Wahlkampffarce in Ecuador

Andrès Arauz hat Chancen, die Stichwahl zu gewinnen. Bild: Unión por la Esperanza

 

Während sich die Covid-Nachrichten im Kreise drehen und ihren Platz in allen Arten von Medien seit vielen Monaten besetzen, finden in Ecuador Präsidentschaftswahlen statt. Scheinbar eine Randnotiz des Weltgeschehens. Es lohnt sich trotzdem einen Blick darauf zu werfen.

Ich lebe seit 1994 mehrheitlich in diesem kleinen, südamerikanischen Land am Pazifik. Hohe Berge, tiefer Dschungel, dazwischen die fruchtbaren Landschaften der Sierra. 60% der Exporteinkünfte stammen aus der Ölförderung im Osten des Landes, aus dem Quellgebiet des Amazonas. Notabene aus den ärmsten und unterentwickeltsten Provinzen des Landes.

Ein multinationaler Staat, ein Völkergemisch von indigenen Ureinwohnern, afroecuadorianischen Gruppen, Mestizen und einer alles beherrschenden Oligarchie, die sich ihrer Abstammung von den Konquistadoren gerne rühmt. Uralte Landtitel sind bis heute in Familienbesitz, feudales Denken und Handeln in der Oberschicht weit verbreitet. Der indigene Anteil an der Bevölkerung wird auf 50% geschätzt. In den Verwaltungschargen der Republik oder in höheren politischen Ämtern sind sie jedoch kaum vertreten.

Trotz dieser Ausgangslage haben sich die indigenen Verbände in den letzten Jahrzehnten eine politische Bedeutung erkämpft. Eine neue Verfassung, in der die Rechte der Natur bekräftigt und das indigene Prinzip des „Sumak Kawsay – Das gute Leben“ eine bedeutende Rolle spielen, wurde 2008 vom Stimmvolk befürwortet.

Zweifellos der wichtigste Präsident Ecuadors in den letzten Dekaden war Raffael Correa, der von 2007 bis 2017 im Amt zahlreiche Reformen der sozialen und wirtschaftlichen Struktur anpackte. Sein Programm, die „bürgerliche Revolution“, war geprägt von einer Mischung aus christlich – katholischen Basiswerten und einer Orientierung an zeitgenössischen linken Politikern, (Chavez, Morales, Castro) in Südamerika und international. Seine Politik, die in ihren Ansätzen sozialdemokratisch war, wurde von den konservativen Kreisen im Land erbittert bekämpft und spaltete die Bevölkerung in Pro und Kontra.

Als er regulär abgewählt wurde, entpuppte sich sein Nachfolger und ehemaliger Weggefährte Lenin Moreno bereits kurz nach seiner Amtseinführung als neoliberaler Wendehals. Correa verließ das Land und lebt seither im Exil in Belgien. In den letzten vier Jahren erfolgte eine ständige Restrukturierung der Bastionen der ecuadorianischen Unternehmer und ihrer internationalen Partnern. Diese Ökonomie ist eng verknüpft mit den seit jeher regierenden Familien.

Hoffnung auf Veränderung

Die jetzt stattfindenden Präsidentschaftswahlen zeigen die tiefe Spaltung des Landes auf. Nicht nur die traditionellen Rivalitäten zwischen Küste und Sierra beeinflussen das Wahlverhalten, es schlägt jetzt die Stunde der „Correistas“, der Anhänger Raffael Correas.

Unter der Regierung Moreno wurde die bürgerliche Revolution des Vorgängers in einem Maße verteufelt, welches weit  über eine politische Auseinandersetzung hinausging. Morenos miserable Performance als Landesvater hat ihn sämtliche Sympathien im Land gekostet. Er tritt nicht mehr an. Correa selbst wird undurchsichtiger Machenschaften beschuldigt, soll verhaftet werden, wird der Korruption angeklagt, seine Anhänger werden diskriminiert, seine Errungenschaften kleingeredet oder demontiert.

Doch im ersten Wahlgang, zu dem 16 Kandidaten angetreten waren, zieht Andrès Arauz, der Kandidat der „Union Por la Esperanza“, der Partei der Correistas, 32% der Stimmen an Land. Mit gerade einmal 35 Jahren ist der Ökonom das Symbol einer Wiederbelebung von Correas Politik.  Ein klares Zeichen dafür, dass seine Ideen noch nicht vergessen sind und bei einem großen Teil der Bevölkerung nach wie vor Hoffnung auf positive Veränderungen wecken. Und die sind bitter nötig. Das Land ist einmal mehr in einer ernsthaften Krise. Nicht nur pandemiebedingt. Das Volk, welches 2008 für die neue Verfassung gestimmt hat, fühlt sich von den Machthabern verraten.

Gerangel um die Stichwahl

Nun, 32% genügen nicht, um gewählt zu werden. Es kommt am 11. April zur Stichwahl. Die Benennung des zweitplatzierten Kandidaten gerät zur Farce. Zum einen ist da Guillermo Lasso, geboren 1955, der Bankier und Wirtschaftskapitän der rechten, konservativen und neoliberalen Kreise, Direktor der mächtigen Banco de de Guayaquil, hochrangiges Mitglied des fundamentalistischen, katholischen Opus Dei und ehemaliger Vizepräsident der Coca Cola Company in Ecuador, um nur einige Stationen seiner Karriere zu benennen.

Sein Kontrahent Yaku Perez stieg, nachdem er nur wenige Monate vor dem ersten Wahlgang von der indigenen Partei Pachakutik nominiert wurde, in der Gunst der Wähler kometenhaft auf. Am 8. Februar, dem Wahlsonntag, liegen Lasso und Perez gleichauf. Beide um die 19 %. Die Stimmen werden neu gezählt. Es geht hin und her. Die Presse meldet mal Perez, mal Lasso als Kandidaten für die Stichwahl, bis dann am 21.2. Guillermo Lasso zur Stichwahl zugelassen wird. Es scheint, als ob die konservative Regierung hin und her taktierte, bis man sich entschließen konnte, Lasso zu favorisieren. Yaku Peres ist, trotz seines indigenen Namens, kein Indianer aus den Stämmen, er hat sich publikumswirksam eine indigene Identität zugeschrieben. Sein politisches Programm ist nicht sehr klar umrissen, trifft aber den Zeitgeist. Er fährt ein Bambusfahrrad, macht sich die Rettung der Umwelt und die Stärkung indigener Werte zu eigen. Perez ist kein Linker. Er ist, wie auch Arauz, ein Populist. Ein schwarz-grüner. Klar sind hingegen die Programme von Lasso, ob man nun damit einverstanden sein will oder nicht.

Am 24.2. kamen die neuesten Nachrichten. Offenbar hat Pachakutik eine erneute Überprüfung der Computerdaten eingefordert. Die ecuadorianische Generalstaatsanwaltschaft hat einen entsprechenden Antrag bei der Wahlkommission eingereicht.  Stunden später wird Lassos Kandidatur erneut bestätigt. Er habe einen Vorsprung auf Yaku von 12.600 Stimmen. Doch die Beteiligten dürfen jetzt innerhalb von zwei Tagen Einspruch gegen diesen Entscheid erheben. Yaku spricht von Wahlbetrug, die Wahlcomputer seien manipuliert. Seine Anhänger tragen die Regenbogenfahnen der Pachakutik durchs Land. Die Einmischung der staatlichen Kontrollorgane wird allenthalben heftig kritisiert. Auch internationale Wahlbeobachter sind damit nicht einverstanden. Das Geschacher geht also weiter. Der Stichwahltermin vom 11. April wankt.

Die Pandemie soll, wie es scheint, in den Städten weiter um sich greifen. Eine blutige Gefängnisrevolte fordert bald 80 Todesopfer in verschiedenen Strafanstalten. Ein Polizist, der mich angehalten hat wegen einer fehlenden Kontrollplakette auf der Windschutzscheibe und der meinen Wagen sofort beschlagnahmen wollte, wies die Zwanzigdollarnote, die ich ihm mit den Fahrzeugpapieren überreichte zurück. Das sei zu wenig. Als ich einen zweiten Zwanziger dazulegte, wünschte er mir gute Fahrt. Die Wurzel allen Übels ist die allgegenwärtige Korruption, welche dem ecuadorianischen Bürger sämtliches Vertrauen in den Staat geraubt hat.

Das schafft Freiraum für die Unredlichen.

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