Wladimir Sergijenko zu Visaregelungen: Die Russen wollen sowieso nicht nach Europa reisen

Bild: public domain

Die EU beendet die Visa-Erleichterungen, einige Nachbarländer wollen Einreiseverbote für Russen verhängen.  Wie sieht nach den Sanktionen die kollektive Bestrafung durch Reiseeinschränkungen für Russen aus? Sergijenko sagt, dass kaum noch Russen in die EU reisen, für Urlaubsreisen gebe es andere Länder, humanitäre Visa würden zu innerer Zensur und zu Betrug führen. Die meisten Russen wollen auch nicht mehr die Luxusgüter aus dem Westen. Die Sanktionen werden umgangen, das Leben ist nicht viel teurer geworden.

Du bist wieder in Moskau, fährst aber viel von Moskau nach Berlin oder in die EU. Jetzt plant die EU auf Druck der Ukraine, dass die Visa-Erleichterungen beendet werden und ein Einreiseverbot verhängt wird. Die Ukraine fordert zudem, dass auch die schon ausgestellten Visa annulliert werden. Wie fühlt sich das an als Russe, der sich auch als Europäer versteht?

Wladimir Sergijenko: Ich lache. Ich habe öfter die Kritik gehört, dass Russen in der EU shoppen oder Sehenswürdigkeiten anschauen, obwohl Russland einen Krieg führt. Das ist ein Witz, muss ich dir offen sagen. Es gibt keinen Flugverkehr zwischen EU und Russland. Schon in der Zeit der Pandemie war der Flugverkehr eingestellt worden. Die Russen waren schon damals gewohnt, zu Hause bleiben. Und wer die Möglichkeit hatte, in die EU zu kommen, musste das fast zu Fuß machen, bei Flügen mit Umsteigen in der Türkei, in Armenien, Usbekistan, Kasachstan, Dubai oder in den Arabischen Emiraten oder mit dem Auto nach Finnland fahren, um dort weiterzufliegen. Das heißt, es ist nicht einfach. Die Flüge beispielsweise zwischen der Türkei und Russland gehen überdies nicht direkt von Süd nach Nord, sondern sie umfliegen die ganze Kriegsregion. Der Flug von Istanbul nach Moskau, der früher drei Stunden dauerte, braucht jetzt mehr als fünf Stunden. Und ein Ticket kostet um die 1000 €, das heißt hin und zurück 2000 €. Ich denke, es wäre auch für Deutsche nicht so einfach, das Geld für so eine Reise aufzubringen.

Es wird oft gesagt, dass man damit den reicheren Russen verbieten will, Urlaub in Europa zu machen.

Wladimir Sergijenko: Dann soll man nicht von der Bevölkerung sprechen, sondern von den reichen Russen. Die wirklichen Reichen fliegen mit Privatjets. Vielleicht 50 Oligarchen stehen unter Sanktionen. Aber die meisten haben keine Probleme, sie haben beispielsweise einen zweiten Pass von Zypern oder Spanien oder eine Wohnung in Großbritannien. Ich weiß nicht, wer davon betroffen sein soll. Schon vor der Pandemie-Zeit gab es nur acht Flüge von Aeroflot nach Berlin, jeder Flug mit 200 Leuten. Wenn man den gesamten Flugverkehr nach Europa nimmt, waren es täglich wahrscheinlich über 10.000 Passagiere. Heute sprechen wir vielleicht über 100 Russen. Ich fliege viel. Man kann billige Flüge finden, vielleicht muss man dreimal umsteigen. Dann hat man Rückenschmerzen, aber das kostet dann nicht 1000 €, sondern 300 und man ist 24 Stunden unterwegs. Im Flugzeug sitzen zwei, drei Russen. Großeltern fliegen zu ihren Kindern oder Enkeln, die in Europa wohnen oder sie umgekehrt nach Russland. Das sind zwei, drei Menschen, die für die Reise Geld gespart oder von ihren Kindern das Geld bekommen haben, es gibt keine 10.000 Russen, die nach Europa kommen, um Sehenswürdigkeiten zu besuchen und einzukaufen.

Wenn es um die strengen Regeln für Luxusgüter wie von Rolex oder Chanel geht, dann wollen die meisten Russen die nicht mehr haben. Wenn diejenigen, die Geld für eine 10.000-Euro-Uhr haben, in Dubai in einem Geschäft die Ware nicht kriegen, weil die nicht an Russen verkaufen, dann finden sie jemanden, der es für sie kauft. Auch ein Ukrainer, das ist kein Thema. Man kann auch nach Kaliningrad fliegen und dann mit dem Auto über Polen. Ich bin über Helsinki, Eriwan, Taschkent oder Dubai, über Istanbul, Anakara oder Antalya geflogen. Ich habe fast alle Optionen benutzt. Ich kann nicht bestätigen, dass die Russen jetzt bestraft würden. Es ist blöd, weil die Russen sowieso nicht nach Europa reisen.

Ich habe gehört, dass Russen beispielsweise in den baltischen Ländern von den Menschen oder den Regierung feindlich empfangen wurden. Man kann sich die Live-Kameras an den Grenzen anschauen und beobachten, wie viele Busse über die baltischen Länder in die EU fahren. Das sind vielleicht 80 Menschen pro Tag. Das sind meistens Menschen, die tatsächlich etwas dort zu tun haben, sie suchen nicht nach Spaß oder Abenteuer. Es gibt viele Russen, die Immobilien gekauft und Geld investiert haben. In Russland habe ich als Veranschaulichung Folgendes gehört: Wenn man in einem Bus mitfährt und dieser umkippt, weil der Fahrer eingeschlafen ist, dann kommt die Polizei und verpasst allen Passagieren einen Strafzettel, weil sie nicht auf den Fahrer aufgepasst haben. Das ist Blödsinn, nicht jeder Russe hat Putin gewählt. Aber wer in den Westen will, schafft es auch trotz Einreiseverboten oder dem Zwang, ein Papier zu unterschreiben, dass er nicht hinter Putins Politik steht.

Wie sieht man in Russland die Versuche, die Russen draußen zu halten?

Wladimir Sergijenko: Es gibt Russen, die sich darüber freuen. Zur Urlaubszeit waren Zehntausende pro Tag unterwegs, die haben Geld in der EU ausgegeben. Wo werden die jetzt Urlaub machen? In der Türkei, okay. Aber sie werden auch in  Russland Urlaub machen. Es wird jetzt Infrastruktur beschleunigt in Russland für Touristen gebaut, die vorher in die EU fuhren. Aber ich habe jetzt keinen Menschen getroffen, der sagt, er habe sein ganzes Leben davon geträumt, nach Paris zu kommen, und der jetzt heult. Es gibt für Russen andere Urlaubsländer wie Thailand, Ägypten oder die Seychellen. Nur dem europäischen Tourismus trifft der Schaden, aber nicht die Russen. Sie hatten schon in der Pandemie-Zeit keine Option, in die EU zu reisen. Schon damals gab es keine direkten Verbindungen. Wenn die Flugzeit Moskau-Berlin jetzt 17 Stunden beträgt, ist das unangenehm, das Reisen macht dann keine Lust. Wie gesagt, ich sehe nicht, dass die Russen wirklich von den Einreiseverboten betroffen wären. Für die EU oder für Lettland oder Norditalien haben die kleinen russischen Touristen vielleicht 2 Prozent vom Gesamtumsatz ausgemacht. 2013 gab es nach einem Abkommen von 2007 eine Erleichterung der Visa-Genehmigungen. Es gab zunächst einige Büros in Russland oder der Ukraine, die die Fingerabdrücke abgenommen und die Visa erteilt haben, nicht mehr die Konsulate. Man konnte auswählen und nach einem besseren Preis suchen. Aber später hat es nur noch ein einziges Unternehmen für alle EU-Länder und für alle ehemaligen Sowjetrepubliken gemacht, es war ein richtiges Monopol. Das riecht für mich nach Korruption. Jetzt werden die Visa national verteilt. Ich kenne Menschen in Russland, die wissen ganz genau, wie sie eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Es ist ganz einfach: Man geht auf eine Demo und bekommt eine Strafe oder man macht ein Plakat und muss ein Bußgeld von beispielsweise 300 Euro zahlen. Das reicht, um politisches Asyl zu beantragen und es auch zu erhalten.

Wird es denn bereits so gemacht?

Wladimir Sergijenko: Ja. Es gibt 4000 politische Verfolgte, die Zahl muss man aber prüfen. Es sind russische Journalisten, die geflohen sind und Asyl bekommen haben. Denkst du, es gibt so viele russische Journalisten? Im Journalistenverband gibt es natürlich mehr, aber nicht jeder Blogger ist ein Journalist. Man kann ein paar Artikel schreiben, auch in Medien, die von russischen Verlegern im Ausland veröffentlicht werden, um ein Visum zu erhalten.. Man spricht schon darüber, dass Russland mit einem Eisernen Vorhang abgeschlossen werden soll, aber die EU ist jetzt kein beliebtes Reiseland. Wenn man IT-Experte ist und nichts mit Politik zu tun hat, bekommt man auch ganz einfach eine Reisegenehmigung. Wenn man einen Wert für den Westen hat, kann man einreisen, aber die armen Leute haben keine Option, sie haben aber auch keinen Wunsch.

Ich erinnere mich noch, als damals die Erleichterung der Visagenehmigung eingeführt wurde, wollte man damit erreichen, dass die Russen, die in die EU kommen, erfahren, wie man hier lebt. Studenten oder Geschäftsleute würden nach und nach die westlichen Werte annehmen und nach Russland zurückbringen, wodurch sich etwas verändert. Man muss sagen, das hat nicht geklappt. Wenn man heute die Russen bestrafen will, um sie dazu zu stimulieren, zu Demonstrationen auf die Straßen zugehen, weil sie unbedingt nach Berlin wollen, dann ist das ein Witz.

Wie ist es denn mit den Sanktionen? Es sind ja viele Unternehmen aus Russland herausgegangen, sie wurden dann teils wie McDonald’s von russischen Unternehmen mit ähnlichen Produkten und ähnlichem Auftreten übernommen. Akzeptieren denn die Menschen in Russland diese russischen Produkte und Unternehmen, die die westlichen ersetzen?

Wladimir Sergijenko: Als Journalist bin ich natürlich unterwegs, man trifft viele Menschen und siehst auch mit anderen Augen. Ich kann die Regale in Deutschland und Russland vergleichen, auch vor und während der Pandemie. In Russland habe ich nicht bemerkt, dass die Sanktionen sich auf Lebensmittel ausgewirkt haben.

Sind denn die Lebensmittel teurer geworden?

Wladimir Sergijenko: Wenn man den Warenkorb für durchschnittliche Einkäufe im Monat wie Mehl, Salz, Zucker, Antibiotika etc. nimmt, so ist es teurer geworden. Es gab auch ein paar Skandale. So war der Zucker auf einmal zu teuer, bis sich die Regierung eingemischt hat. Aber die Russen sind an Teuerungen gewöhnt. Es gibt fast ständig eine Inflationsrate von 10%. Es ist teurer geworden, aber nicht drastisch. Die Benzinpreise sind nicht angestiegen, da kann die EU nur neidisch sein. Am Anfang gab es beispielsweise mit Ersatzteilen für Autos von BMW, VW oder Daimler Probleme.  Jetzt ist alles wieder da.

Die Waren kommen von anderen Ländern?

Wladimir Sergijenko: Natürlich. Seit Jahren hat man beispielweise über Garnelen oder Kiwis aus Weißrussland Witze gemacht. Die werden für den Zoll in weißrussische Produkte verwandelt, um sie dann in Russland zu importieren. D.h. die Geschäftsleute wissen Wege, wie sie Sanktionen über Armenien oder Kasachstan umgehen können. Natürlich ist es teurer geworden. Auch neue Autos sind teurer geworden, aber es gibt sie noch. In der ersten Phase war die Entwicklung beängstigend, jetzt sehe ich keinen Schaden für uns mehr.

Ein guter Freund, ein Kardiologe, hat mir eine unschöne Geschichte, die die Willkür deutlich macht. Jedes Jahr gibt es einen Kongress des weltweiten Kardiologenverbandes. Man zahlt seinen Beitrag, fährt hin und spricht über neue Medizin oder Geräte. Ein Unternehmen, das aus Deutschland Geräte zur Behandlung krebskranker Kinder geliefert hat, hat dies eingestellt. Nach dem Grund gefragt, hat der Eigentümer, der auch Geschäftsführer ist, gesagt: Die Russen sollen leiden. Wenn die Russen das wissen, dann kaufen sie die Geräte woanders, beispielsweise in Südkorea oder in Indien. Dann klauen sie Patente und entwickeln so Techniken. Im Iran, das auch sanktioniert wird, werden Patentrechte und geistiges Eigentum nicht beachtet. Man findet für so etwas Auswege, aber man findet nicht mehr zurück zur Völkerverständigung. Wenn der Deutsche denkt, dass die Russen leiden werden, weil die kranken Kinder sterben, wenn er keine Geräte mehr liefert, und dann gegen Putin kämpfen, liegt er falsch. Die Menschen geben Putin den Auftrag, das er etwas unternehmen soll. Es ist eine falsche Einstellung, dass man so die Bevölkerung gegen die Regierung aufbringen kann.

Visa wird es für Russen weiter geben, aber es wird jedes Mal geprüft.

Man könnte sagen, das ist dann so eine Art Selektion, die man derzeit den Russen vorwirft, wenn sie Ukrainer prüfen.

Wladimir Sergijenko: Letztlich schon. Ein Beamter in einer Botschaft soll dann bei einem Visum-Antrag Recherche im Internet machen, was der Antragsteller gedacht hat, welche Einstellung er hat oder ob er ein Terrorist ist. Diese Visa-Genehmigungen, die zum Stand vor 2007 zurückkehren, gehen in die des Kalten Kriegs zurück, weil nun ein deutscher oder holländischer Botschaftsangestellter die Verantwortung für die Überprüfung eines jeden Visumantrags übernehmen muss. Man spricht öffentlich von Bestrafung, in Wirklichkeit geht man davon aus, dass jeder Russe eine potenzielle Gefahr für Europa darstellt. Das kann man prüfen, aber man sollte auch sagen, dass man Angst hat, dass viele Russen auch Gewalt exportieren.

Oder es kommen Spione ins Land.

Wladimir Sergijenko: Ich bin auch selbst von solchen Überprüfungen betroffen. PEN ist ein weltweiter Schriftstellerverband. Ich habe meine Präsidentschaft für die russische Sektion abgegeben, bis die Mitglieder eine Entscheidung treffen. Das internationale PEN hat mir nämlich die Teilnahme am Kongress in diesem Jahr verweigert, weil ich angeblich Hass verbreite. Der russische PEN-Vorstand hat mir das berichtet. Ich habe angefragt, wie ich Hass verbreiten soll. Ich wollte eine Stellungnahme habe, um mich dazu äußern zu können. Vielleicht habe ich ja etwas Falsches gesagt. Mir wurden zwei Links von meinem YouTube-Kanal gegeben. Ich spreche in einem Beitrag darüber,  dass in meiner Heimatstadt Lwiw ein russischsprachiger Volksmusiker zusammengeschlagen wurde. Ich habe immer gesagt, ich bin stolz auf meine Heimatstadt, weil man dort immer auch auf Russisch singen kann. Im Video, das ich zeigte, sieht man, wie sportliche junge Leute auf Ukrainisch aggressiv wie Nationalisten den Straßenmusikanten angegriffen haben. Das ist nicht der einzige Fall. Ich sprach davon, dass diese Denkweise ein Splitter in der EU ist, den man entfernen muss, aber es ging um den Hass auf andere. Aber jetzt sagen sie, ich verbreite Hass.

Wenn du willst, kann ich die zweite Episode schildern, aber ich bin überrascht, dass der internationale PEN-Verband einen Mitarbeiter hat, der jeden prüft, was er auf sozialen Netzwerken äußert. Ist das ein  Verfassungsschutz für Schriftsteller? Vielleicht hat auch jemand geschrieben, dass ich etwas gemacht habe, was angeblich nicht mit der Satzung übereinstimmt. Es ist eine Hysterie, eine Ukrainisierung der Gedanken. Ich versuche, den Kongress besuchen zu können, weil die meiner Meinung nach den Kontext nicht verstanden haben. Das sind gute Menschen, die das Gute verbreiten und sich vor Hassreden schützen wollen. Aber man bestraft mich, wenn ich diejenigen verurteile, die einen Straßenmusiker angreifen, weil er in meiner Heimatstadt auf Russisch singt.

Bei der Visumgenehmigung wird es eine innere Zensur bei jedem Russen geben, der in den Westen kommen will. Er weiß, dass man seine Äußerungen auf den sozialen Netzwerken prüfen wird, wo er nichts Prorussisches sagen oder schreiben darf, dass Donezk russisch werden soll. Die Vorstellung der europäischen Politiker hinter dem damals begonnenen Studentenaustausch hingegen war, dass es Russland vorwärtsbringt. Das hat nicht geklappt. Multikulti ist vorbei. Da muss man das Versagen der EU-Politik anerkennen, dass es nicht funktioniert hat. Wenn man tatsächlich die russische Gesellschaft bestrafen will, dann muss man den Flugverkehr wieder freigeben. Ich gebe die Stimmung in der Bevölkerung wieder. Die Menschen fliegen jetzt gerne nach Ostrussland und nach Kamtschaka. Sie haben viel anzusehen. Es war billiger und lustiger, in den Westen zu reisen, weil es da Hotels usw. gibt. Russland muss das Schritt für Schritt aufbauen, es wird dann mehr Reisen im Inland geben.

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Der Publizist und Soziologe Wladimir Wladimirowitsch Sergijenko wurde 1971 im westukrainischen Lwiw geboren. Seit 1991 lebt er in Deutschland. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Anthologien mit Poesie und Erzählungen. In Deutschland ist 2013 sein Buch „Russisch fluchen“ erschienen (Eulenspiegel Verlag). In Russland und im russischsprachigen Europa ist er insbesondere aufgrund seiner Radiosendung „Eurozone“ bekannt, die mehrmals wöchentlich im staatlichen Radio „Vesti FM“ läuft.

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14 Kommentare

  1. Die sog. Werte EU führt als US Vasall eben für die USA – durch die rechtsnational-faschistische Ukraine – einen geopolitisch begründeten und wohl völkerrechtswidrigen (weil kein EU Land betroffen) Stellvertreterkrieg bis zum letzten Ukrainer – D als kriegstreibende und kriegsbeteiligte Nation dabei federführend. Auch, was Ausgrenzung und Diskriminierung angeht, erinnert man sich alter russophober Tugenden.

    Nachdem man die „jüdischen Bolschewiki“ im damaligen NS-Versklavungs- bzw. Vernichtungfeldzug mit 26 Mio. ermordeter Sowjetbürger nicht hat ausrotten können, geht es erneut gegen Russland.
    Nun ja….
    Das ‚deutsche Volk‘ , Politik. Medien – die ganze ‚Nation‘ dabei wieder auf Linie – voll hinter der politischen, wieder einmal ausschließlich ideologisch und letztlich irrational geleiteten, Führung stehend.

    Diesen historischen Gesamtkontext sollte man sich in diesem 2014 beginnenden und lange davor (nicht von Russland) geplanten Krieg – mit Weltkriegspotenzial – immer vor Augen führen…

  2. Diese innere Verlogenheit, welche sich gereade wieder massiv ausbreitet, habe ich als in der DDR-geborener Bundesbürger über zwei Jahrzehnte am eigenen Leib kennen gelernt. Auch den Kampf der Machthaber gegen anders denkende. Es hat die anders denkenden aber nicht verschwinden lassen. Das Gegenteil trat in der damaligen DDR ein. Die kritische Beurteilung nimmt vor allem mit wirtschaftlichen Problemen und nachlassender Versorgungssicherheit zu.

    Genau dies passiert gerade in Europa und Deutschland.

    1. Die „nachlassende Versorgungssicherheit“ ist vorerst ein hypothetisches Konstrukt. Ich würde sie noch als „gefühlt“ klassifizieren. Die aktuell hohen Kosten gehen aber ganz sicher auf das Konto des großen Bruders in Moskau, der aufgrund fehlenden Kriegsglücks jetzt wohl ganz auf „Winterkrieg“ setzt. In Zeiten des Klimawandels eine mehr als mutige Strategie.

      phz

        1. THE ist nicht der große Bruder in Moskau, sondern deren Kaufgebahren (zu jedem Preis) resultiert zu Preisen, welche mit Grenzkosten und Grenznutzen rein gar nichts mehr zu tun haben.
          Würde man den potentiellen Marktteilnehmer aus Moskau ehrbar wie einem Kaufmann, und nicht wie einen Paria behandeln, wäre dem Spuk schnell ein Ende gesetzt.

  3. Deine gefühlte „nachlassende Versorgungssicherheit“ wird sich bald in ein reales Konstrukt umwandeln, wenn nicht eine 180 Grad Wende der deutschen/ europäischen Politik weg von amerikanischen hin zu eigenen Interessen erfolgt.

    Zwei ausländische Unternehmen blicken wie folgt auf Deutschland:
    „Anfang vergangener Woche warnte Klaus-Dieter Maubach, der Vorstandsvorsitzende des deutschen Gasimporteurs Uniper, dass das Land möglicherweise während des kommenden Winters eine Gasrationierung einführen muss. Nach Schätzungen von Goldman Sachs würde eine Energierationierung dazu führen, dass das Land 65 Prozent seiner Industrie verliert.“

    Und so sieht es mit unserer Gasversorgung im Winter aus:

    „Nach offiziellen Angaben sind die Erdgasspeicher Deutschlands derzeit zu 85 Prozent gefüllt. Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur, gab jedoch vergangenen Monat zu bedenken, dass selbst 95 Prozent Speicherauslastung nur für zwei Monate mit durchschnittlicher Nutzung ausreichen werden.

    Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sowie das Deutsche Institut für Wirtschaft widersprechen der Aussage des Kanzlers, wonach Deutschland auf den Winter vorbereitet sei.“

    Und wenn du die offizielle Analyse unserer Bundesnetzagentur folgst, war die Versorgung bei 20% NS1 schon nicht für den ganzen Winter gesichert geschweige denn jetzt, wo das russische Gas für Deutschland ganz ausfällt. Siehe hier: https://www.nachdenkseiten.de/?p=86817

    „Ein Artikel von: Jens Berger

    Wenn der Gasverbrauch von Deutschland und seinen Nachbarn in diesem Winterhalbjahr auf dem Niveau der Vorjahre bleibt, ist bereits im November die Situation erreicht, in der nicht jeder Kunde mehr mit Gas versorgt werden kann. Selbst bei optimistischen – und dabei unrealistischen – Szenarien lässt sich der „Gas-Blackout“ bestenfalls nach hinten verschieben. Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Studie der Bundesnetzagentur. Dies wirft zahlreiche Fragen auf, die über die Landesgrenzen hinausgehen. Deutschland ist nämlich nicht nur Importeur, sondern auch (Re-)Exporteur von Gas und vor allem die Schweiz und Tschechien hängen direkt von deutschen Gasexporten ab. Vor allem für die gasintensive chemische Industrie wird der Winter hart – Kollateralschäden wie eine Störung der Lieferketten, massive Schäden der Volkswirtschaft und Arbeitslosigkeit inklusive. Die Prognosen sind schockierend. Um so wichtiger wäre es, bereits jetzt umzudenken und die selbstzerstörerischen Sanktionen gegen Russland auf den Prüfstand zu stellen. ….“
    Jens Berger hat diese Analyse bereits am 11.August veröffentlicht. Wie gesagt, Bundesnetzagentur….

    Ich weiß nicht, was man lesen, einnehmen muss um zu solch positiven Einschätzungen wie die Deinen zu gelangen…

    1. Er entpuppt sich als der wirkliche Experte auf allen Gebieten. Militär sowieso – alleine „Kriegsglück“ – und nun auch noch Klima. Wahrscheinlich hofft er auf einen Winter mit 10°C höheren Durchschnittstemperaturen – aus Solidarität mit der Ukraine.

  4. Und wenn die Russen Gas an die Chinesen verkaufen und die das Gas, mit Aufschlag, weiter an die Deutschen, dann werden von der BRD diese zwei Länder unterstützt, ob gewollt oder nicht. Sarah Wagenknecht hat recht: Dies ist die dümmste Regierung Europas. Und sie kann es nach menschlichem Ermessen nicht mehr allzulange bleiben.

    1. „Und sie kann es nach menschlichem Ermessen nicht mehr allzulange bleiben.“
      Ich fürchte, da hat sich die Hoffnung der Feder bedient …
      Merkel hat gezeigt, mit welcher Politik man 16 Jahre lang regieren kann. Die neue Regierung ist nochmal deutlich inkompetenter, vielleicht bringt sie es auf 20 Jahre, oder ersatzweise bis zum Ende aller Tage.

  5. (Um seine PEN-Migliedschaft ist es nicht schade. Da sind dt. Profilneurotiker und Wichtigtuer versammelt. Den nehmen auch nichtrussische deutsche Autoren oft nicht mehr ernst. Ein Kasperletheater. Aber wenn man das all liest, tun sich natürlich Abgründe auf, von selbstverliebten Milieus ohne jede Klasse oder Großzügigkeit oder Weitsicht. Ein Trauerspiel. Und das nennt sich dann Intellektuelle…)

    p.s. neuer Font fürs Forum oder wie? Das ist jetzt alles kursiv oder hab ich n Knick in der Pupille..ist das nicht unpraktisch?

    1. Vermutlich handelt es sich um einen groben Bruch von Menschenrechten.
      Menschen allein wegen ihrer Staatsangehörigkeit auszusperren ist eine Schande.
      Aber warum überrascht mich ein derartiges Verhalten eigentlich nicht mehr?

  6. „Die Russen sollen leiden“, das ist die Quintessenz, weshalb der Krieg provoziert und die Sanktionen verhängt worden sind. Die Russen sollen leiden und ihre Scheißrohstoffe billig rausrücken. Darum geht es.

    Dieses Programm wird bemäntelt mit der angeblichen Ukraine Solidarität, der Selbstbestimmung, den Demokratie- und Menschenrechten und funktioniert gargarnicht. Statt in Talk Shows die Leiden der sanktionierten Russen genüsslich auszubreiten, stimmen sich die europäischen Gesellschaften auf eine ökonomische Katastrophe im Winter ein – Gasmangel, Blackout, Wärmestuben, Aufstände, Staatshilfen sind Thema.

    Und Schuld sind wahlweise die dumme Merkel oder der böse Putin, der verhindern will, dass wir zusammenstehen und moralisch fest auf der Seite der Ukrainer bleiben. Hungern und Frieren für die vorgeblich gute Sache ist angesagt.

    Mehr und mehr steuern wir mit den ökonomischen Ausnahmemassnahmen auf eine Kriegswirtschaft zu. Warum statt Staatshilfen nicht gleich Lebensmittelkarten und andere Rationierungen ausgeben? Geht doch sicher auch für Gas und Benzin. Dann bräuchte man sich um die Extragewinne von Trittbrettfahrern keine Sorgen zu machen.

    Hauptsache die Sanktionen bleiben – auch wenn sie die Russen zum Lachen bringen. Motto: Wenn die Medizin nicht hilft, muss nur die Dosis erhöht werden.

  7. Vor 3 Monaten musste ich schmunzeln.
    Ein Ziel der ganzen Sanktionen war ja die russische Bevölkerung von den „Segnungen“ des Westens abzuschneiden, und sie so zum Murren und Aufbegehren gegen Putin zu bewegen.
    Unter anderem hat sich Mc Donalds komplett zurückgezogen.
    Jetzt hat eine russische Kette die Lokale übernommen, es läuft wohl sehr gut. Die Leute haben sich drauf gestürzt.
    Nur das Cola schmeckt nicht so gut.

    Ich denke, zu Kalter-krieg Zeiten hatte der Westen viel Anreize, weil er viele Konsumgüter und Annehmlichkeiten bot, die der Osten nicht hatte.
    Heute ist das längst nicht mehr so gegeben.

    Ach übrigens, in der Ukraine sind alle mc-donalds lokale geschlossen.

  8. In Russland sollen die Menschen bitte gefälligst auf die Straße gehen und – unter Androhung von jahrelanger Haft – ihren Steuermann zum Teufel jagen, weil er russische Interessen verletzt, lügt und Krieg führt.
    In Berlin geht kaum jemand auf die Straße – ohne Androhung von jahrelanger Haft – um unseren Steuermann zum Teufel zu jagen, obwohl er andauernd etwas vergisst, wie bspw. deutsche Interessen, vermutlich ebenfalls lügt und zur Unterstützung des gleichen Krieges nun auch beiträgt.
    Dem Wohle des deutsches Volkes dient er sicher gerade nicht.
    Ich komme langsam durcheinander wer die Guten und wer die Bösen sind. Vielleicht ist diese Kategorisierung auch schon von vornherein Mumpitz.
    Selbst wenn „Zur goldene Möwe“ weltweit geschlossen hätte, wäre dies ganz sicher keine Katastrophe.
    Eher ein Zeichen der Vernunft, die ich gerade überall schmerzlich vermisse.
    Ich bin vollkommen einverstanden damit, dass die Grenzüberschreitung von Putin eine Konsequenz haben muss, eine Hexenjagd auf alle Russen ist aber ganz sicher nicht der richtige Weg.
    Augenmaß heißt nicht Auge um Auge.
    Leider haben wir für die Diplomatie die Baerbock zur Gärtnerin gemacht und die ist in erster Linie bockig, wie ein alter Bär.

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