundesrepublik Deutschland die territoriale Integrität der DDR in Frage gestellt hat oder später die der Republik Jugoslawien, hatten die Gewerkschaften kein Verständnis dafür, dass die DDR oder Jugoslawien sich gerüstet haben. So stehen DGB-Gewerkschafter immer auf Seiten der Nation, auch jetzt, wo mit grenzenloser Verschuldung aufgerüstet wird, was die Mitglieder dieser Vereine durch Inflation und Entwertung ihrer Löhne und Gehälter mitfinanzieren dürfen.

Was für den Erfolg Deutschlands am Tag der Arbeit gefeiert wird, soll sich in Zukunft auch im Schützengraben bewähren dürfen. Und so ist es nur folgerichtig, dass der DGB die Teilnahme an seinen Feierstunden von der richtigen Gesinnung abhängig macht: „Wer etwa bei den zentralen 1.Mai-Feierlichkeiten einen Stand beim DGB in Lübeck anmelden möchte, muss sich mit einer langen Liste von „Werten des DGB“ identifizieren. Darunter: die „uneingeschränkte Solidarität mit der Ukraine – wir erkennen W. Putin als alleinigen Aggressor an“, „Bekenntnis zu Europa und zu NATO-Mitgliedschaft“, „Solidarität mit Israel und den zivilen Opfern der kriegerischen Auseinandersetzung im Gaza-Streifen“, „Bekenntnis zur Richtigkeit des Sondervermögens, um in die Zukunft zu investieren“. Mal ehrlich: Will man in einem solchen Verein sein und mit solchen Menschen feiern?  Zeit um über Alternativen nachzudenken.

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16 Kommentare

    1. Nee, ich will weiterhin arbeitsfrei am 01. Mai haben.
      Für mich eines der wichtigsten Argumente pro Feiertage, unabhängig vom Anlass!

  1. Der DGB ist genauso ein Lobbyverein wie z,B. die Atlantikbrücke. Man kämpft für sich selbst, auf Kosten anderer. Und umso höher der Preis des eigenen Klientels getrieben wird, desto ärmer werden die anderen. Dem könnte man mit Tariftreue und dem Betriebsverfassungsgesetz entgegnen, aber beides ist nur bedrucktes Papier, so wie z.B. die Aldiwerbung, zur Kenntnis genommen und weg. Sollen die Gewerkschaftsmitglieder ruhig demonstrieren und ihre uneingeschränkte Solidarität mit den Hitler-Kollaboratueren und den Kindervernichtern in Gaza zeigen, der Rest möge den freien Tag in Familie und Natur genießen. So ähnlich war es auch damals in der DDR.

  2. Wenn territoriale Integrität nicht in Frage gestellt werden kann, dann kann es auch keine Befreiungsbewegungen geben, denn Grenzen sind meist das Ergebnis von imperialer Politik. Und was ist dann mit der territorialen Integrität von Palästina? Wo ist da der Aufschrei. Diese Gewerkschaft betreibt nichts anderes als Verrat an der Arbeiterschaft.

    1. „Wenn territoriale Integrität nicht in Frage gestellt werden kann, dann kann es auch keine Befreiungsbewegungen geben, denn Grenzen sind meist das Ergebnis von imperialer Politik.“

      Exakt! 💪

  3. Interessanter Artikel. Danke für die Veröffentlichung.
    Das DGB-Gewerkschaftsgesocks ist ja noch schlimmer und in meinen Augen noch dümmer, als angenommen. Wie der grosse niederdeutsche Fähnlein-nach-dem-Wind-Führer, alias die sabbelnde Oberflachpfeife, schon tituliert wurde: Genosse(n) der Bosse. Pfui Teufel!

  4. Der 17. Juni wäre eindeutig besser geeignet als der 1. Mai.
    Aber das will die Obrigkeit ncht mehr. (geht ja schließlich nicht mehr gegen die DDR/Sowjetunion)

  5. 1. Mai – Der DGB feiert sich selbst und die Kriegstüchtigkeit!
    1000 Panzer sollen in Kürze gebaut werden, das muss doch gefeiert werden. Immerhin soll die Aufrüstung ein ähnlich starkes Wirtschaftswachstum erzeugen wie bei Hitler!
    DGB grenzt antimilitaristische Kritik der Basis aus. Jetzt erst recht: SAGT NEIN!
    https://www.jungewelt.de/artikel/498674.ostermarscherkl%C3%A4rung-mit-folgen.html
    https://www.dgb.de/aktuelles/news/frieden-sichern-verteidigungsfaehigkeit-erhoehen-militarisierung-stoppen/
    https://www.jungewelt.de/artikel/498674.dgb-f%C3%BCr-verteidigungsf%C3%A4higkeit-ostermarscherkl%C3%A4rung-mit-folgen.html
    https://storage.e.jimdo.com/file/f26855f9-26c1-440c-ba39-5027b711d170/WIR-WIDERSPRECHEN-01052025.pdf

    Pulitzer Preisträger Glenn Greenwald (deutsch übersetzt) Selenskyj lehnt Trumps Ukraine-Vorschlag ab
    https://www.youtube.com/watch?v=1CpDDvXRKos

    I can’t love this country anymore
    https://www.youtube.com/watch?v=xN9ZZvaQHR4&list=RDEM70vGarHBFAAd-c6MsSWFgQ&start_radio=1

    Das Gaslied
    https://www.volksliederarchiv.de/aus-ists-mit-den-boesen-kriegen-gaslied/
    Aus ist’s mit den bösen Kriegen,
    sagt der Völkerbund
    Friedenstauben munter fliegen
    um das Erdenrund
    Es ertönt in jedem Land
    Friedensmusik
    und geächtet und verbannt
    ist jetzt der Krieg

    Nur zum Spaß macht man Gas,
    weil’s noch keiner kennt
    Panzerkreuzer sind das beste
    Friedensinstrument,
    Tankgeschwader, Fliegerbomben
    nur für den Sport,
    niemand denkt mehr
    an den Massenmord.

    Tiefer Frieden weit und breit
    endlich die ewige Friedenszeit
    Doch im allertiefsten Frieden explodierte was
    und der Menschheit ward beschieden bestes Phosgengas
    Allen guten Pazifisten wurde plötzlich mies,
    doch den Mund weit aufgerissen und sprachen dies:

    Mit dem Gas, das macht Spaß, weil’s noch keiner kennt,
    Phosgengas, das ist das neuste Friedensinstrument.
    Gasgefüllte Fliegerbomben nur für den Sport.
    Wirklich denkt niemand an Massenmord.

    Tiefer Frieden weit und breit,
    immer noch ewige Friedenszeit.
    Mit den Friedenslobtiraden wirst du eingewiegt,
    bis der erste Giftgasschwaden dir im Magen liegt;
    bis du wirst im Krieg verrecken an Giftgasduft;
    aus dem Schlaf dich zu erwecken: Die Rote Front ruft!

    Krieg dem Krieg! Unser Sieg macht dem Mord ein End,
    unsere Fäuste sind das beste Friedensinstrument.
    Es vertreibt die Giftgaswolken vom Horizont,
    das Heer der Arbeit — die Rote Front!

    Erst dann wird der Frieden nicht mehr gestört,
    wenn dem Proleten die Welt gehört.
    Drum reih‘ dich ein in die Rote Front!

    Text: Max Jensen
    Musik: E. F.

    Als im Jahre 1928 in Wilhelmsburg bei Hamburg die Explosion eines Phosgengasbehälters eine Welle der Empörung unter der Bevölkerung auslöste, entstand spontan das „Gaslied“ der „Roten Raketen“.

    in Lieder der Agitprop-Truppen vor 1945

  6. Lupenreine AfD-Propaganda. Das soll irgendwie links kligen, endet aber genau dort, wo die AfD hin will. Nachdem Du das Werkstor passiert hast, hast Du keine Rechte mehr. Der Beifall von rechts bleibt ja nicht aus.
    Wie soll msan das jemand erklären, der noch nie eine Fabrik von innen gesehen hat? Wie haben zum Beispiel unseren amerikanischren Konkurrenten übernommen. Schon beim ersten Blick in die Halle war zu sehen, dass die Leute mit diesem Mobiliar nach zehn Jahren ihr Kreuz kaputt haben. In D ist das besser. Da wurde viel getan. Natürlich hat Cuchera auch keine Ahnung, was das früher für Staub- und Lärmhöllen waren. Was sie jetzt nicht mehr sind.
    Nebenbei: diese Wirtschaftsgutachten sind nichts als neoliberaler Einheitsbrei. Wer widerspricht da? Die Gewerkschaften und nur diese. Auch verzichtbar?
    Nofch ein Beispiel: der Emir von Katsar hat sich die Kritik zu Herzen genommen. Er hat viele Artikel der Internationalen Arbeitsorganisation unterschrieben, mehr als in der EU. Auf dem Papier geht es den Arbeitern dort nun besser wie bei uns. Aber nur auf dem Papier. Die Unternehmer wissen, dass der Emir weit weg ist. Ohne Gewerkschaften wird das nie umgesetzt. Und die gibt es nicht, denn der Emir hat alle Gewalten in seiner Hand.
    Da landen wir mit unserem Cuchera.

    1. Es sind die „Berufsgenossenschaften“ die haben die Belastungen entfernt und nicht die Gewerkschaften.

      Weiß man eigentlich, wenn man im Arbeitsalltag unterwegs ist.

    2. @Artur_C

      Ein Emir zahlt nie, der zieht die Emirnummer ab:
      Sprach der Scheich zum Emir, zahl´n wir und dann geh´n wir
      Der Eimir sprach zum Scheich, zahl´n wir gar nicht, geh´n wir gleich

  7. Hinweis
    „Den Begriff der sozialen Sicherheit haben die DGB-Vertreter auch schon auf die Kriegstüchtigkeit der Nation ausgeweitet: „Europäerinnen und Europäer können sich nicht mehr auf das Schutzbündnis mit den USA verlassen, da die Trump-Administration zwischenzeitlich die territoriale Integrität einzelner Staaten von sich aus in Frage stellt.“
    Der Link https://www.stuttgart.igm.de/news/meldung.html zeigt nur ERROR 404

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