Todesurteile für gefangene ausländische Soldaten der ukrainischen Streitkräfte

Die drei zum Tod verurteilten angeblichen „Söldner“ wissen wahrscheinlich, dass sie Teil eines Pokerspiels sind. Bild: Ria Novosti

Nicht Russland, sondern das Oberste Gericht der „Volksrepublik Donezk“ sprach die Urteile aus. Russland ermittelt gegen weitere ukrainische Kriegsgefangene, was auch die Ukraine macht. Ziel des juristischen Spiels dürfte sein, möglichst viel für einen Gefangenenaustausch herauszuholen.

 

Das Oberste Gericht der „Volksrepublik Donezk“ (DNR) hat die Briten Aiden Aislin und Sean Pinner sowie den Marokkaner Saadoun Brahim zum Tode verurteilt. Sie waren ausländische Soldaten in regulären Truppeneinheiten, gelten in der Ukraine als Kombattanten, aber werden als Söldner von der DNR und von Russland, wo es keine Todesstrafe gibt, nicht als Kriegsgefangene anerkannt. Die Briten waren bei der 36. Marinebrigade und hatten sich im April in Mariupol ergeben, auch Brahim kämpfte in einer Marinebrigade.

Die Briten waren seit 2018 in der Armee, der Marokkaner seit 2021. Alle lebten bereits vor dem Kriegsbeginn in der Ukraine. Obgleich sie also von der Ukraine als Soldaten betrachtet werden, wurden sie vom DNR-Gericht als Söldner verurteilt, die „Macht ergreifen und die verfassungsmäßige Ordnung der DNR stürzen“ wollten. Ihre Handlungen hätten zum Tod und zur Verletzung von Zivilisten geführt und der zivilen Infrastruktur Schaden zugefügt. Sie hätten sich für terroristische Aktivitäten ausbilden lassen und für einen „Lohn“ gearbeitet, was ja eigentlich alle normalen Soldaten auch machen. Gegen das Urteil kann Widerspruch eingelegt werden, was die Verurteilten auch nach einem ihrer Verteidiger machen werden.

Die Gefangenen haben ein Geständnis abgelegt. Inwieweit sie unter Druck gesetzt wurden oder Versprechungen erhalten haben, ist nicht klar. Russland wäscht sich die Finger in Unschuld, schließlich hat sie die beiden „Volksrepubliken“ kurz vor dem Krieg als unabhängige Staaten anerkannt.

Ähnlich wie die ersten Prozesse in der Ukraine gegen Kriegsgefangene war dies auch ein Schauprozess, es stand von vorneherein fest, dass die Männer zum Tode verurteilt werden. Das soll Ausländer abschrecken, sich am Krieg gegen die russischen Truppen bzw. an der Verteidigung der Ukraine zu beteiligen, dürfte aber auch ein Pokerspiel sein, um den Preis für eine Auslieferung an Großbritannien hochzusetzen. Wie viele Ausländer in den Reihen der ukrainischen Truppen kämpfen, ist unbekannt. Selenskij hatte zu Beginn des Kriegs einmal von 16.000 gesprochen, das russische Verteidigungsministerium sprach im April von 7000 „Söldnern“. Viele sind wieder aus der Ukraine ausgereist, mitunter auch mit der Kritik, dort verheizt zu werden, viele werden auch gestorben sein. Für die Situation der russischen Kriegsgefangenen in der Ukraine wird das Urteil bedeuten, dass sie auch verstärkt mit harten Strafen rechnen müssen. Allerdings kann in der Ukraine die Todesstrafe (noch) nicht verhängt werden.

Der russische Untersuchungsausschuss hat hingegen Verfahren gegen viele der gefangenen ukrainischen Soldaten angekündigt, auch gegen diejenigen, die in Asovstal waren und sich ergeben hatten. In mehr als 1100 Fällen werde wegen „Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit“ ermittelt. 75.000 Opfer, darunter zahlreiche Kinder, seien identifiziert und befragt worden. So seien Personen identgifiziert worden, die angeblich an „brutalen Hinrichtungen von Zivilisten in Mariupol beteiligt waren, darunter Frauen und Kinder“. Vier Soldaten der Marinebrigaden werden namentlich genannt. Einige Ermittlungen seien bereits abgeschlossen. Russland zieht das groß auf und will damit auch den Krieg rechtfertigen sowie dem Bild entgegentreten, dass nur russische Soldaten Verbrechen begangen haben.

In ukrainischen Medien heißt es, die „Terroristen der vorübergehend besetzten Gebiete“ hätten die drei Kämpfer „verurteilt“. Nach dem internationalen Recht seien Ausländer Gefangene, das Töten von Gefangenen sei ein Kriegsverbrechen. Der ukrainische Generalstab habe erklärt, alle ausländischen Kämpfer seien Kombattanten, also Teil der Streitkräfte. Deswegen seien sie durch die Genfer Konventionen geschützt. Überdies habe das Gericht keine Rechtskraft.

Die Frage ist, ob die ausländischen Kämpfer als Söldner gelten können oder nicht. Söldner fallen nicht unter den völkerrechtlichen Schutz als Kriegsgefangene, aber die drei Verurteilten waren Soldaten in Einheiten der staatlichen Streitkräfte und unterlagen dem Kommando. Daher müssten sie als Kriegsgefangene behandelt werden. Die Todesstrafe wurde aber nicht ausgesprochen, weil sie Söldner waren, sondern weil sie angeblich Handlungen ausgeführt haben, die auf eine gewaltsame Machtergreifung ausgerichtet waren, oder terroristische Aktivitäten begangen haben sollen.

Der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums Oleg Nikolenko bezeichnete die Urteile als wertlos. Solche öffentlich geführten Prozesse würden Propaganda über Recht und Moral stellen. Alle Ausländer, die in den Streitkräften integriert sind, hätten den rechtlichen Status von Kombattanten. Man werde sich weiterhin bemühen, alle Gefangenen frei zu bekommen.

Die britische Regierung mit dem angeschlagenen Ministerpräsidenten Boris Johnson, der sich als besonders großer Unterstützer von Kiew gibt und auf eine militärische Lösung setzt, wird mit dem Urteil unter Druck geraten, sich für die beiden britischen Staatsbürger einzusetzen, was nur bedeuten kann, einen Deal zu machen. Johnson hatte die Briten schon aufgerufen, dass die steigende Lebenshaltungskosten kein Grund sein dürfen, die Unterstützung der Ukraine einzustellen. Das sei moralisch abscheulich. Die britische Regierung sagt seltsamerweise, man arbeite mit den ukrainischen Behörden an der Freilassung der Gefangenen. Wie das wohl gehen soll?

Ansonsten sei man „tief besorgt“, Kriegsgefangene dürften nicht „für politische Zwecke ausgebeutet“ werden. Es sei bekannt, dass Kriegsgefangene die „Immunität von Kombattanten“ genießen und nicht wegen der Teilnahme an Feindseligkeiten verfolgt werden dürfen. Das müsste dann auch für die Ukraine zutreffen, die eben dies bei russischen Kriegsgefangenen macht.

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10 Kommentare

  1. Um mal ein paar Sachen zu sortieren:

    Zitat „Für die Situation der russischen Kriegsgefangenen in der Ukraine wird das Urteil bedeuten, dass sie auch verstärkt mit harten Strafen rechnen müssen“. Kriegsgefangene zu bestrafen, ist ein Kriegsverbrechen. Bestraft werden Verbrechen, aber Soldaten unterstehen einem Befehlsnotstand. Abgesehen davon: Die Ukraine foltert und erschießt Gefangene. Viel härter geht IMO nicht.

    Bezüglich der „ausländischen Soldaten“, dass sind schlicht irreguläre Kämpfer. Solche Kämpfer zu erschießen, entspricht dem Völkergewohnheitsrecht. Auch wenn es im ersten Moment perfide klingt, soll diese Regel den Krieg eindämmen und weniger blutiger machen. Der Unterschied zwischen Ausländern und Inländern ist, dass diese Ausländer andere, über den eigentlichen Kriegsgrund hinaus gehende Motivationen haben.

  2. Die Unsicherheiten, die in diesen wahnsinnigen Zeiten nicht nur Herrn Rötzer plagen äußern sich nach meinen Beobachtungen auch an Kleinigkeiten wie Anführungszeichen. Man verwendet diese kleinen niedlichen Strichlein gerne dann, wenn man sich seiner Sache nicht sicher ist oder man sich gar von etwas distanzieren möchte. Im o. g. Artikel finden diese Strichlein Anwendung bei „Volksrepublik Donezk“. Nicht bei der Ukraine. Müsste man dieses verwahrloste Land (damit meine ich nicht pauschal dessen Bürger!) insbesondere nach dem Putsch nicht auch mit diesen Strichlein versehen? In einem früheren Artikel schreibt Herr Rötzer vom Kosovo. Ja vom Kosovo – nicht vom „Kosovo“. Nur 115 von 193 UN-Mitgliedstaaten haben diesen Staat (oder was immer es sein soll) bis heute anerkannt. Müssten diese Anführungszeichen nicht auch bei der „Bundesrepublik Deutschland“ Verwendung finden? Ein Land dessen politisches Personal (= unsere Repräsentanten?) gegen eigene Interessen zugunsten der Interessen des weltgrößten Schulhofschlägers agiert (Hochverrat?) und sich im 24/7-Takt von einem Nazi-Versteher (auch so ein Schauspieler – er spielt die Rolle eines Botschafters) aufs übelste beleidigen lässt. Vielleicht sollte man umgekehrt vorgehen: Welches Land kommt ohne Anführungszeichen aus? Vorschläge sind ausdrücklich erwünscht…..

  3. Propaganda? Die Ersten die am Verurteilen waren, waren die Ukrainer. Wer sich so beeilt, der provoziert die Frage , ob alles wirklich rechtens war. Söldner abschrecken finde ich richtig (!!!), weil es ja anscheinend genug Hirnlose weltweit gibt, die aus Mordlust in andere Länder ziehen, ohne politische Hintergründe zu erfragen.
    Alles hat seinen Preis, das wissen die Briten bestimmt auch. Vielleicht fällt ihnen auch eine Gegenleistung ein, möglich.

  4. „Wer Anderen nach dem Leben trachtet, hat es selbst nicht verdient“ – Das ist die einzige konsequente Maxime.
    Wer nicht danach handelt, hat es nicht verdient, sich als Mensch zu bezeichnen.

    Der alte Grundsatz „Auge um Auge“ macht schließlich nur blind, und „Zahn um Zahn“ macht nur die Zahnbürste arbeitslos. – Solche Gelüste sind absolut kontraproduktiv.

    Es gibt wirklich nachhaltigere Methoden einen schweren Kriegsverbrecher zu bestrafen, denn wenn man ihn tötet, ist er nur tot, und er könnte der Gegenseite sogar noch als Märtyrer sehr nützlich sein – wäre doch doof, oder?

  5. @Eckart

    „„Wer Anderen nach dem Leben trachtet, hat es selbst nicht verdient“ – Das ist die einzige konsequente Maxime.
    Wer nicht danach handelt, hat es nicht verdient, sich als Mensch zu bezeichnen.“

    Ist das Satire? Sind Sie ein Mensch? Oder ein Tier, eine Pflanze?

    1. @ Max
      Ein Unmensch bin ich jedenfalls nicht, wie z.B. sogenannte Soldaten, die Andere erschießen , obgleich sie die gar nicht kennen, aber zum Vorteil von Gesocks, dass sich zwar kennt, aber nicht gegenseitig erschießt.

      Selbst Satire setzt gewisse Denkfähigkeit voraus. Weil Denken aber Schwerstarbeit ist, scheuen sich Einige davor.

      1. @ Eckart
        „sogenannte Soldaten, die Andere erschießen, obgleich sie die gar nicht kennen, aber zum Vorteil von Gesocks, dass sich zwar kennt, aber nicht gegenseitig erschießt.“
        Das ist sensationell formuliert, Eckart! So lassen sich alle (!) Kriege kurz und knapp treffend beschreiben. Aufgabe „unserer Repräsentanten“ ist Diplomatie und nichts anderes. Wo war am Beispiel der Ukraine ernsthafte Diplomatie? Der Schlüssel zur Entspannung lag in „Minsk II“. „Das Gesocks“ hetzt nun einmal mehr durch Hass und Feindbildaufbau die Bürger gegenseitig auf. Die „Qualitätsmedien“ machen als Dienstleister des Gesocks erstklassige Arbeit. Das hat Tradition….
        „Das Gesocks“ in eine abgeschlossene Kammer und abwarten. Wenn nötig: Jahre abwarten! Auch deutsche „Diplomaten“ müssen dort zwingend mit rein. Ja, auch deutsche Diplomaten (!) waren an der Aushandlung von „Minsk II“ und vorher von „Minsk I“ beteiligt. Durch die Weigerung / Gleichgültigkeit / Faulheit, diese Abkommen zu überwachen und den nötigen Druck zur Umsetzung aufzubauen, wurden auch diese deutschen Diplomaten (!) zum Gesocks (!). Rein in die Kammer!

  6. Boris Johnson sollte die Redewendung „moralisch abscheulich“ tunlichst vermeiden, denn die treffen insbesondere auf den Kriegstreiber Johnson selbst zu.
    Darüber hinaus hält er seit Jahren zur Freude seiner Spießgesellen in Washington Julian Assange gefangen. Auch dies ist „moralisch abscheulich“!
    Ebenso ist es „moralisch abscheulich“ die eigenen Ortskräfte in Afghanistan in tödlicher Gefahr zurück gelassen zu haben oder die saudische Luftwaffe mit Kriegsmaterial zu beliefern, womit diese die „größte humanitäre Katastrophe“ der Gegenwart in Gang setzten.

    1. „Moral“? „moralisch“? Wo bitte finden solche Begriffe heute noch Anwendung?? Wenn es um knallharte, geopolitische Interessen geht?

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