Die Biomasse freilebender Säugetiere macht nur noch 4 Prozent der Biomasse aller Säuger aus.
Wie sich ein Massenaussterben anfühlt? Einfach kurz innehalten und es auf sich wirken lassen: genau so. Wir befinden uns derzeit mitten in der sechsten dieser globalen Zäsuren. Für die ersten fünf können wir uns von irgendeinem Mittun recht zuverlässig freisprechen, selbst beim letzten Mal waren „wir“ erst noch rattengroße Pelzdinger, die zwischen den umgefallenen Sauriern die Nase aus dem Erdloch stecken und dachten: „Jetzt geht’s lohos!“ Oder so. Auch was unsere Vorfahren vor rund 40.000 Jahren zum Verschwinden der Megafauna beigetragen haben könnten, wird viel diskutiert. Etliche Forschungsarbeiten finden eher Belege für das Wirken früherer Klimaänderungen, andere wiederum argumentieren, es wäre schon ein außergewöhnlicher Zufall, dass der Zusammenbruch der jeweiligen Großtierpopulationen immer grade mit dem Eintreffen des Menschen zusammenfiel – gerade wenn, wie in Australien, das Nahrungsangebot doch unverändert blieb.
Aber heute, da beißt die letzte Maus keinen Faden ab, sind wir voll bei der Musik: Das Anthropozän ist gekennzeichnet durch eine Aussterberate die 1.000- bis 10.000fach über dem langfristigen Mittel liegt. Das lässt sich in vielerlei Metaphern fassen, eine eindrückliche beschreibt eine aktuelle Studie des Weizmann Institute of Science. Sie wählt dafür eine sehr einfache, in der Biologie hoch-signifikante Größe: das Gewicht. Nicht das, gegen das man nach Weihnachten kämpft, sondern das Gesamtgewicht einer Tiergruppe, auch als Biomasse bekannt. Was die Säugetiere betrifft, die – abgesehen von den Bäumen – die größten heute lebenden Organismen stellen, fällt das Ergebnis bedrückend aus: Die in freier Wildbahn lebenden Exemplare bringen noch rund 4 % der Biomasse aller Säugetiere auf die Waage. Die anderen 96 entfallen auf den Menschen (36 %) und seine Nutztiere (60 %). Andersherum ausgedrückt übersteigt die Biomasse des Menschen und seines Brotbelags die der nächsten Verwandtschaft in der Restnatur um das 24fache. Wir entziehen diesen Tierarten ihren Lebensraum, um immer mehr von ihren ebenso glücklosen Artgenossen auffressen zu können.
„Der Mensch nämlich ist das grausamste Tier“, urteilte Friedrich Nietzsche. Darüber ließe sich trefflich und wahrscheinlich endlos streiten. Interessanter ist da vielleicht eine andere Wahrnehmung des Philosophen mit dem Hammer: Der Mensch war zum Haustier seiner selbst geworden. Angesichts der Zahlen des Weizmann Instituts gewinnt der Satz einen ganz eigenen Klang.
www.pnas.org/content/115/25/6506
www.scinexx.de/news/biowissen/landwirbeltiere-artenschwund-beschleunigt-sich