Wie der ukrainische Geheimdienst SBU Zeugen für den MH17-Prozess schaffen will

Ein Offizier wurde nach seinen Anwalt wegen Hochverrats verurteilt, weil er nicht zur Zusammenarbeit bereit war. Es fehlen Zeugen, die vor dem niederländischen Gericht aussagen und die Angeklagten belasten.

 

Letztes Jahr wurde am 7. April der ukrainische Leutnant Ivan Bezyazykov zu 13 Jahre Gefängnis verurteilt. Er war im August 2014 mit zwei weiteren Offizieren von Separatisten festgenommen worden. Sie waren mit einer weißen Fahne auf deren Gebiet gegangen, um die Leichen gefallener Soldaten in die Ukraine zu holen. Verurteilt wurde er, weil ihm vorgeworfen wird, mit den Separatisten kooperiert zu haben. Er sagt, diese hätten ihn gezwungen, bestimmte Tätigkeiten zu machen, die der Ukraine nicht geschadet hätten, er habe auch einer Kooperation nicht zugestimmt. Seine Anwälte sagten, die Staatsanwaltschaft habe keine Beweise vorgelegt, es gab auch keine Zeugenaussagen.

 

Unklar ist auch, wie Bezyazykov aus der „Volksrepublik Donezk“ wieder in die Ukraine kam. Der ukrainische Geheimdienst SBU behauptet, er sei im Juli 2016 im Rahmen einer Spezialoperation befreit worden. Seine Frau erklärte hingegen, er sei in einem geheimen Gefangenenaustausch freigekommen, der Geheimdienst habe verboten, darüber zu sprechen.

 

Schon im Dezember 2016 war Bezyazykov inhaftiert worden. Es wurde ihm Hochverrat und Gründung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen, er habe nach dem SBU den Separatisten Informationen über die Bewegungen des ukrainischen Militärs gegeben. Der SBU hatte auch angeblich mitgeschnittene Telefongespräche mit den Separatisten veröffentlicht.

Damit ist aber die Geschichte nicht zu Ende. Kurz vor dem Jahrestag des Abschusses von MH17, für den die niederländische Staatsanwaltschaft im MH17-Prozess drei Russen und einen Ukrainer verantwortlich macht, erklärte sein Anwalt Vitaly Titych auf einer Online-Veranstaltung der ukrainischen Helsinki Human Rights Union und der Human Rights Media Initiative, dass der SBU versucht haben soll, Bezyazykov zu einer Zusammenarbeit im Rahmen des MH17-Falls zu zwingen. Versprochen worden sei ihm, dass die Klage wegen Hochverrat fallengelassen werde.

Das klingt durchaus plausibel, denn auch in einem anderen Fall hatte der SBU versucht, einen Kronzeugen im MH17-Fall zu erpressen. Wladimir Zemak (Tsemakh) war zur Zeit des Abschusses von MH17 Chef einer Luftabwehrgruppe der Separatisten in Snischne (Snizhne), wo das Buk-System die Rakete auf das Flugzeug abgeschossen haben soll. Zemak soll in einem Video nach dem Abschuss gesagt haben, dass er mithalf, das Buk-System zu verstecken. Die entscheidende Frage und Antwort waren aber auf der Tonspur des Videos gelöscht worden. Aus den Mundbewegungen will Bellingcat erkennen, dass Zemak von „Buk“ gesprochen hatte, woraus der Vorwurf abgeleitet wird, er habe mitgewirkt, das Buk-System zu verstecken. Auf dem Video spricht er dann allerdings, was Bellingcat aber nicht interessiert, von einem ukrainischen Kampfflugzeug, das abgeschossen worden sei, ein zweites habe dann MH-17 abgeschossen. Bestenfalls ist die Rede davon, dass Tsemakh mithalf, das Buk-System zu verstecken, das das erste Kampfflugzeug abgeschossen hat.

Im Juni 2019 war Zemak dann durch eine Geheimdienstoperation aus der „Volksrepublik Donezk“ nach Kiew gewaltsam verschleppt und dort inhaftiert worden, vorgeworden wurde ihm Beteiligung an einer Terrorgruppe und Ausführung von Terrorakten. Das erscheint nachträglich als verzweifelte Tat, endlich einen Zeugen zu finden, der im MH17-Prozess aussagt. Im Gefängnis in Kiew war Zemak von niederländischen Polizisten verhört worden und galt als Zeuge. Als er dann gegen ukrainische Gefangene mit anderen ausgetauscht werden sollte, wurde er schnell zum Verdächtigen gemacht. Gegen den Widerstand des Gemeinsamen Ermittlungsteams und der niederländischen Staatsanwaltschaft wurde er tatsächlich freigelassen und kehrte in die „Volksrepublik“ zurück. Dort berichtete er, dass ihm für eine Aussage im MH17-Prozess niederländische und australische Beamte die niederländische Staatsbürgerschaft und ein Haus in den Niederlanden angeboten hätten. Er hatte eine Klage gegen die Ukraine und die Niederlande beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht, um eine Auslieferung an die Niederlande zu verhindern, die wurde aber 2020 zurückgewiesen.

 

Nach dem Anwalt von Bezyazykov sollte dieser aussagen, dass die wegen des Abschusses von MH17 Angeklagten von Moskau finanziert worden seien. Diese Aussage sollte er als Zeuge vor dem Gericht in den Niederlanden machen. Unter Druck gesetzt wurde er angeblich damit, dass dann die Anklage der Beteiligung an einer terroristischen Organisation – so werden die Separatisten von Kiew bezeichnet – fallengelassen würde. Wenn er dies nicht mache, würde er wegen Hochverrat angeklagt. Auch über seine Frau sei Druck ausgeübt worden. Als er sich weigerte, sei die Anklage auf Hochverrat erfolgt, die dann zu seiner Verurteilung geführt habe.

Sein Anwalt Titich führt nun ins Feld, dass dann, wenn sein Klient die verlangte Falschaussage gemacht hätte, der MH17-Prozess diskreditiert worden wäre. Russland hätte dann mit Beweisfälschung argumentieren können. Damit baut er seinen Klienten gewissermaßen zu einem Nationalhelden auf. Die Machenschaften des Geheimdienstes, der Polizei und der Justiz der Ukraine würden aber dennoch bestehen bleiben und damit auch den Verdacht bestärken, dass die Ukraine im MH17-Fall manipuliert. Die Anklage basiert auch auf Telefongesprächen, die der SBU geliefert hat und die möglicherweise manipuliert sein könnten.

Der US-Botschafter in Kiew twitterte gestern: Vor 7 Jahren wurde MH17 in der Donezk-Region von Militanten abgeschossen, die von Russland unterstützt wurden. Russland hat niemals diese Fakten anerkannt. A. 7. Jahrestag dieser Tragödie, fordern wir Russland auf, seine Rolle bei dem Abschuss zu verantworten und voll mit der Ermittlung zu kooperieren.“ Viele der Fakten beruhen auf SBU-Informationen, die USA kooperieren ebenfalls nicht und legen die angeblich vorhandenen Satellitenbilder dem niederländischen Gericht vor, sondern nur, dass solche vorliegen würden.

Der ukrainische Präsident Selenskij erwähnte in seinem Tweet um Jahrestag Russland nicht: „Es ist unmöglich zu glauben, dass dies in der modernen Welt passiert ist. Ich fühle mit. Wir bemühen uns, die Wahrheit herauszufinden. Verantwortung ist unvermeidlich!“

 

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