Die Ukraine legte eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein, der aber nicht bekannt gab, um welche Anschläge es sich handelt.
Die Ukraine nutzt die nach dem mutmaßlichen Giftanschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexei Nawalny herrschende und eskalierte Haltung des Westens gegen Russland, um ihrerseits weiter gegen Moskau vorzugehen. Zu den vier offenen Beschwerden, die die Ukraine bereits beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR/EHCR) eingereicht hat, kommt nun der Vorwurf, dass Russland “gezielte Anschläge” auf Gegner im Land und im Ausland ausführt. Zusammen mit Polen übt die Ukraine Druck auf die US-Regierung aus, Nord Stream 2 mit allen Mitteln zu stoppen. Und der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenski hat gerade auch Sanktionen gegen den Oligarchen und Duma-Abgeordneten Viktor Medvedchuk, der mit Russland verbunden ist, anderen Personen und Unternehmen verhängt.
Noch offen sind die Beschwerden zum Abschuss von MH17, denen sich die niederländische Regierung angeschlossen hat, zur vorübergehenden Beschlagnahmung von drei ukrainischen Kriegsschiffen in der Straße von Kertsch und von Menschenrechtsverletzungen als “Verwaltungspraxis” im Zuge der Annexion der Krim. Das Gericht hat die letzte Beschwerde im Januar 2021 teilweise zugelassen, prüft aber nicht, ob die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation nach dem Völkerrecht legal war. Vorläufige Maßnahmen gegen Russland, wie von der Ukraine gefordert, waren nicht verhängt worden. Das geschah erst nach dem Urteil, dass Nawalny wegen Verletzung der Bewährungsauflagen, eine Gefängnisstrafe abbüßen muss. Der EHCR forderte hier wegen angeblicher Gefahr für das Leben die sofortige Freilassung, was Russland als Eingriff in die Souveränität ablehnt.
In der neuen Beschwerde, deren Eingang der ECHR bestätigt, geht es um die Beschuldigung der ukrainischen Regierung, dass Russland eine andauernde Verwaltungspraxis von “staatlich autorisierten Anschlagsoperationen gegen vermutete Gegner der Russischen Föderation in Russland und auf dem Gebiet anderer Staaten, einschließlich anderer Mitgliedsstaaten des Europarats, außerhalb einer Situation des bewaffneten Konflikts” betreibt. Überdies beschuldigt die Ukraine Russland, diese Anschlagsoperationen nicht zu untersuchen und “absichtlich Verdeckungsoperationen mit dem Ziel auszuführen, Bemühungen, die verantwortlichen Personen zu finden, zu frustrieren”.
Man kann ahnen, dass es vermutlich um Skripal, Nawalny, vielleicht den Mordanschlag im Tiergarten in Berlin und den Giftanschlag gegen den bulgarischen Waffenhändler Gebrev 2015 gehen könnte. In allen Fällen hat Bellingcat übrigens viel zur nichtoffiziellen “Aufklärung” beigetragen. Die eng mit transatlantischen Gruppen und Regierungen verbundene Organisation will zuletzt nicht nur die für den Anschlag auf Nawalny verantwortliche FSB-Einheit identifiziert haben, sondern macht einige Mitglieder auch für die Vergiftung von Vladimir Kara-Murza, der mit Nemtsow und Chodorowski verbunden ist und das Magnitski-Gesetz gefördert hat, verantwortlich. Forensische Beweise liefert die angeblich unabhängige “investigative” Organisation, mit der der Spiegel gerne zusammenarbeitet, nicht, sondern nur Korrelationen und Verdachtsmomente. Das Prinzip besteht darin, alle möglichen Verdachtsmomente zusammenzutragen, aber keinen alternativen Möglichkeiten nachzugehen und belastbare Beweise zu bieten. Das ist so investigativ wie die meisten Verschwörungstheorien es sind.
In seiner Pressemitteilung gibt der Gerichtshof keine Einzelheiten zu den Anschlägen gegen Gegner der Russischen Förderation bekannt, die eine Verletzung des Rechts auf Leben bedeuten würden. Die Ukraine soll auch auf eine Reihe von Anschlägen und Anschlagsversuchen in der Ukraine durch Mitglieder der russischen Spezialeinheiten, angeheuerte Personen und Mitglieder der “Volksrepubliken” verweisen. Der ukrainische Justizminister sagte, man habe versucht, “alle Fälle abzudecken, in denen es solide Beweise für die Beteiligung Russlands gibt”.
Die Kämpfe zwischen der ukrainischen Armee und der bewaffneten Einheiten der “Volkrespubliken” gehen weiter. Immer wieder sterben durch Beschuss Soldaten auf beiden Seiten. Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht, weder die russische noch die ukrainische Führung ist bereit, die entsprechenden Bedingungen einzuräumen.