Ukrainische Führung tritt selbstbewusst auf: „Der Feind ist demoralisiert“

Präsident Selenskij wirft in einer Videoansprache Russland Genozid vor.
Es wird weiter über russisch-ukrainische Gespräche verhandelt, Selenskij verlangt Entzug des Stimmrechts im Sicherheitsrat und ruft Freiwillige aus der ganzen Welt auf, in einer Fremdenlegion gegen Russland zu kämpfen.

Der ukrainische Präsident Selenskij hat in einer Videoansprache erklärt, doch mit Russland verhandeln zu wollen, allerdings nicht in Minsk, wohin angeblich bereits eine russische Delegation gereist ist. Gestern hieß es noch, man werde nicht unter den von Moskau gesetzten Bedingungen verhandeln. Gefordert worden war eine Kapitulation. Selenskij schlug heute vor: „Warschau, Istanbul, Baku – wir haben diese Städte Russland für Verhandlungen angeboten, und jede andere Stadt, von der aus keine Raketen in die Ukraine fliegen.“

Michail Podoliak, ein Berater des Leiters des Präsidialamts, sagte, Russland würde die Verhandlungen manipulieren und ein „inakzeptables Ultimatum“ durchzusetzen, das die Ukraine abgelehnt habe: „Gleichzeitig versuchen sie der Welt zu sagen, dass sie zu Verhandlungen bereit sind, sie inszenieren eine offensichtliche Show mit dem Titel ‚Wir gehen nach Gomel‘ und beginnen, unsere Infrastruktur mit schweren Bombenangriffen und unsere Wohngebiete mit groß angelegtem Beschuss zu zerstören.“ Gespräche seien möglich, wenn Russland das manipulative Verhalten einstelle.

Auch Sergej Nikiforow, Sprecher des ukrainischen Präsidenten, erklärte, es werde keine ukrainische Delegation nach Belarus kommen. Man habe das zwar einmal vereinbart, aber Russland  habe zuerst gefordert, dass die ukrainischen Streitkräfte die Waffen niederlegen. In Belarus sei die ukrainische Delegation nicht sicher, Garantien vertraue man nicht: „Wir sind bereit, uns an jedem neutralen Ort zu treffen: Baku, Istanbul, Warschau, Wien … Fahren Sie selbst fort. Wir laden Russland weiterhin ein, sich so schnell wie möglich an den Verhandlungstisch zu setzen und das Leben seiner Soldaten zu retten. Jeder weitere Tag wird Russland irreparable menschlicher und wirtschaftlich Verluste zufügen.“

Staatsduma-Sprecher Wjatscheslaw Wolodin geht davon aus, dass es zu keinen Verhandlungen kommen wird: „In der gegenwärtigen Situation sollte Selenskyj im Interesse der Bürger der Ukraine nach jeder Gelegenheit für Verhandlungen suchen. Doch statt an ihnen teilzunehmen, sucht er nach Ausreden. Dies ist seinerseits ein Verbrechen gegen das Volk der Ukraine, vor der Weltgemeinschaft. Selenskyj braucht keinen Frieden“, schrieb er.

Tatsächlich tritt nun die ukrainische Führung zunehmend selbstbewusster auf, nachdem der Westen das Land weiter unterstützt, selbst Deutschland mittlerweile Waffen liefert und der Ausschluss Russlands von Swift beschlossen wurde. Mehr und mehr Staaten schließen auch ihren Luftraum gegenüber Russland. Ob die Zahlen stimmen, lässt sich nicht nachprüfen, mittlerweile seien nach der ukrainischen Vizeverteidigungsministerin über 4300 russische Soldaten getötet worden. Es seien Kampfflugzeuge, 26 Hubschrauber, 146 Panzere, 706 gepanzerte Fahrzeuge etc. zerstört worden sein. Über die eigenen Verluste berichtet das ukrainische Militär ebenso nicht wie das russische.

Dass Russland größere Verluste erleidet und die ukrainischen Streitkräfte mehr als von Russland wahrscheinlich erwartet Widerstand leisten, wird durch zahlreiche Berichte und Videos bestätigt. Eine jetzt eingerichtete Website veröffentlicht Ausweise und Bilder von gefangenen und getöteten russischen Soldaten. Die Kampfmoral der russischen Soldaten scheint mitunter auch nicht sonderlich hoch zu sein. In Charkiw ließen die Soldaten ihre Fahrzeuge und Waffen zurück, als sie auf Bewaffnete und Bürger stießen, und flüchteten in eine Schule, wo sie dann festgenommen wurden.

Verlassene russische Militärfahrzeuge in Charkiw

Aleksey Arestovich, Berater des Leiters des Büros des Präsidenten, sagte heute, Angriffe auf Kiew seien abgewehrt worden, der Vormarsch scheine auch in anderen Gebieten nicht mehr voranzukommen: „Im Laufe des Tages hat sich die militärische Situation im Land nicht wesentlich geändert. Der Feind ist demoralisiert. Sie unternehmen keine aktiven Offensivschritte. Am Morgen gab es zwei kleine Versuche. Die Konzentration des Feindes ist gering – etwa 8-12 Autos versuchten tief in Charkow einzudringen. Sie wurden umzingelt und jetzt halb zerstört. Glauben Sie nicht, dass Charkiw angegriffen wird, Charkiw gefallen ist usw. Die Bewohner von Charkiw halten geschickt die Verteidigung und zerstören den Feind.“

Selenskij forderte in seiner Videoansprache die Weißrussen dazu auf, in dem heutestattfindenden Referendum gegen die Verfassungsänderungen abzustimmen. Sie sollen für Belarus, nicht für Russland abstimmen. Und er warf den Weißrussen vor, mit den Russen in den Krieg gezogen zu sein: „Im gegenwärtigen Krieg stehen Sie nicht auf unserer Seite. Leider. Russische Truppen feuern von Ihrem Territorium aus Raketen auf die Ukraine ab. Von Ihrem Territorium aus werden unsere Kinder getötet, unsere Häuser werden zerstört, alles, was in den letzten Jahrzehnten gebaut wurde, wird in die Luft gesprengt.“

In Russland trauen sich weiter Menschen wie hier in Irkutsk gegen den Krieg zu demonstrieren.

Aus Belarus sagte Lukaschenko heute, man warte auf die ukrainische Delegation in Gomel, der zweitgrößten Stadt in Belarus nahe der ukrainischen Grenze. Wenn sie komme, könnten die Verhandlungen beginnen. Lukaschenko erklärte, es sei kein einziger weißrussischer Soldat in der Ukraine, kein Militärfahrzeug und keine einzige Patrone. Er warf der Ukraine vor, dass Russen und Weißrussen „gejagt, geschlagen und ausgeraubt“ würden. Weißrussen seien wahrscheinlich dort zu Besuch, sie hätten viele Verwandte. Lukaschenko nahm darauf Bezug, dass in der Ukraine derzeit schnell jemand in Verdacht gerät, als Saboteur oder Agent unterwegs zu sein. Es gibt Videos, auf denen zu sehen ist, wie Menschen, die verdächtigt werden, misshandelt werden.

Selenskij kehrte in seiner Videoansprache die russische Behauptung, die „Spezialoperation“ diene dazu, einen Genozid z u verhindern, gegen Russland, das einen Völkermord in der Ukraine mit den Angriffen auf die zivile Bevölkerung und Infrastruktur begehe: „Sie haben gelogen, dass sie die Zivilbevölkerung nicht angreifen würden. Aber von der ersten Stunde der Invasion an griffen russische Truppen die zivile Infrastruktur an.“ Er forderte, Russland das Stimmrecht, also das den Atommächten zugesprochene Vetorecht, im Sicherheitsrat zu entziehen: „Ich habe mit dem UN-Generalsekretär gesprochen. Russland ist auf dem Weg zum Bösen. Die Welt muss entscheiden, Russland das Stimmrecht im UN-Sicherheitsrat zu entziehen.“ Er forderte auch ein internationales Tribunal, man sammle Beweise für die begangenen Verbrechen.

Selenskij forderte Ausländer auf, in die Ukraine zu kommen und in einer Fremdenlegion gegen die Russen zu kämpfen: „Allen Ausländern, die sich dem Widerstand gegen die russischen Invasoren und dem Schutz der Weltsicherheit anschließen wollen, bietet die Führung der Ukraine an, in unseren Staat zu kommen und sich den Reihen der Territorialen Verteidigungskräfte anzuschließen. Aus den Ausländern wird eine separate Einheit gebildet – die Internationale Legion der Territorialverteidigung der Ukraine.“

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2 Kommentare

  1. Darf auch nur Selenskij gesagt werden oder muss Präsident Selenskij gesagt werden? Kann sein das alles stimmt war er sagt, allerdings warum soll es stimmen? Ist nicht jahrelang herumgeeiert worden, mit dem Minsker Abkommen? Ist die Ukraine nicht der korrupteste Staat in Europa? Ist nur ein Jota von den Versprechen Selenskij zu seiner Wahl umgesetzt?
    Ich denke ja das der Angegriffene jedes recht hat sich zu verteidigen, wenn allerdings nicht Uniformierte mit Gewehre herumlaufen muss sich kein Wundern das zurückgeschossen wird.
    Wie üblich wird ihm Platz gegeben seine Propaganda zu verbreiten, es erinnert sehr an Syrien. Ich sehe schon, dass Zivilisten gezeigt werden, die von Russen umgebracht wurden, denen wurde zuvor die Gewehre weggenommen.
    Wie schon mal erlebt, bekommen die ihre Informationen über Handys?

  2. Uuuuuuund – schon wieder überholt. Jetzt ist angeblich doch eine Delegation unterwegs – nach Belarus……. Ist wohl auch das Vernünftigste.

    Seltsam mutet es schon an, wenn er jetzt ausländische Kämpfer anfordern. Können es denn die ‚tapferen Helden der Ukraine‘ nicht mit den ‚demoralisierten Russen‘ aufnehmen?

    The fog of war……..

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