Die „Freiheit“ siegt, in Madrid ein Bier trinken zu dürfen

Isabel Diaz Ayuso hat mit der Parole „Freiheit“ die Wahl für die Regionalregierung Madrid gewonnen. Bild: PP Madrid/CC BY-2.0

Trotz einer Rekordbeteiligung siegt die spanische Rechte-Ultrarechte in Madrid deutlich, womit auch die sozialdemokratische Zentralregierung schwer angezählt ist

Die vorgezogenen Regionalwahlen in der Hauptstadtregion Madrid haben am Dienstag schließlich doch noch für eine Überraschung gesorgt. Insgesamt gingen sie aus, wie es auf Krass & Konkret erwartet wurde. Aber obwohl die Regionalregierung die Wahlen zum Regionalparlament erstmals seit mehr als drei Jahrzehnten wieder an einem Wochentag angesetzt hat, um die Beteiligung niedrig zu halten, wurde mit mehr als 76 % aber schließlich sogar eine Rekordbeteiligung registriert.

Obwohl eine hohe Beteiligung üblicherweise die Chancen der Linken in Spanien erhöht, konnte die Rechte einen klaren Wahlsieg einfahren. Angesichts der Beteiligung waren bei linken Parteien im Laufe des Wahldienstag Hoffnungen aufgekeimt, die Vorherrschaft der ultrakonservativen Volkspartei (PP) nach 26 Jahren brechen zu können. Doch die zerstoben schnell mit den ersten Hochrechnungen am Abend. Letztlich haben es vor allem die PP und ihre Spitzenkandidatin Isabel Díaz Ayuso geschafft, die auch „Marine Le Pen Spaniens“ genannt wird, breite Wählerschichten zu mobilisieren. Ayuso hat  mit fast 45 Prozent und 65 Sitzen kein Rekordergebnis erreicht und die angestrebte absolute Mehrheit von 69 Sitzen verfehlte sie. Aber ihre PP wurde wieder stärkste Kraft in der wichtigen Hauptstadtregion. Die 2019 abgestürzte Partei hat ihren Stimmenanteil nun wieder verdoppelt.

Ayuso, die auch „Trump Kastiliens“ genannt wird, hat über den Wahlsieg hinaus ein weiteres für sie wichtiges Ziel erreicht. Sie hat den bisherigen starken Koalitionspartner „Ciudadanos“ (Cs) komplett geschluckt. Die rechts-neoliberale Partei kommt mit 3,5 Prozent nicht wieder ins Parlament. Die sich ohnehin in Auflösung befindliche Schwesterpartei der FDP, von der immer mehr Kader wieder in die PP zurückkehren, kam noch vor zwei Jahren auf 19,5 Prozent und 26 Sitze. Was in Murcia seinen Ausgang  nahm, wurde in Madrid nun beendet. Die Cs liegen nun tödlich verwundet auf der Intensivstation.

Mit ihrem Ultra-Diskurs hat Ayuso für die CDU-Schwesterpartei auch verhindert, dass die ultrarechte Abspaltung von der PP in Madrid weiterwachsen konnte. Dafür übernahm sie deren Positionen zum Teil und bot VOX sogar eine Regierungsbeteiligung nach der bisherigen Unterstützung an. Sie und führende Parteifreunde haben keine Probleme damit, „Faschisten“ genannt zu werden und bezeichnen sich bisweilen sogar selbst so.

Unterstützung durch VOX

Ayuso präsentiert sich, ähnlich wie Marine Le Pen in Frankreich, als modernes Gesicht am rechten Rand. Sie stellt sich, ebenfalls wie Le Pen, anders als die im Nationalkatholizismus verankerte VOX, zum Beispiel auch nicht frontal gegen Abtreibungen und damit gegen viele Frauen, für die VOX unwählbar ist. So hat Ayuso verhindert, dass VOX stark zulegen konnte, wie man es zuletzt in Katalonien erleben konnte, wo sie die PP sogar deutlich überflügeln konnte. Allerdings hat die spanisch-nationalistische Rechte dort insgesamt erheblich Federn lassen müssen, dafür wurden linke und katalanische Kräfte deutlich stärker, womit sich erneut zeigt, wie deutlich sich Katalonien oder das Baskenland vom restlichen Spanien unterscheiden. Im Baskenland sind die spanische Rechte und Ultrarechte längst marginal. In Madrid kam VOX statt auf knapp unter 9% nun auf knapp über 9%. Die offenen Anhänger der Franco-Diktatur wurden dafür mit einem zusätzlichen Sitz belohnt und kommen nun auf 13. Sie blieben aber deutlich hinter ihren Zielen zurück und können die Politik von Ayuso nicht maßgeblich beeinflussen.

Die PP in Madrid ist aber weiterhin auf deren Unterstützung angewiesen. Die rechten Ultras haben schon in der Wahlnacht erklärt, Ayuso zu wählen. Sie fordern dafür keine Teilnahme an der Regierung und ersparen damit Ayuso und der PP einen weiteren Tabubruch mit Blick auf die europäischen Partner wie die CDU. Die enttäuschte VOX erklärt, sie habe einen „kommunistischen Angriff auf Madrid“ abgewehrt. Sie will nun Ayuso unterstützen und darüber durchsetzen, dass ihre Ideen weiterhin „respektiert“ werden.

Ihren Führungsanspruch in der PP hat Ayuso nun gegenüber dem (noch) PP-Chef Pablo Casado gestärkt, der bisher nur Wahlniederlagen einstecken musste. Ihr Modell war erfolgreich, sich wieder zurück in die Vergangenheit der PP zu bewegen, die von Mitgliedern der Franco-Diktatur gegründet wurde. Das gilt zumindest in der wichtigen Hauptstadtregion, wo sich die ökonomische, finanzkapitalistische und mediale Macht des Landes konzentriert. Vermutlich kann aber, davon gehen Beobachter aus, das Schauspiel in Andalusien alsbald erneut beobachtet werden. Denn auch dort will sich die PP den Koalitionspartner Cs loswerden und nur noch mit VOX-Unterstützung regieren.

Schlappe für Podemos-Gründe Pablo Iglesias

Insgesamt wurde die Linke in Madrid deklassiert, da die Rechte insgesamt fast auf 60 % der Stimmen kam. Ayuso hat mit ihrem Schmusekurs gegenüber VOX allein mehr Stimmen in der Hauptstadtregion erhalten, als die drei Linksparteien zusammen. Die absolute Schlappe musste der Podemos-Mitbegründer und Chef der Linkskoalition „Unidas Podemos“ (UP) einstecken. Er hatte sogar seinen Posten als Vize-Ministerpräsident und Sozialminister in der spanischen Regierung geräumt, um in der Hauptstadtregion der „Gefahr für die Demokratie durch eine neue Rechte à la Trump“ zu begegnen. (UP wurde mit gut sieben Prozent nur fünfstärkste Kraft.

Iglesias gestand die Niederlage noch in der Wahlnacht ein. „Wir haben versagt“, erklärte er vor seinen versammelten Vertrauten. Er räumte ein, dass offensichtlich sei, dass er „nichts dazu beitrage“, die Menschen zu vereinen. „Ich bin nicht die Person, die dazu beitragen kann, dass sich diese politische Kraft konsolidiert.“ Man habe ihn zum „Sündenbock“ gestempelt, „der das Schlimmste bei denen mobilisiert, die die Demokratie hassen“, erklärte er mit Blick auf die „Todesurteile“ für ihn und seine Familie. Wirkliche Selbstkritik würde sich in einer von Abspaltungen und Streit geprägten Partei anders anhören, in der von den einstigen Gründern praktisch niemand mehr zu finden ist.

Die „Sozialisten“ fuhren in der Hauptstadtregion ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein

Die sozialdemokratische Zentralregierung unter Pedro Sánchez wurde nicht nur über den Abgang von Iglesias geschwächt, sondern stellte sich mit ihrem Kandidaten Ángel Gabilondo selbst ein Bein. Die „Sozialisten“ (PSOE) fuhren in der Hauptstadtregion ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Gabilondo, der sich selbst als „langweilig“ bezeichnet, hatte die Wahlen noch vor zwei Jahren gewonnen. Er fiel aber als Oppositionsführer vollständig aus. Er hat Ayuso über die starken parteinahen Medien wie El País, Ser… nicht einmal die zahllosen Korruptionsskandale der PP unter die Nase gerieben, die man gerichtsfest als Korruptionspartei bezeichnen darf.

Er hat ihr fatal tödliches Coronavirus-Krisenmanagement kaum thematisiert. Die Ayuso-Regierung, die allein dafür die Kompetenzen hat, ließ tausende alte Menschen in oft privatisierten Altenheimen sterben und wusste zudem, was sie tat. Das belegen interne Dokumente.  So ist Madrid die Region mit der höchsten Sterblichkeit im Land und nimmt dabei auch weltweit einen Spitzenplatz ein. Dass die PP illegal auch versuchte, tausende Sozialwohnungen an Geierfonds zu verscherbeln, benannte der „Langweiler“ ebenfalls nicht.

Das Ergebnis der desaströsen PSOE-Politik ist, dass sie in Madrid von gut 27 Prozent auf nur noch knapp 17 Prozent abgestürzt ist. Sie fiel nun sogar hinter Más Madrid (Mehr Madrid) auf den dritten Rang zurück. Der einstige Podemos-Partner kam auf 17 Prozent. Ein deutlich besseres Ergebnis wurde durch die absurde Kampfkandidatur von Iglesias verhindert, der damit erneut jegliches politische Gespür in seiner Heimatstadt vermissen ließ. Dass dessen Formation schon vor zwei Jahren bei den Kommunalwahlen gegen Más Madrid angetreten war, war schon ein fataler Fehler, aus dem er nichts gelernt hat, weshalb sein Abgang nun nur konsequent ist. Schon in der Hauptstadt wurde verhindert, dass die Formation als Wahlsieger nach vier erfolgreichen Jahren die Hauptstadt weiterregieren konnte.

Für Más Madrid hatte die Ärztin Mónica García kandidiert. Die Anästhesistin war als Regionalparlamentarierin bisher die Stimme der Opposition und wurde dafür auch belohnt. Hätten UP und Iglesias auf eine Kandidatur verzichtet, wäre ihr Ergebnis noch deutlich besser ausgefallen. Sie hatte ihren Job während der Parlamentstätigkeit nicht aufgegeben und rieb Ayuso stets als kompetente Stimme ihre tödliche Coronavirus-Politik unter die Nase. Allerdings fehlte Más Madrid eine durchschlagende Struktur und Aufmerksamkeit in den Medien, die in Spanien sehr stark an Parteien gebunden sind.

Sie hat aber geschickt versucht, sich nicht zu links zu verorten, um breit wählbar zu sein und damit letztlich das Konzept umgesetzt, das einst Podemos Wahlerfolge bescherte. Auch Gárcia hatte klargestellt, dass für sie die „Rechte seit langem einen Konflikt mit der Demokratie hat“ und ihre Politik darauf aufbaue, die zu stigmatisieren, die anders sind, vor allem die schwächer sind.  Gegen die „Freiheit“ von Ayuso, die es der Mehrheit in der Hauptstadtregion trotz hoher Corona-Inzidenz ermöglicht, bis um 23 Uhr in die Kneipe oder ins Restaurant zu gehen, kam sie aber nicht an.

Erfolgreicher Trumpismus

Dass die Ayuso-„Freiheit“ keine Freiheit im eigentlichen Sinne ist, hat sie längst gezeigt. Es handelt sich nur um egoistische Freiheit zum Konsum, um ihre Freunde in der Wirtschaft zu stützen. Nur im Madrid der „Freiheit“ durfte zum Beispiel am 8. März nicht für Frauenrechte auf die Straße gegangen werden, während Madrid zur Party-Stadt für halb Europa mutiert ist.

Dass García nicht wirklich durchdringen konnte, dafür sorgte schon die geballte Medienmacht, die den Kurs von Ayuso getragen und deren Trump-Strategie befördert hat. Ayuso gab stets die Themen vor. Alle haben sich an ihr und dem zum Teil hanebüchenen Unsinn abgearbeitet, den sie immer wieder von sich gab. So bestimmte sie den Wahlkampf und sie stand ständig mit der Parole „Freiheit“ im Rampenlicht.

So wurde im Wahlkampf kaum über Inhalte debattiert, nicht über die Privatisierungen und nicht über die fatale Lage im Madrider Gesundheitssystem, wo man Wochen auf einen Termin im Gesundheitszentrum warten muss und die Warteliste für Operationen lang ist. Thematisiert wurde auch nicht, dass Madrid innerhalb Spaniens eine Steueroase ist. Die Trump-Strategie zog, noch niedrigere Steuern zu versprechen. Wie damit vernünftige Leistungen finanziert werden sollen, weiß natürlich niemand, weshalb Joe Biden nach langen Jahren des Irrtums nun endlich umsteuert.

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