Spanischer Journalist wird seit zwei Wochen in polnischem Hochsicherheitsgefängnis mit Kontaktsperre festgehalten

Pablo Gonzalez auf einem Selfie

 

Gespräch mit Ralf Streck über den spanischen Journalisten Pablo Gonzalez, der in Polen, als er über die Flüchtlingssituation an der Grenze in Rzeszow berichtete, festgenommen wurde und als russischer Spion gilt. Obgleich Polen massiv damit Grundrechte verletzt, wird das offenbar in der EU toleriert und von den Medien außerhalb von Spanien kaum wahrgenommen.

 

Wir wollen heute über den spanischen Journalisten Pablo Gonzalez sprechen, der schon vor dem Krieg in die Ukraine gereist war und jetzt seit mehr als zwei Wochen in Polen im Hochsicherheitsgefängnis mit Kontaktsperre unter dem Verdacht eingesperrt ist, ein russischer Spion zu sein.

Ralf Streck: Gonzalez  ist eigentlich immer unterwegs. Er ist ja in Russland geboren und kennt sich in der Gegend aus, hat auch immer mal wieder im Donbass recherchiert und war dann auch vor dem Krieg wieder dort.

Und das ist nicht förderlich …

Ralf Streck: Wahrscheinlich nicht. Anscheinend haben Leute gewisse Probleme damit, wenn jemand fach- und ortskundig ist, er die Kultur kennt, weil er in Russland geboren wurde, und dann in Gebieten recherchiert, die No-go-Area zu sein scheinen und in denen zwischen 10.000 und 15.000 Zivilisten in den letzten acht Jahren umgekommen sind. Das darf man ja nicht berichten, weil man dann sofort russlandfreundlich wird. Und das hat er halt getan.

Man darf wohl gar nicht ohne Genehmigung von der Ukraine in die „Volksrepubliken“ oder auf die Krim reisen. Auch Ukrainer bekommen Schwierigkeiten. Pablo Gonzalez ist ja zuerst in Kiew unter Spionageverdacht festgenommen worden.

Ralf Streck: Das war am 5. Februar. Er ist zum Geheimdienst bestellt worden und wurde dort verhört, weil man ihm vorgeworfen hat, er sei ein russischer Spion. Ein Kollege von ihm vermutet, dass es mit einer Fernsehübertragung zu tun hat, da er sich dabei vor eine ukrainische Einheit gestellt hat, wie das die Fernsehreporter gerne machen. Die stellen sich so hin, dass man im Hintergrund irgendetwas sieht. Das scheint der Auslöser gewesen zu sein, sagt der Kollege von ihm. In Kiew wurde das nicht besonders ausgewalzt, er kam nach vier Stunden Verhör wieder frei und ist zunächst weiterhin  in der Ukraine geblieben.

Allerdings hat dann der spanische Geheimdienst, Gonzalez lebt im Baskenland, seine Freunde und seine Freundin vernommen. Da wurde wieder der Vorwurf geäußert, er sei ein russischer Spion. Gonzalez arbeitet für die verschiedensten Medien, ist ein Freelancer, macht Fernsehreportagen für den bekannten Fernsehsender La Sexta und  schreibt zum Beispiel für Onlinemedien wie Publico oder für die baskische Tageszeitung Gara. Der spanische Geheimdienst sagte dann, dass Gara angeblich ein Medium der ETA sei, also der Separatistenorganisation im Baskenland, die es ja schon seit vielen Jahren nicht mehr gibt, und behauptet, dass diese Tageszeitung aus Russland finanziert wird. Das ist hanebüchen. Die Zeitung stand immer wieder vor dem Bankrott, sie wurde unter dem Verdacht der ETA-Mitgliedschaft schon einmal  illegal geschlossen, wie sich dann später herausgestellt hat, weil man keinerlei Verbindung zur ETA nachweisen konnte. Man hat aber die Sozialversicherungsbeiträge, die über Jahre angefallen sind und nicht bezahlt wurden, während die Zeitung geschlossen war, dieser aufgebrummt. Die 5 Millionen Euro wurden mit Spendenkampagnen und Mitgliederwerbung aufgebracht. Wenn  eine Zeitung in ihrer Finanzierung transparent ist, dann ist es Gara. Das ist also alles nur Blödsinn.

Pablo Gonzalez hat sich natürlich gedacht, als die Befragungen in Spanien erfolgt sind, dass da etwas weiter läuft. Weil er die Lage in der Ukraine kennt und weiß, dass man sich wegen der faschistoiden oder Nazi-Milizen seines Lebens nicht sicher sein kann, hat er erst mal die Seite gewechselt und ist nach Polen gegangen. Als der Krieg begann, hat er über die Flüchtlingsströme berichtet.

In Polen wurde er am 28. Februar auf einmal im Grenzgebiet  verhaftet, wieder unter dem dubiosen Vorwurf, er sei russischer Spion. Er hat dort täglich seine Fernsehreportagen gemacht und von den Flüchtlingen berichtet. Nach seiner Verhaftung erfuhr man tagelang überhaupt nichts. Das ist auch immer noch so nach mehr als zwei Wochen Kontaktsperre. Weder sein Anwalt aus Madrid noch seine Familie haben Kontakt zu ihm. Tagelang wurde er an einem unbekannten Ort vernommen. Das kennt man im Baskenland. Wenn Menschen in Kontaktsperre vernommen werden, dann werden sie gerne auch einmal misshandelt. Das ist scheinbar nicht passiert, so weit man dem spanischen Konsulat glauben kann, das mittlerweile Kontakt zu ihm gehabt haben will. Nach ihm soll es Gonzalez einigermaßen gut gehen.

Der spanische Anwalt aus Madrid, Gonzalo Boye, der bekannt ist, weil er auch der Anwalt von Carles Puigdemont, des katalanischen Exilpräsidenten ist, hat dafür gesorgt, dass keiner der katalonischen Politiker im Exil nach Spanien ausgeliefert werden konnte. Er ist gut, er kennt sich aus und hat sich auch eingesetzt, dass Journalistenverbände um den Fall kümmern, sodass sich mittlerweile auch der Europarat bei Polen erkundigt hat, was dem Mann vorgeworfen wird. Boye weist darauf hin, dass Polen ein EU-Mitgliedsstaat ist und es eine Grundrechtecharta gibt. Früher hat man Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil die polnische Justiz alles andere als neutral ist. Das kann man jetzt auch wieder sehen. Es kann einfach nicht sein, dass jemand und noch weniger sicher ein Journalist, der seiner Arbeit nachgegangen ist, einfach für vier Tage verschwindet und jetzt seit über zwei Wochen keinerlei Kontakt zu seinem Anwalt hat.

Mir hat Gonzalo Boye mitgeteilt, dass Gonzalez nun, wahrscheinlich weil sich der Europarat sich eingeschaltet hat, auf einmal eine Pflichtverteidigerin zugeteilt wurde. Allerdings sagt Boy, dass er mit den Kontaktdaten, die er über die über das spanische Konsulat von der Verteidigerin erhalten hat, niemand erreicht. Das wirkt so, als würden die Polen weiterhin versuchen, auf Zeit zu spielen. Gonzalez sitzt jetzt in einem Hochsicherheitsgefängnis. Das erinnert an unseren Kollegen Julian Assange, der in Großbritannien im Hochsicherheitsgefängnis ohne weiteren Kontakt eingesperrt ist.

Und was sagt das spanische Konsulat?

Ralf Streck: Anscheinend hat es die Vertretung übernommen. Aber der spanische Geheimdienst ist in die Geschichte auch verwickelt. Mittlerweile hat die Verteidigungsministerin Margarita Robles bestätigt, dass auch in Spanien schon gegen Pablo Gonzales ermittelt wurde. Aber auch hier bleibt unklar, was ihm vorgeworfen wird. Boye, also sein spanischer Anwalt aus Madrid, fordert, mit seinem Mandanten sprechen zu können und die Beweise zu sehen, da er ja die Verteidigung vorbereiten müsse. Es gibt bisher nur durchgesickerte Hinweise.

Es wird unter anderem davon gesprochen, was als Beweis für seine Agententätigkeit ausgelegt wird, dass er zwei Pässe hat. Der Mann hat aber einfach zwei Staatsangehörigkeiten. Sein Opa war damals im spanischen Bürgerkrieg Kind und wurde wie viele andere Kinder aus dem Baskenland herausgeholt und in fremde Länder geschickt, also nach Indien, in die Niederlande, nach Belgien und eben auch in die Sowjetunion. Da ist der Opa gelandet, deswegen wurde Pablo Gonzales in Moskau geboren, deswegen kann der auch Russisch und hat einen russischen Pass auf den Namen Pavel Alexevich Rubtsov. Und dann hat er eben auch noch den spanischen Pass, in dem  Pablo Gonzalez steht. Da ist überhaupt nichts Merkwürdiges dran. Aber auf diesem Konstrukt, dass er zwei Pässe mit unterschiedlichen Namen baut, wird der Verdacht aufgebaut, dass es gefälschte Pässen sind. Das klingt nach einem Agenten, der mit gefälschten Pässen unterwegs ist. Alles völliger Blödsinn.

Der polnische öffentlich rechtliche Fernsehsender hat noch gestern berichtet, dass sich Pablo Gonzalez nur als Journalist ausgegeben habe. Er hat seinen Master in Journalismus vor zwölf Jahren gemacht und ist seitdem als Journalist tätig. Es ist das einfachste der Welt, mit einer Googlesuche von zwei Sekunden festzustellen, dass dieser Mann seit vielen Jahren für die diversesten Medien in Spanien arbeitet. Und dann werden trotzdem solche Unterstellungen verbreitet, dass er sich nur als Journalist ausgegeben habe. Wobei sogar eine offizielle Stellungnahme der polnischen Regierung mittlerweile etwas anderes sagt. Er sei schon Journalist, heißt es jetzt, habe aber seine journalistische Tätigkeit genutzt, um sich in Europa zu bewegen – Zitat – „eingeschlossen Gebiete mit bewaffneten Konflikten“. Das deutet darauf hin, dass man es nicht schätzt, dass er sich auch im Donbass darum gekümmert hat, was dort die letzten acht Jahre passiert ist. Er kann das auch ohne Übersetzer kann, weswegen er besser recherchieren kann. Der Mann ist auch bekannt für vernünftige Arbeit. Die ganze Geschichte ist einfach unglaublich.

Haben sich denn die Journalisten-Vereinigungen schon öffentlich eingeschaltet?

Ralf Streck: Ja, praktisch alle …

Reporter ohne Grenzen zum Beispiel?

Ralf Streck: Ja, auch Reporter ohne Grenzen, obwohl die nicht in Verdacht stehen, dass sie russlandfreundlich wären. Man sagt ihnen ja nach, dass sie vom US-Innenministerium zumindest zu Beginn finanziert wurden. Auch die große amerikanische Journalisten-Organisation CPJ (Komitee zum Schutz von Journalisten) haben sich für ihn eingesetzt und sich an den Europarat gewandt. Deswegen hat dieser wiederum Druck gemacht. Also von der Seite ist alles klar. Reporter ohne Grenzen fordert auch seine Freilassung, wenn keine klaren Beweise für diese schwere Anschuldigung vorgelegt werden. Darauf stehen zehn Jahre Knast. Das ist ein klarer Fall, wo man sagen muss,  solange keine Beweise vorgelegt werden, gilt für den Mann die Unschuldsvermutung und muss er seiner Arbeit als Journalist weiter nachgehen können. Es ist eine klare Einschränkung der Pressefreiheit und nichts anderes.

Auch aus der Vorgeschichte kann man nur vermuten, dass da absolut nichts dran ist, weil Gonzales schon vor sechs Jahren auf einer dubiosen Liste mit angeblichen prorussischen Meinungsmachern auftauchte, die sich unter den Dokumenten der von der Open Society Organisation veröffentlichten CSE Leaks befand. Unter den 49 Namen auf dieser Liste tauchte er auf. Wenn man seine Artikel etwa in Publico liest, wo einige zusammengestellt wurden, dann hat er teilweise sehr Russland- und Putin-kritisch berichtet. Hinter der Zusammenstellung dieser Liste steht auch keine vernünftige Recherche. Da wird einfach mal gesucht, wer eine differenzierte Berichterstattung  macht und sich nicht ganz vom Mainstream leiten lässt. Und wenn man dann auch noch den Makel an sich hat, dass man an die Quelle geht und in den Donbass zum Beispiel fährt, um über die Verwicklungen zwischen der Nato und den den Nazi -Milizen wie Asow berichtet, dann wird das offensichtlich nicht sehr gerne gesehen.

Man kann das ja auch an deinem Fall sehen. Du wurdest schon in Nato-Berichten als angeblicher Informationswäscher für prorussische Propaganda genannt.

Auch bei mir war deren Recherche hundsmiserabel. Es wird irgendwas zusammengeklaubt, um jemand zu beschuldigen. Aber es ist natürlich noch mal was anderes, jemand ins Gefängnis zu stecken.

Ralf Streck: Naja, das sind vielleicht schon die Vorbereitungen. Gonzalez tauchte 2016  auf der Liste mit dem Vorwurf auf, dass er angeblich prorussisch ist. Sechs Jahre später, in einem ganz anderen Zusammenhang, wird ihm das zum Verhängnis. Mann, du sitzt jetzt halt in München. Man weiß ja nicht, was passieren würde, wenn du nach Polen fahren würdest. Vielleicht würdest du auch aus dem Verkehr gezogen, wenn du auch differenzierter berichten würdest und nicht einfach die vorgestanzten Meinungen überniübernimmst. Wenn man allein schon mal darüber nachdenkt, wie es überhaupt zu diesem Krieg kam, wird man in Deutschland schon zum Putinversteher. Oder wenn man Olaf Scholz hinterfragt, der sagte, das sei der erste Krieg seit 1945. Leiden alle an Amnesie und haben nicht mitgekriegt, dass wir selbst einen völkerrechtswidrigen Krieg  gegen Jugoslawien geführt haben?

Kann man denn irgendwas praktisch machen? Gonzalez sitzt fest, aber in einem Gefängnis in einem EU-Land. Großbritannien, wo Julian Assange auch in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt, ist durch den Brexit schon ausgeschieden. Aber Polen ist dann doch noch mal ein anderes Spiel. Wie läuft es weiter?

Ralf Streck: In unseren Qualitätsmedien wird über diesen Fall entweder nichts oder geballter Unfug berichtet, wie dies der Spiegel gemacht hat, der nur die Version des polnischen Geheimdienstes wiedergekäut, auch die Vorwürfe mit den falsche Pässen, ohne dies auch einmal zu hinterfragen. Zudem gibt es heir die Vorverurteilung, dass er sich nur als Journalist ausgegeben hat. Man merkt, dieser Spiegel-Journalist hat kein bisschen recherchiert, er hat einfach nur einen Bericht oder eine Pressmitteilung des Innenministeriums oder die darauf basierende Darstellung in polnischen Medien ein bisschen umgestaltet und dann rausgehauen. Man müsste vielmehr die Pressefreiheit verteidigen und dafür sorgen, dass entweder der Mann sofort vor einen Richter kommt und der Anwalt eine Möglichkeit hat, alles einzusehen, oder dass er sofort freigelassen wird, wenn dies nicht erfolgt. Es müsste öffentlicher Druck aufgebaut werden, und das erste, was man tun kann, ist erst einmal darüber zu berichten.

Wird denn in Spanien darüber berichtet?

Ralf Streck: In Spanien wird relativ viel darüber berichtet, weil es um jemanden geht, der für den Sender La Sexta, der relativ viel gesehen wird, und für andere spanische Medien arbeitet.

Auch über die Rolle des spanisches Geheimdienstes?

Ralf Streck: Ja, aber bei den größeren Medien wenig. Die Onlinezeitung Publico, die auch relativ viel gelesen wird, setzt sich sehr stark für ihn ein. Auch die baskische Zeitung stellt sich schützend vor ihren Mitarbeiter. Aber das Interessante ist, dass wirklich darüber hinaus sehr wenig passiert, weil das würde natürlich das Bild verzerren. So wurde ganz groß berichtet, was ja auch richtig ist, dass die russische Journalistin, die sich mit einem Antikriegsplakat in die Livesendung gestellt hat, verhaftet wurde. Aber die ist mittlerweile mit einer Strafzahlung von 250 US-Dollar wieder freigelassen worden. Aber dass der Mann jetzt seit mehr als zwei Wochen zunächst an einem unbekannten Ort und mittlerweile in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt, ohne dass man wüsste, was ihm eigentlich konkret vorgeworfen wird, und dass die Verteidigerrechte ausgehebelt werden, das ist keine Nachricht wert.

Mittlerweile fangen sie in Polen auch schon an, gegen den Anwalt zu schießen. Es wird auf die Verbindungen mit den Katalanen hingewiesen, er ist ja der Anwalt von Puigdemont und das sind ja auch diese bösen Separatisten.

Das Gespräch wurde am 17. März geführt.

https://www.youtube.com/watch?v=MHxb9nf__BU

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