Der Lockdown wurde verlängert, aber manche Zahlen scheinen die Angst vor der dritten Welle (noch) nicht wirklich zu bestätigen.
Der Lockdown in Deutchland wird angesichts steigender Inzidenzzahlen verlängert. Die Bundesregierung und die Landesregierungen fürchten, fixiert vor allem auf die Kennzahl der Inzidenz, einen weiteren Anstieg und damit auch einen Anstieg der schweren Fälle und der Todesfälle. Die Zahl der Neuaufnahmen in die Intensivstationen, der künstlich Beatmeten und der Todesfälle steigt seit kurzem an, so das DIVI-Intensivregister.
Eine Meldung des Statistischen Bundesamts vom 16. März trägt zur Unsicherheit bei der Einschätzung der Gefährdungslage bei. In der ersten Märzwoche vom 1. bis 7. März 2021 sind in Deutschland 18.557 Menschen gestorben: “Diese Zahl liegt 14 % oder 3133 Fälle unter dem Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2020 für diese Kalenderwoche.” Das würde wieder einmal bedeuten, dass zwar Covid-19 zeitweise wie in der KW 33 und gegen Ende 2020 die Übersterblichkeit erhöht hat, aber seit KW im Februar zu einer Untersterblichkeit führte. Das wird erklärt durch die “außergewöhnliche milde Grippewelle”, die ebenso wie die Sterblichkeit an Covid-19 auch mit den angeordneten und eingehaltenen Präventivmaßnahmen zu tun haben dürfte. Euromomo meldet für KW 9, also für die erste Märzwoche: “The pooled European mortality seems to approach normal levels.” Das gilt auch für Deutschland.
“Im Moment sterben weniger Menschen in den einzelnen Altersgruppen als zu erwarten sind”
Das Institut für Statistik der LMU München hat in seinem letzten Bericht vom 19. März zwar darauf hingewiesen, dass ab Anfang Februar eine Zunahme der Inzidenzzahlen zu beobachten ist. Das sei aber deutlich niedriger wie bei der zweiten Welle: “Die Zahl der Neuaufnahmen auf Intensivstationen stagniert oder steigt nur leicht. Auch die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen in den kritischen Altersgruppen steigt aktuell nur geringfügig. Diese Dynamik könnte sich allerdings ändern, wenn die Modellrechnungen des RKI insbesondere zur Verbreitung der Virusvariante B1.1.7 zutreffen sollten.”
Es wird auch ein Blick auf die altersadjustierte Übersterblichkeit geworfen. Resümee: Die Übersterblichkeiten sind “im Dezember und Januar abgeklungen” und aktuell seien “eher Untersterblichkeiten zu beobachten”: “Im Moment sterben weniger Menschen in den einzelnen Altersgruppen als zu erwarten sind.” So sei für die Altersgruppe der 60-79-Jährigen im Moment im Vergleich zu den Jahren 2016 bis 2019 eine “Untersterblichkeit von mehr als 10% zu beobachten, gleiches gilt für die in der zweiten Welle stark betroffene Gruppe der über 80-Jährigen”. Das lässt sich nicht allein auf die Impfkampagne zurückführen, da noch nicht alle 80-Jährige geimpft sind und die 60-79-Jährigen meist ungeimpft sind.
Weiter schreiben die Statistiker: Es sei ein “Rückgang der tödlichen COVID-19 Fälle bis einschließlich Kalenderwoche 9 zu erkennen. Für ganz Deutschland sind nach unseren Berechnungen weniger als 200 tödliche Todesfälle im Tagesschnitt zu erwarten. Dies ist ca. 75% weniger als noch um den Jahreswechsel. Für Kalenderwoche 10 setzt sich der abfallende Trend der tödlichen COVID-19 Fälle sowohl bei den unter 80-Jährigen als auch bei den über 80-Jährigen nicht fort.” Es gab also eine Untersterblichkeit, was sich aber nun in der dritten Welle verändern könnte.
“Historisch niedrige Bettenauslastung”in 2020
Seltsam ist auch die Auswertung der Krankenhausdaten im Jahr 2020, die im Deutschen Ärzteblatt erschienen ist. Während der letztjährigen Pandemie habe es eine “historisch niedrige Bettenauslastung” gegeben. Dass insgesamt die Belegung zurückgegangen ist, nämlich um 13 Prozent, dürfte auch eine Folge davon sein, dass es die Menschen vermieden haben, in Krankenhäuser zur Behandlung zu gehen. Besonders stark war der Rückgang vom März bis Mai 2020 mit 30 Prozent. Ebenso wie die Fallzahlen gingen auch die Verweildauertage stark zurück. Dadurch sank die Bettenauslastung von 75,1 Prozent im Jahr 2019 auf ein “historisches Allzeittief” von 67,3 Prozent.
Interessant ist, dass sich die Zahl der dem Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) gemeldeten Intensivbetten nur von von 26.581 im Jahr 2019 auf 26.787 erhöht hat. In großen Krankenhäusern, die mehr neue Intensivbetten eingerichtet hatten, sank die Belegung auf 71 Prozent, während in kleinen Krankenhäusern Intensivbetten abgebaut wurden, wodurch die Belegung auf 63,6 Prozent stieg. Von 172.248 Fällen (nicht Patienten), bei denen Covid-19 nachgewiesen wurde, wurden 26.268 intensivmedizinisch behandelt, fast die Hälfte wurde zumindest für ein Stunden beatmet. Die Verweildauer für alle Fälle betrug 11,2 Tage. Bezogen auf die Gesamtauslastung hatte Covid-19 eigentlich nur einen relativ kleinen Anteil:
“Die Gesamtzahl der Verweildauertage dürfte daher bei knapp über zwei Millionen und damit bei zwei Prozent aller Verweildauertage gelegen haben. Gemessen an der vorhandenen Bettenkapazität ergibt sich daraus eine durchschnittliche Belegungsquote von 1,3 Prozent durch COVID-19-Patienten. Die höchsten tagesbezogenen Belegungsquoten gab es in der zweiten Dezemberhälfte mit knapp fünf Prozent aller Betten.”
Intensivbetten waren auch nur zu 3,6 Prozent durch Covid-19-Patienten belegt. Die Übersterblichkeit für 2020 in Relation zu den vier vorhergehenden Jahren gibt der Bericht mit 50.000 Menschen an, 40.000 davon starben an oder mit Covid-19. Unklar bleibt, wie viele tatsächlich an Covid-19 starben und welchen Anteil Covid-19 oder andere Todesursachen an den restlichen 10.000 Todesfälle hatten.