Ukrainisches Verteidigungsministerium setzt umstrittene Clearview-Gesichtserkennung ein

Bild: Geralt/Pixabay.com

Die Firma will vom Krieg in der Ukraine profitieren, man könne damit russische Angreifer erkennen, die Toten identifizieren und Desinformation bekämpfen.

 

Die umstrittene amerikanische Firma Clearview AI, die Gesichtserkennungstechnik anbietet, will eine Datenbank von 10 Milliarden Fotos von Gesichtern aufgebaut haben, um Kunden – bislang vor allem Strafverfolgungsbehörden –  anzubieten, weltweit Menschen zu identifizieren. Die Fotos wurden ohne Einverständnis vor allem von Sozialen Medien wie Facebook oder Instagram abgesaugt, weswegen etwa schon Hamburg, Frankreich und Großbritannien Strafen wegen Verstößen gegen den Datenschutz verhängten. Zuletzt sprach die italienische Datenschutzbehörde eine Strafe von 20 Millionen US-Dollar wegen Verletzung des Europäischen Datenschutzgesetzes GDPR aus, die Daten der italienischen Bürger müssen gelöscht werden.

Kein Wunder, dass die Firma nun auch vom Krieg in der Ukraine profitieren will, schließlich ist da, wo es um Tod und Leben geht, der Datenschutz kein Thema. Reuters berichtete zuerst, dass das ukrainische Verteidigungsministerium am letzten Samstag mit dem Einsatz der Gesichtserkennungstechnik von Clearview AI begonnen hat. Attraktiv war offenbar, dass die Firma versprochen hat, russische Angreifer erkennen, die Toten identifizieren und Desinformation bekämpfen zu können. Man könne bei Straßensperren und anderen Kontrollen Verdächtige herausfischen.

Russland wurde kein Angebot gemacht, sagt die Firma. Aber von VKontakte, dem russischen sozialen Netzwerk, sollen 2 Milliarden der 10 Milliarden Gesichtsfotos stammen. Facebook/Meta hat Clearview aufgefordert, keine Fotos mehr abzusaugen. In einem Brief an die ukrainische Regierung versprach die amerikanische Firma, die auf der Seite der Guten steht, dass man ja auch mit der Technik Flüchtlinge wieder mit ihren Familien zusammenbringen könnte. Nach Auskunft der Firma weiß man nicht, wie das Verteidigungsministerium die Technik einsetzen will, was ihr offenbar auch weiter egal ist, zumal demnächst weitere Behörden die Gesichtserkennung verwenden wollen.

Besonders im Krieg kann Gesichtserkennung, die immer fehlerbehaftet ist, tödliche Folgen haben oder zu Gewalt oder unberechtigten Festnahmen führen. CEO Ton-That erklärt, was natürlich illusorisch ist, dass die Gesichtserkennungstechnik niemals das einige Mittel zur Identifizierung sein kann, sie soll auch die Genfer Konventionen nicht verletzten. Das wird wohl dem ukrainischen Verteidigungsministerium erst einmal wenig beeindrucken. Man kann annehmen, dass in erster Linie mit der Technik Verdächtige herausgefischt werden sollen, die aus Russland kommen und als Spione, Saboteure etc. in der Ukraine tätig oder Deserteure sind. Die Paranoia ist groß, jeder kann ein Verräter sein. Zudem wird man Soldaten identifizieren wollen, die Kriegsverbrechen begangen haben könnten. Und vielleicht auch Ukrainer, die sich dem Wehrdienst entziehen wollen. Gestern wurde ein Mann festgenommen, der drei Kriegsdienstverweigerer nach Polen schmuggeln wollte. Die wurden natürlich auch festgenommen.

Die USA haben im Irak und in Afghanistan massiv Gesichtserkennung eingesetzt. Offenbar hat es zur Bekämpfung des islamistischen Widerstands wenig beigetragen. Es könnte sein, dass die gespeicherten Bilder den Taliban helfen, ehemalige Mitarbeiter der westlich gestützten Regierung oder der Nato-Staaten zu identifizieren.

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Ein Kommentar

  1. „Es könnte sein, dass die gespeicherten Bilder den Taliban helfen, ehemalige Mitarbeiter der westlich gestützten Regierung oder der Nato-Staaten zu identifizieren.“
    Na klar, dem Algorithmus ist es egal wer ihn zu laufen bringt.
    Es ist ein bisschen frivol moralisch darauf zu reagieren, es ist doch nichts dagegen zu sagen, wenn US-Amerikaner, Deutsche oder sonst welche Okkupanten erkannt werden. Die haben es doch selbst eingeführt und benutzt. Was mit den Erkannten passiert kann auch kaum kritisiert werden, denn Todesstrafe haben die USA auch und Guantanamo.

    Allerdings wurde mir gesagt, das sind die Guten, die keine 100 Millionen für Lebensmittel haben, aber Milliarden für Waffen.
    Es ist in heutigen Kriegen so, da kannst du ohne Waffen hin, dein Gegner hat schon welche, wann werden mit den Stinker Raketen Zivilflugzeuge angeschossen?
    https://www.andreas-wehr.eu/das-vorbild-jugoslawien.html

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