Haben US-Soldaten in Panik viele Afghanen nach dem Anschlag getötet?

Verletzte wurde mit Schubkarren nach dem Anschlag zu Kliniken gebracht.

Augenzeugen und Klinikmitarbeiter berichten, dass viele Tote und Verletzten Schusswunden hätten, das Feuer sei von oben, von den Soldaten gekommen. Das wäre in der Situation nicht abwegig, würde aber den Abzug der Amerikaner weiter belasten.

 

Zunächst hatte das Pentagon nichts davon wissen wollen, dass Zivilisten zu den Opfern des Drohnenangriffs am Sonntag auf ein Fahrzeug gewesen sind, das angeblich für einen Anschlag auf den Flughafen vollbeladen mit Sprengstoff gewesen sein soll. Zerstört wurde aber auch ein weiteres Fahrzeug mit den Passagieren.

Der Angriff war möglicherweise präzise, aber in einer dichten städtischen Bebauung musste man wissen, dass das Leben anderer Menschen als der möglichen Attentäter gefährdet wird. Zum letzten Stand sind bei dem Angriff 10 Zivilisten nach Auskunft von Nachbarn und Verwandten getötet worden, darunter auch Frauen und 5 Kinder. Alle Getöteten gehörten einer Familie an.

Noch immer versucht das CentCom Schuld von sich zu weisen. Man habe von Zivilisten gehört, die Opfer wurden. Heißt es in der letzten Mitteilung. Man untersuche die Folgen des Angriffs noch, „von dem wir wissen, dass er eine unmittelbare IS-K-Bedrohung für den Flughafen war. Wir wissen, dass es wesentliche und starke folgende Explosionen in der Folge der Zerstörung des Fahrzeugs gegeben hat, die auf eine große Menge an Explosionsmaterial hinweisen, die zusätzliche Opfer verursacht haben können. Es ist unklar, was geschehen ist und wir werden das weiter untersuchen.“

Man hätte zumindest eine Entschuldigung und für die Hinterbliebenen eine Entschädigung anbieten können. Der Versuch, die getöteten Zivilisten dem Sprengstoff in einem Fahrzeug zuzuschreiben, ist auch deswegen infam, weil beide Fahrzeuge unmittelbar nebeneinander in einem kleinen Hinterhof standen. Eine Hellfire-Rakete würde für die Zerstörung beider Fahrzeuge ausreichen. Unklar ist, ob eines der Fahrzeuge tatsächlich mit Sprengstoff beladen war. Bilder zeigen zwar Schäden an den Häusern, wenn aber eine große Sprengladung in einem Fahrzeug gewesen wäre, hätte eigentlich der Schaden größer sein sollen. Natürlich kann man auch nicht ausschließen, dass die Zivilisten mit den IS-K-Terroristen verbandelt gewesen sein könnten. Bislang hat man auch nichts von getöteten Terroristen und einer Erklärung gehört, warum das angeblich mit Sprengstoff beladene Fahrzeug in dem Hinterhof stand.

 

Aber das Dilemma könnte für die Amerikaner noch schlimmer werden. Am vergangenen Donnerstag waren bei dem Selbstmordanschlag am Flughafen in Kabul wahrscheinlich 190 Menschen getötet worden, darunter 13 US-Marines. Die Toten und zahlreichen Verwundeten wurden bislang einzig auf die Autobombe und vielleicht einige Terroristen zurückgeführt, die den „komplexen“ Angriff mit Feuer aus Schusswaffen begleitet haben sollen. Von diesen wurde aber offenbar bislang weder Leichen noch Gefangene gefunden. Es tauchen aber jetzt Beschuldigungen auf, dass US-Soldaten auf die Menge vor ihnen geschossen haben könnten. Das wäre auch ganz verständlich, schließlich mussten sie mit weiteren Angriffen rechnen und Angst um ihr Leben und das ihrer Kollegen.

Die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua berichtet, ein Verletzter, der anaonym bleiben wollte,  im Krankenhaus habe am Montag erzählt, das auf die Sprengung Gewehrschüsse folgten, wodurch seine Hand verletzt wurde: „Es gab an dem Ort keine anderen bewaffneten Männer als die amerikanischen Soldaten, als die Schießerei stattfand. In dem Geschosshagel versuchte jeder, die tragische Szene zu verlassen.“ Einige Verletzte hätten überdies gesagt, dass aus Schusswunden US-Kugeln entfernt worden seien.

Das ist nicht der einzige Bericht. Am Samstag veröffentlichte der BBC-Reporter Secunder Kermani ein Video auf seinem Twitter-Account, in dem er sagte, viele, mit denen er gesprochen habe, darunter auch Augenzeugen, hätten gesagt, dass ein beträchtlicher Teil der Toten von den US-Soldaten in der Panik nach der Explosion getötet worden seien. Ein Augenzeuge will einen amerikanischen und neben ihm türkische Soldaten gesehen haben. Die Schüsse seien bon oben, von den Türmen gekommen. Ein Freund eines getöteten Afghanen, der lange bei der US Army gearbeitet haben soll, behauptet: „Er wurde nicht von den Taliban getötet. Er wurde nicht vom IS getötet. Die US Army begann zu schießen.“ Kermani fragte, warum er sicher sei: „Wegen der Kugel in seinem Kopf“, antwortete dieser. Auf Anfrage habe das Pentagon nicht geantwortet.

Noch extremer ist eine Aussage von einem Mitarbeiter eines Notfallzentrums, der früher Offizier war. Er sagt die meisten Toten seien erschossen worden, was man an den Leichen habe sehen können, die teils von mehreren Kugeln getroffen wurden. Das Feuer sei nicht von hinten und vom Boden aus gekommen, also von den angeblichen IS-K-Kämpfern, sondern die Schüsse seien von oben gekommen, was sich an den Einschusskanälen sehen lasse. Getroffen worden seien vor allem Schädel, Nacken und Bauch, was zeige, dass die Menschen dicht gepresst gestanden wären. Durch die Explosion zerrissen und umgekommen sei nur ein Bruchteil. Er sprach von 20 von 100 Toten.

 

Das können Geschichten sein, die in Kabul zirkulieren, ohne wahr zu sein, um die Amerikaner als die Bösen darzustellen. Die Taliban haben meines Wissens darüber nichts erzählt, sie wollen den Abzug der Amerikaner und die Kooperation mit ihnen vielleicht nicht damit belasten, auch nicht sich selbst, weil sie den Anschlag nicht verhindern konnten. Da Taliban aber auch am Ort des Geschehens waren und vermutlich beim Abtransport der Leichen und Verletzten beteiligt waren, könnte es durchaus sein, dass Beweismaterial sichergestellt wurde, sofern die Berichte der Wahrheit entsprechen sollten.

Dass US-Marines und möglicherweise andere ausländischen Soldaten nach dem durch die Explosion ausgelösten Chaos und angesichts dessen, dass Kollegen getötet und verletzt wurden, in die Menge schossen, ohne genauer hinzusehen, um sich zu schützen, ist durchaus vorstellbar. Dass bislang nichts durchgedrungen ist, könnte auch daran liegen, dass man im Pentagon darüber lieber schweigt, um den Abzug nicht noch weiter zu belasten.

 

Den Abzug der Amerikaner am Montag um Mitternacht haben die Taliban mit Salven von Gewehrschüssen gefeiert.

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