
Die Immobiliengesellschaft hat gegen den Willen des Kanarienquex dessen Balkon zwangssaniert. Mit Hilfe von Jonathan Rischke, Star der jungen Rechtsanwälte, will er klagen. Auch Donna Fauna trägt eine Idee zur juristische Strategie bei …
»Der entscheidende Angriffspunkt sind die Pflanzen, speziell der Efeu.«
Es war nicht Rechtsanwalt Rischke, der auf diese juristische Finesse kam, sondern Donna Fauna.
Der Balkon des Quex war in der Tat ein Traum aus erlesenstem Wildwuchs gewesen. Die Wohnungsgesellschaft jedoch hatte da im Zuge der Balkonsanierung kurzen Prozess gemacht. Nur waren diese Pflanzen eindeutig Eigentum des Mieters und hätten ohne dessen Einwilligung nicht entfernt werden dürfen: ermordet, wie Donna Fauna es formulierte.
Fauna: »Der Efeu war außerdem nicht irgendein Efeu, das war Hedera Colchica!«
KQ: »Der Scheiß-Efeu war bitte was?«
Fauna: »Hedera Colchica. Persischer Efeu aus Kolchis, noch dazu schlitzblättrig. Das ist eine ganz seltene Sorte.«
KQ: »Krass. Wusste ich gar nicht.«
Fauna: »War ja auch nicht so. Aber glaubst Du, die Bauleute haben sich Efeublätter als Beweisstücke aufgehoben, bevor sie Deinen Balkon versaut haben? Also war das schlitzblättriger Hedera Colchica! Da reden wir über eine erhebliche Schadensumme. Vom ideellen Wert Deines liebevoll und über Jahre hinweg zur Blüte gebrachten Pflanzenparadieses mal ganz zu schweigen.«
KQ: »Cool. Das muss ich Jonathan sagen, das klappt vielleicht.«
Fauna: »John Rischke?«
KQ: »Ja klar, das ist der einzige Rechtsanwalt, den ich kenne, und der macht das umsonst für mich.«
»Mit dem Rischke im Soho?« Donna Fauna warf sich in die Pose totaler Entrüstung. Für sie war Jonathan Rischke ein Gentrifizierungsgewinnler übelster Sorte. Ein Verräter, der geächtet gehörte!
Dass sie selbst einen ausgedehnten Sommer lang eine Affäre mit Jonathan Rischke gehabt hatte, befeuerte nur Faunas jetzigen Hass. Dass eine Prise Eifersucht da eine Rolle spielen könnte, brauchte der Kanarienquex aber nur anzudeuten, um Faunas emotionalen Dampfkochtopf vollends zur Explosion zu bringen.
Vorwürfe über Vorwürfe. Fauna schrie, Fauna tobte und drohte, Fauna flippte restlos aus. Jeder quexseitige Beschwichtigungsversuch löste ein neues Missverständnis und eine noch höherschlagende Welle der Empörung aus.
KQ drehte einen Joint, Fauna beruhigte sich für eine Zeit und man fand wieder zu einem halbwegs versöhnlichen Grundton zurück. Doch die nächste Sprengladung harrte bereits ihrer Zündung.
Zu einem für diesen Abend vereinbarten »Balkonstrategischen Dinner« im Caravaggio waren nebst dem Kanarienquex selbst nämlich nicht nur Lola Mercedes und Fauna geladen, sondern auch Jonathan Rischke. Den hatte KQ dazugebeten, selbstverständlich, aber irgendwie hatte er verpeilt oder verdrängt, dieses Detail der Veranstaltung auch Donna Fauna rechtzeitig zu kommunizieren.
Als der Quex dann sehr ungelenk daranging, ewig um den heißen Brei herumzureden und Donna Fauna die drohende Anwesenheit Rischkes zielsicher aus KQ herausverdächtigte, waren die beiden bis auf Sichtweite des Caravaggio erneut in einem feindseligen Wortgefecht vereint.
Der Quex verteidigte sich, er brauche für die Aktion logischerweise einen Rechtsanwalt und er kenne nun einmal keinen anderen. Das wollte Fauna keineswegs als hinreichende Begründung gelten lassen, eine Ex-Affäre wie Rischke, den sie bekanntermaßen mehr als kritisch sah, unangekündigt mit ihr an einem Tisch zu platzieren. Das wiederum räumte KQ mit wenig gespielter Zerknirschung ein.
Dass die ganze quälende Angst, schon wieder einen gigantischen Fehler zu machen und dafür einen Tobsuchtsanfall zu ernten, ihn gelähmt und gehindert hatte, Fauna Rischkes Anwesenheit rechtzeitig zu beichten, vermochte er ihr nicht verständlich zu machen.
So blieb vieles nur innerlich ausgesprochen.
Wie so oft.
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