Leichter als Luft, Folge 15 — Alte, sehr gefährliche Bekannte

Berlin, Quadriga
Quelle: Pixabay

Als Donna Fauna und der Kanarienquex zurückkehren zu einer illegalen Elektroparty werden sie Zeugen eines brutalen Polizeiüberfalls und ergreifen erneut die Flucht. Die gestaltet sich umso schwieriger, als bald alte, sehr gefährliche Bekannte auftauchen …

 

Wenn Fauna zu Beginn des Trips den Quex gebeten hatte, ihr im Ernstfall beizustehen, dann war dieser soeben auf das Theatralischste eingetreten. Nur war es Fauna, die zu helfen hatte. Was sich aus mehreren Gründen schwierig gestaltete.

Der Kanarienquex klebte, mit krampfenden Armen klammernd, an Faunas Rücken und schien wie ein armes, krankes Vögelchen dahinzusiechen. Fauna selbst hatte idiotischerweise kurz vor Beginn der Fahrt ein Achtelchen LSD nachgeworfen, war nunmehr auf dem Höhepunkt der frisch zugeführten Tripenergie und hatte erhebliche Mühe, die Schwalbe sicher auf der stark befahrenen Ringstraße zu steuern.

Und links neben der Schwalbe kurvte seit mehr als fünf Minuten: ein schwarzer Golf!

Querfeldein durch die geheimen Winkel und Wege des Molochs waren sie vom Stadthafenviertel zur alten Damenhandschuhfabrik zurückgelaufen.

Aus Neugier und Übermut waren sie erneut auf dem zuvor entdeckten Schleichweg in das Gebäude eingedrungen. Fauna war als Erste durch das noch immer offen stehende Kellerfenster gestiegen, KQ hinterher. Unten angekommen, hatten sie festgestellt, dass die Kerzen, die den Gang zuvor beleuchtet hatten, nicht mehr brannten. Unter Zuhilfenahme seines Feuerzeuges war KQ vorangegangen.

Es hatte eine Zeit gedauert, sich unter den widrigen Lichtverhältnissen den Weg zu bahnen. Endlich hatten sie den Gang durchquert. Bevor sie sich wieder auf die Party begeben wollten, warfen beide etwas Acid nach.

»Noch ’n paar Stunden feiern, dann raus, wie wir reingekommen sind, der Kreis schließt sich und – Schwupps! – sind wir zurück in der guten alten Realität von … Shivas Paradize!«, hatte der Quex noch frohlockt und sich über die Leiter an den Aufstieg in die obere Etage gemacht.

Er hatte gerade das psychedelische Aquarium betreten, als plötzlich die Musik ausgegangen war. Sekunden später war alles hell erleuchtet und überall Panik: Bullen! Razzia! »Raus hier, raus! Komm! Schnell!«, hatte Fauna dem Quex von hinten zugeraunt, wo sie immer noch im Schutz der Pappmachéfelsen gestanden hatte.

Derweil drängten Uniformierte in Kampfmontur zwischen die Feiernden. Mit langsamen Schritten wich der Kanarienquex zurück. Sein Blick fokussierte auf einen zwei Meter Polizeigorilla, der sich schemenhaft und wie in Zeitlupe durch die Szenerie bewegte. Der Blick des Cops erfasste einen androgynen, auf Scheherazade gestylten Turko-Boy. Die Sicht vom zurückweichenden Quex immer wieder verdeckt, konnte Fauna erkennen, wie der Gorilla dieser orientalischen Schönheit den Arm aus dem Schultergelenk drehte. Sie warf die Hände gerade noch rechtzeitig zu einer Schutzgeste hoch, um die Schmerzensschreie des so Malträtierten energetisch abzuleiten. KQ aber wurde voll erwischt.

Er schien paralysiert. Fauna rief seinen Namen. Der Quex starrte auf den Polizeigorilla, der mit seinem Opfer fertig war und den Wimmernden achtlos in die Ecke donnerte. Jetzt wandte er sich zum Aquarium – wo der Quex bewegungslos verharrte und ihm direkt in die Augen schaute. Fauna war, als sehe sie einen fies lächelnden Sadistendämon sich aus der Körperhülle des Bullen lösen und direkt auf den Energiekörper des Kanarienquex zudrängen.

Fauna zerriss den Schleier, der das Quexbewusstsein lähmte, indem sie ihn von hinten packte und hinter die Pappmaché-Felsen zerrte. Irgendwie gelang es ihr, den Quex unfallfrei die Leiter hinunterzubekommen. Von oben kam der Gorilla hinterher. KQ schubsend, schiebend, stützend, durchquerte Fauna den Gang und sie erreichten sicher die zweite Leiter am Kellerfenster.

Als sie oben aus der Luke gekrochen waren, zog sie die Leiter hinterher. Der Gorilla-Cop kam unten angerannt, sah nur noch die Leiter durch die Luke verschwinden und brüllte vor Wut auf, dass seine Opfer entkommen waren.

Oben mussten Fauna und KQ tatenlos zusehen, wie die restliche Hippiemeute in vergitterte Wannen verladen und abtransportiert wurde. Unbemerkt schlichen sie zur Schwalbe und machten sich davon.

Einige Straßenzüge weiter war aus einer Seitenstraße der schwarze Golf aufgetaucht.

Der Quex schmiegte seinen Kopf in Faunas Nacken, die seinen schwachen Atem in ihrem Helm aufsteigen spürte.

Eine rote Ampel. Das bekannte Spiel: »Da seid Ihr ja wieder. Wir hatten schon Angst, Ihr wärt auf und davon geflogen«, tönte es mindestens so hämisch wie bedrohlich aus dem Golf.

Fauna dachte an den Wurfstern. Ein Blick nach links brachte sie von der Idee ab: Das Auto war mit vier gut gebauten Nazihools besetzt. Enganliegende Muskelshirts, schwarze Military-Hosen, zwei im Gesicht gepierct: Jahrtausendwende-Faschos, wie sie auch gerne mal auf einem Techno-Move mitliefen.

Die Ampel sprang auf Grün. Der Trick vom Nachmittag würde nicht noch einmal klappen. Faunas Schwalbe und der Golf fuhren langsam an. »Quer laufen! Die Dimension wechseln! Auf die andere Seite der Realität!«, kam es Fauna in den Sinn, während sie auf Tempo fünfzig beschleunigte. Ob dieser Bewegungsmodus auch mit der Schwalbe funktionierte?

»Festhalten, KQ!«, rief Fauna nach hinten und stieg hart auf die Bremse. Der Golf schoss einige Meter an ihnen vorbei. Fauna zog dahinter einen scharfen Linksbogen, kreuzte über die Gegenfahrbahn und steuerte in eine hellerleuchtete, nicht für motorisierte Zweiräder gedachte City-Passage.

Wie ein Stuka im Sinkflug brach die blaue Schwalbe in eine Ladenzeile, wo das Putzpersonal und die Mitarbeiter der Backfabrik bereits den kommenden Handelstag vorbereiteten. Fauna verminderte das Tempo so wenig es ging. Dass der Golf hierher folgen würde, war zwar höchst unwahrscheinlich. Aber sie wollte nicht riskieren, am anderen Ausgang unliebsam empfangen zu werden.

Die Ladenzeile öffnete sich zu einer als italienische Piazza gestalteten Einkaufshalle. In der Mitte kam ein größerer Brunnen in Sicht, rund herum Mobiliar und Kunstpalmen eines Cafés. Fauna kurvte daran vorbei und bog in eine weitere Ladenstraße ab.

Sie fuhr langsamer an die geschlossene Schiebetür heran. Mit elektronischem Surren gab sie den Weg frei. Hinter ihr war der Quex erwacht: »Wo sind wir? Was geht ’n ab?« Fauna raunte nur: »Festhalten!«, rollte vorsichtig aus der Passage heraus, lugte nach links und rechts und nahm erneut Fahrt auf.

»Mephistooopheles! Mephistooopheles!« – Der Kanarienquex hatte seit einiger Zeit begonnen, immer wieder langgezogen den Namen des Leibhaftigen zu rufen.

»Meint der jetzt mich, oder was?«, fragte sich Fauna, konnte sich aber nicht weiter damit beschäftigen. Quer durch den Moloch zu laufen, war das eine. Total auf Trip mit der Schwalbe durch gesperrte Straßen und Baugebiete zu manövrieren, stellte eine ungleich größere Herausforderung dar. Zudem hatte sie seit geraumer Zeit die Orientierung verloren. »Über die Brücke! Zurück über den Fluss!«, schoss es Fauna durch den Kopf.

Sie rang um Kontrolle. Ruhig jetzt. Wenn sie eine Brücke erreichen könnten, wären sie so gut wie in Sicherheit. Fauna bog um die Ecke und sah die Turmspitzen der Kathedrale über die Dächer schimmern. Sie war erstmals froh, den verhassten Katholikentempel zu sehen: Hinter der Kathedrale gab es eine direkte Auffahrt zu einer der größeren Brücken über den Fluss, glaubte sich Fauna zu erinnern.

Zwischen Schwalbe und Kathedrale lag die Fußgängerzone. »Auch schon scheißegal«, entschied Fauna. Der Quex ließ erneut sein helles »Mephistooopheles!« hören.

Abgesehen von einigen Berbern in den Eingängen der Kaufhäuser, war die Fußgängerzone menschenleer. Als einziges Geräusch schallte das Röhren der Schwalbe durch den Häusercanyon. An der Kathedrale vorbei, erkannte Fauna schon die Stahlkonstruktion besagter Brücke. Diese stellte sich zwar als Eisenbahnbrücke heraus, aber es gab einen Fußgängerweg auf der rechten Seite, der mit der Schwalbe problemlos befahrbar war.

Fauna hielt kurz an. Sie drehte sich nach dem Quex um, der den Eindruck machte, als könnte er jeden Moment zusammenklappen. »Gleich sind wir in Sicherheit«, versuchte sie ihm Mut zu machen. Die Schwalbe stotterte los.

Der frische Fahrtwind und die Wasserenergie des Flusses machten KQ wieder etwas munterer. Er hörte mit seinem Mephistopheles-Geschrei auf und setzte sich stabiler hin. Als sie am Ende der Brücke unter den Eisenbahngleisen weg in den Uferpark einbogen, legte er sich sogar wieder ein bisschen aktiver in die Kurve. Trotzdem schien es Fauna angeraten, bei erster Gelegenheit eine Pause einzulegen.

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9 Kommentare

  1. Das ist gestern in Gaza passiert:

    https://vimeo.com/1069656717

    Am Dienstag wurden mindestens 37 Palästinenser getötet, mehr als die Hälfte davon Frauen und Kinder.
    Aufgrund der Blockade fehlt es in den zwei verbleibenden Hospitälern, die kaum funktionieren, an allem. Verletze sterben nach wenigen Tagen an ihren Verletzungen die man eigentlich behandeln könnte weil sie nicht versorgt werden können.
    Seit einer Woche werden Luftangriffe auf Wohngebäude, öffentliche Einrichtungen, Zeltunterkünfte und geparkte Autos geflogen.
    Tausende wurden wieder aus dem Norden vertrieben oder konnten nicht wieder nach Hause gehen.
    Diese Gegenden sind unter Kontrolle vom Militär.
    Im Video geht es um die hohe Todesanzahl von Kindern.

    Länge: 1:36 Minuten
    Sie können den Link gerne rumschicken, wenn Sie möchten.

    1. Ich bin froh das sie stets daran erinnern was in Gaza passiert. Das ist nötig. Aber bitte nicht im Kulturbereich, sie sehen ja was das angerichtet hat. 😉

  2. niemand will mehr kommentieren.
    Also versuch ich es mal irgendwie jugendlich frisch:
    Ich hatte mal Urlaub auf griechischen Inseln. Die Abwassersysteme gingen in Form von Drainagerohren(technisch umgekehrte Drainage) ins Meer. Beim Baden traf man alte Bekannte.

    1. Queers for Palestine
      wenn es noch Hochhäuser im Gazastreifen gäbe könnten bestimmt Fauna, Quex, und das Weasel den Hamastanis zeigen wie sie der Schwerkraft trotzen und frei umherfliegen wie ein Carlos Castaneda.

      1. 😈
        Ist aber unprickelnd wie sie gegen Araber(staatlich Palistinänser) hetzen die gemordet und ins Elend gestossen werden.
        Ich hab mich hier nur über mangelnde Hygiene lustig gemacht, die als Spass verkauft wurde. in Bezug auf den Artikel und das Buch.
        Ihr saublöder und menschenverachtender Kommentar(oben) mit Link zu schlimmeren wird dadurch nicht besser.

        1. im übrigen finde ich es bedauerlich, das zu einem künstlerischen Werk, das in dieser Form teilweise veröffentlicht wird, Trolle wenn nicht gar Nazis ihren Schmutz ablassen.

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