„Zeitbombe“ steigender Kreditausfälle tickt lauter

Bild: Marco Verch/CC BY-2.0

Erneut sollen über Bad Banks die Kosten für Bankenrettungen auf den Steuerzahler abgewälzt werden, da „nichts gegen die strukturellen Schwächen“ unternommen wurde, gibt die Bankenaufsicht zu

Es ist eigentlich fast erstaunlich, dass ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie die Kreditausfallquoten in vielen Ländern noch immer nicht deutlich angestiegen sind. Denn das Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die jährliche Wirtschaftsleistung, ist zum Teil sogar massiv eingebrochen. In einigen EU-Ländern war der Einbruch wie in Spanien 2020 zweistellig, die Wirtschaft ist dort sogar um fast elf Prozent in die Knie gegangen, stärker als zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg.  Doch das ist eine trügerische Lage, die durch Corona-Maßnahmen verschleiert wird.

Deshalb werden nun die Warnungen lauter, die vor faulen Krediten oder verstärkten Kreditausfällen warnen. Auch im „Handelsblatt“ wurde kürzlich auf „wachsende Kreditausfallrisiken“ hingewiesen. Demnach drohen die größten Ausfälle bei den Banken ab 2022, weil sich die Folgen der Pandemie „erst nach und nach in den Bilanzen“ niederschlagen würden.

Auch die Bankenaufsicht in der Europäischen Zentralbank (EZB) hat schon die Kreditinstitute im Euro‑Raum aufgefordert, sich auf einen Anstieg der faulen Kredite einzustellen, die im Fachjargon „non performing loans“ (NPL) genannt werden.

Gewarnt hat sie auch dabei vor möglichen „Klippeneffekten“, wenn Rückzahlungsmoratorien und andere staatliche Unterstützungsmaßnahmen allmählich auslaufen, die als Corona-Hilfsnahmen in Kraft gesetzt wurden. Deshalb müsse sichergestellt werden, „dass Banken sich angemessen auf die kommende Zunahme der NPLs vorbereiten“, erklärte der Vorsitzende des EZB-Bankenaufsichtsmechanismus Andrea Enria.

Betroffen ist das gesamte europäische Finanzsystem

Für einige Beobachter wird die Lage zusehends bedrohlich. Der Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall warnte kürzlich vor einer „tickenden Zeitbombe“ auch in Deutschland, obwohl das BIP dort angesichts großzügiger Hilfen mit fünf Prozent im vergangenen Jahr nur vergleichsweise gering geschrumpft ist. Volker Schmidt fragt aber: „Wie viele faule Kredite schlummern in den Bilanzen der Banken? Und haben die Banken dafür ausreichend Rückstellungen gebildet?“ Diese Themen würden derzeit überhaupt nicht diskutiert, meinte er. „Das ist beunruhigend, denn sie betreffen mindestens das gesamte europäische Finanzsystem“, erklärte der Chef des Unternehmerverbands im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung.

„Dass die Bundesregierung mit Tunnelblick das wachsende Insolvenzrisiko vieler Betriebe offenkundig ausklammert, bereitet mir mittlerweile große Sorge“, fügte er an. „Durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird das Problem im Grunde genommen nur kaschiert.“ Die reale wirtschaftliche Not, in der sich viele Unternehmen vermutlich längst befinden, schlug sich nämlich vor allem deshalb bisher nicht in stark vermehrten Insolvenzanträgen nieder, weil die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, in der Corona‑Krise ausgesetzt wurde. „Faktisch tickt hier eine Zeitbombe, und das Risiko, dass sie hochgeht, wird von Tag zu Tag größer“, meint deshalb der Chef von Niedersachsenmetall.

Das Problem zeigt sich in Österreich schon deutlicher. „Austro-Banken drohen faule Kredite in Milliardenhöhe“, titelte kürzlich die „Tiroler Tageszeitung“. Eigentlich faule Kredite tauchen in Österreich nun schon vermehrt auf, da dort das Rückzahlungs-Moratorium inzwischen ausgelaufen ist, dass es auch dort wie in vielen anderen Ländern gab. Damit rücken nun schon die Probleme von etlichen Haushalten auf die Tagesordnung.  Dabei ist die Lage auch im Nachbarland weiterhin verzerrt, da in Österreich die Insolvenzantragspflicht für Unternehmen bei Überschuldung bis Ende Juni verlängert wurde. Erst wenn sie ausläuft, wird man auch dort langsam klarer sehen.

„Sorge aufgrund von Zombiefirmen wächst“, titelte kürzlich auch „Der Standard“. Da überschuldete Unternehmen bis Ende Juni keinen Insolvenzantrag stellen müssen, „werden Probleme nach hinten verschoben.“ Ohnehin ist das Problem der Zombie-Firmen nicht neu. Schon vor der Corona-Krise hatte die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihren Berichten stetig von der Gefahr gewarnt, die von überschuldeten Firmen ausgeht. Für die „Notenbank der Notenbanken“ in Basel waren viele Firmen auch vor der neuen Krise längst nicht mehr lebensfähig.

Wir haben es letztlich mit einem allgemeinen und großen Problem zu tun. Der Schweizer Finanzexperte der Reyl Bank Nicolas Roth sieht nun einen „neuen Zyklus notleidender Kredite in Europa“ aufziehen. In Spanien ist die Kreditausfallquote im Januar schon leicht gestiegen, obwohl es auch hier ein Rückzahlungs-Moratorium gibt. Spanische Banken bereiten sich aber schon durch Rückstellungen auf mögliche hohe Ausfälle vor.

Erstmals in der Geschichte bescherten die der großen Santander Bank einen Verlust, die sogar ohne Verluste durch die Finanzkrise ab 2008 gekommen war. Sie liegt aber mit einer Ausfallquote von 6,2 Prozent schon über der Marke von fünf Prozent, die die Bankenaufsicht vorgibt.  Allerdings ist die Frage, was so alles versteckt in den Bilanzen noch schlummert. In der Finanzkrise wurde bisweilen, wie im Fall der Bankia-Bank sogar noch lange behauptet, sie habe Gewinne geschrieben. Bei genauerer Prüfung tauchte plötzlich ein Milliardenloch auf und die Bank wurde mit Steuergeldern – auch aus dem europäischen Rettungsschirm – gerettet.

Neue Bad Banks?

Für den Finanzexperten Roth sind notleidende Kredite „immer eine schlechte Nachricht für Banken: Sie verbrauchen Kapital, Zeit und Ressourcen und gelten somit als schlechtes Omen für die Realwirtschaft“. NPLs seien zudem eine direkte Bedrohung für das Wirtschaftswachstum und der Finanzstabilität. „Die Auswirkungen der Covid-19-Krise werden wahrscheinlich zu einem Anstieg von Insolvenzen und Konkursen führen, was wiederum zu einem Anstieg der faulen Kredite führt“, folgert er.

Er meint deshalb, dass sich nicht nur Banken unter anderem mit Rückstellungen auf die Ausfälle vorbereiten müssten, sondern auch die Staaten. Roth fordert deshalb die Schaffung von „Asset Management Companies“ (AMCs), die als „Bad Banks“ bekannt sind. „In Europa gab es im letzten Jahrzehnt zwei sehr erfolgreiche AMC-Interventionen mit NAMA in Irland und SAREB in Spanien“, meinte Roth. Da lohnt es sich doch, sich zum Beispiel die spanische Sareb einmal etwas näher anzuschauen.

Von Erfolg – jedenfalls aus Sicht der Steuerzahler – findet sich keine Spur. Die Sareb schreibt Jahr für Jahr Verluste. 2020 stieg er sogar um 13,3 Prozent auf knapp 1,1 Milliarden Euro, ein neuer Rekord.  Die Europäische Statistikbehörde (Eurostat) hatte Spanien zudem gerade wegen dieser Bad Bank dazu gezwungen, 35 Milliarden Euro in die Staatsschulden aufzunehmen, die bisher trickreich versteckt worden waren. Wie das im Detail gemacht wurde, kann auf Spanisch hier nachgelesen werden.

Damit hat die Staatsschuldenquote des Landes die bedenkliche Marke von 120 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung überschritten. Erinnert sei daran, dass die Schuldenquote nach den Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrags mit höchsten 60 Prozent eigentlich nicht einmal halb so hoch sein dürfte. Erinnert sei auch daran, dass in Griechenland mehrfach erfolglos versucht wurde, die ausufernde Verschuldung auf eine Quote von 120 Prozent zu drücken. Real betrug sie im dritten Quartal 2020 allerdings schon 199 Prozent, auch hier ist die Tendenz weiter deutlich ansteigend.

„Sehr erfolgreich“ war die Sareb für Beobachter nur dabei, Steuergelder zu verschleudern und Bank-Verluste auf die Steuerzahler abzuwälzen. Eigentlich sollten über sie „Wertpapiere“, die aus abstürzenden Banken zu deren Rettung in die Bad Bank ausgelagert wurden, wieder zu Geld gemacht werden. Doch das Gegenteil ist seit neun Jahren der Fall. Spanischen Medien sprechen deshalb nicht von einer „schlechten Bank“, „Infolibre“ nennt sie zum Beispiel die „schlechteste“ aller Bad Banks.

Es ist also Vorsicht angezeigt, wenn solche Bad Banks nun wieder, wie auch vom Experten Roth, angepriesen werden. Bei der Einführung der Sareb hatte der damalige Wirtschaftsminister und heutige Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB) versprochen, sie werde den Steuerzahler „keinen Euro“ kosten. Der Ultrakonservative aus der korrupten Volkspartei PP – inzwischen gerichtsfest geklärt –, hatte sogar behauptet, die Bad Bank werde eine Rentabilität von 15 Prozent erzielen.  Das war reine Propaganda, nichts davon ist eingetreten.

Aus der Luft gegriffen sind aber Vorbereitungen auf neue Asset Management Companies nicht. De Guindos neuer Arbeitgeber denkt, unter seiner kräftigen Mitwirkung, längst über die Schaffung einer EU-weiten Bad Bank nach. In der EZB beschäftigt sich eine Projektgruppe mit dem Thema. Der schon zitierte Vorsitzende des EZB-Bankenaufsichtsmechanismus Enria meinte ebenfalls, dass sich Bad Banks als „wirksame Instrumente erwiesen“ hätten. Allerdings nur dabei, dass sie „die Verwaltung und die Verwertung notleidender Kredite erleichtern“. Eine Vernetzung der AMCs „über gemeinsame Finanzierungsmechanismen und eine harmonisierte Preisgestaltung, könnte ein nützliches Instrument für den Umgang mit dem erwarteten Anstieg der notleidenden Kredite darstellen“.  Man macht sich also in EZB viele Gedanken darüber, wie man die Verwaltung fauler Kredite verwaltet und wie man sie erneut über Bad Banks auf die Steuerzahler abwälzen kann.

Der oberste Bankenaufseher zudem eine „notwendigen Umstrukturierung“ des Bankensektors auf die Tagesordnung, um „schneller, integrierter und effektiver handeln“ zu können. Gemeint sind damit unter anderem neue Bankenfusionen, die aus ohnehin für die Abwicklung schon zu großen Banken noch größere Banken machen sollen, wie bei der kürzlich beendeten Fusion von CaixaBank mit Bankia. An eine Bankenabwicklung unter Beteiligung der Gläubiger, die real bisher nicht angewendet wurde, wird damit immer unwahrscheinlicher, während die Risiken für die Steuerzahler steigen, erneut in Haftung genommen zu werden. Von den Staatshilfen in Höhe von 35 Milliarden Euro, die einst in die die abstürzende Bankia gepumpt wurden, sind zwischenzeitlich nur gut drei Milliarden zurückgezahlt worden. Von den restlichen 32 Milliarden an Steuergeldern ist der Großteil verloren. Der Staat hält an der neuen Bank nur noch 16 Prozent und muss seinen Anteil bis 2023 verkaufen. Angesichts der Kreditausfälle und Verwerfungen, die nun bis 2023 anstehen, wird bestenfalls ein kleiner Betrag zurück in die Kassen gespült.

Interessant ist, dass auch der Bankenaufseher Enria Klartext redet und unumwunden erklärt: „Nach der letzten Krise wurde trotz gewaltiger öffentlicher Unterstützung nichts gegen die strukturellen Schwächen des europäischen Bankensektors unternommen. Geringe Rentabilität, schlechte Kosteneffizienz, Überkapazitäten, Zweifel an der langfristigen Existenzfähigkeit von Geschäftsmodellen sind die Grundlage für niedrige Marktbewertungen.“

Da die Verantwortlichen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, nicht einmal die geplante Finanztransaktionssteuer konnte in mehr als 10 Jahren umgesetzt werden, wird nun also wieder eifrig daran gebastelt, die Kosten für faule Kredite erneut über Bad Banks auf die Steuerzahler abzuwälzen.

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