Welche Bedeutung hat Nawalny in Russland?

Nawalny gibt sich als glücklicher Gefangener. Bild: Nawalnys Instagram-Account

Im Westen wurde er zum wichtigsten Oppositionspolitiker und gefährlichsten Gegner Putins aufgebaut, die Wirklichkeit trifft das noch nicht, auch wenn der Kreml ihn nun mit allen Mitteln stillstellen will.

Im westlichen Ausland steht Alexei Nawalny in der Medienberichterstattung und der Politik ganz oben. Seine Rückkehr nach Russland und seine zu erwartende Festnahme nutzten er und die transatlantische Front als Hebel gegen den Kreml, um neue Sanktionen auf den Weg und Nord Stream 2 endgültig zu Fall zu bringen. Deutschland blockiert weiter die Aufklärung über den Giftanschlag auf den Oppositionspolitiker und scheint einen doppelten Kurs zu fahren: Man übt über Nawalny demonstrativ im Verein mit den USA und der EU Druck auf den Kreml aus, während man gleichzeitig Nord Stream 2 zu retten sucht, was der neue CDU-Chef Armin Laschet gerade wieder  betont hat.

Wegen der großen Aufmerksamkeit im Westen und unter jüngeren Russen wurde Nawalny allerdings für den Kreml immer unangenehmer. Ob der russische Geheimdienst im Auftrag des Kreml ihn wirtklich töten wollte, aber dann zuließ, dass er in Russland gerettet und dann nach Berlin ausgeflogen wurde, ist nicht zweifelsfrei belegt. Wahrscheinlich aber hatte man gehofft, dass er im Ausland bleibt und ihm wahrscheinlich deswegen mit Gefängnisstrafe wegen der Verletzung der Bewährungsauflagen bedroht.

Er wurde nun, wie zu erwarten war, zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und gleich erneut wegen einer angeblichen Verleudumg eines Weltkriegsveteranen vor Gericht gestellt. Weitere Prozesse gegen ihn und auch gegen Mitarbeiter von ihm drohen.  Und Moskau zeigt sich hart gegenüber Forderungen nach Freilassung aus dem Ausland. So muss auch die Einbestellung der deutschen, schwedischen und polnischen Botschafter in das Außenministerium verstanden werden, um ihnen mitzuteilen, dass jeweils ein Botschaftsangestellter des Landes verwiesen wird, weil sie an den verbotenen Versammlungen in Moskau teilgenommen haben.

Nawalny hatte seine Festnahme eingeplant und sie mit einem Film über Putins vermeintlichem „Palast“ vorbereitet, um mediale Aufmerksamkeit zu finden und in Russland zu Protesten zu mobilisieren. Im Westen wird Nawalny – ganz nach dessen Vorgaben – zum wichtigsten Oppositionspolitiker und gefährlichsten Gegner Putins hoch gespielt. Das ist nach einer repräsentativen Umfrage  des unabhängigen Levada-Instituts, das sich als ausländischer Agent bezeichnen muss, aber nicht die Meinung der Russen. Die Umfrage wurde vom 29.1. bis 2.2. durchgeführt, also nach der Verhaftung Nawalnys, der Veröffentlichung des Films und den ersten Protesten.

Das Vertrauen gegenüber Putin ist zwar gegenüber Oktober 2020 um 5 Punkte auf 29 Prozent deutlich gesunken, allerdings ist die Zustimmung zu seiner Amtsführung immer noch hoch bei 64 Prozent, einen Punkt weniger. Zufrieden sind sogar noch die 18- bis 24-Jährigen mit 51 Prozent, allerdings ist hier ein starker Einbruch zu bemerken, im Januar 2020 sagten dies noch 68 Prozent. Aber die hohe Zeit Putins, als 80 Prozent und mehr mit seiner Amtsführung zufrieden waren wie zuletzt zu Beginn des Ukraine-Konflikts, ist seit 2016 vorbei. Gut möglich, dass seine Popularität wieder zunimmt, wenn US-Präsident Biden schärfer gegen Russland vorgeht und die Nato wieder stärken will. Noch sagen 49 Prozent, dass das Land in die richtige Richtung geht, für 40 Prozent ist es auf dem falschen Weg.

Nach Putin vertrauen mit 12 Prozent am meisten dem Regierungschef Mikhail Mishustin, an dritter Stelle kommt der Oppositionspolitiker Wladimir Schirinowski, Chef der rechtsnationalistischen Liberaldemokratischen Partei, immerhin noch mit 10 Prozent. Die Befragten konnten beliebige Namen nennen. An sechster Stelle kommt nach Verteidigungsminister Shoigu und Außenminister Lawrow mit 5 Prozent Nawalny, der erstmals den kommunistischen Parteichef Gennady Zyuganov überholte, der auf 4 Prozent kam.

Die Vergiftung, die Beschuldigung des Kreml, die Inhaftierung und die Proteste haben das Ansehen von Nawalny in Russland gehoben, aber er kann keineswegs die Massen mitreißen oder sich als Herausforderer von Putin sehen. Erstaunlich auch, dass 21 Prozent sagen, sie vertrauen niemandem, 19 Prozent konnten oder wollten sich nicht äußern. Das sind 40 Prozent, die allen Politikern skeptisch gegenüberstehen.

Zustimmung zu Nawalny ist wieder gesunken

Nach dem Giftanschlag ist die Zustimmung zu Nawalnys Aktivitäten von  6 auf 20 Prozent im September 2020 gestiegen. Jetzt ist vermutlich wegen des Auftretens von Nawalny und wegen der von ihm mobilisierten Proteste die Ablehnung von 50 auf 56 Prozent gewachsen. Am beliebtesten ist er bei den 18-24-Jährigen, wo 36 Prozent seinen Aktivitäten zustimmen, aber auch 43 Prozent sie ablehnen. Da spielen auch Medien eine Rolle. Am wenigsten Zustimmung findet Nawalny bei den Menschen, die sich vorwiegend über das staatliche Fernsehen informieren. Bei Internetnutzern und Menschen, die sich über Telegram informieren, ist die Zustimmung mit 45 Prozent am höchsten.

Bei einer Umfrage Ende Dezember stellte sich heraus, dass die Aufmerksamkeit auf den Fall Nawalny in Russland nicht so groß war. Von denjenigen, die überhaupt von seiner Vergiftung gehört hatten, sagten 30 Prozent, dass es nur eine Inszenierung sei. 19 Prozent sahen darin eine Provokation der westlichen Geheimdienste und nur 15 Prozent einen Versuch der Regierung, einen Oppositionellen zu beseitigen.

Nawalny schrieb gestern auf Instagram bzw. ließ schreiben: „Ich habe diesen Satz schon oft gehört: ‚Man kann jemandem, der innerlich frei ist, nicht die Freiheit nehmen.‘ Und jetzt frage ich mich ganz ehrlich: ‚Funktioniert das?‘ Glauben Sie mir, es funktioniert. Die Eisentüren fallen mit einem ohrenbetäubenden Klirren hinter mir zu, aber ich fühle mich wie ein freier Mann.“

Er sieht sich als Opfer von Putins persönlicher Rache und will die Russen auffordern, ebenso wie er keine Angst zu haben: „Wir können unsere Angst überwinden und unser Heimatland von einer Bande diebischer Besatzer befreien. Und wir werden es tun. Wir müssen es tun. Für uns selbst und für zukünftige Generationen. Die Wahrheit ist auf unserer Seite. Bleiben Sie frei.“

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