
Die „Märkte“ sind zufrieden, noch in der Nacht stiegen die Kurse der argentinischen Aktien in Wall Street: Javier Milei und seine LLA (die Freiheit schreitet voran) fuhren am Sonntag einen überwältigenden Wahlsieg ein – überwältigend, weil sie erst vor sechs Wochen bei den Provinzwahlen in Buenos Aires kräftig abgewatscht worden waren und sämtliche Meinungsumfragen erneute Verluste prophezeiten. Sie waren in den letzten Wochen nicht aus den Schlagzeilen gekommen, wegen zahlreicher Korruptionsfälle, wegen Finanzierung ihrer Spitzenpolitiker durch die Rauschgiftmafia, wegen der am Boden liegenden Industrie und einer drohenden Zahlungsunfähigkeit. Doch es kam anders, das Wahlbündnis aus LLA und der rechten PRO sackte landesweit über 40 Prozent der Stimmen ein, die Peronisten kamen auf knapp 35%, die Linke auf 3,9 % und die konservative Provincias Unidas, die die Brandmauer gegen die Ultrarechten aufrechterhält, nur auf 7,4%.
Was war in den letzten sechs Wochen passiert, das diesen massiven Stimmungsumschwung erklärt? Oder waren die Ergebnisse gar getürkt? Auszuschließen ist das grundsätzlich nicht – hatte sich doch die geballte Macht der US-Administration und des US-Finanzkapitals für Milei eingesetzt. Doch konkrete Hinweise gab es nicht, in den Wahllokalen blieb es ruhig, es schwirren derzeit auch keine Gerüchte durch die sozialen Medien.
Die Gründe für den rechten Stimmungsumschwung sind vielfältig. Zum einen hatte sich wohl die Trennung von den vorgezogenen Provinzwahlen im September als ungünstig für die Opposition herausgestellt. Die aufgestaute Wut der enttäuschten Milei-Anhänger wurde vor sieben Wochen an den Urnen herausgelassen und hielt nicht an, sondern weckte den tief in der Gesellschaft verankerten Anti-Peronismus wieder auf. Mileis Wahl vor zwei Jahren war ja ein Protest gegen die jahrelang regierenden korrupten Peronisten, die das Land in einem schlimmen Zustand mit galoppierender Inflation hinterlassen hatten. Dahin wollte man nicht zurück. Und die Peronisten hatten einen Wahlkampf ohne Inhalte geführt: kein Wort der Selbstkritik, keine neuen Vorschläge, keine neuen Gesichter – die einzige Parole hieß: Stoppt Milei!
Und auch den anderen oppositionellen Parteien – Mitte-Rechts und Mitte-Links – gelang es nicht, inhaltliche oder personelle Alternativen zu präsentieren. Außerdem polarisierte nach wie vor die ehemalige Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, die rechtskräftig wegen Korruption verurteilt ist und mit Fußfessel im Hausarrest sitzt, aber weiter die Partei führt und von ihrem Balkon aus zu ihren Fans spricht. Auch wenn es unterschiedliche Strömungen unter den Peronisten gibt, die Partei wird nicht müde, ihre Freilassung zu fordern, und auch die Linke kritisiert ihre Verurteilung – nicht, weil sie unschuldig sei, sondern weil die Richter voreingenommen gewesen seien und weil die Korruption nicht auf Cristina beschränkt sei.
Die Ex-Präsidentin hatte gegen den parteiinternen Widerstand ihre eigenen Kandidaten durchgeboxt, und diese verloren vor allem in den Provinzen: In Jujuy wurde die lokale Partido Justicialista von der nationalen Parteiführung übernommen, und Cristinas Kandidatin landete nur noch auf Platz 3. Auch in Salta fiel ihr Kandidat durch, das gleiche passierte in der Stadt Buenos Aires, im Chaco, in Chubut, in Corrientes – Provinzen mit guten Chancen für die Opposition. In Córdoba landete ihr Kandidat auf Platz 4 mit 5 % der Stimmen.
Trump gratuliert
Ausschlaggebend war aber wohl der Druck aus den USA. Die Jahresversammlung von JP Morgan fand kurz vor dem Urnengang in Buenos Aires statt, und Milei sonnte sich in der Gesellschaft der Mächtigsten, die ihm auf die Schulter klopften und ihn lobten. Donald Trump gratulierte noch in derselben Nacht: „Er hat einen wunderbaren Job gemacht. Unser Vertrauen in ihn wurde vom argentinischen Volk bestätigt“.
Zwei Milliarden Dollar hatte das US-Schatzamt vor den Wahlen zur Stabilisierung des Peso ausgegeben, und Trump hatte mehrfach öffentlich erklärt, dass er seine Unterstützung abbrechen würde, wenn die argentinischen Wähler nicht für Milei stimmen würden. Für den normalen Bürger bedeutet das: Wenn es keine frischen Dollars mehr aus Washington gibt, fällt die Währung, steigen die Preise, sinkt die Kaufkraft. Das war zwar eine schiere Erpressung, funktionierte aber am Sonntag.
Angesichts eines drohenden und unberechenbaren Chaos´ zogen es die Wähler vor, daran zu glauben, dass sie ausgerechnet der US-Präsident „retten“ würde. Jeder glaubt eben, was er glauben will. Und das ist in Argentinien nicht das erste Mal passiert, wie ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt. Als in den neunziger Jahren der neoliberale Peronist Carlos Menem regierte und den Peso an den US-Dollar kettete, gingen tausende Arbeitsplätze verloren. Trotzdem wurde der unbeliebte Menem nach vier Jahren wiedergewählt, denn die Leute waren hochverschuldet und hätten, bei einer Abwertung, ihre Raten nicht mehr zahlen können. Das damalige neoliberale Modell samt seiner Dollarisierung endete 2001 mit dem Staatsbankrott und der tiefsten Wirtschaftskrise, die das Land je erlebt hatte.
Aber warum sollten, jetzt wo Milei an den Urnen einen Sieg errungen und Handlungsspielraum für die nächsten zwei Jahre hat, Trump & JP Morgan weiterhin ihre Greenbacks in den Finanzmarkt am Rio de la Plata werfen, um den Peso zu stützen? Vermutlich wird der ohnehin abgewertet werden, schätzt das Wall Street Journal realistisch ein: „(Milei) wird den überbewerteten Peso einer harten Korrektur unterziehen müssen, die er auch nicht mit den vielen Milliarden von Onkel Sam vermeiden kann.“ Argentinien habe keine Reserven mehr und komme an einer Abwertung nicht vorbei. Daher brauche das Land „ein neues Geldsystem wie den Dollar“.
Milei hatte von Anfang an die Dollarisierung propagiert. Aber auch dafür braucht er frisches Geld, und außerdem steht in der Verfassung, dass die nationale Währung der Peso ist. Und für eine Verfassungsänderung fehlen ihm die Stimmen; trotz der letzten Abstimmung besitzt er in beiden Kammern des Kongresses nach wie vor keine eigene Mehrheit, um seine Gesetze durchzubringen und schon gar nicht eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Er wird also weiterhin Deals mit anderen Parteien aushandeln müssen.
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Es tut mir leid, aber mein Mitleid mit den Argentiniern ist mittlerweile aufgebraucht, und reicht auch nicht mehr für die kleine Minderheit, die weder die Kettensäge noch die Peronisten wählten.
Repräsentative Demokratie ist die Herrschaft der Rattenfänger: Sie sagt mehr über eine Gesellschaft aus als es dieser lieb sein kann.
Natürlich stecken finstere Mächte dahinter. Dass die Leute einfach genug haben von den Sozialisten, die das Land vor die Wand gefahren haben, kommt wohl nicht in Betracht.
Ahem: welche Sozialisten in Argentinien, bitt‘ schön?
Wannsieder, bitte noch mal durchlesen bis zur nächsten Stunde!
Wenn eine solche Witzfigur gewinnt und das deutlich, muss die Konkurrenz unterirdisch sein.
Damit sollte man sich mal beschäftigen und nicht rumjammern.
Und zuguterletzt hat der nun Erfolge vorzuweisen oder nicht?
Mir ist das, aufgrund der je nach Interessenlage jeweils sehr einseitig geschrieben Berichte, nicht klar.
Witzfigur hin oder her, der Milei hat 2 Milliarden Dollar vom angeblich unter Shutdown stehenden „Gott“ aus Washington mitgebracht. Außerdem hat „Gott/König/Präsident“ (Titelwahl nach Tagesform) Trump es verlangt „das Milei an der Macht bleibt“. Die Argentinier haben verstanden denn sie wissen das Washington auch ganz anders kann. Siehe den Sturz von Allende im benachbarten Chile 1973, der Teil einer ganzen Kette von US-unterstützten Militärputschen in Süd- und Mittelamerika im 20. und 21. Jahrhundert war zu dem auch eine Militärdiktatur in Argentinien zählte. Milei steht nicht zuletzt auch dafür das Argentinien dauerhaft im US-Herrschaftsbereich verbleibt und sich nicht nach Alternativen wie BRICS umsieht.
Kauft rechtzeitig Sachwerte.Gold hat grad seine erste größere Korrektur, vielleicht 3800,- oder 3700,- Dollar bevor die eigentliche Rallye startet. Greift zu.
Dazu müsste man erst mal Geldwerte haben, die man in Sachwerte umtauschen kann. Die Meisten leben doch von der Hand in den Mund.
Vielleicht versucht er ja auch seinen eigenen Verlust wieder rein zu bekommen weil er vor 1-2 Jahren jemandem auf den Leim gegangen ist der behauptet hat Gold wäre eine super Geldanlage.. (To the Moooon..)
So ein Pyramidenspiel funktioniert halt nur solange man genug neue Deppen findet..
Mfg Makrovir
Naja man kann auch auf Inflation spekulieren, das funktioniert immer. So seltsam das klingen mag aber außer die Gelddruckmaschinen weiter heiß laufen zu lassen, was wird sich in nächster Zeit ändern außer der weiteren Geld Verdünnung? Es gibt genau zwei Möglichkeiten die nächsten Jahre gut zu überstehen, …. Sein Geld möglichst los zu werden und in Sachwerten zu parken. Kauft einen Sack Zucker wenn es sein muss, aber kauft.
Der Verlust von 40-80% im genannten Zeitraum war übrigens negativ. Haben die Deppen wohl noch mal Glück gehabt.
Die werden auch zum Glück, die vielen sein, die nicht von Inflation betroffen sein werden, sondern proportional am schlimmsten die Allerreichsten (vielleicht gibt es ja doch so was wie Gerechtigkeit😁) . Deswegen drehen ja alle Grad am Rad.
In Abwandlung eines bekannten Sprichwortes:
Der Glaube der argentinischen Wähler ist ihr Himmelreich.
Aber sicher doch. Messi(as) Milei.
Klingt für mich zunächst mal alles sehr schlüssig, was die Autorin da schreibt.
Allerdings habe ich keine Ahnung von den argentinischen Verhältnissen.
Das übliche Spiel in einer repräsentativen Demokratie allerdings und den alles regelnden Märkten, kennt man aus der eigenen Bananenrepublik.
Argentinien an sich ist mir schnurz, war nie da, werde auch nie da hin fahren und habe dort auch keine Familie und Bezug,
wie bspw. zu Mexiko.
Das Land interessiert mich eigentlich nur beim Fußball.
Dass es keine wahre Opposition im Land gibt, zeigt, dass in dieser Welt in vielen Ländern durch die Macht des Kapitals, und besonders des großen Finanzkapitals die Politik verkommt. Ich sehe wenig Hoffnung, dass sich irgendwas ändert. Aber Wahlen haben eh wenig bis nichts geändert.
Das weit weg zu liegen scheinende, argentinische Szenario ist prinzipiell auch für das sich im Absturz befindliche Deutschland vorstellbar. Dass das US-Imperium Wahlen kauft (wie das alle Imperien machen, die es sich leisten können), ist ein Verweis darauf, auf welchen Preis die bürgerliche Demokratie sich konkret beziffert (im Falle Argentiniens gerade: 2 Mrd. US-$ lt. G.W.’s Beitrag). Darüber sollten die wehrhaften Demokraten in diesem Land hier mal nachdenken, vor allem, was sie da glauben zu verteidigen.
Herzliches Beileid für die Argentinier..
Die werden jetzt noch mehr verarmen und verelenden dafür das sich Leute wir Trump weiterhin eine goldene Nase verdienen können..
Naja unsere Politik ist allerdings auch nicht viel besser insofern kann man das Leid der Argentinier wenigstens teilen..
Mfg Makrovir
Papierwahlen sind leicht manipulierbar. Deshalb gibt man ihnen den Vorzug.
Warum wohl sperren sich praktisch alle dagegen sich mal die elektronischen Urnen Brasiliens anzuschauen?
Zigfach analysiert, nicht manipulierbar, simpel und mit software OS. Und nein, das Abstimmverhalten ist nicht analysierbar.
Von einer Unterdrückung der Oppositionskandidaten und von Wahlbetrug bei der Wahl berichtet die Autorin nicht. Es ist sehr gut, dass Argentinien ein funktionsfähiges demokratisches System hat.
…sehr gut in der Tat, wie in einer polit-ökonomischen Versuchsanordnung werden wir in den kommenden Jahren verfolgen können, wie die mustergültige demokratische Ermächtigung der Regierung Milei dann sukzessive eine Besserung der ökonomischen Lage breiter Bevölkerungsschichten, kontinuierliches Wirschaftswachstum und eine Konsolidierung der nationalen Währung bis hin zu einer massiven Reduzierung der Staatsschulden nach sich ziehen wird. Man darf gespannt sein!