Überraschung bei Präsidentenwahl in Portugal fiel aus

Ferreira von den Kommunisten an der Urne. Bild: R. Streck

Es kam zu keiner extremen Demobilisierung im Lockdown und damit zu keiner Stichwahl für den rechtsextremen Ventura.

Das Wetter meinte es gut mit der Präsidentschaftswahl am Sonntag in Portugal. Da der Wind nicht den Regen wie in den letzten Tagen durch die Straßen peitschte, brach die Wahlbeteiligung nicht wie befürchtet ein.  Die Überraschung, auf die der Kandidat der rechtsextremen „Chega“ (Es Reicht) gesetzt hatte, blieb aus. Es kommt zu keiner Stichwahl gegen den populären Favoriten Marcelo Rebelo de Sousa, den alle hier „Marcelo“ nennen. Klar war, dass sich viele Wähler bei Regen nicht in lange Schlangen gestellt hätten, die es wegen der Corona-Sicherheitsmaßnahmen an vielen Orten gab. Es muss festgestellt werden, dass die Regierung eine sichere Wahl organisiert hat. Es sei gefährlicher mit der Metro zu fahren, lautete ein allgemeiner Kommentar.

Der rechte Ultra André Ventura, der aus Marcelos „Sozialdemokratischer Partei“ (PSD) stammt, real sind es Christdemokraten, erhielt knapp 12 % und blieb hinter Ana Gomes. Die Sozialistin kam auf 13 %, obwohl ihre Partei und ihr Regierungschef António Costa sie nicht unterstützten. Sie standen still hinter Marcelo, mit dem sich Costa politisch gut versteht. Eine Stichwahl wäre nötig geworden, hätte der beliebte „Konservative mit Herz“, die absolute Mehrheit verfehlt.

Da trotz der Covid-Angst knapp 40 Prozent der gut zehn Millionen Wahlberechtigten an die Urnen strömten, setzte sich Rebelo de Sousa mit fast 61 % klar durch. Er bedankte sich „von ganzem Herzen“ für das ausgesprochene Vertrauen und dafür, dass die Portugiesen „trotz der Pandemie“ zur Wahl gegangen sind. Für ihn war die „Wahlabstinenz höher als erwartet”. Das „Allerdringlichste“ für den 72-Jährigen ist nun, das Virus zu besiegen. „Das ist mein, euer, unser aller Auftrag!“ Das zweite Mandat sei „kein Blankoscheck“ für ihn.

Schlange vor einem Wahllokal in Lissabon. Bild: R. Streck

Da Ventura alle Ziele verpasste, tritt er nun zurück. „Ich werde mein Wort nicht brechen“, sagte er. Die Mitglieder sollen entscheiden, ob er weiter Chega-Chef sein soll. Großmäulig hatte er im Wahlkampf, in dem er auch von Matteo Salvini von der Lega Nord in Italien und Marine Le Pen, der Anführerin der Rechtsextremen in Frankreich, unterstützt wurde, erklärt: „Ich werde mehr Stimmen als die ganze Linke gemeinsam erhalten.“ Doch nun blieb er hinter Gomes zurück. Die ist erfreut, das „patriotische Ziel“ erreicht zu haben, nämlich zu verhindern, dass sich „die Ultrarechte als mögliche Alternative“ darstellen könne.

Der Chega-Chef Ventura gab sich als Präsident ohne Angst vor dem System. Bild: R. Streck

Trotz allem ist es ein Erfolg der Rassisten, drittstärkste Kraft geworden zu sein. Bei den Parlamentswahlen im Herbst 2019 zog Ventura als einziger Chega-Kandidat mit 1,3 % ins Parlament ein. Seine Politik ständiger Provokationen schaffe es, die anzusprechen, die sich abgehängt fühlen, erklärt der hoch angesehene Historiker, Kolumnist und ehemalige Vizepräsident des Europaparlaments José Pacheco Pereira im Buchkomplizen-Gespräch. „Es war nur eine Frage der Zeit“, bis eine solche Partei auch in Portugal auftauchen würde.

Das PSD-Mitglied spricht von einer „Repräsentationskrise“, in der sich „viele Menschen außerhalb des Systems“ stehen sehen. Das habe die Corona-Krise zugespitzt. Ventura sei es gelungen, ihre Sprache zu sprechen, der auch Mitglieder vom rechten Flügel der PSD und der rechten CDS-PP abgeworben habe. Letztere hatte, zum Leidwesen vieler Mitglieder, nicht einmal einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt, um den Sieg von „Marcelo“ für sich zu proklamieren. Das tun auch die Liberalen und die Sozialisten. Die traditionelle Rechtspartei CDS-PP, die einst auf bis zu 16 Prozent der Stimmen kam, liegt schwer angeschlagen auf der Intensivstation. Chega habe „Dynamik“ und werde „vermutlich bis zu den nächsten Parlamentswahlen wachsen“. Danach, so meint Pacheco Pereira, werde ihr Abstieg einsetzen.

Einen Achtungserfolg konnte bei den Wahlen João Ferreira mit 4,3 Prozent erringen. Mit dem 42-Jährigen haben sich die Kommunisten (PCP) ein junges Gesicht gegeben. Er konnte gegenüber dem Ergebnis von 2016 zulegen und landete noch vor der Kandidatin des Linksblocks (BE) Marisa Matias. Sie kam vor fünf Jahren noch auf gut 10 % und den dritten Rang, landete aber jetzt abgeschlagen mit 4 % nur noch auf den fünftem Rang. Überbewerten sollte man das Ergebnis der beiden Parteien nicht, meint der Analyst. Diese Präsidentschaftswahlen seien nicht geeignet, um die realen Kräfteverhältnisse festzustellen. Erst die Kommunalwahlen im Herbst würden ein genaueres Bild geben.

Pacheco Pereira unterstreicht den frischeren Diskurs der PCP von Ferreira. Ferreira meint, „Opfer der Polarisierung“ geworden zu sein.  Matias vom Linksblock gestand gegenüber Buchkomplizen ein, dass sie ein „schlechtes Ergebnis“ erreicht und „weit hinter den gesteckten Zielen geblieben“ ist. Sie beklagte die Zersplitterung in der Linken, die es nicht geschafft hatte, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen.

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