2020 wurden 227 Menschen bei dem Versuch getötet, sich für Umwelt- und Naturschutz einzusetzen.
Welche Zahl soll man beleuchten, in der Woche der als überaus bedeutend aufgeladenen Wahl? Wie wäre es mit einer Zahl, die zwar breit berichtet, aber vielleicht vor allem mit Achselzucken bedacht worden ist – und doch explosives Potential birgt. Es sind die (mindestens) 227 Menschen, die im letzten Jahr getötet wurden, weil sie sich Landraub, Kahlschlag und der Ausbeutung der Ozeane in den Weg zu stellen versuchten. Vielfach traf es Indigene, die schon wegen des eigenen, nackten Überlebens Widerstand leisten mussten, in 28 Fällen aber auch Park Ranger, die „einfach ihre Pflicht“ taten. Die Details hinter den Morden in Süd- und Mittelamerika, auf den Philippinen oder in Afrika sind im Report „Last Line of Defence“ von Global Witness nachzulesen. Warum diese Zahl 227 – auch ohne weiterführende Lektüre – mehr als eine Randnotiz sein könnte, wird erkennbar, wenn man sich der Frage öffnet, die sie uns politischen Stubenhockern stellt: „Was bist du bereit einzusetzen, um deine Lebensgrundlagen zu schützen?“
Schon allein der Gedanke, dass sich fern ihres Kokons für die Rohstoffe ihrer Konsumartikel Menschen gegenseitig umbringen – für die Meisten eine Zumutung. Höhere Ausgaben für halbwegs zukunftsfähige Produkte oder Dienstleistungen? Unzumutbar. Anpassungen des eigenen Verhaltens, und sei es auch nur in recht banalen Fragen von Freizeit und Vergnügen? Unzumutbar. Auszuhalten – und damit zurück zum Einstieg – dass Kanzlerkandidat/innen, die planetare Situation und unsere Rolle darin realistisch darstellen, kurz: Klartext reden? Unzumutbar. Und daher von allen, die eine Wahl gewinnen wollen, streng zu vermeiden.
In Berlin befinden sich junge Klimaaktivist/innen seit Ende August im Hungerstreik, um ein ernsthaftes und ernstzunehmendes Gespräch mit den Kandidat/innen über genau diese Themen zu erzwingen. Es geht hier nicht um die Frage, ob dies der richtige Weg ist – oder man damit überhaupt Eindruck an der nötigen Stelle hinterlässt. Es geht um die oben gestellte Frage: „Was bist du bereit einzusetzen, um deine Lebensgrundlagen zu schützen?“ Mehr gibt es an dieser Stelle nicht zu sagen.
Den Report von Global Witness lesen Sie unter www.globalwitness.org/en/campaigns/environmental-activists/last-line-defence