Unter CIA-Aufsicht folterte der afghanische Geheimdienst NDS, der von den Amerikanern geschaffen wurde, regelmäßig und systematisch. Jetzt ist Rahmatullah Nabil mit Ahmad Massoud, Sohn des bekannten Mudschaheddin-Führers und Warlords, der gegen die Taliban kämpfte, unterwegs in Europa, um für die Nationalen Widerstandskräfte zu werben.
Es ist allgemein bekannt, dass in Wien seit Jahrzehnten und Jahrhunderten wichtige politische Treffen aller Art stattfinden. Doch im vergangenen September fand in der österreichischen Hauptstadt eine etwas bizarre Afghanistan-Konferenz statt. Im Fokus stand Ahmad Massoud, Sohn des bekannten Mudschaheddin-Führers und Warlords Ahmad Shah Massoud, der zwei Tage vor den Anschlägen des 11. Septembers 2001 von Al-Qaida-Extremisten getötet wurde. Massoud Senior galt innerhalb der sogenannten Nordallianz als Führungsfigur im Kampf gegen die Taliban, die damals in Kabul regierten.
Bereits lange vor der Rückkehr der Taliban war bekannt, dass Massouds Sohn in seine Fußstapfen treten wolle. Wie genau das aussehen sollte, wusste allerdings niemand. Ahmad Shah Massoud war ein kampferprobter Milizionär und politischer Führer, dessen Fähigkeiten auch von seinen Feinden anerkannt und respektiert wurden.
Sein Sohn studierte im Ausland und wuchs wohlbehütet auf. Nicht nur in seiner Heimat, dem Panjshir-Tal, sondern auch anderswo wurde Massoud Junior in erster Linie aufgrund seines Vaters respektiert. Mehr hatte und konnte er nicht bieten. Dies wurde besonders deutlich, als die Taliban vor rund einem Jahr zum ersten Mal in ihrer Geschichte Panjshir erobern konnten. Während einige Widerstandsmilizen sich auf den Bergen verschanzten und dort verzweifelt ihren Kampf fortsetzten, flüchtete Massoud mitsamt Gefolgschaft mittels Helikopter ins benachbarte Tadschikistan.
Seit diesem Tag hat Massoud Afghanistan nicht mehr betreten. Stattdessen reist er um die Welt, um Unterstützung für seinen Kampf gegen die Taliban zu gewinnen. Offiziell ist Massoud das Gesicht der Nationalen Widerstandskräfte (NRF), die hauptsächlich in den Provinzen Baghlan und Panjshir präsent sind. Doch an der Front kämpfen andere und ihre Erfolge gegen die zahlenmäßig überlegenen und massiv aufgerüsteten Taliban sind – wenn überhaupt – überschaubar. Meist sind es junge Männer aus armen Familien, die sich den Taliban stellen und von ihnen gefoltert oder brutal hingerichtet werden.
Rahmatullah Nabil und der von der CIA aufgebaute Geheimdienst NDS
Während Massoud an die Weltgemeinschaft, die zunehmend das Interesse an Afghanistan verloren und sich in vielerlei Hinsicht mit den Taliban abgefunden hat, appelliert, hat er vor allem jene Regimefiguren um sich geschart, die für die Gesamtmisere, sprich, Rückkehr der Taliban, Fall der Republik und Scheitern des westlichen Einsatzes, maßgeblich mitverantwortlich sind. Dies machte die Teilnehmerliste in Wien abermals deutlich. Neben den Namen von bekannten, in Korruptionsskandalen verstrickten Ex-Politikern fand man auch jenen des ehemaligen Geheimdienstchefs, Rahmatullah Nabil.
Nabil ist kein unbeschriebenes Blatt. Während der Amtszeit von Ex-Präsident Hamid Karzai führte er in den 2010er-Jahren den afghanischen Geheimdienst NDS (National Directorate of Security), der zu Beginn des „War on Terror“ von der CIA kreiert wurde. Die Amerikaner rekrutierten dabei vor allem innerhalb der Mitglieder der Nordallianz, die bereits in den 1990er-Jahren während des Bürgerkrieges für Angst und Schrecken sorgten (auch Massoud Seniors Erbe wird deshalb kritisch betrachtet, da seine Milizen zahlreiche Menschenrechtsverbrechen begingen), und unter den Überbleibseln des kommunistischen Geheimdienstapparates der 1980er-Jahre. Letzterer war während des Kalten Krieges für seine Brutalität besonders bekannt und füllte einst die Folterkeller des Pol-e Charkhi-Gefängnisses in Kabul mit Tausenden von Unschuldigen, die nie wieder das Tageslicht erblickten. Auf dieses Erbe wurden die Fundamente des NDS errichtet.
Dass man in Washington und Langley mit Menschenrechtsverbrechern, die den Taliban in nichts nachstanden, zusammenarbeitet, war eine bewusste Entscheidung. Die Moral fiel weg, denn es gab sie nie. Stattdessen wurde das neu rekrutierte Personal von US-Offiziellen und Militärs gehuldigt. Ihre „Expertise“ wurde geschätzt und erweitert. Unter CIA-Aufsicht folterte der NDS regelmäßig und systematisch. Den Führungsposten erhielt man wie Nabil nur, wenn man von den amerikanischen Foltermeistern auserkoren und abgesegnet wurde.
Bis zu seinem Zusammenbruch im August 2021 verfügte der NDS landesweit über zahlreiche Folterzentren, in denen sich auch Kinder in Gefangenschaft befanden. Laut der UN wurden mehr als ein Dutzend verschiedener Foltermethoden vom NDS angewendet, darunter Schläge, simuliertes Ersticken sowie sexuelle Gewalt. Viele Jugendliche sowie junge Männer schlossen sich den Taliban an und radikalisierten sich aufgrund der Vorgehensweise des NDS.
Im Frühling erzählte mir ein Taliban-Kämpfer aus der nördlichen Provinz Baghlan während eines Interviews von seiner mehrjährigen NDS-Gefangenschaft. „Die Folter war besonders schlimm. Sie war Teil meines Alltags“, fasste er kurz und knapp und sichtlich geschädigt zusammen. Auch er war zum damaligen Zeitpunkt minderjährig. Laut der UN wurde die Folter als das beste Mittel betrachtet, um an Geständnisse zu kommen. Dies ist umso weniger verwunderlich wenn man bedenkt, dass die Architekten des „War on Terror“ nicht anders dachten und ein Folterregime errichteten, das in Guantanamo bis heute seine Pforten geöffnet und jegliche rechtsstaatliche Errungenschaften untergraben hat.
In den letzten Jahren häuften sich außerdem gezielte Attentate und Mordversuche, für die afghanische Beobachter den NDS verantwortlich machten. Manche munkelten gar von der Errichtung eines geheimen Zirkels, der aus aktiven und ehemaligen NDS-Führungspersonen bestand und es sich zur Aufgabe gemacht hatte, einen Machtverlust zu verhindern. Mit jener Macht war auch viel Geld verbunden. Das jährliche Budget des NDS lag bei mindestens 225 Millionen US-Dollar. Berichten zufolge lagen die Bargeldreserven des NDS im August 2021 kurz vor der Rückkehr der Taliban bei 70 Millionen US-Dollar. Als die Taliban das Hauptquartier des Geheimdienstes in Kabul einnahmen, war das meiste Geld bereits weg. Selbst US-Offizielle machen hierfür ehemalige Geheimdienstoffizielle, die sich ein letztes Mal bereichern wollten, verantwortlich.
Trotz der bekannten Tatsachen können Männer wie Nabil unbehelligt durch die Welt reisen und weiterhin für „ihre Sache“ werben. Zuletzt war er etwa nicht nur in Wien, sondern auch bei der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Berlin, was vom bekannten Afghanistan-Kenner Thomas Ruttig heftig kritisiert wurde. „Doch zugleich wird hierzulande jemand wie Nabil, der politisch für Folterungen verantwortlich war, offenbar unhinterfragt als Experte akzeptiert, auch wenn der NDS nicht wie der syrische Geheimdienst Gefangene nach der Folter systematisch ermordet hat und Nabil wohl im Gegensatz zu seinem späteren Amtskollegen Assadullah Khaled nicht selbst gefoltert hat“, so Ruttig. Die KAS ließ die Kritik unbeantwortet.
Ähnlich verhielt es sich in Wien, wo ein privates Institut hinter der fragwürdigen Versammlung Massouds, die von zahlreichen, unterschiedlichen Protesten seitens der afghanischen Diaspora begleitet wurde, stand. Der Concordia-Presseclub, der Massoud einen Konferenzraum zur Verfügung stellte, meinte, dass man sich auf kritischen Fragen der anwesenden Journalisten verlassen würde. Diese gab es tatsächlich. Als Massoud auf Menschenrechtsverbrecher in seinen Reihen angesprochen wurde, schob er das Thema beiseite. Die gegenwärtigen Probleme mit dem Taliban-Regime seien dringender. Kurze Zeit später saß Massoud gemeinsam mit Nabil beim Bruno-Kreisky-Forum. Ein Umstand, der dessen Namensgeber wohl im Grabe umdrehen ließ.
Es ist ja nicht schlecht, wenn solche Machenschaften aufgezeigt werden. Es sollte dennoch klar sein, dass sich bereichern am Elend durch Krieg zu den regelbasierten Handlungen gehört.
Hier sind es nicht etwa die großen Waffenhersteller, sondern das Fußvolk, das sich die Taschen vollmacht. Das Prinzip bleibt das gleiche. Dass, die nicht vor dem Internationaler Strafgerichtshof (IStGH)in den Haag landen, statt dessen von den demokratischen Regierungen, für die sie gefoltert und gemordet haben, sagt doch nur, wer für und die Schweinereien betreibt, hat nichts zu befürchten.
Wenn es um die „Demokratien“ geht, sind selbst gestandene Demokraten sensibel.
https://www.youtube.com/watch?v=kf_IIf2e0Ek
OT
Warum der Westen die Taliban nicht mag
Im Islam sind Zins-, und Zinseszins verboten, damit Mitmenschen nicht in Notlagen geraten. Wer jemandem Geld leiht, darf ihm dafür nicht mehr abnehmen als er gegeben hat. Steht so im Koran.
Im Islam gibt es heute neuere Formen um das Zinsverbot zu umgehen und Spekulation zu ermöglichen. Die Taliban sind strikt dagegen.
Früher war nicht alles schlecht und es dreht sich im Islam nicht alles nur um Kopftuch oder nicht 🙂
Soweit ich mich erinnere war auch im Christentum lange Zeit der Wucher bzw die Zins-Wucherei unter Christen verboten. Zur Umgehung dieser Verbote wurden dann die gewisse nichtchristliche Ethnie bevorzugt eingesetzt.
Auch der Beruf des Kaufmanns war lange lange Zeit anrüchig und galt als wenig ehrbar.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wucher
Ja, gab es. Unter ” Zinsverbot im Christentum” findet man einen längeren Aufsatz.
Wenn das Kapital ein Produktionsfaktor, und der Zins der Preis dafür ist, gäbe es ohne Kapital keine Produktion. Aber, kann es ohne Zins und Zinseszins Kapital geben ? Wenn auch nur als Prozess.
In der islamischen Welt wird da heute auch herumgetrickst.
Für Afghanistan ist die Schrulligkeit der Taliban derzeit nicht von Vorteil.
Die Hungersnot dort unten interessiert im Wertewesten niemand, schließlich hatte der edele Westen den Afghanen das Staatsvermögen eingefroren.
Das aber nur am Rande.
Hässslich, hässlich – aber wer interessiert sich jetzt gerade für diese Grosspleite des Wertewestens, wo er sich doch gerade wieder einmal im Krieg gegen das Ungeheuer du jour befindet?
Das gibt es im Wertewesten schon lange. Gute Morde und böse. Gute Folter und böse. Gute Gefangene und böse…. Das kann ich noch ewig so weitermachen.
Jeder weiß, was gemeint ist. Und Julian Assange ist kein Einzelfall, wenn es auch ein besonders schlimmes Schicksal darstellt.
Irgendwie vermisse ich noch Infos zu zwei weiteren Blutsäufern und afghanischen Massenmördern, die neben ihrem Kumpel Massoud eigentlich immer präsent waren und sich nicht unbedingt in den Ruhestand verabschiedet haben: Hektmatyar und Dostum.
Falls die Beiden noch leben dürften sie immer noch in irgendeiner Weise zugange sein.
“Kurze Zeit später saß Massoud gemeinsam mit Nabil beim Bruno-Kreisky-Forum.”
Demnächst wird er wohl wieder mit B.H.Levy zusammensitzen.
https://www.stern.de/politik/ahmad-massud-zu-widerstand-im-pandschir-tal—ich-sterbe-lieber–als-dass-ich-mich-ergebe–30675280.html
Wäre interessant zu wissen, wie viele Afghanen, die jetzt in Deutschland leben, auf den Gehaltslisten des NDS standen. Als nach dem Totalzusammenbruch Werteverteidigungsfront in Afghanistan viele versuchten, in den Westen, darunter auch nach Deutschland, zu entkommen, war immer mal von “Sicherheitsüberprüfungen” die Rede. Es wäre interessant zu wissen, ob eine Tätigkeit für den NDS positiv oder negativ ausgewirkt hat. Müsste man wohl mal beim BND erfragen.
PS: Danke an den Autor. Die Artikel von E.Feroz rütteln doch immer mal wieder am gängigen Afghanistan-Narrativ.
“…zahlreiche Folterzentren, in denen sich auch Kinder in Gefangenschaft befanden. Laut der UN wurden mehr als ein Dutzend verschiedener Foltermethoden vom NDS angewendet, darunter Schläge, simuliertes Ersticken sowie sexuelle Gewalt. Viele Jugendliche sowie junge Männer schlossen sich den Taliban an und radikalisierten sich aufgrund der Vorgehensweise des NDS.”
Auch die von Deutschland ausgebildete afghanische Polizei missbrauchte Kinder: https://www.blick.ch/news/paedophile-tradition-bacha-bazi-wird-afghanischen-beamten-zum-verhaengnis-taliban-nutzen-kinder-sexsklaven-als-polizisten-killer-id5229356.html
NYT berichtete mehrfach:
https://www.nytimes.com/2018/01/23/world/asia/afghanistan-military-abuse.html
https://www.nytimes.com/2015/09/21/world/asia/us-soldiers-told-to-ignore-afghan-allies-abuse-of-boys.html
Alice Schwarzer in der aktuellen Ausgabe der EMMA:
https://www.emma.de/artikel/bacha-bazi-das-dunkle-geheimnis-339819
All dies war seit 2009 bekannt und hätte das Zeug für eine Kampagne gehabt, den Krieg schnell zu beenden. Bekanntlich wurde die Sache auch von linken und friedenspolitischen Kräften nicht aufgegriffen und lieber totgeschwiegen. Es ist übrigens nicht so, dass nur Afghanistan betroffen ist. Der Skandal um die Odenwaldschule wurde nur sehr mühsam aufgearbeitet, bei der Cologna Dignidad wurde ebenfalls systematisch weggesehen, auch dort wurde übrigens gefoltert…
Leider funktionieren die meisten Medien nach dem Prinzip Aus dem Augen Aus dem Sinn. Danke für diesen guten Artikel, der dieses Prinzip durchbricht.